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Geliebter Bruder! Deine beiden Briefe vom 8ten und 13ten sind gleich nach einander angekommen, so daß ich nun, nachdem ich mich wenigstens etwas dazu gefaßt und gesammelt habe, beyde zugleich beantworten will.– Deine Eröffnung hat mich mit der tiefsten Bekümmerniß erfüllt und innerlich erschüttert; denn so arg hatte ich es mir doch nicht gedacht, obwohl manches was Du mir in dem letzten Beysammenseyn sagtest, noch mehr aber das was ich in glaublich ist, so weit gehen sollte, so wäre doch auch das Glück und die Blüthe ihres Lebens für immer getrübt und zerstört.– Mein Rath kann nach reifer Ueberlegung nicht anders als sehr einfach seyn. Das erste ist, daß ein solches Mißverhältniß durchaus nur persönlich gehoben und geschlichtet werden kann. O könnte ich doch nur Deinem Wunsche entsprechen, und wollte sich doch nur eine Möglichkeit zeigen, daß ich zugleich [2] mit Dir dort seyn könnte. Ich denke doch, ich würde viel auf gegenseitigem beßerm Verständniß und liebevoller Klarheit einiges mitwirken. Eines kann ich Dir jedoch nicht verschweigen; ich glaube Du irrst Dich darin, wenn Du glaubst, daß die Aufhetzungen der Mutter auch ganz bey Seite gesetzt, in Sophieens Seele selbst gar nichts vorhanden und seit Eurer Verbindung entstanden sey, was <für> die Harmonie störend ist, oder als so wirkend empfunden wird. Ich sah das zu deutlich den Tag, da ich in Heidelberg war; ich sah es mit Schmerz und wie gern wäre ich noch geblieben, aber was ließ sich hoffen in einem oder doch in wenigen Tagen wirken zu können, bey einer so viel verschlungenen Verwirrung der ersten und innersten Verhältniße. Auch fühlte ich mich denn wieder durch den Drang meiner eignen Lage weiter getrieben, das Herz war auch mir schwer, und in der Nähe von leidenschaftliche Beleidigung oder Verletzung verzeihen die Weiber leicht, aber diesen kalten, hofmeisternden Ton können sie selten leiden; es ist das wahre Mittel, sich ihr Herz zu entfremden. Und glaube nur nicht, daß zärtliche Liebkosungen und die Fülle der feurigen Umarmung dieses im innersten Grunde des Herzens ganz wegnehmen und völlig heilen können, wenn sie es auch zu desto größerer Täuschung auf eine Zeitlang verdecken und vergeßen machen.– Gern gebe ich Dir zu, daß es der Gipfel des Unverstandes seyn würde, wenn eine junge Frau nach einer Heirath von ein paar Wochen, durch einige Deiner Manieren, die ihr nun einmal als vornehme Verwöhnung, [4] vielleicht als <Aeußerung der> Eitelkeit und Selbstsucht, oder was das schlimmste von allem ist, als Herzenskälte erscheinen, sich von einem Manne wollte abwendig machen laßen, <von> Deinen Eigenschaften, Deinem Werthe und der Liebenswürdigkeit, die sie doch vor der Verbindung recht gut erkannt hat, von einem Manne endlich, den sie selbst gewählt und so wohl gekannt hat, und dem sie so das Jawort gegeben hatte. Ich bin auch überzeugt, daß ohne die Aufhetzungen der Mutter, dieser Schatten von Mißvergnügen in der Seele Deiner Frau leicht zu zerstreuen seyn würde; Du würdest es, in ungestörtem Beysammenseyn, leicht entdeckt und Dein Betragen gegen sie danach verändert haben; oder auch sie hätte sich wohl gesammelt und den Muth gefaßt, sich auf eine sanfte und edle Art allem dem entgegenzustellen, was sie an Dir beklemmt und von Dir entfremdet. Und so glaube ich denn, daß in Ihrem Briefe vom 10ten Nov. doch auch Wahrheit ist, d.h. einiges, was in ihr selbst wurzelt, und nicht bloß von den [5] Aufhetzungen der Mutter <herrührt>, wenn gleich es durch diese erst eigentlich schlimm und giftig wird. Als ich Abschied von ihr nahm, schien sie sehr gerührt und ich war es auch; das Herz schien ihr recht voll und beklemmt zu seyn, und ich hätte, wer weiß was darum gegeben, nicht so forteilen zu müßen.– Das ist also nun mein erster und wesentlichster Rath, daß Du nicht <bloß> die Mutter als den einzigen Gegenstand betrachten sollst, den Du zu bekämpfen hast, sondern auch auf Sophieen selbst denken, deren Herz Du ja doch besitzest, und Dir es leicht erhalten oder wieder gewinnen kannst, wenn Du mit <der> ganzen Kraft Deiner Liebe alles das wegnimmst, was diesen Schatten von Mißtrauen oder Mißbehagen in ihrer Seele erzeugen konnte.– Außerdem ist mein Rath, behandle alles so schonend, so milde, so nachgebend als nur immer möglich, selbst die alberne Weisheit ihr solltest Du nur bloß zärtliche Briefe schreiben, als ob sich alles das von selbst verstünde, und wenn ja mit Vorwürfen über das verzögerte Wiedersehen, doch nur mit sehr leisen und schonenden. Durchaus nicht angemeßen und gefährlich scheint es mir, ihr eine schriftliche, definitive Erklärung abzufordern; denn hätte sie sie einmal in einem Sinne, der nicht der rechte wäre, gegeben; so wäre es, wie ich Euer aller Charakter kenne, schwer wieder gut zu machen. Ueberhaupt kann diese ganze Sache, besonders aber das Verhältniß zwischen Dir und ihr durchaus [7] nur persönlich abgemacht und entschieden <werden>. Und auch dafür würde ich mir die gehörige Zeit laßen, mich so recht als ob es gar nicht anders seyn könnte, im Hause festsetzen und wieder einleben, bis ich dann meiner Sache wenigstens bey Sophieen gewiß wäre, und würde wo irgend möglich, selbst die Mutter zu versöhnen suchen. Daß alle Rechte der Welt zu Deinen Gunsten entscheiden, daß ist freylich gewiß, aber darauf würde ich am wenigsten bauen: denn durch gerichtliche Proceduren kann man doch einmal das Glück des Lebens und der Liebe nicht gründen.– Vermeide also alles, und laß lieber alles fallen, was Euch nur exasperirt, wie die Sache mit dem Forte-Piano. Es kömmt <ja> doch alles auf das Persönliche an, und führt jenes empfindliche Briefschreiben zu nichts, als nur die Galle zu vermehren.– Wenn es sich nun, wie ich hoffe, zur Versöhnung neigt, so opfre lieber einiges von Deinen Lebensgewohnheiten, wenn sie Sophieens Herz von Dir entfernen, auf; in der Folge findet sich das ja doch alles. Laß ihr doch in der äußeren Lebenseinrichtung, außer wo es Dein Beruf [8] wirklich und wesentlich erheischt, ganz ihren freyen Willen. Es ist das sicherste und erste Mittel, mit einer Frau glücklich zu seyn; wobey man immer am besten fährt.– Mich wundert übrigens, daß Du zu dem Ueberbringer des besonderen Briefs nicht <noch> lieber wieder über alle die andren Sachen, über die Universität dort, und auch über meine Lage hier, in der freylich noch gar nichts weiter sich entschieden oder entwickelt hat.– Nun noch ein Rath, lieber Bruder; in solchen Verwirrungen des Lebens, wo ein Riß durch die innerste Seele geschieht, wendet man sich am besten zur Quelle, und sucht Hülfe, Kraft und Licht im Gebet.– Möchte Gott beydes, Licht und Ruhe, Milde und Sanftmuth in Euer Herz geben, Dir und Sophieen; und auch der Mutter, in ihrem leidenschaftlich verwildertem Unglück Trost und beßeren Rath und Entschluß.– Ich umarme Dich von ganzem Herzen.
Friedrich.