[1]
Geliebter Freund und Bruder ich hätte dir schon auf deinen Brief geantwortet, wenn er nicht gerade Mittwoch vorleztern angekommen wäre, wo ich dann Natürlich wegen des Festes nicht gleich antworten konnte. Ich hätte es freilich lieber gesehn wenn [au] v[on] St.[aël]
Doch ist solches sehr schwer, ich habe auch deshalb nach
– Was mich mehr als billig vom Fleiße hatt abgehalten, ist die Geldverlegenheit, in der wir uns von Zeit zu Zeit befunden haben, da ich durch das vielreisen [wird] ihm weder von disen noch von unseren Geldangelegenheiten etwas zu sagen denn wenn er erführe das wir im Besitz einer so grossen Summe wären, würde es uns wenig Gewinn bringen, sondern mit tausend Plänen, zu Reisen und dergleichen könnte es nur kommen, das ohne Genuß daran zu haben, Kno[r]ring um ein Bedeutendes Aermer geworden wäre, denn er macht nur eigennützige Plane für sich.
Verzeihe mir und nimm es nicht übel, das ich so von meinem Bruder spreche und bedenke das ich auch dich als meinen Bruder zehle, aber mich empört sein Betragen, selbst krank auf den Todt muste meine Schwester in
Da kaum konnte er dort wieder ausgehn, als er heimlich einen Abend fortlief während ich da war, um von neuem eine zu besuchen. Du weist das er zurükkehren wollte, und nur mit hieher gereist ist, um sich herzustellen, da er also nicht auf unsre Bitte, sondern der Gast meiner Schwester hir ist, sollte er sich auch als solcher betragen, aber nichts weniger sucht er nur auf jede Art meine Schwester zu kränken. Er will sie durchaus überreden sie meine Schwester thue
Er sagt ihr nur in Zibingen könne er glüklich sein, und sei er nur glüklich gewesen, dabei fodert er das ganze Haus für sich und seine Bedienung, schmählt die Domestike und macht beständigen Zank indem er immerfort Rüksicht fodert daß er noch krank sei, welches er aber niemahls ist wenn es ihm gefällt irgend eine dumme Geselschaft zu besuchen, sondern nur dann wenn der Wein und das Essen bei Tisch ihm nicht gut genug sind, der Bediente nicht hurtig genug jede Stunde bereit, und ehe das er es einmal gefodert ihn zu bedienen, und tausend ähnliche Gelegenheiten, die ihn aber so unausstehlich im Hause, als in den Gesellschaften andrer Liebenswürdig machen. Aus allen diesen Gründen mag er gehn. Seine [r]ring sehr empfindlich gemacht hatt, dessen Geduld Du kennst, [3] sondern auch an vielem hinderlich. Als wir hieher kamen war [sie] Endlich zwang das es ihm übergeben würde abzuschreiben, Ehe er dis aber anfing ließ er es zwei Monathe liegen und nachher brauchte er neue 4 Monathe um 2 Gesänge durchzusehn und abzuschreiben, fand nun so viele Fehler der Construktion, so viles ohne Sinn, prosaisch, und schlechte Verse, kurtz gab auf alle Art zu verstehn es sei schlecht und mache mehr Mühe es durchzusehn als ganz neu zu schreiben, versicherte aber immer es sei ganz Göttlich und herrlich, Endlich ohngleichen 6 Wochen vor Ostern rikt er damit heraus es sei nun doch zu spät zu Ostern gedrukt zu werden, und ob die Schwester nicht noch manche kleinere Zusätze machen wollte, kurtz that alles um es zurükzugeben, wie meine Schwester es längst schon gewünscht und wir alle.
Die Absicht scheint mir sichtbar an den Tag zu bringen, das er es nie anders gewollt als nur machen das meine Schwester nicht sollte eher etwas aus dem altdeutschen herausgegebenes Druken lassen als er, damit er der Gelehrte ist der zuerst die Welt damit beglükt, und die Schwester nur immer als Sekredair, und in seinem Abglanz erscheinen soll. Eben so weis er in jeder Rüksicht die Schwester zu benutzen. Als wir kurtze Zeit hir waren sprach er viel mit meiner Schwester über ein Buch, welches Sie in Briefen an einander gerichtet schreiben wollte, welches ihre Ideen über Geschichte, Poesie, Musik, kurtz Kunst überhaupt enthalten sollte, und trieb immer meine Schwester sollte nur anfangen. Zugleich sollte mit Kno[r]ring in gemeinschaft ein Buch über die hisigen Manuscripte, welches unter Kno[r]rings Namen gedrukt werden sollte, geschrieben werden, wozu der Plan sehr schön gemacht ward, über den Zusammenhang diser Gedichte untereinander, ihr alter ihre wahrscheinliche entstehung, hierüber wurden wie über die vorigen nur Gesprochen um meiner Schwester Ideen über alles das zu hören, und zu lernen, und dise Absicht zeigte sich sehr deutlich als er es endlich dahin gebracht daß meine Schwester den ersten Brief des ersten Buches geschrieben, den lobte er fand aber er sei zu pathetisch zu brillant geschrieben, mann würde ihn etwas überarbeiten müssen, wozu freilich sie sich nicht verstehen wollte, und hir kamm es nur sehr deutlich daß auch hir meine Schwester nur ihm hatt zur Folie dienen sollen, denn wenn [4] daß ganze fertig wäre hatte er es übergehn, ausstreichen und zusetzen wollen, Er hatt nun die Antwort geschriben, doch will ich dir gelegentlich einmahl disen Brief der Schwester in Abschrift schiken, ob wenn alles was darin angegeben ausgeführt es nicht ein vortrefliches Buch geben würde. Zugleich hatt er aber auch den Plan des andern Buchs fallen lassen und denkt gar nicht mehr daran, sondern spricht als von einem alten Plan ein Buch was er schreiben will, über alles dis. Meine Schwester und Kno[r]ring sollen ihre Beurtheilungen und Nachrichten über die Gedichte, nebst abschriften von stellen machen, eben so will er es von andrer Art machen, und trägt uns nun oft als das was diß Buch enthalten soll, meiner Schwester Ideen über die Gedichte vor, als die seinige tief ergründende Weisheit, was wir uns schon recht aus den Gesprächen vor einigen Monathen erinnern. So wie er es mit Flore und Blantscheflur wird er es mit jedem machen, wo er durch die Trägheit, das viele sprechen, als ob er es bei seinen eignen Sachen so genau nehme der Schwester alle Lust nimmt, so das sie wirklich seit wir hier sind wohl viel Italienisch gelernt hatt, aber sonst nicht viel gethan.
– Er selbst hatt nun auch gar keinen Eifer abzureisen stellt sich aber bei [er] Schwester die er so hart beleidigt hatt, so grosses Unrecht thut, noch immer so beleidigen läßt, Zwar sagt er uns nichts davon was man ihm schreibt, als nur gut gemeinten Winck zu weilen, aber eben dadurch merkt man es zu deutlich. Ja er stellt sich immer fort noch [dar] das seine Edelmüthige Aufopf[er]ung gegen die Schwester geprisen wird, das er sich von ihren Kleidern ernähre und in seiner Krankheit Plagen läßt, das ist für mich zu tadeln. So viel haben wir von neuen erfahren das mann nicht mit ihm Leben kann. [p]iegelt, um ihn zurück zu haben, und weiter nichts.
– Doch genug davon, ich wollte Du wärst hier denn in einer Stunde läßt sich sprechend mehr deutlich machen als durch zehn Briefen. Sollte er dich besuchen, lasse ihn von diser meiner Stimmung gegen ihn nichts merken, denn es ist meine Stimmung, mit meiner Schwester spreche ich nie darüber, aber desto bittrer empfinde ich es für mich selbst, das er da so viele Leiden meiner Schwester gemacht hatt, nun neue Kränkungen auf sie häuft, statt sie von alten zu heilen zu streben.
[5] Deine Elegie hatt uns hier viel Freude gemacht, und gefällt mehr jemehr man sie liest. Humboldt hatte anfangs gegen alles viel einzuwenden, und um zu beweisen das man eine viel bessere machen könnte, hatt er eine gemacht und zwar in 8 zeiligen Stanzen, aber nicht in 11 silbigen Jamben, sondern in 9–10 silbigen Trochäischen Versen, aber gestellt, wie Ottave rime, welch einen sonderbar närrischen Effekt diese Notabene diese Herren sich noch nicht die Mühe gegeben anzusehen.
Am meisten in Zorn war aber [au] v[on] St[aël] abzuhohlen und habest gar nichts angesehen, noch bis jezt kann diser grosse Mann es nicht vergessen, und spricht noch immer von diser Ungerechtigkeit, das er nicht ganz vortrefflich sein soll, Zu seinem Unglük hatt der arme [6] Shik einige ähnliche Sachen über Reinhart gesagt, und nun muß er es sein der dir es eingegeben hatt. Ja selbst die Künstler schieben es ihm in die Schuhe, was du von Reinhart und manchen andern gesagt, denn meinen sie sehr Weise, wer nicht selbst Künstler ist kann unmöglich so viel vom Mechanischen der Kunst verstehn. Du siehst wie es in der Welt steht und mit was für Gewürm man zu thun hatt. Doch glaube ich das Koch dein Aufsatz nützlich sein wird. Seit einiger Zeit geth es disem sehr wohl, er hatt von mancherlei Orten her viel Geld zusammen bekommen, und ist in Bangen um eine Pension eingekommen, die ihm als einem Tiroler gewiß wird gegeben werden, und wozu dein Aufsatz villeicht auch etwas beiträgt.
– So stehn die Sachen und würden mich noch viel mehr amüsiren, wenn wir schon allen unsren Bedürfnissen abgeholffen sähen, Es ist freilich nur noch um einige Monathe zu thun, doch hoffe ich daß uns deine Freundschaft und Hülffe wird dise erleichtern helfen. Und wenn wir im künftigen Winter ordentlich eingerichtet sind und du kämst dann her, wie wollen wir uns miteinander freuen, und dann will ich dir auch noch mehr Zeichnungen in deiner Gegenwart machen. Jezt sinne ich sehr darauf eine oder ein paar zur Ausstellung in
Die schönsten grüsse, von der Schwester und Kno[r]ring, und dem Bruder.
Dein Bruder Fr.[iedrich] Tieck.