• August Wilhelm von Schlegel to Luise von Voss

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Unknown · Date: 26.10.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Luise von Voss
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 26.10.1807
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 212‒213.
  • Incipit: „Coppet d. 26 Oct. 1807
    Haben Sie Dank, tausendmal Dank, meine gnädige Gräfin, für Ihren theuren Brief, der mich bis zu Thränen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv
  • Classification Number: GSA 5/33
    Language
  • German
Coppet d. 26 Oct. 1807
Haben Sie Dank, tausendmal Dank, meine gnädige Gräfin, für Ihren theuren Brief, der mich bis zu Thränen gerührt hat. Welch ein Adel, in jedem Sinne des Wortes, bewährt sich in Ihren Gesinnungen! O gewiß, unser Unglück wäre noch nicht unabhelflich, wenn es allgemein so gefühlt würde. Aber wenn auch nur in Wenigen der Funke des besseren Bewußtseyns sich lebendig erhält, so wird schon die Zeit kommen, ihn aus der Asche zu wecken, und zur Flamme anzufachen. Wie sehr verlangt mich darnach, einmal mit Ihnen und Ihrem Gemahl über alles seitdem erlebte, über alle Besorgnisse, Hoffnungen und Wünsche aus vollem Herzen zu sprechen. Vielleicht komme ich im nächsten Frühjahr nach dem Norden von Deutschland. Für jetzt werden wir in wenigen Wochen nach Wien abgehen. Beschlossen ist es wenigstens, aber ich habe mich gewöhnt auf nichts mehr zu rechnen. Es ist als ob der Boden überall unter einem einbräche, und jedesmal daß man ein Land besucht, muß man sich sagen, man werde es vielleicht in seiner eignen unverletzten Gestalt nicht wieder sehen können. Ich hatte dieses Gefühl, als ich im August einen großen Theil der deutschen Schweiz, wenigstens ihren eigentlichen Kern, großentheils zu Fuß durchwanderte. Der Felsenboden, worauf diese Burgveste der Freyheit stand, ist untergraben, sie droht augenblicklichen Einsturz, aber noch labt sich das Auge an den herrlichen Thürmen und Zinnen. Ich habe im Sinne über diese Reise und meine früheren durch Italien und Frankreich etwas zu geben, Umrisse werde ich es nennen, es soll nicht eine Reisebeschreibung sein, sondern nur eine Einkleidung, um meine Gesinnungen mittelbar zu äußern.
Ich lege Ihnen hier einige Gedichte bey, die vielleicht alle in diesen Umrissen Platz finden dürften, und deren Mittheilung an Freunde ich gern Ihrem Gutdünken überlasse, nur daß sie nicht etwa ohne mein Vorwissen gedruckt werden.
Hr. Hauptmann von Clausewitz, Adjutant des Prinzen August, an dem ich hier eine sehr schätzbare Bekanntschaft gemacht habe, hat die Gefälligkeit diesen Brief nach Berlin mitzunehmen, und schmeichelt sich mit der Hoffnung, ihn persönlich Ihnen einhändigen zu können. Vielleicht habe ich noch die Zeit ihm eine Abschrift von einem andern bloß für das engste Vertrauen bestimmten Gedicht für Sie mitzugeben.
Ist Ihnen nicht eine Sammlung mit der Aufschrift Dichtergarten, herausgegeben von Rostorf, zu Gesicht gekommen? Sie werden darin viele Sachen von meinem Bruder finden, die Ihnen gewiß Freude machen.
Seine Bestrebungen wie die meinigen sind jetzt ganz auf das gerichtet, was irgend den National-Geist anregen kann; auf Darstellung, durch Geschichte und Poesie, des alten Ruhmes, der bald in Gefahr ist, für fabelhaft gehalten zu werden.
Sagen Sie mir doch, wie es eigentlich mit Johannes Müller steht? Ich habe über sein Betragen zweydeutig reden hören, und es thut wehe, wenn Menschen, die für das Höchste und Beste Begeisterung bewiesen haben, durch Schwäche des Charakters abtrünnig werden.
Haben Sie die Güte, wenn Sie Wolf sehen, ihm meine Verehrung zu bezeugen. Auf die Anfrage wegen des Buches über die Deutsche Literatur überlasse ich Frau v. St.[aël] selbst zu antworten. Ich fürchte es ist noch im weiten Felde.
Es ist mir ein angenehmes Geschäft, Mlle. Mendelsohn Ihr freundliches Andenken zu bestellen. Sie lebt immer in Paris im Hause eines Banquier Fould. Sie wohnt sich aber in Frankreich nicht ein, ich fand sie selten heiter, wiewohl sie in ihren Verhältnissen viel Achtung genießt.
Was macht denn der wackre Buri? Ist er noch in Berlin? Ich habe viel an ihn gedacht in diesen Zeiten, die für Künstler besonders schlimm sind.
Leben Sie recht wohl, meine gnädige Gräfin, und erfreuen Sie mich bald wieder durch einen Brief. Darf ich um meine ehrerbietige Empfehlungen an Ihre Frau Mutter und Ihren Herrn Gemahl bitten?
Ihr gehorsamster
A. W. Schlegel
Wollten Sie gefälligst nur hierher addressiren?
Coppet d. 26 Oct. 1807
Haben Sie Dank, tausendmal Dank, meine gnädige Gräfin, für Ihren theuren Brief, der mich bis zu Thränen gerührt hat. Welch ein Adel, in jedem Sinne des Wortes, bewährt sich in Ihren Gesinnungen! O gewiß, unser Unglück wäre noch nicht unabhelflich, wenn es allgemein so gefühlt würde. Aber wenn auch nur in Wenigen der Funke des besseren Bewußtseyns sich lebendig erhält, so wird schon die Zeit kommen, ihn aus der Asche zu wecken, und zur Flamme anzufachen. Wie sehr verlangt mich darnach, einmal mit Ihnen und Ihrem Gemahl über alles seitdem erlebte, über alle Besorgnisse, Hoffnungen und Wünsche aus vollem Herzen zu sprechen. Vielleicht komme ich im nächsten Frühjahr nach dem Norden von Deutschland. Für jetzt werden wir in wenigen Wochen nach Wien abgehen. Beschlossen ist es wenigstens, aber ich habe mich gewöhnt auf nichts mehr zu rechnen. Es ist als ob der Boden überall unter einem einbräche, und jedesmal daß man ein Land besucht, muß man sich sagen, man werde es vielleicht in seiner eignen unverletzten Gestalt nicht wieder sehen können. Ich hatte dieses Gefühl, als ich im August einen großen Theil der deutschen Schweiz, wenigstens ihren eigentlichen Kern, großentheils zu Fuß durchwanderte. Der Felsenboden, worauf diese Burgveste der Freyheit stand, ist untergraben, sie droht augenblicklichen Einsturz, aber noch labt sich das Auge an den herrlichen Thürmen und Zinnen. Ich habe im Sinne über diese Reise und meine früheren durch Italien und Frankreich etwas zu geben, Umrisse werde ich es nennen, es soll nicht eine Reisebeschreibung sein, sondern nur eine Einkleidung, um meine Gesinnungen mittelbar zu äußern.
Ich lege Ihnen hier einige Gedichte bey, die vielleicht alle in diesen Umrissen Platz finden dürften, und deren Mittheilung an Freunde ich gern Ihrem Gutdünken überlasse, nur daß sie nicht etwa ohne mein Vorwissen gedruckt werden.
Hr. Hauptmann von Clausewitz, Adjutant des Prinzen August, an dem ich hier eine sehr schätzbare Bekanntschaft gemacht habe, hat die Gefälligkeit diesen Brief nach Berlin mitzunehmen, und schmeichelt sich mit der Hoffnung, ihn persönlich Ihnen einhändigen zu können. Vielleicht habe ich noch die Zeit ihm eine Abschrift von einem andern bloß für das engste Vertrauen bestimmten Gedicht für Sie mitzugeben.
Ist Ihnen nicht eine Sammlung mit der Aufschrift Dichtergarten, herausgegeben von Rostorf, zu Gesicht gekommen? Sie werden darin viele Sachen von meinem Bruder finden, die Ihnen gewiß Freude machen.
Seine Bestrebungen wie die meinigen sind jetzt ganz auf das gerichtet, was irgend den National-Geist anregen kann; auf Darstellung, durch Geschichte und Poesie, des alten Ruhmes, der bald in Gefahr ist, für fabelhaft gehalten zu werden.
Sagen Sie mir doch, wie es eigentlich mit Johannes Müller steht? Ich habe über sein Betragen zweydeutig reden hören, und es thut wehe, wenn Menschen, die für das Höchste und Beste Begeisterung bewiesen haben, durch Schwäche des Charakters abtrünnig werden.
Haben Sie die Güte, wenn Sie Wolf sehen, ihm meine Verehrung zu bezeugen. Auf die Anfrage wegen des Buches über die Deutsche Literatur überlasse ich Frau v. St.[aël] selbst zu antworten. Ich fürchte es ist noch im weiten Felde.
Es ist mir ein angenehmes Geschäft, Mlle. Mendelsohn Ihr freundliches Andenken zu bestellen. Sie lebt immer in Paris im Hause eines Banquier Fould. Sie wohnt sich aber in Frankreich nicht ein, ich fand sie selten heiter, wiewohl sie in ihren Verhältnissen viel Achtung genießt.
Was macht denn der wackre Buri? Ist er noch in Berlin? Ich habe viel an ihn gedacht in diesen Zeiten, die für Künstler besonders schlimm sind.
Leben Sie recht wohl, meine gnädige Gräfin, und erfreuen Sie mich bald wieder durch einen Brief. Darf ich um meine ehrerbietige Empfehlungen an Ihre Frau Mutter und Ihren Herrn Gemahl bitten?
Ihr gehorsamster
A. W. Schlegel
Wollten Sie gefälligst nur hierher addressiren?
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