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Dezember 1810. <br>Ich bin hier heil und gesund angekommen. Diese Reise ist wirklich das Gefahrloseste, was man unternehmen kann. Ein paar Stöße im Wagen sind das Schlimmste, was einem da geschehen kann. Bitte, verehrte Freundin, hören Sie deshalb auf, sich wegen einer so kurzen Abwesenheit Gedanken zu machen und in Zukunft lassen Sie mich immer bei Ihnen.<br>Ich habe zunächst Herrn Meister besucht, der sehr zuvorkommend gegen mich war. Er hat große Lust, während Ihrer Anwesenheit in Lausanne nach dorthin zu kommen, und ich möchte ihn auch dazu bestimmen, aber er fürchtet die schlechte Jahreszeit und die furchtbaren Wege. Er wird Ihnen bestimmt selber in diesen Tagen schreiben.<br>Herrn von Wattenwyl konnte ich noch nicht sprechen, obwohl ich dreimal an seiner Tür war und die Schildwachen, die die Ehrenbezeugungen vor dem Hause erweisen, die Gewehre präsentierten, so oft ich ein und aus ging. <br>Ich kam gerade an einem Sonntag an, an dem Einsegnung war. Morgen ist großer Festtag. Auch heute nachmittag ist Predigt. Daher trifft man kaum einen Menschen zu Hause.<br>Der alte Herr Freudenreich ist gichtkrank; ich sprach seinen Sohn, der mich sehr freundlich empfing; seine Frau ist noch immer ebenso krank wie in Genf.<br>Herr Zeerleder schien mir in der Angelegenheit Bazin durchaus im Bilde zu sein, und ich glaube, er wird Ihnen hierüber einen Brief schreiben, der Ihnen befriedigende Auskunft gibt. Allerdings behauptet er, es gäbe viele strittige Punkte, über die Gerichtsentscheidungen abgewartet werden müßten. Man schlägt den Verlust für die Berner auf 430000 Franken an. <br>Sie wissen sicher schon von dem Bankrott Nicolles, den mir Herr Meister als allererste Neuigkeit bei meiner Ankunft mitteilte; ich bin ganz erstaunt, daß Sie davon nicht schon vor meiner Abreise gewußt haben sollen. Man beziffert ihn auf 900000 Franken und glaubt, daß er eine ganze Menge anderer Verleger ruinieren wird. Der Schlag, der ihn durch den Verlust Ihres Buches getroffen hat, kann also nur wenig dazu beigetragen haben. Doch ich glaube, daß der enorme Absatz, den er durch Ihr Buch gehabt hätte, seinen Kredit vielleicht gehoben haben würde. So ist denn nun auch mein Vertrag, den ich zu Gunsten von Herrn von Chamisso mit ihm geschlossen habe, zum Teufel.<br>Wie Sie sich denken können, wurde ich viel nach Ihrem Buch gefragt. Eine Dame sagte mir, sie hoffe, es zu lesen; man habe ihr versprochen, ihr ein Exemplar zu geben, das hierher kommen würde. Natürlich geriet ich hierüber sogleich in große Aufregung und fragte sie aus, aber es stellte sich heraus, daß es nur grundloses Gerede und leeres Gerücht war. Übrigens sagte man mir, daß dieses Mitglied des diplomatischen Korps, das ich noch nicht kenne, und wahrscheinlich nie zu sehn bekommen werde, sich über die Angelegenheit in sehr liberalem Sinne ausgesprochen habe.<br>Frau Harms ist hier mit ihrem Mann. Sie ist erheblich korpulenter geworden. Da es zwölf Jahre her sind, daß ich sie das letzte Mal sah, so hätte ich sie kaum wiedererkannt. Später fand ich mich dann in ihren Zügen zurecht; ein gewisser schlauer Blick funkelt über dieser schweren Masse. Sie ist in der Unterhaltung immer noch lebhaft und hat mir sogar viele literarische Neuigkeiten aus Deutschland berichtet. Ich werde sie während meiner Anwesenheit hier oft besuchen. Ich glaube, ich muß bis Sonnabend hierbleiben, wenn ich mich auch nur ein wenig in dieser Stadt zurechtfinden will. Die Empfehlungsbriefe von Miß Randall habe ich noch nicht abgeben können; ich bin ihr für sie sehr dankbar, denn sie vermitteln mir angenehme Bekanntschaften.<br>Legen Sie mich dem kleinen himmlischen Engelchen Albertine zu Füßen; aber sagen Sie ihr, daß es nicht genügt, ein Engelchen zu sein: man muß auch in der lateinischen Grammatik Bescheid wissen und ich rechne auf Fortschritte während meiner Abwesenheit. Sie soll beweisen, daß sie mich nicht nötig hat. Ich möchte Sie auch bitten, mich Ihren Herrn Söhnen zu empfehlen, aber ich glaube nicht, daß sie meine Abreise überhaupt bemerkt haben und meine Rückkehr auch nicht bemerken werden.<br>Alles, was ich an einigermaßen interessanten Ereignissen sammeln kann, werde ich Ihnen bei meiner Rückkehr erzählen. Leider aber habe ich in dieser Hinsicht nicht Ihr Talent.<br>Ich bin ganz stolz darauf, in einer sauberen, schön gebauten Stadt mit breiten Straßen und schönen Bogengängen spazierengehen zu können. Wir wohnen wirklich in einer häßlichen Baracke. Heute morgen war Markttag: dieses Schauspiel ist hier ebenso hübsch, wie es in den niedrigen Straßen Genfs scheußlich ist. Bäume mit vergoldeten Früchten, die zu Geschenken für die Kinder bestimmt sind, und auch ›Der Heilige Christ‹ genannt werden, erinnerten mich an meine Kindheit.<br>Ich bilde mir ein, mich hier zu amüsieren, aber im Grunde ist wirklich eine reizvolle Geselligkeit unmöglich, wenn man je mit Ihnen zusammen gewesen ist. Tausendmal Lebe wohl!' $isaprint = true $isnewtranslation = false $statemsg = 'betamsg15' $cittitle = '' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an Anne Louise Germaine de Staël-Holstein am 24.12.1810, Bern' $adressatort = 'Unknown' $absendeort = 'Bern <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/2004253-X">GND</a>' $date = '24.12.1810' $adressat = array( (int) 4677 => array( 'ID' => '4677', 'project' => '1', 'timecreate' => '2014-03-13 16:12:09', 'timelastchg' => '2018-01-11 18:49:00', 'key' => 'AWS-ap-00hn', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_gebdatum' => '1766-04-22', '39_toddatum' => '1817-07-14', '39_pdb' => 'GND', '39_dblink' => '', '39_name' => 'Staël-Holstein, Anne Louise Germaine de ', '39_namevar' => 'Necker, Anne Louise Germaine (Geburtsname)', '39_geschlecht' => 'w', '39_geburtsort' => array( 'ID' => '171', 'content' => 'Paris', 'bemerkung' => 'GND:4044660-8', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_sterbeort' => array( 'ID' => '171', 'content' => 'Paris', 'bemerkung' => 'GND:4044660-8', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_lebenwirken' => 'Schriftstellerin Germaine de Staël-Holstein war die Tochter des späteren französischen Finanzministers Jacques Necker und Suzanne Curchods. Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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Bern, den 24. Dezember 1810.
Ich bin hier heil und gesund angekommen. Diese Reise ist wirklich das Gefahrloseste, was man unternehmen kann. Ein paar Stöße im Wagen sind das Schlimmste, was einem da geschehen kann. Bitte, verehrte Freundin, hören Sie deshalb auf, sich wegen einer so kurzen Abwesenheit Gedanken zu machen und in Zukunft lassen Sie mich immer bei Ihnen.
Ich habe zunächst Herrn Meister besucht, der sehr zuvorkommend gegen mich war. Er hat große Lust, während Ihrer Anwesenheit in Lausanne nach dorthin zu kommen, und ich möchte ihn auch dazu bestimmen, aber er fürchtet die schlechte Jahreszeit und die furchtbaren Wege. Er wird Ihnen bestimmt selber in diesen Tagen schreiben.
Herrn von Wattenwyl konnte ich noch nicht sprechen, obwohl ich dreimal an seiner Tür war und die Schildwachen, die die Ehrenbezeugungen vor dem Hause erweisen, die Gewehre präsentierten, so oft ich ein und aus ging.
Ich kam gerade an einem Sonntag an, an dem Einsegnung war. Morgen ist großer Festtag. Auch heute nachmittag ist Predigt. Daher trifft man kaum einen Menschen zu Hause.
Der alte Herr Freudenreich ist gichtkrank; ich sprach seinen Sohn, der mich sehr freundlich empfing; seine Frau ist noch immer ebenso krank wie in Genf.
Herr Zeerleder schien mir in der Angelegenheit Bazin durchaus im Bilde zu sein, und ich glaube, er wird Ihnen hierüber einen Brief schreiben, der Ihnen befriedigende Auskunft gibt. Allerdings behauptet er, es gäbe viele strittige Punkte, über die Gerichtsentscheidungen abgewartet werden müßten. Man schlägt den Verlust für die Berner auf 430000 Franken an.
Sie wissen sicher schon von dem Bankrott Nicolles, den mir Herr Meister als allererste Neuigkeit bei meiner Ankunft mitteilte; ich bin ganz erstaunt, daß Sie davon nicht schon vor meiner Abreise gewußt haben sollen. Man beziffert ihn auf 900000 Franken und glaubt, daß er eine ganze Menge anderer Verleger ruinieren wird. Der Schlag, der ihn durch den Verlust Ihres Buches getroffen hat, kann also nur wenig dazu beigetragen haben. Doch ich glaube, daß der enorme Absatz, den er durch Ihr Buch gehabt hätte, seinen Kredit vielleicht gehoben haben würde. So ist denn nun auch mein Vertrag, den ich zu Gunsten von Herrn von Chamisso mit ihm geschlossen habe, zum Teufel.
Wie Sie sich denken können, wurde ich viel nach Ihrem Buch gefragt. Eine Dame sagte mir, sie hoffe, es zu lesen; man habe ihr versprochen, ihr ein Exemplar zu geben, das hierher kommen würde. Natürlich geriet ich hierüber sogleich in große Aufregung und fragte sie aus, aber es stellte sich heraus, daß es nur grundloses Gerede und leeres Gerücht war. Übrigens sagte man mir, daß dieses Mitglied des diplomatischen Korps, das ich noch nicht kenne, und wahrscheinlich nie zu sehn bekommen werde, sich über die Angelegenheit in sehr liberalem Sinne ausgesprochen habe.
Frau Harms ist hier mit ihrem Mann. Sie ist erheblich korpulenter geworden. Da es zwölf Jahre her sind, daß ich sie das letzte Mal sah, so hätte ich sie kaum wiedererkannt. Später fand ich mich dann in ihren Zügen zurecht; ein gewisser schlauer Blick funkelt über dieser schweren Masse. Sie ist in der Unterhaltung immer noch lebhaft und hat mir sogar viele literarische Neuigkeiten aus Deutschland berichtet. Ich werde sie während meiner Anwesenheit hier oft besuchen. Ich glaube, ich muß bis Sonnabend hierbleiben, wenn ich mich auch nur ein wenig in dieser Stadt zurechtfinden will. Die Empfehlungsbriefe von Miß Randall habe ich noch nicht abgeben können; ich bin ihr für sie sehr dankbar, denn sie vermitteln mir angenehme Bekanntschaften.
Legen Sie mich dem kleinen himmlischen Engelchen Albertine zu Füßen; aber sagen Sie ihr, daß es nicht genügt, ein Engelchen zu sein: man muß auch in der lateinischen Grammatik Bescheid wissen und ich rechne auf Fortschritte während meiner Abwesenheit. Sie soll beweisen, daß sie mich nicht nötig hat. Ich möchte Sie auch bitten, mich Ihren Herrn Söhnen zu empfehlen, aber ich glaube nicht, daß sie meine Abreise überhaupt bemerkt haben und meine Rückkehr auch nicht bemerken werden.
Alles, was ich an einigermaßen interessanten Ereignissen sammeln kann, werde ich Ihnen bei meiner Rückkehr erzählen. Leider aber habe ich in dieser Hinsicht nicht Ihr Talent.
Ich bin ganz stolz darauf, in einer sauberen, schön gebauten Stadt mit breiten Straßen und schönen Bogengängen spazierengehen zu können. Wir wohnen wirklich in einer häßlichen Baracke. Heute morgen war Markttag: dieses Schauspiel ist hier ebenso hübsch, wie es in den niedrigen Straßen Genfs scheußlich ist. Bäume mit vergoldeten Früchten, die zu Geschenken für die Kinder bestimmt sind, und auch ›Der Heilige Christ‹ genannt werden, erinnerten mich an meine Kindheit.
Ich bilde mir ein, mich hier zu amüsieren, aber im Grunde ist wirklich eine reizvolle Geselligkeit unmöglich, wenn man je mit Ihnen zusammen gewesen ist. Tausendmal Lebe wohl!
Ich bin hier heil und gesund angekommen. Diese Reise ist wirklich das Gefahrloseste, was man unternehmen kann. Ein paar Stöße im Wagen sind das Schlimmste, was einem da geschehen kann. Bitte, verehrte Freundin, hören Sie deshalb auf, sich wegen einer so kurzen Abwesenheit Gedanken zu machen und in Zukunft lassen Sie mich immer bei Ihnen.
Ich habe zunächst Herrn Meister besucht, der sehr zuvorkommend gegen mich war. Er hat große Lust, während Ihrer Anwesenheit in Lausanne nach dorthin zu kommen, und ich möchte ihn auch dazu bestimmen, aber er fürchtet die schlechte Jahreszeit und die furchtbaren Wege. Er wird Ihnen bestimmt selber in diesen Tagen schreiben.
Herrn von Wattenwyl konnte ich noch nicht sprechen, obwohl ich dreimal an seiner Tür war und die Schildwachen, die die Ehrenbezeugungen vor dem Hause erweisen, die Gewehre präsentierten, so oft ich ein und aus ging.
Ich kam gerade an einem Sonntag an, an dem Einsegnung war. Morgen ist großer Festtag. Auch heute nachmittag ist Predigt. Daher trifft man kaum einen Menschen zu Hause.
Der alte Herr Freudenreich ist gichtkrank; ich sprach seinen Sohn, der mich sehr freundlich empfing; seine Frau ist noch immer ebenso krank wie in Genf.
Herr Zeerleder schien mir in der Angelegenheit Bazin durchaus im Bilde zu sein, und ich glaube, er wird Ihnen hierüber einen Brief schreiben, der Ihnen befriedigende Auskunft gibt. Allerdings behauptet er, es gäbe viele strittige Punkte, über die Gerichtsentscheidungen abgewartet werden müßten. Man schlägt den Verlust für die Berner auf 430000 Franken an.
Sie wissen sicher schon von dem Bankrott Nicolles, den mir Herr Meister als allererste Neuigkeit bei meiner Ankunft mitteilte; ich bin ganz erstaunt, daß Sie davon nicht schon vor meiner Abreise gewußt haben sollen. Man beziffert ihn auf 900000 Franken und glaubt, daß er eine ganze Menge anderer Verleger ruinieren wird. Der Schlag, der ihn durch den Verlust Ihres Buches getroffen hat, kann also nur wenig dazu beigetragen haben. Doch ich glaube, daß der enorme Absatz, den er durch Ihr Buch gehabt hätte, seinen Kredit vielleicht gehoben haben würde. So ist denn nun auch mein Vertrag, den ich zu Gunsten von Herrn von Chamisso mit ihm geschlossen habe, zum Teufel.
Wie Sie sich denken können, wurde ich viel nach Ihrem Buch gefragt. Eine Dame sagte mir, sie hoffe, es zu lesen; man habe ihr versprochen, ihr ein Exemplar zu geben, das hierher kommen würde. Natürlich geriet ich hierüber sogleich in große Aufregung und fragte sie aus, aber es stellte sich heraus, daß es nur grundloses Gerede und leeres Gerücht war. Übrigens sagte man mir, daß dieses Mitglied des diplomatischen Korps, das ich noch nicht kenne, und wahrscheinlich nie zu sehn bekommen werde, sich über die Angelegenheit in sehr liberalem Sinne ausgesprochen habe.
Frau Harms ist hier mit ihrem Mann. Sie ist erheblich korpulenter geworden. Da es zwölf Jahre her sind, daß ich sie das letzte Mal sah, so hätte ich sie kaum wiedererkannt. Später fand ich mich dann in ihren Zügen zurecht; ein gewisser schlauer Blick funkelt über dieser schweren Masse. Sie ist in der Unterhaltung immer noch lebhaft und hat mir sogar viele literarische Neuigkeiten aus Deutschland berichtet. Ich werde sie während meiner Anwesenheit hier oft besuchen. Ich glaube, ich muß bis Sonnabend hierbleiben, wenn ich mich auch nur ein wenig in dieser Stadt zurechtfinden will. Die Empfehlungsbriefe von Miß Randall habe ich noch nicht abgeben können; ich bin ihr für sie sehr dankbar, denn sie vermitteln mir angenehme Bekanntschaften.
Legen Sie mich dem kleinen himmlischen Engelchen Albertine zu Füßen; aber sagen Sie ihr, daß es nicht genügt, ein Engelchen zu sein: man muß auch in der lateinischen Grammatik Bescheid wissen und ich rechne auf Fortschritte während meiner Abwesenheit. Sie soll beweisen, daß sie mich nicht nötig hat. Ich möchte Sie auch bitten, mich Ihren Herrn Söhnen zu empfehlen, aber ich glaube nicht, daß sie meine Abreise überhaupt bemerkt haben und meine Rückkehr auch nicht bemerken werden.
Alles, was ich an einigermaßen interessanten Ereignissen sammeln kann, werde ich Ihnen bei meiner Rückkehr erzählen. Leider aber habe ich in dieser Hinsicht nicht Ihr Talent.
Ich bin ganz stolz darauf, in einer sauberen, schön gebauten Stadt mit breiten Straßen und schönen Bogengängen spazierengehen zu können. Wir wohnen wirklich in einer häßlichen Baracke. Heute morgen war Markttag: dieses Schauspiel ist hier ebenso hübsch, wie es in den niedrigen Straßen Genfs scheußlich ist. Bäume mit vergoldeten Früchten, die zu Geschenken für die Kinder bestimmt sind, und auch ›Der Heilige Christ‹ genannt werden, erinnerten mich an meine Kindheit.
Ich bilde mir ein, mich hier zu amüsieren, aber im Grunde ist wirklich eine reizvolle Geselligkeit unmöglich, wenn man je mit Ihnen zusammen gewesen ist. Tausendmal Lebe wohl!
· Original , 24.12.1810