• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: 20.02.1812
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 20.02.1812
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 291–293.
  • Incipit: „[Donnerstag] Bern, den 20. Februar 1812
    Liebe Freundin! Ich bin hocherfreut, daß Sie mit den ärmlichen Bemerkungen über Camoëns, die ich [...]“
    Language
  • German
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[Donnerstag] Bern, den 20. Februar 1812
Liebe Freundin! Ich bin hocherfreut, daß Sie mit den ärmlichen Bemerkungen über Camoëns, die ich Ihnen wirklich in Ermangelung von etwas Besserem zusandte, nicht allzu unzufrieden gewesen sind. Das läßt mich hoffen, daß wir viel Freude daran haben werden, uns wieder über Literatur zu unterhalten. Nur werfen Sie mir mehr als jemals vor, ich vergrabe mich zu tief in die alten Zeiten und sei über die neuesten Geschehnisse nicht auf dem laufenden. Seit einiger Zeit lese ich garnichts mehr als alte Schwarten und Zeitungen – die beiden größten Gegensätze. Ich habe mich letzthin in einen Briefwechsel mit Herrn von Mulinen über Ereignisse der Schweizer Geschichte eingelassen.
Ich bitte Sie dringend, für Ihre Gesundheit in richtiger Weise zu sorgen. Sie ist doch schließlich die Grundlage für alles andere; und wenn man sich einige Zeit Unannehmlichkeiten und Vorsichtsmaßregeln unterwirft, so kommt man schneller voran. Ich hoffe, die Jahreszeit wird Ihren Landaufenthalt begünstigen – wenigstens macht hier der Frühling erhebliche Fortschritte. Der Schnee schmilzt, die Bäche sind ganz angeschwollen, und man kann bereits schöne Spaziergänge machen.
Ich hatte Ihnen einige Neuigkeiten mitzuteilen, aber sie sind seit Sonntag schon alt geworden. Sie werden aus der Schweizer Zeitung die militärische Besetzung von Schwedisch-Vorpommern durch die Fr[anzosen] erfahren haben. Ich kann dem nur einige Einzelheiten zufügen. Die Division Friand stand bis jetzt in Mecklenburg; plötzlich erhielt sie den Befehl, in Pommern einzurücken, aber sie wurde vorher noch in Mecklenburg durch die Division Compans ersetzt, die stärker als sie war. Das erzählte mir ein mecklenburgischer Adliger. Sie haben dann nicht nur das Festland besetzt, sondern sind auch auf die Insel Rügen hinübergegangen. Das scheint ein merkwürdiges Vorgehen gegen Schweden zu sein; indessen ich glaube, daß es sich hauptsächlich gegen Preußen richtet – umso mehr, als sie auch eine kleine Insel an der Odermündung – Usedom oder Wollin – sozusagen besetzt haben, wie mir ein Regierungsmitglied versicherte. Das versteht man erst richtig, wenn man sich die Karte ansieht. Sie besetzen noch die Festung Stettin, die nahe dabei liegt, und das Ganze bildet einen Keil [in das preußische Gebiet].
Was den Frieden mit der Türkei betrifft, so differieren meine Nachrichten von den Ihren. Hier wird behauptet, die Verhandlungen ständen nahe vor dem Abschluß. Im Norden wird der Krieg jetzt bestimmt bald ausbrechen. Die fr[anzösische] Regierung hat die Besetzung von Riga gefordert, um die Durchführung der Kontinentalsperre besser beobachten zu können. Man spricht hier von einem Regentschaftsrat unter dem Vorsitz von Berthier während der Abwesenheit des Kais[ers]. Alles dies verdanke ich der gleichen Quelle.
Beaumesnil Präfekt in Tortosa – das ist wirklich amüsant! Die Dummköpfe und Tröpfe sind also zum Regieren berufen? Bringt er seine hübsche Frau mit dorthin? Mit einem gewissen Vergnügen las ich in den Zeitungen, daß Herr Savoye Rollin wahrscheinlich seines Amtes enthoben werden wird.
Sie haben mit Ihren literarischen Ratschlägen völlig recht, aber einzelne Abhandlungen in Zeitschriften zu veröffentlichen, ist eine gute Methode, einen Literaturzweig, in dem man noch nichts veröffentlicht hat, sozusagen mit Beschlag zu belegen. So habe ich es im Hinblick auf die Geschichte unserer Dichtung in diesem Herbst und Winter gehalten. Ich höre, daß die, die darüber arbeiten, über die Stärke, mit der ich mich das erste Mal auf diesem Gebiet zeigte, erstaunt waren; – während einer ganzen Reihe von Jahren hatte ich mich darauf vorbereitet.
Sagen Sie doch Frau N[ecker von Saussure], ihre Übersetzung werde mir zeigen, wie ich gleich hätte schreiben müssen, und ich hätte Lust, ihre Übersetzung, wenn sie fertig sei, zurückzuübersetzen. Die Ansteckungsgefahr der verstaubten Sprache deutscher Schulen ist so groß, daß immer Spuren zurückbleiben, so sehr man sich auch bemüht, ganz einfach, ungebunden und gewandt sich auszudrücken. Die Vorsicht, die Sie mir für meine Briefe an sie vorschreiben, hat bei mir ein leises Lächeln hervorgerufen. Das wäre doch ein spaßiges Gespräch: ›Ich habe mit einer Dame ein Geheimnis, das ihre Familie, wenn es entdeckt würde, zur Verzweiflung bringen würde.‹ – ›Sie liebt Sie also?› – ›Nein, sie übersetzt mich.‹
Sagen Sie Favre, daß ich, wenn er auch noch so jung verheiratet ist und nicht aus seinen Flitterwochen herauskommt, doch bei meiner Rückkehr sein reiches Wissen in Anspruch nehmen werde.
Ich habe mich lebhaft für das Glück des Herrn O. d’Éclépens interessiert. Es ist schade, daß Albert gerade jetzt krank ist. Ich hoffe aber, es ist nichts Ernstes.
Leben Sie wohl, liebe Freundin. Der Tag, an dem ich Sie wiedersehe, wird ein Festtag für mich sein.
Bei Herrn Guyot habe ich zehn Louisdor abgehoben.
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[Donnerstag] Bern, den 20. Februar 1812
Liebe Freundin! Ich bin hocherfreut, daß Sie mit den ärmlichen Bemerkungen über Camoëns, die ich Ihnen wirklich in Ermangelung von etwas Besserem zusandte, nicht allzu unzufrieden gewesen sind. Das läßt mich hoffen, daß wir viel Freude daran haben werden, uns wieder über Literatur zu unterhalten. Nur werfen Sie mir mehr als jemals vor, ich vergrabe mich zu tief in die alten Zeiten und sei über die neuesten Geschehnisse nicht auf dem laufenden. Seit einiger Zeit lese ich garnichts mehr als alte Schwarten und Zeitungen – die beiden größten Gegensätze. Ich habe mich letzthin in einen Briefwechsel mit Herrn von Mulinen über Ereignisse der Schweizer Geschichte eingelassen.
Ich bitte Sie dringend, für Ihre Gesundheit in richtiger Weise zu sorgen. Sie ist doch schließlich die Grundlage für alles andere; und wenn man sich einige Zeit Unannehmlichkeiten und Vorsichtsmaßregeln unterwirft, so kommt man schneller voran. Ich hoffe, die Jahreszeit wird Ihren Landaufenthalt begünstigen – wenigstens macht hier der Frühling erhebliche Fortschritte. Der Schnee schmilzt, die Bäche sind ganz angeschwollen, und man kann bereits schöne Spaziergänge machen.
Ich hatte Ihnen einige Neuigkeiten mitzuteilen, aber sie sind seit Sonntag schon alt geworden. Sie werden aus der Schweizer Zeitung die militärische Besetzung von Schwedisch-Vorpommern durch die Fr[anzosen] erfahren haben. Ich kann dem nur einige Einzelheiten zufügen. Die Division Friand stand bis jetzt in Mecklenburg; plötzlich erhielt sie den Befehl, in Pommern einzurücken, aber sie wurde vorher noch in Mecklenburg durch die Division Compans ersetzt, die stärker als sie war. Das erzählte mir ein mecklenburgischer Adliger. Sie haben dann nicht nur das Festland besetzt, sondern sind auch auf die Insel Rügen hinübergegangen. Das scheint ein merkwürdiges Vorgehen gegen Schweden zu sein; indessen ich glaube, daß es sich hauptsächlich gegen Preußen richtet – umso mehr, als sie auch eine kleine Insel an der Odermündung – Usedom oder Wollin – sozusagen besetzt haben, wie mir ein Regierungsmitglied versicherte. Das versteht man erst richtig, wenn man sich die Karte ansieht. Sie besetzen noch die Festung Stettin, die nahe dabei liegt, und das Ganze bildet einen Keil [in das preußische Gebiet].
Was den Frieden mit der Türkei betrifft, so differieren meine Nachrichten von den Ihren. Hier wird behauptet, die Verhandlungen ständen nahe vor dem Abschluß. Im Norden wird der Krieg jetzt bestimmt bald ausbrechen. Die fr[anzösische] Regierung hat die Besetzung von Riga gefordert, um die Durchführung der Kontinentalsperre besser beobachten zu können. Man spricht hier von einem Regentschaftsrat unter dem Vorsitz von Berthier während der Abwesenheit des Kais[ers]. Alles dies verdanke ich der gleichen Quelle.
Beaumesnil Präfekt in Tortosa – das ist wirklich amüsant! Die Dummköpfe und Tröpfe sind also zum Regieren berufen? Bringt er seine hübsche Frau mit dorthin? Mit einem gewissen Vergnügen las ich in den Zeitungen, daß Herr Savoye Rollin wahrscheinlich seines Amtes enthoben werden wird.
Sie haben mit Ihren literarischen Ratschlägen völlig recht, aber einzelne Abhandlungen in Zeitschriften zu veröffentlichen, ist eine gute Methode, einen Literaturzweig, in dem man noch nichts veröffentlicht hat, sozusagen mit Beschlag zu belegen. So habe ich es im Hinblick auf die Geschichte unserer Dichtung in diesem Herbst und Winter gehalten. Ich höre, daß die, die darüber arbeiten, über die Stärke, mit der ich mich das erste Mal auf diesem Gebiet zeigte, erstaunt waren; – während einer ganzen Reihe von Jahren hatte ich mich darauf vorbereitet.
Sagen Sie doch Frau N[ecker von Saussure], ihre Übersetzung werde mir zeigen, wie ich gleich hätte schreiben müssen, und ich hätte Lust, ihre Übersetzung, wenn sie fertig sei, zurückzuübersetzen. Die Ansteckungsgefahr der verstaubten Sprache deutscher Schulen ist so groß, daß immer Spuren zurückbleiben, so sehr man sich auch bemüht, ganz einfach, ungebunden und gewandt sich auszudrücken. Die Vorsicht, die Sie mir für meine Briefe an sie vorschreiben, hat bei mir ein leises Lächeln hervorgerufen. Das wäre doch ein spaßiges Gespräch: ›Ich habe mit einer Dame ein Geheimnis, das ihre Familie, wenn es entdeckt würde, zur Verzweiflung bringen würde.‹ – ›Sie liebt Sie also?› – ›Nein, sie übersetzt mich.‹
Sagen Sie Favre, daß ich, wenn er auch noch so jung verheiratet ist und nicht aus seinen Flitterwochen herauskommt, doch bei meiner Rückkehr sein reiches Wissen in Anspruch nehmen werde.
Ich habe mich lebhaft für das Glück des Herrn O. d’Éclépens interessiert. Es ist schade, daß Albert gerade jetzt krank ist. Ich hoffe aber, es ist nichts Ernstes.
Leben Sie wohl, liebe Freundin. Der Tag, an dem ich Sie wiedersehe, wird ein Festtag für mich sein.
Bei Herrn Guyot habe ich zehn Louisdor abgehoben.
· Original , 20.02.1812
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