• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Bern · Place of Destination: Unknown · Date: 22.02.1812
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Bern
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 22.02.1812
  • Notations: Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 293–294.
  • Incipit: „[Sonnabend] Bern, den 22. Februar
    Liebe Freundin! Ungeduldig warte ich auf Nachrichten über Ihr Befinden und die Anordnungen, die Sie für [...]“
    Language
  • German
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[Sonnabend] Bern, den 22. Februar
Liebe Freundin! Ungeduldig warte ich auf Nachrichten über Ihr Befinden und die Anordnungen, die Sie für Ihren Landaufenthalt getroffen haben. Sie wissen sehr genau, wie ich mich freue, wieder bei Ihnen zu sein. In der vergangenen Woche war das Wetter so schön, daß man es als Frühlingsbeginn hätte nehmen können, wäre nicht doch die Rückkehr der Kälte zu befürchten.
Seit meinem letzten Brief habe ich wirklich nichts Neues in Erfahrung bringen können – es scheint, daß sich alles heimlich vollzieht; nichtsdestoweniger nehmen die Dinge ihren Lauf.
Ich glaube, Sie werden im Frühling zu Ihrer Erholung in irgendein Mineralbad gehen müssen.
August hat mir einen reizenden, dankerfüllten Brief geschrieben; er spricht darin dauernd von seinem Arbeitseifer. Ich muß genau überlegen, was ich antworte, um nicht mein geringes Wissen in dem Fach zu verraten, auf dem er arbeitet – oder ich muß es frisch-fröhlich zugestehen.
Ich wundere mich nicht darüber, daß Sim[onde] über Sie verärgert ist. Sie bringen ihn auf eine ganz besondere Art in Harnisch, und zum Schluß wird er wieder aufgebracht gegen mich werden, wenn in dieser Hinsicht überhaupt noch eine Entwicklung möglich ist.
Am Donnerstag hatte ich ganz vergessen, Ihnen von einem wirklich verrückten Schreiben Chamissos zu berichten, in dem er von mir im Namen von Frau Chézy Pariser Bibliotheksbücher zurückverlangt, die ich seit anderthalb Jahren bereits zurückgegeben habe, und ferner das Unreine ihrer Übersetzung, obgleich ich es ihr selber bis zum letzten Blatt wiedergegeben habe.
Er ist also noch immer da, weiß immer noch nichts mit sich anzufangen und drischt immer wieder dieselben Phrasen.
Sie haben mir während der ganzen Zeit meiner Abwesenheit nichts über Herrn von M[ontmorency] und Frau Réc[amier] geschrieben. Man fragt mich auch nach Ihrem Prozeß, und ich kann nichts darüber sagen. Wie geht es Herrn B[enjamin] C[onstant]? Wo ist er? Wird sein Werk endlich erscheinen? Mich erinnert er an einen Menschen hier, der von seinen Eltern ein Vermögen mitbekam; er wurde Künstler, aber er kam, wahrscheinlich aus Mangel an Talent oder Beharrlichkeit, niemals dazu, ein anständiges Ölbild zu malen. Er versucht jetzt, sich darüber hinwegzutäuschen, indem er sich einredet, er wolle sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben: er entwirft Kolossalgemälde und hat sich ein Haus mit einem Riesensaal als Atelier bauen lassen. Sein ganzes Leben geht nun damit hin, daß er Studien macht; das Haus ist da – es fehlt nur der Michelangelo, der endlich Hand ans Werk legt.
Leben Sie wohl, teure Freundin, auf Wiedersehen. – Am Sonntag muß ich immer allen meinen guten Willen zusammenraffen, um einen inhaltreichen Brief zu verfassen.
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[Sonnabend] Bern, den 22. Februar
Liebe Freundin! Ungeduldig warte ich auf Nachrichten über Ihr Befinden und die Anordnungen, die Sie für Ihren Landaufenthalt getroffen haben. Sie wissen sehr genau, wie ich mich freue, wieder bei Ihnen zu sein. In der vergangenen Woche war das Wetter so schön, daß man es als Frühlingsbeginn hätte nehmen können, wäre nicht doch die Rückkehr der Kälte zu befürchten.
Seit meinem letzten Brief habe ich wirklich nichts Neues in Erfahrung bringen können – es scheint, daß sich alles heimlich vollzieht; nichtsdestoweniger nehmen die Dinge ihren Lauf.
Ich glaube, Sie werden im Frühling zu Ihrer Erholung in irgendein Mineralbad gehen müssen.
August hat mir einen reizenden, dankerfüllten Brief geschrieben; er spricht darin dauernd von seinem Arbeitseifer. Ich muß genau überlegen, was ich antworte, um nicht mein geringes Wissen in dem Fach zu verraten, auf dem er arbeitet – oder ich muß es frisch-fröhlich zugestehen.
Ich wundere mich nicht darüber, daß Sim[onde] über Sie verärgert ist. Sie bringen ihn auf eine ganz besondere Art in Harnisch, und zum Schluß wird er wieder aufgebracht gegen mich werden, wenn in dieser Hinsicht überhaupt noch eine Entwicklung möglich ist.
Am Donnerstag hatte ich ganz vergessen, Ihnen von einem wirklich verrückten Schreiben Chamissos zu berichten, in dem er von mir im Namen von Frau Chézy Pariser Bibliotheksbücher zurückverlangt, die ich seit anderthalb Jahren bereits zurückgegeben habe, und ferner das Unreine ihrer Übersetzung, obgleich ich es ihr selber bis zum letzten Blatt wiedergegeben habe.
Er ist also noch immer da, weiß immer noch nichts mit sich anzufangen und drischt immer wieder dieselben Phrasen.
Sie haben mir während der ganzen Zeit meiner Abwesenheit nichts über Herrn von M[ontmorency] und Frau Réc[amier] geschrieben. Man fragt mich auch nach Ihrem Prozeß, und ich kann nichts darüber sagen. Wie geht es Herrn B[enjamin] C[onstant]? Wo ist er? Wird sein Werk endlich erscheinen? Mich erinnert er an einen Menschen hier, der von seinen Eltern ein Vermögen mitbekam; er wurde Künstler, aber er kam, wahrscheinlich aus Mangel an Talent oder Beharrlichkeit, niemals dazu, ein anständiges Ölbild zu malen. Er versucht jetzt, sich darüber hinwegzutäuschen, indem er sich einredet, er wolle sich nicht mit Kleinigkeiten abgeben: er entwirft Kolossalgemälde und hat sich ein Haus mit einem Riesensaal als Atelier bauen lassen. Sein ganzes Leben geht nun damit hin, daß er Studien macht; das Haus ist da – es fehlt nur der Michelangelo, der endlich Hand ans Werk legt.
Leben Sie wohl, teure Freundin, auf Wiedersehen. – Am Sonntag muß ich immer allen meinen guten Willen zusammenraffen, um einen inhaltreichen Brief zu verfassen.
· Original , 22.02.1812
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