Herzlich geliebter Bruder,
Wie soll ich Dir genug danken für alle die Beweise von Deiner fortdauernden Theilnahme und Freundschaft, die Du mir seither gegeben hast? Besonders da ich es so schlecht erwiedert und so wenig habe von mir hören lassen. Ich muß deshalb recht sehr auf Deine Nachsicht rechnen. Die Ursache war, daß ich am Ende des Winters und im Frühling in der That sehr verdrießlich und gestört, und mir es schlecht ging. Dabei war ich sehr fleißig, dieses lezte hat immer noch fortgedauert: Ich habe unausgesezt im Samskrit gearbeitet und nun schon einen recht festen Grund gewonnen. Ich habe nun wenigstens schon eine Hand hoch Mscrpt was ich mir copirt, liegen. Jezt bin ich bei dem 2ten Lexikon was ich mir copire. 3–4 Stunden Tags Samskrit geschrieben, oft noch 1 oder 2 Stunden es mit Hamilton wieder durchgearbeitet; und wenn ich dann Abends aufgelegt war, fand ich immer auch noch Arbeit von 2–3 Stunden genug; so ist mir bei den weiten Wegen hier kaum Zeit zu den nothbedürftigsten Geschäften geblieben u wie oft bin ich dabei noch durch andre Dinge gestört worden.
Deine Sendungen durch Scholz u die Schlabb. habʼ ich alle richtig erhalten, und danke herzlich. Die [2] an Wilmans gegebenen Bücher sind noch unterwegs.
Mit dem Calderone däucht mich hast Du Dir das schönste Lorbeerreiß verdient. Schönres Deutsch kann man nicht schreiben. Ganz vollkommen finde ich besonders die Decimen u Copl. die Romanzen könnten vielleicht bisweilen noch farbiger sein. – Daß Du aber den Ion in dem schändlichen französischen Charakter hast drucken lassen, betrübt mich sehr. Auch der Lacrymas ist nicht schön gedruckt. Das Verhältniß der Zeilen und Größe der Buchstaben u Seiten ist ganz unverhältnißmäßig. Sehr schön gedruckt ist die Kritik der Moral, und auch vortreflich geschrieben. Bernhardiʼs Buch scheint mir sehr interessant zu sein; bis jezt habʼ ich nur hier u da gelesen. Deine Anzeige davon ist sehr gut; doch nach meinem Sinne noch nicht populär genug.
Ich werde Deinem Beispiele folgen und heute vor allen Dingen von den Geschäften schreiben. Denn übrigens habʼ ich den festen Vorsatz Dir sehr fleißig zu schreiben, und damit wir uns gar nicht wegen der Ausdehnung zu geniren habʼ ichs mir bei der Preußischen [3] Gesandschaft ausgemacht Briefe mitgeben zu dürfen. – Vielleicht kannst Du es dort eben so machen.
Deine Vorlesungen habin mir über die Maaßen wohl gefallen; mehr als irgend etwas was ich noch in Prosa von Dir gelesen. Auch der Vortrag ist ganz so populär und der Ton so milde, als ich es für die Europa mir zum Ziel gesezt. Von Deiner Erlaubniß habʼ ich nur sehr wenig Gebrauch machen können; es sind nur einige zu specielle Erwähnungen weggestrichen, deren Gegenstände durch die bestimmte Nennung zu sehr geehrt worden wären Dadurch sind freilich einige sehr kostbare Einfälle weggefallen; aber ich hoffe sie sind uns nicht verlohren. Es ist mir bei dieser Veranlaßung wiederum recht deutlich geworden, welch trefliche Komödie Du müßtest schreiben können, bei einem etwas weitren oder auch poetischem Stoffe als in der Ehrenpforte. – Deinen Aufsatz zu theilen so dazu habʼ ich mich durchaus nicht entschließen [4] können; es wäre gar zu störend gewesen auch ist in ihm selbst Mannichfaltiches Das 3te Stück wird nun freilich etwas stark werden, und einen Aufsatz dazu von mir mußte ich ohnehin zurücklegen. Es traf sich nemlich sehr sonderbar – daß ich grade einen Aufsatz über das Zeitalter angefangen und beinah fertig geschrieben hatte; worin so vieles mit dem was Du darüber sagst so auffallend ähnlich ist, daß es durchaus nicht in demselben Stück stehen könnte – ja vielleicht wärʼ es besser, es nun gar nicht in die Europa zu geben, sondern in das Athenäum; denn da Du so viel Lus[t] hast es fortzusetzen, so bin ich auch mit ganzem Eifer dabei. Nur däucht mich wärʼ einige Aenderung in der äußern Form gut. Zuerst kann ich durchaus nicht billigen daß Du ein Stück allein machen willst, sondern wünsche und [5] verlange gleich wieder mit in Deiner Gesellschaft aufzutreten. Ueberhaupt da wir doch einmal aus den Zeitverhältnissen der Zeitschrift herausgetreten sind, wärʼ es nicht besser statt Stücken lieber gleich Bände zu geben, wenn auch nur von 18–20 Bogen, u dann lieber regelmäßig alle Jahr einen Band erscheinen zu lassen? Ich wäre sehr dafür; sollte dieß durch eine äußre kleine Veränderung bezeichnet werden – so laßʼ es nur Neues Athenäum nennen und soll dann das Format u Druck geändert werden, so nimm das von der Kritik der Moral, welches mir unvergleichlich gefällt. Ziehʼ Dir diese Vorschläge recht zu Herzen, und entscheide; so viel ist gewiß, zu den schnellren Mittheilungen u leichten Beiträgen wird die Europa, (die höchst wahrscheinlich wird von Bestand sein wird, da sich W. schon zu 2 Stücken über den Contract der nur auf die 4 ersten ging, hinaus erboten hat) brauchbarer sein wird; und Du hast sie ja eben so gut zu Deiner Disposition [6] Auch ist es doch eine Art Unverhältniß die Hefte so Jahre aus einander erscheinen zu lassen. Lassen wir das neue als den 4ten Band erscheinen, so wird jeder der nicht die 3 ersten schon besitzt, sich ihn zu kaufen scheuen, da die Auslage beträchtlich ist.
Ueberlege Dir das recht; vor allen Dingen aber sieh Dich mit Fröhlich vor. Ich habe noch einen kleinen Vorschuß auf die Lucinde von ihm; auf keinen Fall darf er dieses in die gemeinschaftliche Rechnung, ja eigentlich wär es wohl billig wenn er ihn auch mir auf das Athen. nicht anrechnete, da er doch bei dem kleinen Hon. an der Luc genug gewonnen hat. Hast Du wegen meiner Anfrage deshalb mit ihm gesprochen und Erkundigung eingezogen?
Was ich für das Athen. geben kann ist folgendes.
1) Meine physikal. Ideen. Das beste eigentlich was ich in meinen Papieren habe [7] So rein bearbeitet, daß ich sie in wenigen Tagen zum Druck so bereiten kann
2) Der angefangene Aufsatz über das Zeitalter, an den sich dann einer über den Idealismus u drittens über Encyclopädie anschließen sollte. Ich möchte sie aber eigentlich alle drei gern beisammen lassen u unter dem Titel Principien der Encyclopädie. Was dann freilich 8–10 Bogen geben würde. Die physikal Ideen würden nur etwa 3–4 Bogen höchstens geben. – Wenn ichs zeitig genug erfahre, kann ich aber auch nro 2 – zu Neujahr oder wenn es sonst verlangt wird sicher fertig machen.
Nun noch eine Angelegenheit oder vielmehr eine Klage, daß ich nicht eher von Deinem Taschenbuch erfahre, und besonders daß Du mich genauer davon unterrichtet hast. Ich möchte gar zu gern Antheil daran nehmen, und hätte Dir [8] wohl die Stanzen aus dem Persiles; einige Sonette von Michel Angelo oder sonst noch allerlei geschickt, aber ich weiß nun nicht was Du schon übersetzt hast oder noch brauchen kannst. Kömmt es zu Mich. so istʼs wohl überhaupt zu spät; kömmt e[s] aber erst zu Neujahr, so schreibe mir noch, was Du etwa noch von Uebersetzungen von mir brauchen könntest – etwa aus solchen Dichtern u Sammlungen die Du dort nicht zur Hand hast. Auch ob Du einige Gedichte von mir über Italienische Gemählde mit in diese Sammlung aufnehmen könntest. Hoffentlich wird Tieck Dir wenigstens seine Gedichte über Musiker gegeben haben. Es thut mir um so mehr leid, daß er sie zurückgenommen, da ich keine Abschrift davon behalten. – Den Gedanken dieses Taschenbuchs, sich auf eine bestimmte Sphäre der Poesie zu beschränken, finde ich vortreflich. In einigen Jahren [9] können wir nun vielleicht zusammen eine orientalische Sammlung geben. Sind denn Persische Mscrpte in Berlin? Sonst ist es doch gar nicht der Mühe werth, daß Du es dort anfängst. Denn alles was gedruckt ist, ist gar nicht der Mühe werth. In Wien ist der Ferdusi häufig; auch in Göttingen ist er, ja auch in Hannover. Es ist jezt ein junger Hannoveraner hier, der das Persische dort für sich erlernt u es wirklich sehr weit gebracht hat. Außerdem gehört er zu unsern Anhängern und Bewunderern, aber er ist der erste dieser Art der mir Freude macht. Er hat noch was rechts gelernt, und hat außerdem so jung er ist doch keine Art von Kinderkrankheiten an sich, weder die Richtern noch die Schillern; auch ist er was bei seinem Alter fast unglaublich scheint, [10] ohne allen Brentanismus.
Ganz besonders bewundert er den Lacrymas, der auch in der That sehr orientalisch duftet.
Könntest Du in das Taschenbuch etwa auch ein Gedicht von mir auf Camoëns aufnehmen? –
Die kleine Ausgabe des Cam. von Coimbra ist unterwegs an Dich, mit Abr. Mendelssohn. Der Garcilasso geht mit erster Gelegenheit ab.
Einige Romanzen aus dem großen Romançero von denen ich glaube, daß Du sie nicht kennst, schicke ich vielleicht in diesen Tagen auf gut Glück an Dich ab ob Du sie brauchen kannst.
Ist es Dir sehr unangenehm, daß Du das Geld für den Beitrag zur Eur. erst später erhalten wirst? Oder ist es nothwendig es gleich zu haben?
So könnte ich es vielleicht durch eine andre Assignation durch Mahlmann oder sonst. Wilmans [11] ist in diesem Punkte etwas wie Fröhlich d. h. traurig beschaffen. Er hat durchaus nicht geleistet was er Contractmäßig versprochen hatte. Worüber ich aber noch weit mehr ergrimmt bin, ist daß er so ungeheuer langsam druckt; das 2te Stück hat er wenigstens 10 Wochen liegen lassen. Ich habe mich darüber tüchtig mit ihm gezankt und er hat nun versprochen schneller zu drucken; er muß aber immer von allen Seiten getrieben werden, thu es doch also gelegentlich nur auch. Er verdient es immer fort.
Sind die Gedichte von Fouque die Du mir zur Eur geben wolltest, erzählend, so schicke sie nur ja gleich zum 4ten Stück. Das 2te St. habʼ ich noch nicht, u kenne also Deine Beiträge noch nicht.
Was für ein Wesen ist Schillers Braut von Messina? Ist sie alarkisch oder ionisch oder beides?
Schreib mir ja recht bald u recht lang u recht oft.
[12] Endlich bin ich jezt ziemlich in Ruhe und hoffe trotz des Samskrit in einigen Monaten die beiden Dramen vollenden zu können, die ich leider zugleich angefa[ngen.] Grüße mir nebst den übrigen Freunden auch ja – den Reimer. Er hat die Kritik der Moral sehr schön drucken lassen
Fichteʼs 2te Wissenschaftlehre erwarte ich mi[t] unglaublicher Begierde; wird es bei Cotta gedruckt, so bitte ihn doch daß er mir durch disen das Werk sobald es fertig ist zuschicken läßt. Sonst dauert es eine Ewigkeit ehe ichs bekomme.
Von selbst versteht sichs, daß Du die Redaction des Athenäums nun ganz übernehmen müßtest – und so wäre dann noch ein Grund mehr für – Neues Athenäum – wo wir denn auch mit neuer Lust dran gehn wollen.
Ueber die Persische Gramm. und über meine Indischen Plane schreibe ich Dir mit nächstem; spätestens in 8 Tagen. Ich umarme Dich herzlich und grüße alle Freunde Friedrich.
Wegen des Athen. u Deines Taschenbuchs antwortest Du mir doch ja gleich?