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Majestät haben allergnädigst zu erlauben geruhet, daß ich einige Bedenklichkeiten, die sich mir bei wiederholter Erwägung einzelner Züge in <span class="index-3919 tp-45740 ">den Schriften </span><span class="index-3919 tp-45740 index-1094 tp-21378 ">K.[önig] Friedrichs des Zweiten</span> aufgedrängt haben, zu Höchsteigner Entscheidung unmittelbar vorlegen dürfe.<br>Diese Bedenklichkeiten sind von geringem Umfange, wiewohl nicht ohne Bedeutung; sie betreffen nur eine einzige Gattung von Aufsätzen, die nicht zu den ernsteren Werken gehören.<br>Die Religionsmeynungen <span class="index-1094 tp-21380 ">des großen Königs</span> sind bekannt: als Philosoph war er ein <span class="weight-bold ">Skeptiker</span>; in bezug auf die historische Theologie war seine Denkart entschieden verneinend. Jeder bloß auf Schrift und Überlieferung gegründete Glaube der Völker und Jahrhunderte galt ihm für Aberglauben. Ihm erschien in der Weltgeschichte nur eins von beiden: der freie Gedanke oder die Täuschung.<br>Jedoch sind alle seine ernsten Erklärungen über diese Gegenstände von einer hohen Gesinnung beseelt. Er setzte den schlaffen Lehren der Zeitgenossen, die keine andre Regel der menschlichen Handlungen anerkannten, als einen klugen sinnlichen Egoismus, den stoischen Grundsatz der uneigennützigen Pflichterfüllung entgegen.<br>Nur in <span class="index-4037 tp-21381 ">leicht hingeworfenen Scherzgedichten</span> ließ er seiner muthwilligen Laune freien Lauf. Er dachte dabei nicht an eine vielleicht für die Folge unvermeidliche Öffentlichkeit. Er glaubte sich allein mit einigen gleichgesinnten Freunden, und beabsichtigte nichts als eine gesellige Unterhaltung.<br>Die ersten Herausgeber <span class="index-4012 tp-21382 ">der nachgelassenen Werke</span> haben, wie es scheint, gewünscht Anstoß zu vermeiden; sie haben deswegen das misfällige Wort oder mehrere, wo es nöthig war, ausgelassen und die Lücke mit Sternchen bezeichnet. Die Zweckmäßigkeit dieser Auskunft ist zu bezweifeln. Die Auslassungen sind ein Räthsel; sie erregen die Neugierde, und lenken sie auf das hin, was vielleicht sonst ohne Ärgerniß vorübergegangen wäre. Ferner lassen Sylbenmaß und Reim jeden Kenner der französischen Sprache und Versification die passende Ergänzung leichter errathen, und dann ist die ganze Verkleidung aufgehoben. Freilich möchten solche Kenner gegenwärtig in Deutschland sehr selten seyn; aber <span class="index-3919 tp-45741 ">die neue unter Ew. Majestät Auspizien veranstaltete Ausgabe</span> ist ja für das ganze gebildete Europa bestimmt. Da nun die dem Spotte angelegte Maske so leicht abgehoben werden kann, wie ich es durch die That in der Beilage gezeigt habe; da auch der Zusammenhang nicht erlaubt, ganze Reihen von Versen aus einem Gedichte her auszureißen: so bleibt wohl keine andre Wahl, als entweder die fraglichen Worte vollaus zu schreiben, oder die Stücke, worin sie enthalten sind, von der neuen Sammlung auszuschließen.<br>Bei dem letzteren Verfahren müßte zwar eine Anzahl witziger Einfälle und sinnreicher Wendungen aufgeopfert werden, aber es bliebe noch ein großer Reichthum von scherzhaften Gedichten übrig, die nirgends das Zartgefühl verletzen können, und sich in den Gränzen einer heitern Laune halten.<br>Wie gern <span class="index-1094 tp-45742 ">der große König</span> bereit war, einen für achtungswerthe Leser kränkenden Ausdruck zu mildern, erhellt aus ein paar Stellen seines Briefwechsels mit <span class="index-4010 tp-21383 ">dem Marquis dʼArgens</span>, die ich abschriftlich beilege.<br>In der Besorgniß Ew. 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Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. Zürich u.a. 1930, S. 191, 247.@', '39_namevar' => 'Friedrich Wilhelm IV. von Preußen Frederick William IV, King of Prussia Fredericus Guillielmus IV., Borussia, Rex', '39_lebenwirken' => 'König von Preußen Der Sohn des Königs Friedrich Wilhelm III. sympathisierte bereits vor seinem Regierungsantritt im Jahr 1840 mit den liberalpolitischen Bestrebungen, die sein Vater während seiner Amtszeit zu unterbinden suchte. Zu Friedrich Wilhelms Lehrern zählten der General Gerhard von Scharnhorst, August Neidhardt von Gneisenau und Friedrich Carl von Savigny. Der junge Prinz unternahm zudem 1828 eine Bildungsreise nach Italien. Er war seit 1823 mit Prinzessin Elisabeth Ludovika von Bayern verheiratet und wirkte in politischen Belangen der restaurativen Politik seines Vorgängers entgegen. Seine Regentschaft in Preußen von 1840 bis 1861 war von der Hinwendung zu einem liberalen Kurs geprägt, doch die Provinzialständeverfassung wurde nicht aufgegeben. Die Februarrevolution 1848 stürzte seine Regierung in eine Krise und zwang den Monarchen zur Einführung einer konstitutionellen Verfassung in Preußen. Die Kaiserkrone, die die Frankfurter Nationalversammlung 1849 dem Preußenkönig zusprach, lehnte der Fürst ab. Im November 1850 stimmte er der Olmützer Punktation zu und leistete damit Verzicht auf Preußens Vormachtstellung gegenüber Österreich. Aufgrund einer schweren Erkrankung trat Friedrich Wilhelm IV. die Krone an seinen Bruder Wilhelm 1858 ab.', '39_pdb' => 'GND', '39_status_person' => 'Vollständig', '39_beziehung' => 'AWS lernte Friedrich Wilhelm IV. am 24. September 1825 als Kronprinz kennen, als dieser die Universität Bonn besuchte. Der an AWS 1840 ergehende Auftrag durch das königliche Kabinett, sich an einer Ausgabe der Werke des Königs Friedrich II. zu beteiligen, ist auch auf das Engagement Friedrich Wilhelms IV. zurückzuführen', '39_sourcename0' => 'AWS-ap-008d-0.jpg', 'folders' => array( (int) 0 => 'Personen', (int) 1 => 'Personen' ), '_label' => '', '_descr' => '', '_model' => 'Person', '_model_title' => 'Person', '_model_titles' => 'People', '_url' => '' ) $version = 'version-01-20' $domain = 'https://august-wilhelm-schlegel.de' $url = 'https://august-wilhelm-schlegel.de/version-01-20' $purl_web = 'https://august-wilhelm-schlegel.de/version-01-20/briefid/814' $state = '15.01.2020' $citation = 'Digitale Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels [15.01.2020]; August Wilhelm von Schlegel an Friedrich Wilhelm IV., Preußen, König; 21.10.1844' $lettermsg1 = 'August Wilhelm Schlegel: Digitale Edition der Korrespondenz [Version-01-20]' $lettermsg2 = ' <a href="https://august-wilhelm-schlegel.de/version-01-20/briefid/814">https://august-wilhelm-schlegel.de/version-01-20/briefid/814</a>.' $changeLeit = array( (int) 0 => 'Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930' ) $sprache = 'Deutsch' $caption = array( 'exists' => '1', 'content' => 'Digitalisat Druck' ) $tab = 'druck' $n = (int) 1
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Großmächtigster König!
Allergnädigster König und Herr!
Ew. Majestät haben allergnädigst zu erlauben geruhet, daß ich einige Bedenklichkeiten, die sich mir bei wiederholter Erwägung einzelner Züge in den Schriften K.[önig] Friedrichs des Zweiten aufgedrängt haben, zu Höchsteigner Entscheidung unmittelbar vorlegen dürfe.
Diese Bedenklichkeiten sind von geringem Umfange, wiewohl nicht ohne Bedeutung; sie betreffen nur eine einzige Gattung von Aufsätzen, die nicht zu den ernsteren Werken gehören.
Die Religionsmeynungen des großen Königs sind bekannt: als Philosoph war er ein Skeptiker; in bezug auf die historische Theologie war seine Denkart entschieden verneinend. Jeder bloß auf Schrift und Überlieferung gegründete Glaube der Völker und Jahrhunderte galt ihm für Aberglauben. Ihm erschien in der Weltgeschichte nur eins von beiden: der freie Gedanke oder die Täuschung.
Jedoch sind alle seine ernsten Erklärungen über diese Gegenstände von einer hohen Gesinnung beseelt. Er setzte den schlaffen Lehren der Zeitgenossen, die keine andre Regel der menschlichen Handlungen anerkannten, als einen klugen sinnlichen Egoismus, den stoischen Grundsatz der uneigennützigen Pflichterfüllung entgegen.
Nur in leicht hingeworfenen Scherzgedichten ließ er seiner muthwilligen Laune freien Lauf. Er dachte dabei nicht an eine vielleicht für die Folge unvermeidliche Öffentlichkeit. Er glaubte sich allein mit einigen gleichgesinnten Freunden, und beabsichtigte nichts als eine gesellige Unterhaltung.
Die ersten Herausgeber der nachgelassenen Werke haben, wie es scheint, gewünscht Anstoß zu vermeiden; sie haben deswegen das misfällige Wort oder mehrere, wo es nöthig war, ausgelassen und die Lücke mit Sternchen bezeichnet. Die Zweckmäßigkeit dieser Auskunft ist zu bezweifeln. Die Auslassungen sind ein Räthsel; sie erregen die Neugierde, und lenken sie auf das hin, was vielleicht sonst ohne Ärgerniß vorübergegangen wäre. Ferner lassen Sylbenmaß und Reim jeden Kenner der französischen Sprache und Versification die passende Ergänzung leichter errathen, und dann ist die ganze Verkleidung aufgehoben. Freilich möchten solche Kenner gegenwärtig in Deutschland sehr selten seyn; aber die neue unter Ew. Majestät Auspizien veranstaltete Ausgabe ist ja für das ganze gebildete Europa bestimmt. Da nun die dem Spotte angelegte Maske so leicht abgehoben werden kann, wie ich es durch die That in der Beilage gezeigt habe; da auch der Zusammenhang nicht erlaubt, ganze Reihen von Versen aus einem Gedichte her auszureißen: so bleibt wohl keine andre Wahl, als entweder die fraglichen Worte vollaus zu schreiben, oder die Stücke, worin sie enthalten sind, von der neuen Sammlung auszuschließen.
Bei dem letzteren Verfahren müßte zwar eine Anzahl witziger Einfälle und sinnreicher Wendungen aufgeopfert werden, aber es bliebe noch ein großer Reichthum von scherzhaften Gedichten übrig, die nirgends das Zartgefühl verletzen können, und sich in den Gränzen einer heitern Laune halten.
Wie gern der große König bereit war, einen für achtungswerthe Leser kränkenden Ausdruck zu mildern, erhellt aus ein paar Stellen seines Briefwechsels mit dem Marquis dʼArgens, die ich abschriftlich beilege.
In der Besorgniß Ew. Majestät Aufmerksamkeit schon allzu sehr ermüdet zu haben, verspare ich meine Zweifel gegen den erneuerten Abdruck zweier satirischen Gedichte, welche von den ersten Herausgebern in einen vermischten Nachtrag ächter und unächter Stücke verwiesen worden sind, auf eine andere Zeit, da für jetzt keine Gefahr bei dem Verzuge ist. Überhaupt hätte ich es nie gewagt, eine Immediat-Eingabe über diesen Gegenstand Allerhöchsten Orts vorzulegen, wenn ich nicht erwogen hätte, daß dem Gedächtnisse Ew. Majestät unmöglich Alles gegenwärtig seyn könne, was in der bändereichen Sammlung der Werke vorkommt. Das geistige Denkmal, das der großherzige Nachfolger seinem glorwürdigen Vorgänger stiften will, ist eine Familien-Angelegenheit, sogar eine persönliche Ew. Majestät; und eine übertriebene Ängstlichkeit bei der Ausführung des Allerhöchsten Befehls ist gewiß ein geringerer Fehler, als ein voranschreiten nach eigenem Gutdünken. Ich verharre in tiefster Ehrerbietung
Ew. Majestät
treugehorsamster Unterthan
A. W. von Schlegel
Bonn, d. 21. Octob. 1844
Allergnädigster König und Herr!
Ew. Majestät haben allergnädigst zu erlauben geruhet, daß ich einige Bedenklichkeiten, die sich mir bei wiederholter Erwägung einzelner Züge in den Schriften K.[önig] Friedrichs des Zweiten aufgedrängt haben, zu Höchsteigner Entscheidung unmittelbar vorlegen dürfe.
Diese Bedenklichkeiten sind von geringem Umfange, wiewohl nicht ohne Bedeutung; sie betreffen nur eine einzige Gattung von Aufsätzen, die nicht zu den ernsteren Werken gehören.
Die Religionsmeynungen des großen Königs sind bekannt: als Philosoph war er ein Skeptiker; in bezug auf die historische Theologie war seine Denkart entschieden verneinend. Jeder bloß auf Schrift und Überlieferung gegründete Glaube der Völker und Jahrhunderte galt ihm für Aberglauben. Ihm erschien in der Weltgeschichte nur eins von beiden: der freie Gedanke oder die Täuschung.
Jedoch sind alle seine ernsten Erklärungen über diese Gegenstände von einer hohen Gesinnung beseelt. Er setzte den schlaffen Lehren der Zeitgenossen, die keine andre Regel der menschlichen Handlungen anerkannten, als einen klugen sinnlichen Egoismus, den stoischen Grundsatz der uneigennützigen Pflichterfüllung entgegen.
Nur in leicht hingeworfenen Scherzgedichten ließ er seiner muthwilligen Laune freien Lauf. Er dachte dabei nicht an eine vielleicht für die Folge unvermeidliche Öffentlichkeit. Er glaubte sich allein mit einigen gleichgesinnten Freunden, und beabsichtigte nichts als eine gesellige Unterhaltung.
Die ersten Herausgeber der nachgelassenen Werke haben, wie es scheint, gewünscht Anstoß zu vermeiden; sie haben deswegen das misfällige Wort oder mehrere, wo es nöthig war, ausgelassen und die Lücke mit Sternchen bezeichnet. Die Zweckmäßigkeit dieser Auskunft ist zu bezweifeln. Die Auslassungen sind ein Räthsel; sie erregen die Neugierde, und lenken sie auf das hin, was vielleicht sonst ohne Ärgerniß vorübergegangen wäre. Ferner lassen Sylbenmaß und Reim jeden Kenner der französischen Sprache und Versification die passende Ergänzung leichter errathen, und dann ist die ganze Verkleidung aufgehoben. Freilich möchten solche Kenner gegenwärtig in Deutschland sehr selten seyn; aber die neue unter Ew. Majestät Auspizien veranstaltete Ausgabe ist ja für das ganze gebildete Europa bestimmt. Da nun die dem Spotte angelegte Maske so leicht abgehoben werden kann, wie ich es durch die That in der Beilage gezeigt habe; da auch der Zusammenhang nicht erlaubt, ganze Reihen von Versen aus einem Gedichte her auszureißen: so bleibt wohl keine andre Wahl, als entweder die fraglichen Worte vollaus zu schreiben, oder die Stücke, worin sie enthalten sind, von der neuen Sammlung auszuschließen.
Bei dem letzteren Verfahren müßte zwar eine Anzahl witziger Einfälle und sinnreicher Wendungen aufgeopfert werden, aber es bliebe noch ein großer Reichthum von scherzhaften Gedichten übrig, die nirgends das Zartgefühl verletzen können, und sich in den Gränzen einer heitern Laune halten.
Wie gern der große König bereit war, einen für achtungswerthe Leser kränkenden Ausdruck zu mildern, erhellt aus ein paar Stellen seines Briefwechsels mit dem Marquis dʼArgens, die ich abschriftlich beilege.
In der Besorgniß Ew. Majestät Aufmerksamkeit schon allzu sehr ermüdet zu haben, verspare ich meine Zweifel gegen den erneuerten Abdruck zweier satirischen Gedichte, welche von den ersten Herausgebern in einen vermischten Nachtrag ächter und unächter Stücke verwiesen worden sind, auf eine andere Zeit, da für jetzt keine Gefahr bei dem Verzuge ist. Überhaupt hätte ich es nie gewagt, eine Immediat-Eingabe über diesen Gegenstand Allerhöchsten Orts vorzulegen, wenn ich nicht erwogen hätte, daß dem Gedächtnisse Ew. Majestät unmöglich Alles gegenwärtig seyn könne, was in der bändereichen Sammlung der Werke vorkommt. Das geistige Denkmal, das der großherzige Nachfolger seinem glorwürdigen Vorgänger stiften will, ist eine Familien-Angelegenheit, sogar eine persönliche Ew. Majestät; und eine übertriebene Ängstlichkeit bei der Ausführung des Allerhöchsten Befehls ist gewiß ein geringerer Fehler, als ein voranschreiten nach eigenem Gutdünken. Ich verharre in tiefster Ehrerbietung
Ew. Majestät
treugehorsamster Unterthan
A. W. von Schlegel
Bonn, d. 21. Octob. 1844