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Das Weihnachtsgeschenk und die scharfsinnige Herstellung des Heraklit las ich mit großem Vergnügen. Dagegen entging mir bis jetzt Ihre Schrift über die Universitäten. Leider fürchte ich, daß unsere etwas verspäteten Lobreden auf diese Anstalten, denen wir Deutsche vielleicht mehr verdanken, als wir glaubten, eben so viele Leichenreden sind. Es dürfte, wenn es so fortgeht, bald keine Universitäten mehr, sondern bloß noch Schulen unter der Zuchtruthe der neuen kaiserlichen Sorbonne geben. Aus den Zeitungen sahe ich, daß die Universität in Berlin, die Sie wünschten, wirklich eingerichtet wird. Wenn nur Ihrer Hauptstadt nicht noch ganz andre, minder angenehme Veränderungen bevorstehn! <br>Daß mich einige Berlinische Freunde für einen litterarie mortuum erklärten, wußte ich schon: allein ich hätte gewünscht, Sie möchten nicht mit unter der Zahl seyn. Ich habe es wenigstens an der Sorge nicht fehlen lassen, mein annoch gefristetes Leben bemerklich zu machen. 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Es könnten vielleicht bedeutendere Schriften in derselben Sprache nachfolgen, ohne daß es dem Anbau der Muttersprache Eintrag thun soll. Am wenigsten erwartete ich jetzt von Ihnen den Vorwurf der Versäumniß, da ich eben im Zeitraum eines halben Jahres eine Kleinigkeit von drey ganz artigen Bänden ausgehen lassen. Das spanische Theater und die Vorlesungen über dramatische Kunst werden Sie doch nicht als Bemühungen um das poetische Heil ich weiß nicht wessen von der Hand weisen? Da der erste Theil der Vorlesungen, das theoretische abgerechnet, ganz vom griechischen Theater handelt, so dürfte ich wohl eine ausführliche Beurtheilung davon in Ihrem Museum erwarten, und es sollte mich freuen wenn Sie oder Wolf (dem ich das Buch auch habe zustellen lassen) sie zu meiner Belehrung übernehmen wollten. <br>Von noch nicht mitgetheilten Arbeiten erwähne ich nur, daß ich mich fleißig mit dem Text der Niebelungen beschäftigt, und die sämtlichen Lesearten der Skt. 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Freylich wem die Messe, wie es im Heidelberger Catechismus lautet, für eine verruchte und vermaledeyte Abgötterey gilt, dem muß dieß immer anstößig bleiben; wäre aber dies Wunder, wodurch das große Versöhnungswerk gleichsam sichtbar vor unsern Augen immerfort bestätigt wird, dennoch wahr, so würde es auch wohl erlaubt seyn, sich darüber zu freuen. Daß mein Bruder dieß wie Sie sagen in unpoetischen Versen; meines Bedünkens in innigen und einfältigen Ausdrücken, gethan, dieß ist nun nicht mehr eine theologische sondern eine kunstrichterliche Beschuldigung, die ich dahingestellt seyn lasse. <br>Es war eine löbliche Sache um das Protestiren, so lange es etwas gab, wogegen, und etwas womit man protestieren konnte. Jetzt aber, da es einen so gedeihlichen Fortgang mit dieser schönen Erfindung gehabt, daß wir uns leiblich und geistlich gleichsam Grund und Boden unter den Füßen wegprotestirt, wäre es wohl Zeit auf die Rückkehr von der Trennung zur Einheit bedacht zu seyn. 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Zu den wichtigsten Lehrern während des zweijährigen Studiums zählte der Philosoph Johann August Eberhard, der ihn mit der griechischen Philosophie und Kant vertraut machte. 1790 legte er sein Examen in Berlin ab. Auf Vermittlung des Theologen Friedrich Samuel Gottfried Sack fand Schleiermacher 1790 eine Anstellung als Hofmeister und Privatlehrer des Grafen zu Dohna in Schlobitten. Diesen Posten gab er 1793 auf und qualifizierte sich in Berlin auf dem Gebiet der Pädagogik. Nach dem zweiten Examen 1794 war Schleiermacher Assistent des Predigers Johann Lorenz Schumann in Landsberg und übernahm zwei Jahre später eine Predigerstelle an der Charité. In Berlin machte Schleiermacher die Bekanntschaft Friedrich von Schlegels, Henriette Herz‘ und Ludwig Tiecks. Friedrich von Schlegel wurde ein enger Freund und wohnte von 1797 bis 1799 mit Schleiermacher zusammen, der in dieser Zeit literarisch tätig wurde. 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Am wenigsten erwartete ich jetzt von Ihnen den Vorwurf der Versäumniß, da ich eben im Zeitraum eines halben Jahres eine Kleinigkeit von drey ganz artigen Bänden ausgehen lassen. Das spanische Theater und die Vorlesungen über dramatische Kunst werden Sie doch nicht als Bemühungen um das poetische Heil ich weiß nicht wessen von der Hand weisen? Da der erste Theil der Vorlesungen, das theoretische abgerechnet, ganz vom griechischen Theater handelt, so dürfte ich wohl eine ausführliche Beurtheilung davon in Ihrem Museum erwarten, und es sollte mich freuen wenn Sie oder Wolf (dem ich das Buch auch habe zustellen lassen) sie zu meiner Belehrung übernehmen wollten. <lb/>Von noch nicht mitgetheilten Arbeiten erwähne ich nur, daß ich mich fleißig mit dem Text der Niebelungen beschäftigt, und die sämtlichen Lesearten der Skt. Gallischen und der Münchner Handschrift, die letztere von mir selbst ausgezeichnet, in Händen habe. <lb/>Es war mir ein erfreulicher Beweis Ihrer Offenherzigkeit, daß Sie in Betreff meines Bruders etwas in Anregung bringen, worüber Sie wohl die gänzliche Abweichung unserer Ansichten voraussetzen konnten. Rechnen Sie es nicht auch zu den durch den Protestantismus behaupteten Rechten, seiner Überzeugung gemäß handeln zu dürfen? Und warum sollte man seine Gesinnungen nicht auch in Gedichten äußern? Kennte ich Friedrichs Gedichte nicht selbst, so würde ich nach Ihren Äußerungen glauben müssen, sie handelten eine Seite um die andere von der Messe. Ich kann nur die einzige von Ihnen angezogene Stelle finden, die sich darauf bezieht. Freylich wem die Messe, wie es im Heidelberger Catechismus lautet, für eine verruchte und vermaledeyte Abgötterey gilt, dem muß dieß immer anstößig bleiben; wäre aber dies Wunder, wodurch das große Versöhnungswerk gleichsam sichtbar vor unsern Augen immerfort bestätigt wird, dennoch wahr, so würde es auch wohl erlaubt seyn, sich darüber zu freuen. Daß mein Bruder dieß wie Sie sagen in unpoetischen Versen; meines Bedünkens in innigen und einfältigen Ausdrücken, gethan, dieß ist nun nicht mehr eine theologische sondern eine kunstrichterliche Beschuldigung, die ich dahingestellt seyn lasse. <lb/>Es war eine löbliche Sache um das Protestiren, so lange es etwas gab, wogegen, und etwas womit man protestieren konnte. Jetzt aber, da es einen so gedeihlichen Fortgang mit dieser schönen Erfindung gehabt, daß wir uns leiblich und geistlich gleichsam Grund und Boden unter den Füßen wegprotestirt, wäre es wohl Zeit auf die Rückkehr von der Trennung zur Einheit bedacht zu seyn. Die Deutschen in ihrem Zwiespalt unter sich unter solchen Umständen kommen mir vor wie zwey Advocaten, die noch immer nicht aufhören können zu zanken und zu schimpfen, während der ganze Gerichtssaal, worin sie ihre Beredsamkeit auskramen, unter ihnen einstürzt. Der Protestantismus war vormals die Triebfeder heldenmüthiger Handlungen, und als solche gewiß achtungswürdig. Glauben Sie, er werde jetzt noch, ich will nicht sagen Märtyrer bilden, sondern überhaupt auf irgend eine Weise, außer gegen das Gute, Widerstand leisten? Es ist damit wie mit der Stute des Roland die gar manche Tugenden besaß, nur daß sie leider todt war. Friedrich wird sich wohl zu rechtfertigen wissen, wie er es meynt, und hat sich zum Theil schon durch die That gerechtfertigt. Viele seiner neueren Gedichte sind nicht bloß herrliche Werke, sondern rühmliche Handlungen; mich dünkt, jeder ächte Deutsche muß es so fühlen. <lb/>Von einem alten Freunde, ich gestehe es, hätte ich eine ganz andre Anerkennung seiner Laufbahn erwartet, als die ich in Ihrem Briefe finde. Sein Buch über die indische Sprache und Weisheit, wovon unsere Philosophen auch nichts wissen wollen, wird seinen Ruf in Europa gründen: es wird gegenwärtig in Paris übersetzt. <lb/>Nehmen Sie meine freymüthige Erwiederung nicht ungütig auf, erfreuen Sie mich bald wieder mit Nachrichten von Ihnen, und dem Befinden und Thun der ehemaligen dortigen Bekannten als Fichte, Steffens pp., und leben Sie recht wohl. <lb/>Der Ihrige <lb/>A. W. Schlegel. <lb/>Wollten Sie gefälligst inliegendes Briefchen an Madame Unger befördern. Es ist darin von einer mir wichtigen Angelegenheit die Rede. Man hat nämlich bey Absendung meiner Bücher alle meine dabey befindlichen Briefschaften u. Papiere aus Vergessenheit oder geflissentlich zurückbehalten. Sollte Mad. Unger sie dazu veranlassen, so bitte ich Sie sich deßhalb für mich zu verwenden. Eigentlich käme es dem Kriegesrath von Schütze zu, mir zu meinem Recht und Eigenthum, denn er übernahm bey meiner Abreise von B. die Verwahrung des Schlüssels. Ich weiß aber nicht, ob er sich in der Stadt oder auf dem Lande aufhält.', '36_datengeber' => 'Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek', '36_purl' => '33814609Z', '36_briefid' => '33814609Z_AWSanSchleiermacher_04121809', '36_absender' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datumvon' => '1809-12-04', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_leitd' => 'Bäumer, Gertrud: Ein ungedruckter Brief August Wilhelm von Schlegels an Schleiermacher. 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Dec. 1809. <br>Herr Dreist hat mir Ihr Briefchen vom 15ten Aug. bescheidentlich zugesandt, werthester Freund; nach so langer Entfernung und so ununterbrochenem Stillschweigen war es mir ein angenehmes Lebenszeichen. Lassen Sie mich Ihnen zuerst meinen Glückwunsch über Ihre häusliche Veränderung abstatten, deren ich mich herzlich gefreut habe. <br>Es ist überhaupt nicht gut, daß der Mensch allein sey, und eben jetzt, da die großen Staatsgebäude halb eingerissen und übrigens so baufällig dastehen, daß ihnen kein Architekt mehr helfen kann, ist es vielleicht am weisesten gethan, sich vor der Hand einen Heerd zu bauen, bis etwan einmal der Grund, worauf er steht, vaterländisch wird. Ihre schriftstellerischen Arbeiten habe ich unterdessen nicht aus den Augen verlohren. Wie weit Ihr Plato gediehen, weiß ich nicht genau und habe mir noch nicht alles verschaffen können. Das Weihnachtsgeschenk und die scharfsinnige Herstellung des Heraklit las ich mit großem Vergnügen. Dagegen entging mir bis jetzt Ihre Schrift über die Universitäten. Leider fürchte ich, daß unsere etwas verspäteten Lobreden auf diese Anstalten, denen wir Deutsche vielleicht mehr verdanken, als wir glaubten, eben so viele Leichenreden sind. Es dürfte, wenn es so fortgeht, bald keine Universitäten mehr, sondern bloß noch Schulen unter der Zuchtruthe der neuen kaiserlichen Sorbonne geben. Aus den Zeitungen sahe ich, daß die Universität in Berlin, die Sie wünschten, wirklich eingerichtet wird. Wenn nur Ihrer Hauptstadt nicht noch ganz andre, minder angenehme Veränderungen bevorstehn! <br>Daß mich einige Berlinische Freunde für einen litterarie mortuum erklärten, wußte ich schon: allein ich hätte gewünscht, Sie möchten nicht mit unter der Zahl seyn. Ich habe es wenigstens an der Sorge nicht fehlen lassen, mein annoch gefristetes Leben bemerklich zu machen. Meine Elegie <span class="weight-bold ">Rom</span> ist Ihnen gewiß bey ihrer Erscheinung zugestellt worden, wenigstens gab ich Auftrag dazu. Einige einzelne Aufsätze, z. B. ein ziemlich ausführlicher über den heutigen Zustand der Künste in Rom in der Jenaischen Lit. Zeitung, andre im <span class="weight-bold ">Prometheus</span> konnten Ihnen leichter entgehen. Mit der kleinen französischen Schrift bezweckte ich nichts weniger als eine Bemühung um das poetische Heil der Franzosen; ich war vielmehr versucht als Motto darauf zu setzen: <br><span class="weight-bold ">If we displease, it is with our good will</span>. <br>Ich dächte immerhin, meine Landsleute könnten mir es anrechnen, daß ich den Krieg gegen die entschiedensten Feinde unseres litterarischen Rufes im Auslande auf ihr eigenes Gebiet hinüberzuspielen gesucht; doch mag ich darüber nicht rechten. 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Gallischen und der Münchner Handschrift, die letztere von mir selbst ausgezeichnet, in Händen habe. <br>Es war mir ein erfreulicher Beweis Ihrer Offenherzigkeit, daß Sie in Betreff meines Bruders etwas in Anregung bringen, worüber Sie wohl die gänzliche Abweichung unserer Ansichten voraussetzen konnten. Rechnen Sie es nicht auch zu den durch den Protestantismus behaupteten Rechten, seiner Überzeugung gemäß handeln zu dürfen? Und warum sollte man seine Gesinnungen nicht auch in Gedichten äußern? Kennte ich Friedrichs Gedichte nicht selbst, so würde ich nach Ihren Äußerungen glauben müssen, sie handelten eine Seite um die andere von der Messe. Ich kann nur die einzige von Ihnen angezogene Stelle finden, die sich darauf bezieht. 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Zu den wichtigsten Lehrern während des zweijährigen Studiums zählte der Philosoph Johann August Eberhard, der ihn mit der griechischen Philosophie und Kant vertraut machte. 1790 legte er sein Examen in Berlin ab. Auf Vermittlung des Theologen Friedrich Samuel Gottfried Sack fand Schleiermacher 1790 eine Anstellung als Hofmeister und Privatlehrer des Grafen zu Dohna in Schlobitten. Diesen Posten gab er 1793 auf und qualifizierte sich in Berlin auf dem Gebiet der Pädagogik. Nach dem zweiten Examen 1794 war Schleiermacher Assistent des Predigers Johann Lorenz Schumann in Landsberg und übernahm zwei Jahre später eine Predigerstelle an der Charité. In Berlin machte Schleiermacher die Bekanntschaft Friedrich von Schlegels, Henriette Herz‘ und Ludwig Tiecks. Friedrich von Schlegel wurde ein enger Freund und wohnte von 1797 bis 1799 mit Schleiermacher zusammen, der in dieser Zeit literarisch tätig wurde. 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Am wenigsten erwartete ich jetzt von Ihnen den Vorwurf der Versäumniß, da ich eben im Zeitraum eines halben Jahres eine Kleinigkeit von drey ganz artigen Bänden ausgehen lassen. Das spanische Theater und die Vorlesungen über dramatische Kunst werden Sie doch nicht als Bemühungen um das poetische Heil ich weiß nicht wessen von der Hand weisen? Da der erste Theil der Vorlesungen, das theoretische abgerechnet, ganz vom griechischen Theater handelt, so dürfte ich wohl eine ausführliche Beurtheilung davon in Ihrem Museum erwarten, und es sollte mich freuen wenn Sie oder Wolf (dem ich das Buch auch habe zustellen lassen) sie zu meiner Belehrung übernehmen wollten. <lb/>Von noch nicht mitgetheilten Arbeiten erwähne ich nur, daß ich mich fleißig mit dem Text der Niebelungen beschäftigt, und die sämtlichen Lesearten der Skt. Gallischen und der Münchner Handschrift, die letztere von mir selbst ausgezeichnet, in Händen habe. <lb/>Es war mir ein erfreulicher Beweis Ihrer Offenherzigkeit, daß Sie in Betreff meines Bruders etwas in Anregung bringen, worüber Sie wohl die gänzliche Abweichung unserer Ansichten voraussetzen konnten. Rechnen Sie es nicht auch zu den durch den Protestantismus behaupteten Rechten, seiner Überzeugung gemäß handeln zu dürfen? Und warum sollte man seine Gesinnungen nicht auch in Gedichten äußern? Kennte ich Friedrichs Gedichte nicht selbst, so würde ich nach Ihren Äußerungen glauben müssen, sie handelten eine Seite um die andere von der Messe. Ich kann nur die einzige von Ihnen angezogene Stelle finden, die sich darauf bezieht. Freylich wem die Messe, wie es im Heidelberger Catechismus lautet, für eine verruchte und vermaledeyte Abgötterey gilt, dem muß dieß immer anstößig bleiben; wäre aber dies Wunder, wodurch das große Versöhnungswerk gleichsam sichtbar vor unsern Augen immerfort bestätigt wird, dennoch wahr, so würde es auch wohl erlaubt seyn, sich darüber zu freuen. Daß mein Bruder dieß wie Sie sagen in unpoetischen Versen; meines Bedünkens in innigen und einfältigen Ausdrücken, gethan, dieß ist nun nicht mehr eine theologische sondern eine kunstrichterliche Beschuldigung, die ich dahingestellt seyn lasse. <lb/>Es war eine löbliche Sache um das Protestiren, so lange es etwas gab, wogegen, und etwas womit man protestieren konnte. Jetzt aber, da es einen so gedeihlichen Fortgang mit dieser schönen Erfindung gehabt, daß wir uns leiblich und geistlich gleichsam Grund und Boden unter den Füßen wegprotestirt, wäre es wohl Zeit auf die Rückkehr von der Trennung zur Einheit bedacht zu seyn. Die Deutschen in ihrem Zwiespalt unter sich unter solchen Umständen kommen mir vor wie zwey Advocaten, die noch immer nicht aufhören können zu zanken und zu schimpfen, während der ganze Gerichtssaal, worin sie ihre Beredsamkeit auskramen, unter ihnen einstürzt. Der Protestantismus war vormals die Triebfeder heldenmüthiger Handlungen, und als solche gewiß achtungswürdig. Glauben Sie, er werde jetzt noch, ich will nicht sagen Märtyrer bilden, sondern überhaupt auf irgend eine Weise, außer gegen das Gute, Widerstand leisten? Es ist damit wie mit der Stute des Roland die gar manche Tugenden besaß, nur daß sie leider todt war. Friedrich wird sich wohl zu rechtfertigen wissen, wie er es meynt, und hat sich zum Theil schon durch die That gerechtfertigt. Viele seiner neueren Gedichte sind nicht bloß herrliche Werke, sondern rühmliche Handlungen; mich dünkt, jeder ächte Deutsche muß es so fühlen. <lb/>Von einem alten Freunde, ich gestehe es, hätte ich eine ganz andre Anerkennung seiner Laufbahn erwartet, als die ich in Ihrem Briefe finde. Sein Buch über die indische Sprache und Weisheit, wovon unsere Philosophen auch nichts wissen wollen, wird seinen Ruf in Europa gründen: es wird gegenwärtig in Paris übersetzt. <lb/>Nehmen Sie meine freymüthige Erwiederung nicht ungütig auf, erfreuen Sie mich bald wieder mit Nachrichten von Ihnen, und dem Befinden und Thun der ehemaligen dortigen Bekannten als Fichte, Steffens pp., und leben Sie recht wohl. <lb/>Der Ihrige <lb/>A. W. Schlegel. <lb/>Wollten Sie gefälligst inliegendes Briefchen an Madame Unger befördern. Es ist darin von einer mir wichtigen Angelegenheit die Rede. Man hat nämlich bey Absendung meiner Bücher alle meine dabey befindlichen Briefschaften u. Papiere aus Vergessenheit oder geflissentlich zurückbehalten. Sollte Mad. Unger sie dazu veranlassen, so bitte ich Sie sich deßhalb für mich zu verwenden. Eigentlich käme es dem Kriegesrath von Schütze zu, mir zu meinem Recht und Eigenthum, denn er übernahm bey meiner Abreise von B. die Verwahrung des Schlüssels. 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Zu den wichtigsten Lehrern während des zweijährigen Studiums zählte der Philosoph Johann August Eberhard, der ihn mit der griechischen Philosophie und Kant vertraut machte. 1790 legte er sein Examen in Berlin ab. Auf Vermittlung des Theologen Friedrich Samuel Gottfried Sack fand Schleiermacher 1790 eine Anstellung als Hofmeister und Privatlehrer des Grafen zu Dohna in Schlobitten. Diesen Posten gab er 1793 auf und qualifizierte sich in Berlin auf dem Gebiet der Pädagogik. Nach dem zweiten Examen 1794 war Schleiermacher Assistent des Predigers Johann Lorenz Schumann in Landsberg und übernahm zwei Jahre später eine Predigerstelle an der Charité. In Berlin machte Schleiermacher die Bekanntschaft Friedrich von Schlegels, Henriette Herz‘ und Ludwig Tiecks. Friedrich von Schlegel wurde ein enger Freund und wohnte von 1797 bis 1799 mit Schleiermacher zusammen, der in dieser Zeit literarisch tätig wurde. Er plante die Übersetzung der Dialoge Platos und verfasste 1799 seine Schrift „Über die Religion“. Außerdem verteidigte er den „Lucinde“-Roman seines Freundes. 1802 ging Schleiermacher als Hofprediger nach Stolpe und nahm dort u.a. seine Übersetzungstätigkeiten wieder auf. Der Antritt der Professur für praktische Theologie an der Universität Würzburg wurde 1804 durch König Friedrich Wilhelm III. verwehrt. Stattdessen bot man Schleiermacher eine außerordentliche Lehrtätigkeit in Halle an, die er bis 1807 ausübte. Seit der Schließung der Universität im Winter des Jahres 1806 arbeitete er an seinen philosophischen Schriften, zog aber bald nach Berlin um, wo er private Vorlesungen hielt und 1810 zum Dekan der Theologischen Fakultät an der neugegründeten Berliner Universität ernannt wurde. Seine politischen Überzeugungen gefährdeten die Professur in Berlin. Dennoch sprach sich der Theologe für die Säkularisierung von Kirche und Staat aus. 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Coppet d. 4. Dec. 1809.
Herr Dreist hat mir Ihr Briefchen vom 15ten Aug. bescheidentlich zugesandt, werthester Freund; nach so langer Entfernung und so ununterbrochenem Stillschweigen war es mir ein angenehmes Lebenszeichen. Lassen Sie mich Ihnen zuerst meinen Glückwunsch über Ihre häusliche Veränderung abstatten, deren ich mich herzlich gefreut habe.
Es ist überhaupt nicht gut, daß der Mensch allein sey, und eben jetzt, da die großen Staatsgebäude halb eingerissen und übrigens so baufällig dastehen, daß ihnen kein Architekt mehr helfen kann, ist es vielleicht am weisesten gethan, sich vor der Hand einen Heerd zu bauen, bis etwan einmal der Grund, worauf er steht, vaterländisch wird. Ihre schriftstellerischen Arbeiten habe ich unterdessen nicht aus den Augen verlohren. Wie weit Ihr Plato gediehen, weiß ich nicht genau und habe mir noch nicht alles verschaffen können. Das Weihnachtsgeschenk und die scharfsinnige Herstellung des Heraklit las ich mit großem Vergnügen. Dagegen entging mir bis jetzt Ihre Schrift über die Universitäten. Leider fürchte ich, daß unsere etwas verspäteten Lobreden auf diese Anstalten, denen wir Deutsche vielleicht mehr verdanken, als wir glaubten, eben so viele Leichenreden sind. Es dürfte, wenn es so fortgeht, bald keine Universitäten mehr, sondern bloß noch Schulen unter der Zuchtruthe der neuen kaiserlichen Sorbonne geben. Aus den Zeitungen sahe ich, daß die Universität in Berlin, die Sie wünschten, wirklich eingerichtet wird. Wenn nur Ihrer Hauptstadt nicht noch ganz andre, minder angenehme Veränderungen bevorstehn!
Daß mich einige Berlinische Freunde für einen litterarie mortuum erklärten, wußte ich schon: allein ich hätte gewünscht, Sie möchten nicht mit unter der Zahl seyn. Ich habe es wenigstens an der Sorge nicht fehlen lassen, mein annoch gefristetes Leben bemerklich zu machen. Meine Elegie Rom ist Ihnen gewiß bey ihrer Erscheinung zugestellt worden, wenigstens gab ich Auftrag dazu. Einige einzelne Aufsätze, z. B. ein ziemlich ausführlicher über den heutigen Zustand der Künste in Rom in der Jenaischen Lit. Zeitung, andre im Prometheus konnten Ihnen leichter entgehen. Mit der kleinen französischen Schrift bezweckte ich nichts weniger als eine Bemühung um das poetische Heil der Franzosen; ich war vielmehr versucht als Motto darauf zu setzen:
If we displease, it is with our good will.
Ich dächte immerhin, meine Landsleute könnten mir es anrechnen, daß ich den Krieg gegen die entschiedensten Feinde unseres litterarischen Rufes im Auslande auf ihr eigenes Gebiet hinüberzuspielen gesucht; doch mag ich darüber nicht rechten. Es könnten vielleicht bedeutendere Schriften in derselben Sprache nachfolgen, ohne daß es dem Anbau der Muttersprache Eintrag thun soll. Am wenigsten erwartete ich jetzt von Ihnen den Vorwurf der Versäumniß, da ich eben im Zeitraum eines halben Jahres eine Kleinigkeit von drey ganz artigen Bänden ausgehen lassen. Das spanische Theater und die Vorlesungen über dramatische Kunst werden Sie doch nicht als Bemühungen um das poetische Heil ich weiß nicht wessen von der Hand weisen? Da der erste Theil der Vorlesungen, das theoretische abgerechnet, ganz vom griechischen Theater handelt, so dürfte ich wohl eine ausführliche Beurtheilung davon in Ihrem Museum erwarten, und es sollte mich freuen wenn Sie oder Wolf (dem ich das Buch auch habe zustellen lassen) sie zu meiner Belehrung übernehmen wollten.
Von noch nicht mitgetheilten Arbeiten erwähne ich nur, daß ich mich fleißig mit dem Text der Niebelungen beschäftigt, und die sämtlichen Lesearten der Skt. Gallischen und der Münchner Handschrift, die letztere von mir selbst ausgezeichnet, in Händen habe.
Es war mir ein erfreulicher Beweis Ihrer Offenherzigkeit, daß Sie in Betreff meines Bruders etwas in Anregung bringen, worüber Sie wohl die gänzliche Abweichung unserer Ansichten voraussetzen konnten. Rechnen Sie es nicht auch zu den durch den Protestantismus behaupteten Rechten, seiner Überzeugung gemäß handeln zu dürfen? Und warum sollte man seine Gesinnungen nicht auch in Gedichten äußern? Kennte ich Friedrichs Gedichte nicht selbst, so würde ich nach Ihren Äußerungen glauben müssen, sie handelten eine Seite um die andere von der Messe. Ich kann nur die einzige von Ihnen angezogene Stelle finden, die sich darauf bezieht. Freylich wem die Messe, wie es im Heidelberger Catechismus lautet, für eine verruchte und vermaledeyte Abgötterey gilt, dem muß dieß immer anstößig bleiben; wäre aber dies Wunder, wodurch das große Versöhnungswerk gleichsam sichtbar vor unsern Augen immerfort bestätigt wird, dennoch wahr, so würde es auch wohl erlaubt seyn, sich darüber zu freuen. Daß mein Bruder dieß wie Sie sagen in unpoetischen Versen; meines Bedünkens in innigen und einfältigen Ausdrücken, gethan, dieß ist nun nicht mehr eine theologische sondern eine kunstrichterliche Beschuldigung, die ich dahingestellt seyn lasse.
Es war eine löbliche Sache um das Protestiren, so lange es etwas gab, wogegen, und etwas womit man protestieren konnte. Jetzt aber, da es einen so gedeihlichen Fortgang mit dieser schönen Erfindung gehabt, daß wir uns leiblich und geistlich gleichsam Grund und Boden unter den Füßen wegprotestirt, wäre es wohl Zeit auf die Rückkehr von der Trennung zur Einheit bedacht zu seyn. Die Deutschen in ihrem Zwiespalt unter sich unter solchen Umständen kommen mir vor wie zwey Advocaten, die noch immer nicht aufhören können zu zanken und zu schimpfen, während der ganze Gerichtssaal, worin sie ihre Beredsamkeit auskramen, unter ihnen einstürzt. Der Protestantismus war vormals die Triebfeder heldenmüthiger Handlungen, und als solche gewiß achtungswürdig. Glauben Sie, er werde jetzt noch, ich will nicht sagen Märtyrer bilden, sondern überhaupt auf irgend eine Weise, außer gegen das Gute, Widerstand leisten? Es ist damit wie mit der Stute des Roland die gar manche Tugenden besaß, nur daß sie leider todt war. Friedrich wird sich wohl zu rechtfertigen wissen, wie er es meynt, und hat sich zum Theil schon durch die That gerechtfertigt. Viele seiner neueren Gedichte sind nicht bloß herrliche Werke, sondern rühmliche Handlungen; mich dünkt, jeder ächte Deutsche muß es so fühlen.
Von einem alten Freunde, ich gestehe es, hätte ich eine ganz andre Anerkennung seiner Laufbahn erwartet, als die ich in Ihrem Briefe finde. Sein Buch über die indische Sprache und Weisheit, wovon unsere Philosophen auch nichts wissen wollen, wird seinen Ruf in Europa gründen: es wird gegenwärtig in Paris übersetzt.
Nehmen Sie meine freymüthige Erwiederung nicht ungütig auf, erfreuen Sie mich bald wieder mit Nachrichten von Ihnen, und dem Befinden und Thun der ehemaligen dortigen Bekannten als Fichte, Steffens pp., und leben Sie recht wohl.
Der Ihrige
A. W. Schlegel.
Wollten Sie gefälligst inliegendes Briefchen an Madame Unger befördern. Es ist darin von einer mir wichtigen Angelegenheit die Rede. Man hat nämlich bey Absendung meiner Bücher alle meine dabey befindlichen Briefschaften u. Papiere aus Vergessenheit oder geflissentlich zurückbehalten. Sollte Mad. Unger sie dazu veranlassen, so bitte ich Sie sich deßhalb für mich zu verwenden. Eigentlich käme es dem Kriegesrath von Schütze zu, mir zu meinem Recht und Eigenthum, denn er übernahm bey meiner Abreise von B. die Verwahrung des Schlüssels. Ich weiß aber nicht, ob er sich in der Stadt oder auf dem Lande aufhält.
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