• Wilhelm von Humboldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 03.01.1823
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Wilhelm von Humboldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.01.1823
    Printed Text
  • Bibliography: Briefwechsel zwischen Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel. Hg. v. Albert Leitzmann. Halle 1908, S. 120‒128.
  • Incipit: „Berlin, den 3. Januar, 1823.
    Ew. Hochwohlgebohrnen bedürfen gewiß keiner Entschuldigung, wenn Sie mir recht oft schreiben. Nichts könnte mir angenehmer seyn, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek
  • OAI Id: 1732842
  • Classification Number: S 507 : 9
  • Provenance: Betr. August Wilhelm von Schlegels "Recension des Nalas".Geschenk August Wilhelm von Schlegels an die Universitätsbibliothek Bonn (s. A. Klette und I. Staender, Chirographorum in Bibliotheca Academica Bonnensi servatorum catalogus, Bd. II, Bonn 1858-1876, S. 152).
  • Number of Pages: 8 e. S.
  • Format: 25,3 x 21,2 cm
  • Particularities: Der Brief ist als Nr. 9 mit weiteren 26 Briefen Wilhelm von Humboldts an August Wilhelm von Schlegel in einen braunen marmorierten Pappeinband des 19. Jhs. eingebunden (Nr. 5: Brief von August Wilhelm von Schlegel an Wilhelm von Humboldt).
    Language
  • German
  • Sanskrit
  • Greek
  • Latin
  • English
Berlin, den 3. Januar, 1823.
Ew. Hochwohlgebohrnen bedürfen gewiß keiner Entschuldigung, wenn Sie mir recht oft schreiben. Nichts könnte mir angenehmer seyn, als diese belehrenden Mittheilungen über Gegenstände, die für uns beide ein gleich großes Interesse haben. Ich muß nur von meiner Seite wünschen, daß Sie nicht ermüden mögen, Sich mit meinen, noch mancher berichtigender Bestimmung erfordernden Behauptungen zu beschäftigen.
Ich beantworte Punkt für Punkt Ew. Hochwohlgebohrnen neuliche Bemerkungen, die ich zugleich diesem Briefe wieder beifüge.

1.
Ich bin es vollkommen zufrieden, wenn Ew. Hochwohlgebohrnen die gefalteten Hände an die Stelle der gehölten setzen wollen. Ich habe bei dieser und ähnlichen wörtlichen Uebersetzungen immer nur die Absicht, den Leser auf die fremde Sitte aufmerksam zu machen. Aber gehölt ist doch nicht genau. Denn in aṇjali liegt die Hölung durch Zusammenlegung, oder Faltung.

2.
yudhyatê mag an der Stelle, welche ich citire, wohl durch „er kämpft“ übersetzt werden müssen. Ich habe das Citat aus Forsters Grammatik p. 463. (wo keine Uebersetzung hinzugefügt ist) genommen. In meiner dürftigen Belesenheit ist mir noch nie ein repetitives indeclinables Participium vorgekommen. Es fehlen zwischen den beiden Wörtern vermuthlich andre, wie Forster sogar durch einen Strich andeutet, und in diesen kann das Subject enthalten seyn. Der Mangel eines Subjects hat mich zur passiven Uebersetzung bewogen. Diese aber halte ich auch nicht für falsch. Wenn ein Verbum der 4. Conjugation bloß in der parasmaipadi Form üblich ist, so erkennt man sein Passivum sogleich an der entgegengesetzten Form. Wo aber beide Formen üblich sind, oder gar, wie bei yudh nur die atmanêpadi, da, glaube ich, läßt sich das Passivum vom Activum nicht an der Wortform, sondern nur an der Construction unterscheiden. Dies scheint auch Wilkins anzunehmen. Denn p. 394. der Grammatik ist ihm budhyatê 3. pass. und in den Radicals p. 92. 3. act. In den 6 letzten tempora (ob ich gleich gestehe, daß ich in diesen das Passivum nur aus den Grammatiken, nicht aus Büchern kenne) unterscheidet sich ja das Passivum nur in höchst wenigen Fällen vom Activum. Meines Erachtens ist daher das Passivum vom Activum und Medium (da die parasmaipadi Form beide umfaßt) bei weitem nicht immer im Sanskrit an der Wortform erkennbar. Dasselbe ist häufig auch im Griechischen und im Lateinischen, wenn man die Deponentia beachtet, der Fall. Ich würde daher auch in einer Sanskrit Grammatik diese ganze Lehre anders behandeln. Ich halte es für ganz unstatthaft, das ya als Charakteristik des Passivums anzugeben. Denn es begleitet das Passivum nur in den ersten 4 tempora, ist auch in diesen nicht sein einziges Merkmal, und ist, wenn man das y der 4. Conjugation mit dem Vorschlags-a der ersten, deren Endungen die 4te annimmt, zusammenfaßt, auch Characteristik der 4ten Conjugation activi und medii. Ich würde sagen: das Verbum hat zwei Formen, für die man am besten die Indischen Namen beibehält. Das Activum kann beide annehmen, wo dann die Fälle anzugeben sind. Das Medium und Passivum können nur in der andern erscheinen, und diese Form also, als nothwendig und ohne Ausnahme geboten, ist des Passivums wahre Characteristik gegen das Activum. Vom Medium unterscheidet es sich dadurch, daß das Medium in den Wurzelveränderungen dem Activum folgt, das Passivum dagegen diese und diese Eigenheiten in diesen und diesen Fällen hat. Zu diesen letztern gehört dann das ya.
In meinem Aufsatz habe ich gar nichts dagegen, wenn Ew. Hochwohlgebohrnen „er kämpft“ substituiren. Noch lieber aber wäre es mir, wenn Sie nicht änderten, aber eine Anmerkung über das Passivum der 4. Conjugation und überhaupt hinzufügten, die alsdann auch meine eben ausgesprochene Meynung berichtigen, oder mich in derselben bestätigen würde. Ich schreibe meinem Aufsatz wirklich kein andres Verdienst zu, als solche Fragen unter denen, die sich jetzt mit Sanskrit beschäftigen, zur Sprache zu bringen.
Zugleich wünschte ich wohl, daß, wenn Ew. Hochwohlgebohrnen andre Beispiele vom repetitiven indeclinablen Participium vorgekommen wären, Sie sie hinzufügten.

3.
Ich danke Ew. Hochwohlgebohrnen ungemein, daß Sie mich auf die zu große Unbestimmtheit der Stelle:
Denn das Adverbium wird auch sonst durch den Accusativ eines Nomens dargestellt. Nalas. XIII. 50. XV. 19.
aufmerksam gemacht haben. Ich bitte Sie, dieselbe auszustreichen, und folgende Abänderung aufzunehmen:
Im Griechischen, auf dessen Analogie man sich wohl mit Recht im Sanskrit berufen kann, werden Accusative von Substantiven und Adjectiven unverkennbar als Adverbia gebraucht. Ich erinnere deshalb nur an τάχος, τέλος, τὴν πρώτην, τὴν ταχίστην. Im Sanskrit kommen sehr häufig nimittam und artham also vor. Ramayana. Buch I. Abschnitt 53. sl. 29. 40. a. und 22. a. Ob auch andre Substantiva? wage ich nur darum nicht zu entscheiden, weil ich die Behauptung in diesem Augenblick nicht mit Stellen zu belegen wüßte. Daß das Neutrum der Adjectiva adverbialisch genommen wird, ist nichts weniger, als ungewöhnlich. Nalas. XV. 19. Ramayana a. a. O. 2. a. 3. a. Dies Neutrum kann nun zwar ebensowohl Nominativus, als Accusativus seyn; die adverbialische Geltung kann aber, nach allgemeinen grammatischen Gründen, wohl nur einem Casus obliquus zugeschrieben werden. Endlich haben viele Indische Adverbia die Accusativendung am und von mehreren unter diesen findet sich zugleich die von allem Casuszeichen entblößte Form. So sind anis̓am, abhîkshnam, awas̓yam und andre mehr. Gleichfalls adverbialisch muß, glaube ich, der Gebrauch u.s.f.
Da die Ansicht des Accusativus als Adverbium meiner ganzen Erklärung der indeclinabeln Formen sehr wesentlich ist, so kann ich mich, da ich sie wirklich für richtig halte, nicht entschließen, sie aufzugeben, sondern habe sie nur näher bestimmt. Ich möchte wetten, daß ich andre Substantiva, auf gleiche Weise gebraucht, gefunden hätte, namentlich sukham, da ich aber die Stellen leider nicht angemerkt, so ist es mir unmöglich, sie anzugeben. Ew. Hochwohlgebohrnen scheinen zu meynen, daß das adverbialisch gesetzte Neutrum des Adjectivums bald Nominativus bald Accusativus seyn könne, je nachdem es sich auf ein Subject, oder Object beziehen solle. Allein dieser Meynung könnte ich nicht beistimmen. Sollte ich auch wirklich Unrecht haben, es immer für einen Accusativ zu halten, und sollte es vielmehr der Nominativ seyn, so könnte jener Umstand, meines Erachtens, gar keinen Einfluß darauf haben. Denn der wesentliche Charakter des Adverbium ist seine Indeclinabilitaet. Vermöge dieser kann es sich unmittelbar immer nur an ein Verbum oder Adjectivum, an ein Substantivum aber immer nur vermittelst eines ausgelassenen Verbum oder Adjectivum anschließen. Es nimmt daher nie die Form des Nomen an, zu dem es gehört, und kann darin, daß das Nomen als Subject im Nominativ oder als Object im Accusativ steht, keine Veranlassung finden, die seinige zu verändern. Will man das Adverbium, unmittelbar und ohne Ellipse, an ein Substantivum anschließen, so bleibt nichts übrig, als es in ein Adjectivum zu verwandeln, so wie die Griechen es thun, εὗδον παννύχιοι, δευτεραῖος ἀφίκετο u. s. f. Mir scheinen die adverbialiter gebrauchten Neutra der Adjectiva in allen Sprachen wirklich nur Accusative seyn zu können. Der Nominativus geht nicht füglich in eine solche Verbindung ein. Der Accusativ kann, obgleich ich dies nicht für nothwendig halte, sogar durch eine ausgelassene Praeposition erklärt werden. Ich habe aber jetzt nichts darüber finden können, und weiß nicht ob Grammatiker die Frage erhoben, und wie entschieden haben. Sehr für mich sprechen die Beispiele von τὴν πρώτην, ταχίστην u. s. f.
Die Stelle Nalas XIII. 50. b. habe ich, da sie wohl zweifelhaft scheinen kann, ausgelassen. Ew. Hochwohlgebohrnen Auslegung und Lesung ist sehr scharfsinnig. Nur bleibt doch auch eine bedeutende Härte in der Construction zurück. Uebrigens aber haben Sie Bopp in zwei Punkten unstreitig misverstanden. Er hat bei tâdṛigrûpam auf keine Weise an ein awyayîbhâwa gedacht. Dies setzt immer eine wirkliche indeclinable Partikel voraus, dergleichen ja gar nicht im Worte vorhanden ist. Er nimmt dasselbe vielmehr für das Neutrum eines bahuwrihi. Dann construirt er es auch gar nicht mit pas͗yâmi zusammen, und hat deshalb hinter tali-formaque ein Komma gesetzt. Er bezieht das adverbialisch genommene Wort vielmehr auf widyôtayati und folglich auf das Subject dieses Verbum. pas͗yâmi steht, nach ihm, allein in einem Zwischensatz. Allein auch diese Construction ist sehr hart, so daß ich nicht wagen möchte, über die Sache etwas zu entscheiden.
Ungeachtet meiner Abänderung der obigen Stelle weiß ich dennoch nicht, ob Ew. Hochwohlgebohrnen damit übereinstimmen werden. Ich wünschte daher sehr, Sie widmeten, bei dem Abdruck, Ihrer Meynung eine eigne Anmerkung. Nur das muß ich wiederholen, daß weder Bopp, als er die Behauptung im Nalas aufstellte, noch ich, als ich sie von da, wie das Citat zeigt, entlehnte, dabei an die Composita dachten, von denen Wilkins p. 556. spricht. Diese gehören zu einer ganz andern Gattung von Wörtern, da sie ihre Adverbialnatur von einem wirklichen, in ihnen enthaltenen Indeclinabile hernehmen. Die indeclinablen Composita mit akshi leitet Wilkins allerdings von diesem letzten Substantiv ab. Allein sie könnten auch, ohne in diese Classe der Composita zu gehören, bloß Neutra der Adjectiva dreier Endungen seyn, welche es von allen diesen Compositis giebt, und die Wilson ausdrücklich anführt. Wunderbar ist es, daß Wilson in diesen Artikeln die Ableitung von aksha macht, und diesem bei pratyaksha die Bedeutung an organ of sense giebsenset, da er doch bei dem Artikel aksha selbst diese nicht, sondern nur the soul hat. aksha und akshi sind vermuthlich ursprünglich nicht unterschieden gewesen, und ich glaube daher, man könnte die ganze Regel Wilkins nr. 1068. füglich entbehren.

4.
In Anmerkung 36. habe ich nicht sagen wollen, daß Nalas XXV. 3. das Verbum arhati stehe, sondern mich nur auf den Grundbegriff bezogen. Es ist aber auf jeden Fall schief ausgedrückt. Ich bitte Sie, statt der Worte:
Der Grundbegriff ist – an sich trägt
die Worte zu setzen:
Der Grundbegriff des Wortes, wo es in andren grammatischen Formen vorkommt, ist: geschickt, passend, würdig zu etwas seyn. So steht es Nalas XXV. 3. und in vielen andren Stellen. Daß das Verbum selbst in diesem Sinne gebraucht werde, bezweifle ich. Allein die durch dasselbe ausgedrückte Idee des Müssens schließt sich an diesen Grundbegriff an, und trägt gewöhnlich auch die Spur dieses Ursprungs an sich.
Dem Ende der Anmerkung bitte ich Sie (wenn Sie nemlich eine Berichtigung der Englischen Uebersetzer für der Mühe werth halten) hinzuzufügen:
In Ramayana. Buch I. Abschnitt 12. sl. 52. übersetzen zwar die Englischen Uebersetzer das Verbum durch: the king is worthy. Allein die Brahmanen wollten nicht sagen, daß sie unwürdig wären, Land zu beherrschen. Ihre Meinung ist nur, daß dem König allein die Beherrschung der Erde zukommt. Wir, fügen sie hinzu, sind nicht im Stande, Länder zu schützen. Ich hatte die Stelle erst falsch angesehen. Die Uebersetzung hatte mir imponirt, ich sehe aber, daß ich mir nach und nach den Respect für sie abgewöhnen muß.

5.
Die Stelle:
Er regiert zwar in der Regel – Er nimmt keine bitte ich Ew. Hochwohlgebohrnen folgendergestalt abzuändern:
Er regiert den Casus des Verbum, nimmt keine u. s. f.
Sie haben vollkommen Recht, daß diese einzige, höchst zweifelhafte Stelle nicht genügen kann, eine so wichtige und auffallende Sache zu beweisen. Bei Ihrer Erklärung bleibt mir nur der Zweifel ob in dem von Ihnen angenommenen Sinn nicht statt , nach dem gewöhnlichen Sanskritischen Sprachgebrauch, twayâ stehen müßte. In meinem Aufsatz ist die Behauptung nicht richtig, und es hat mir daher besser geschienen, sie ganz wegzulassen. Auch glaube ich, mit Ihnen, da auch Bopp, den ich befragt, mir keine andern Stellen anzugeben weiß, nicht an diese Construction. ξυνέηκε μάχεσθαι ist allerdings ganz Indisch. Aber es beweist mir nur um so mehr, daß der Indische Infinitiv ein eigentlicher ist. Denn auch μάχεσθαι steht hier nur, weil die Griechen sich, wie ich auch in meinem Aufsatz einmal bemerkt habe, statt des Supinums, häufig des Infinitivs bedienen. Die Lateiner würden hier nicht einmal das Supinum, sondern das Gerundium gebraucht haben, wie bei Cicero irgendwo steht natura incitari ad servandum genus humanum. Daß die Form in tum keine tempora und kein Passivum annimmt, trennt sie für mich, als grammatische Form, gänzlich vom eigentlichen Infinitiv. Verbindungsfähiger nennen Sie dieselbe doch wohl nur darum, weil sie sich an mehr Verba, als die Infinitive andrer Sprachen, ohne Praeposition anschließen kann. Aber dies scheint mir gerade ihre Substantivnatur zu beweisen. Denn auch die Substantiva schließen sich, ohne Praeposition, an die Verba der Bewegung im Accusativus an.
Mit den wenigen Worten, die ich über Ihre Recension des Nalas gesagt habe, muß ich Ew. Hochwohlgebohrnen freilich überlassen zu thun, was Ihnen gut dünkt. Ich hatte aber geglaubt, darin gerade das Maß von dem gehalten zu haben, was Sie in Ihrer eignen Zeitschrift von Sich sagen lassen könnten. Ohne diese Rücksicht, die mich zurückhalten mußte, würde ich in einer Arbeit über diesen Gegenstand Ihrer Verdienste um das Sanskrit auf ganz andre Weise erwähnt haben.
Daß Ew. Hochwohlgebohrnen meiner Anmerkung 35. Ihren Beifall schenken, freut mich ungemein. Da aber der von mir gebrauchte Ausdruck: die beiden Verba s͗ak und shah sehr ungenau ist, so haben Sie die Güte statt dessen die beiden Wurzelwörter u. s. f. drucken zu lassen, oder die Verbalformen an die Stelle der Wurzeln zu setzen.
Tausend Entschuldigungen für diesen überlangen Brief. Ich schließe mit der Bitte, daß Ew. Hochwohlgebohrnen auch in diesem Jahre mir und meinen wissenschaftlichen Beschäftigungen Ihren freundschaftlichen Antheil schenken mögen, und verbleibe mit den hochachtungsvollsten Gesinnungen und den besten Wünschen
Ew. Hochwohlgebohrnen
ergebenster,
Humboldt.
Meinen Bruder erwarte ich heute Abend. Er wird kaum 3 Wochen hier bleiben.
Berlin, den 3. Januar, 1823.
Ew. Hochwohlgebohrnen bedürfen gewiß keiner Entschuldigung, wenn Sie mir recht oft schreiben. Nichts könnte mir angenehmer seyn, als diese belehrenden Mittheilungen über Gegenstände, die für uns beide ein gleich großes Interesse haben. Ich muß nur von meiner Seite wünschen, daß Sie nicht ermüden mögen, Sich mit meinen, noch mancher berichtigender Bestimmung erfordernden Behauptungen zu beschäftigen.
Ich beantworte Punkt für Punkt Ew. Hochwohlgebohrnen neuliche Bemerkungen, die ich zugleich diesem Briefe wieder beifüge.

1.
Ich bin es vollkommen zufrieden, wenn Ew. Hochwohlgebohrnen die gefalteten Hände an die Stelle der gehölten setzen wollen. Ich habe bei dieser und ähnlichen wörtlichen Uebersetzungen immer nur die Absicht, den Leser auf die fremde Sitte aufmerksam zu machen. Aber gehölt ist doch nicht genau. Denn in aṇjali liegt die Hölung durch Zusammenlegung, oder Faltung.

2.
yudhyatê mag an der Stelle, welche ich citire, wohl durch „er kämpft“ übersetzt werden müssen. Ich habe das Citat aus Forsters Grammatik p. 463. (wo keine Uebersetzung hinzugefügt ist) genommen. In meiner dürftigen Belesenheit ist mir noch nie ein repetitives indeclinables Participium vorgekommen. Es fehlen zwischen den beiden Wörtern vermuthlich andre, wie Forster sogar durch einen Strich andeutet, und in diesen kann das Subject enthalten seyn. Der Mangel eines Subjects hat mich zur passiven Uebersetzung bewogen. Diese aber halte ich auch nicht für falsch. Wenn ein Verbum der 4. Conjugation bloß in der parasmaipadi Form üblich ist, so erkennt man sein Passivum sogleich an der entgegengesetzten Form. Wo aber beide Formen üblich sind, oder gar, wie bei yudh nur die atmanêpadi, da, glaube ich, läßt sich das Passivum vom Activum nicht an der Wortform, sondern nur an der Construction unterscheiden. Dies scheint auch Wilkins anzunehmen. Denn p. 394. der Grammatik ist ihm budhyatê 3. pass. und in den Radicals p. 92. 3. act. In den 6 letzten tempora (ob ich gleich gestehe, daß ich in diesen das Passivum nur aus den Grammatiken, nicht aus Büchern kenne) unterscheidet sich ja das Passivum nur in höchst wenigen Fällen vom Activum. Meines Erachtens ist daher das Passivum vom Activum und Medium (da die parasmaipadi Form beide umfaßt) bei weitem nicht immer im Sanskrit an der Wortform erkennbar. Dasselbe ist häufig auch im Griechischen und im Lateinischen, wenn man die Deponentia beachtet, der Fall. Ich würde daher auch in einer Sanskrit Grammatik diese ganze Lehre anders behandeln. Ich halte es für ganz unstatthaft, das ya als Charakteristik des Passivums anzugeben. Denn es begleitet das Passivum nur in den ersten 4 tempora, ist auch in diesen nicht sein einziges Merkmal, und ist, wenn man das y der 4. Conjugation mit dem Vorschlags-a der ersten, deren Endungen die 4te annimmt, zusammenfaßt, auch Characteristik der 4ten Conjugation activi und medii. Ich würde sagen: das Verbum hat zwei Formen, für die man am besten die Indischen Namen beibehält. Das Activum kann beide annehmen, wo dann die Fälle anzugeben sind. Das Medium und Passivum können nur in der andern erscheinen, und diese Form also, als nothwendig und ohne Ausnahme geboten, ist des Passivums wahre Characteristik gegen das Activum. Vom Medium unterscheidet es sich dadurch, daß das Medium in den Wurzelveränderungen dem Activum folgt, das Passivum dagegen diese und diese Eigenheiten in diesen und diesen Fällen hat. Zu diesen letztern gehört dann das ya.
In meinem Aufsatz habe ich gar nichts dagegen, wenn Ew. Hochwohlgebohrnen „er kämpft“ substituiren. Noch lieber aber wäre es mir, wenn Sie nicht änderten, aber eine Anmerkung über das Passivum der 4. Conjugation und überhaupt hinzufügten, die alsdann auch meine eben ausgesprochene Meynung berichtigen, oder mich in derselben bestätigen würde. Ich schreibe meinem Aufsatz wirklich kein andres Verdienst zu, als solche Fragen unter denen, die sich jetzt mit Sanskrit beschäftigen, zur Sprache zu bringen.
Zugleich wünschte ich wohl, daß, wenn Ew. Hochwohlgebohrnen andre Beispiele vom repetitiven indeclinablen Participium vorgekommen wären, Sie sie hinzufügten.

3.
Ich danke Ew. Hochwohlgebohrnen ungemein, daß Sie mich auf die zu große Unbestimmtheit der Stelle:
Denn das Adverbium wird auch sonst durch den Accusativ eines Nomens dargestellt. Nalas. XIII. 50. XV. 19.
aufmerksam gemacht haben. Ich bitte Sie, dieselbe auszustreichen, und folgende Abänderung aufzunehmen:
Im Griechischen, auf dessen Analogie man sich wohl mit Recht im Sanskrit berufen kann, werden Accusative von Substantiven und Adjectiven unverkennbar als Adverbia gebraucht. Ich erinnere deshalb nur an τάχος, τέλος, τὴν πρώτην, τὴν ταχίστην. Im Sanskrit kommen sehr häufig nimittam und artham also vor. Ramayana. Buch I. Abschnitt 53. sl. 29. 40. a. und 22. a. Ob auch andre Substantiva? wage ich nur darum nicht zu entscheiden, weil ich die Behauptung in diesem Augenblick nicht mit Stellen zu belegen wüßte. Daß das Neutrum der Adjectiva adverbialisch genommen wird, ist nichts weniger, als ungewöhnlich. Nalas. XV. 19. Ramayana a. a. O. 2. a. 3. a. Dies Neutrum kann nun zwar ebensowohl Nominativus, als Accusativus seyn; die adverbialische Geltung kann aber, nach allgemeinen grammatischen Gründen, wohl nur einem Casus obliquus zugeschrieben werden. Endlich haben viele Indische Adverbia die Accusativendung am und von mehreren unter diesen findet sich zugleich die von allem Casuszeichen entblößte Form. So sind anis̓am, abhîkshnam, awas̓yam und andre mehr. Gleichfalls adverbialisch muß, glaube ich, der Gebrauch u.s.f.
Da die Ansicht des Accusativus als Adverbium meiner ganzen Erklärung der indeclinabeln Formen sehr wesentlich ist, so kann ich mich, da ich sie wirklich für richtig halte, nicht entschließen, sie aufzugeben, sondern habe sie nur näher bestimmt. Ich möchte wetten, daß ich andre Substantiva, auf gleiche Weise gebraucht, gefunden hätte, namentlich sukham, da ich aber die Stellen leider nicht angemerkt, so ist es mir unmöglich, sie anzugeben. Ew. Hochwohlgebohrnen scheinen zu meynen, daß das adverbialisch gesetzte Neutrum des Adjectivums bald Nominativus bald Accusativus seyn könne, je nachdem es sich auf ein Subject, oder Object beziehen solle. Allein dieser Meynung könnte ich nicht beistimmen. Sollte ich auch wirklich Unrecht haben, es immer für einen Accusativ zu halten, und sollte es vielmehr der Nominativ seyn, so könnte jener Umstand, meines Erachtens, gar keinen Einfluß darauf haben. Denn der wesentliche Charakter des Adverbium ist seine Indeclinabilitaet. Vermöge dieser kann es sich unmittelbar immer nur an ein Verbum oder Adjectivum, an ein Substantivum aber immer nur vermittelst eines ausgelassenen Verbum oder Adjectivum anschließen. Es nimmt daher nie die Form des Nomen an, zu dem es gehört, und kann darin, daß das Nomen als Subject im Nominativ oder als Object im Accusativ steht, keine Veranlassung finden, die seinige zu verändern. Will man das Adverbium, unmittelbar und ohne Ellipse, an ein Substantivum anschließen, so bleibt nichts übrig, als es in ein Adjectivum zu verwandeln, so wie die Griechen es thun, εὗδον παννύχιοι, δευτεραῖος ἀφίκετο u. s. f. Mir scheinen die adverbialiter gebrauchten Neutra der Adjectiva in allen Sprachen wirklich nur Accusative seyn zu können. Der Nominativus geht nicht füglich in eine solche Verbindung ein. Der Accusativ kann, obgleich ich dies nicht für nothwendig halte, sogar durch eine ausgelassene Praeposition erklärt werden. Ich habe aber jetzt nichts darüber finden können, und weiß nicht ob Grammatiker die Frage erhoben, und wie entschieden haben. Sehr für mich sprechen die Beispiele von τὴν πρώτην, ταχίστην u. s. f.
Die Stelle Nalas XIII. 50. b. habe ich, da sie wohl zweifelhaft scheinen kann, ausgelassen. Ew. Hochwohlgebohrnen Auslegung und Lesung ist sehr scharfsinnig. Nur bleibt doch auch eine bedeutende Härte in der Construction zurück. Uebrigens aber haben Sie Bopp in zwei Punkten unstreitig misverstanden. Er hat bei tâdṛigrûpam auf keine Weise an ein awyayîbhâwa gedacht. Dies setzt immer eine wirkliche indeclinable Partikel voraus, dergleichen ja gar nicht im Worte vorhanden ist. Er nimmt dasselbe vielmehr für das Neutrum eines bahuwrihi. Dann construirt er es auch gar nicht mit pas͗yâmi zusammen, und hat deshalb hinter tali-formaque ein Komma gesetzt. Er bezieht das adverbialisch genommene Wort vielmehr auf widyôtayati und folglich auf das Subject dieses Verbum. pas͗yâmi steht, nach ihm, allein in einem Zwischensatz. Allein auch diese Construction ist sehr hart, so daß ich nicht wagen möchte, über die Sache etwas zu entscheiden.
Ungeachtet meiner Abänderung der obigen Stelle weiß ich dennoch nicht, ob Ew. Hochwohlgebohrnen damit übereinstimmen werden. Ich wünschte daher sehr, Sie widmeten, bei dem Abdruck, Ihrer Meynung eine eigne Anmerkung. Nur das muß ich wiederholen, daß weder Bopp, als er die Behauptung im Nalas aufstellte, noch ich, als ich sie von da, wie das Citat zeigt, entlehnte, dabei an die Composita dachten, von denen Wilkins p. 556. spricht. Diese gehören zu einer ganz andern Gattung von Wörtern, da sie ihre Adverbialnatur von einem wirklichen, in ihnen enthaltenen Indeclinabile hernehmen. Die indeclinablen Composita mit akshi leitet Wilkins allerdings von diesem letzten Substantiv ab. Allein sie könnten auch, ohne in diese Classe der Composita zu gehören, bloß Neutra der Adjectiva dreier Endungen seyn, welche es von allen diesen Compositis giebt, und die Wilson ausdrücklich anführt. Wunderbar ist es, daß Wilson in diesen Artikeln die Ableitung von aksha macht, und diesem bei pratyaksha die Bedeutung an organ of sense giebsenset, da er doch bei dem Artikel aksha selbst diese nicht, sondern nur the soul hat. aksha und akshi sind vermuthlich ursprünglich nicht unterschieden gewesen, und ich glaube daher, man könnte die ganze Regel Wilkins nr. 1068. füglich entbehren.

4.
In Anmerkung 36. habe ich nicht sagen wollen, daß Nalas XXV. 3. das Verbum arhati stehe, sondern mich nur auf den Grundbegriff bezogen. Es ist aber auf jeden Fall schief ausgedrückt. Ich bitte Sie, statt der Worte:
Der Grundbegriff ist – an sich trägt
die Worte zu setzen:
Der Grundbegriff des Wortes, wo es in andren grammatischen Formen vorkommt, ist: geschickt, passend, würdig zu etwas seyn. So steht es Nalas XXV. 3. und in vielen andren Stellen. Daß das Verbum selbst in diesem Sinne gebraucht werde, bezweifle ich. Allein die durch dasselbe ausgedrückte Idee des Müssens schließt sich an diesen Grundbegriff an, und trägt gewöhnlich auch die Spur dieses Ursprungs an sich.
Dem Ende der Anmerkung bitte ich Sie (wenn Sie nemlich eine Berichtigung der Englischen Uebersetzer für der Mühe werth halten) hinzuzufügen:
In Ramayana. Buch I. Abschnitt 12. sl. 52. übersetzen zwar die Englischen Uebersetzer das Verbum durch: the king is worthy. Allein die Brahmanen wollten nicht sagen, daß sie unwürdig wären, Land zu beherrschen. Ihre Meinung ist nur, daß dem König allein die Beherrschung der Erde zukommt. Wir, fügen sie hinzu, sind nicht im Stande, Länder zu schützen. Ich hatte die Stelle erst falsch angesehen. Die Uebersetzung hatte mir imponirt, ich sehe aber, daß ich mir nach und nach den Respect für sie abgewöhnen muß.

5.
Die Stelle:
Er regiert zwar in der Regel – Er nimmt keine bitte ich Ew. Hochwohlgebohrnen folgendergestalt abzuändern:
Er regiert den Casus des Verbum, nimmt keine u. s. f.
Sie haben vollkommen Recht, daß diese einzige, höchst zweifelhafte Stelle nicht genügen kann, eine so wichtige und auffallende Sache zu beweisen. Bei Ihrer Erklärung bleibt mir nur der Zweifel ob in dem von Ihnen angenommenen Sinn nicht statt , nach dem gewöhnlichen Sanskritischen Sprachgebrauch, twayâ stehen müßte. In meinem Aufsatz ist die Behauptung nicht richtig, und es hat mir daher besser geschienen, sie ganz wegzulassen. Auch glaube ich, mit Ihnen, da auch Bopp, den ich befragt, mir keine andern Stellen anzugeben weiß, nicht an diese Construction. ξυνέηκε μάχεσθαι ist allerdings ganz Indisch. Aber es beweist mir nur um so mehr, daß der Indische Infinitiv ein eigentlicher ist. Denn auch μάχεσθαι steht hier nur, weil die Griechen sich, wie ich auch in meinem Aufsatz einmal bemerkt habe, statt des Supinums, häufig des Infinitivs bedienen. Die Lateiner würden hier nicht einmal das Supinum, sondern das Gerundium gebraucht haben, wie bei Cicero irgendwo steht natura incitari ad servandum genus humanum. Daß die Form in tum keine tempora und kein Passivum annimmt, trennt sie für mich, als grammatische Form, gänzlich vom eigentlichen Infinitiv. Verbindungsfähiger nennen Sie dieselbe doch wohl nur darum, weil sie sich an mehr Verba, als die Infinitive andrer Sprachen, ohne Praeposition anschließen kann. Aber dies scheint mir gerade ihre Substantivnatur zu beweisen. Denn auch die Substantiva schließen sich, ohne Praeposition, an die Verba der Bewegung im Accusativus an.
Mit den wenigen Worten, die ich über Ihre Recension des Nalas gesagt habe, muß ich Ew. Hochwohlgebohrnen freilich überlassen zu thun, was Ihnen gut dünkt. Ich hatte aber geglaubt, darin gerade das Maß von dem gehalten zu haben, was Sie in Ihrer eignen Zeitschrift von Sich sagen lassen könnten. Ohne diese Rücksicht, die mich zurückhalten mußte, würde ich in einer Arbeit über diesen Gegenstand Ihrer Verdienste um das Sanskrit auf ganz andre Weise erwähnt haben.
Daß Ew. Hochwohlgebohrnen meiner Anmerkung 35. Ihren Beifall schenken, freut mich ungemein. Da aber der von mir gebrauchte Ausdruck: die beiden Verba s͗ak und shah sehr ungenau ist, so haben Sie die Güte statt dessen die beiden Wurzelwörter u. s. f. drucken zu lassen, oder die Verbalformen an die Stelle der Wurzeln zu setzen.
Tausend Entschuldigungen für diesen überlangen Brief. Ich schließe mit der Bitte, daß Ew. Hochwohlgebohrnen auch in diesem Jahre mir und meinen wissenschaftlichen Beschäftigungen Ihren freundschaftlichen Antheil schenken mögen, und verbleibe mit den hochachtungsvollsten Gesinnungen und den besten Wünschen
Ew. Hochwohlgebohrnen
ergebenster,
Humboldt.
Meinen Bruder erwarte ich heute Abend. Er wird kaum 3 Wochen hier bleiben.
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