• Wilhelm von Humboldt to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 15.04.1824
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Wilhelm von Humboldt
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 15.04.1824
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Briefwechsel zwischen Wilhelm von Humboldt und August Wilhelm Schlegel. Hg. v. Albert Leitzmann. Halle 1908, S. 163‒167.
  • Incipit: „[1] Berlin, den 15. April, 1824.
    Ich statte Ew. Hochwohlgebornen meinen herzlichsten Dank für Ihren gütigen Brief, und die beiden Hefte der [...]“
    Manuscript
  • Provider: Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek
  • OAI Id: 1732886
  • Classification Number: S 507 : 13
  • Provenance: Betr. Indische Bibliotehk, Bhagavad Gita und Humboldts Augenleiden, weswegen er "in diesem Winter (...) alles Schreiben (...) [hatte] sehr vermindern müssen".Geschenk August Wilhelm von Schlegels an die Universitätsbibliothek Bonn (s. A. Klette und I. Staender, Chirographorum in Bibliotheca Academica Bonnensi servatorum catalogus, Bd. II, Bonn 1858-1876, S. 152).
  • Number of Pages: 4 e. S.
  • Format: 25,4 x 21 cm
  • Particularities: Der Brief ist als Nr. 13 mit weiteren 26 Briefen Wilhelm von Humboldts an August Wilhelm von Schlegel in einen braunen marmorierten Pappeinband des 19. Jhs. eingebunden (Nr. 5: Brief von August Wilhelm von Schlegel an Wilhelm von Humboldt).
    Language
  • German
[1] Berlin, den 15. April, 1824.
Ich statte Ew. Hochwohlgebornen meinen herzlichsten Dank für Ihren gütigen Brief, und die beiden Hefte der Indischen Bibliothek ab. Ich würde diese Sendung nicht abgewartet haben, um Ihnen zu schreiben, und Ihnen meine Freude über Ihre Rückkunft nach Deutschland zu bezeugen, wenn ich nicht in diesem Winter, meiner Augen wegen, alles Schreiben hätte sehr vermindern müssen. Ich habe eine ganze Zeit hindurch bloß dictirt. Mein Augenübel war zwar wohl nur äußerlich, ein Entzündungszustand in der Conjunctiva und den Augenliedern, allein dies greift doch immer zugleich das innere Auge an. Jetzt ist es größtentheils besser damit. Doch muß ich mich noch sehr in Acht nehmen, und immer vermeiden, wenigstens bei Licht zu arbeiten. Unter allen Uebeln, denen man freilich bei zunehmenden Jahren nicht entgehen kann, sind Augenübel, meiner Empfindung nach, die störendsten und unangenehmsten.
Für die Sorgfalt, welche Ew. Hochwohlgebornen dem Druck meines Aufsatzes gewidmet haben, bin ich Ihnen ausnehmend verbunden. Ich habe kaum einen Druckfehler darin bemerkt. Das Uebersehen meiner Bitte um besonders abgezogene Exemplare hat durchaus nichts auf sich, und ich bitte Sie, Sich nicht zu bemühen, mir Exemplare des ganzen [2] Heftes zu schicken. Die Hefte der Indischen Bibliothek werden, wie ich höre, auch einzeln ausgegeben, und so kann ich sehr leicht hier die wenigen finden, deren ich bedürfen werde. Daß Sie mir auch ferner erlauben wollen, wenn sich die Gelegenheit dazu fände, Theil an der Indischen Bibliothek zu nehmen, ist mir überaus schätzbar.
Ihre Abhandlung in diesem Heft habe ich mit sehr großem Vergnügen gelesen. Sie gewährt eine belehrende und unterhaltende Uebersicht über Alles, was in dem von Ihnen durchgegangenen Zeitraum für das Sanskrit gethan ist, und erfreut, außer den einzelnen gehaltvollen und gelehrten Bemerkungen, die sie enthält, durch die Zierlichkeit und Lebendigkeit der Darstellung, die Alles auszeichnet, was Sie dem Publicum mittheilen. Ich habe, auch in diesem Winter, noch oft einzelne Stücke der Bhagavad-Gita wieder gelesen, und es ist mir der lebhafte Wunsch entstanden, daß Sie doch sollten versuchen, eine Deutsche Bearbeitung des ganzen Werkes für Deutsche Leser zu machen. Ich meine damit nicht eigentlich eine Uebersetzung des Ganzen, sondern ein Zusammenweben der einzelnen Stellen, die, unabhängig von jeder besondern Ansicht Indischer Mythologie, den Geist, das Dichtergefühl und die Empfindung überhaupt allgemein ansprechen müssen. Ich halte das für sehr möglich, und man würde durch eine solche Arbeit dem Einwurf be[3]gegnen, der von Allen, die nicht selbst Sanskrit treiben, doch immer, bald öffentlich, bald stillschweigend gemacht wird, daß man zwar in Allem, was man von dieser Sprache mitgetheilt erhält, wohl einzelne schöne Stellen findet, daß aber der Genuß des Ganzen doch immer auf eine unangenehme, oder gleichgültig lassende Weise durch andre und häufigere und längere gestört wird. Das Gedicht, von dem ich rede, trift dieser Vorwurf namentlich, und ich habe vielfältig erlebt, daß, wenn ich mit solchen, die Ihre lateinische Uebersetzung ganz wollten gelesen haben, auch nur halb so durchdrungen von dem Gedichte sprach, als ich Ihnen schrieb, ihr Schweigen mir verrieth, daß sie mein Urtheil nur der Selbsttäuschung zuschrieben, die für einen gewissen Grad der Anstrengung sich nun auch einen hinreichenden Lohn gefunden zu haben, überreden möchte. Ich glaube auch nicht, daß eine solche Bearbeitung nothwendig ein tiefes Studium der Indischen Philosophie voraussetzte, wie ein Commentar allerdings erfodern würde. Die Hauptaufgabe wäre nur den Gehalt des Textes recht kräftig und zugleich klar, recht einfach, und zugleich dichterisch, wiederzugeben, und wem würde das so sehr, als Ihnen gelingen? Stücke solcher Bearbeitung paßten auch sehr gut für die Indische Bibliothek.
Ich war vor einigen Tagen im Schauspiel, als man den standhaften Prinzen, nach Ihrer Uebersetzung, gab. [4] Wolf spielt ihn meisterhaft, alle übrigen Schauspieler stehen zum Theil unter dem Mittelmäßigen. Ich habe gleich nachher das Stück von neuem durchgelesen, und es drängt mich ordentlich, Ihnen zu sagen, wie mich Ihre musterhafte und unübertrefliche Uebertragung aufs neue ergriffen hat. Meiner Frau ist es damit ebenso ergangen. So sehr ich die Indischen Studien liebe, so wäre es doch sehr zu bedauern, wenn Sie es von jetzt an völlig verschmähten, dichterischen Arbeiten solcher und andrer Art Ihre Muße zu widmen. Ich hörte einmal in diesem Winter, daß etwas neues Poetisches von Ihnen erscheinen würde. Wie sehr würde ich mich freuen, wenn es sich bestätigen sollte.
Das Unternehmen Ihres Ramayana erfüllt mich mit den freudigsten Hoffnungen. Eine solche Ausgabe des wichtigsten Indischen Gedichts muß das Studium recht eigentlich sichernd begründen. Ich bitte Sie, meinen Namen den Subscribenten beizuzählen. Wo ich kann, werde ich die Unternehmung mit Vergnügen befördern. Leider aber habe ich auswärts kaum einige Verbindungen, am wenigsten in Wien.
In wenigen Tagen hoff ich Ew. Hochwohlgebornen eine schon längst in der Akademie gelesene, aber nun erst gedruckte Abhandlung zu schicken, die ich Sie gütig und nachsichtsvoll aufzunehmen bitte. Leben Sie recht wohl, und arbeiten Sie mit der Ruhe und Heiterkeit, die ein Gelingen der Arbeit, wie dasjenige ist, dessen Sie Sich immer erfreuen können, einflößen muß. Mit hochachtungsvollster Freundschaft
der Ihrige,
Humboldt.
[1] Berlin, den 15. April, 1824.
Ich statte Ew. Hochwohlgebornen meinen herzlichsten Dank für Ihren gütigen Brief, und die beiden Hefte der Indischen Bibliothek ab. Ich würde diese Sendung nicht abgewartet haben, um Ihnen zu schreiben, und Ihnen meine Freude über Ihre Rückkunft nach Deutschland zu bezeugen, wenn ich nicht in diesem Winter, meiner Augen wegen, alles Schreiben hätte sehr vermindern müssen. Ich habe eine ganze Zeit hindurch bloß dictirt. Mein Augenübel war zwar wohl nur äußerlich, ein Entzündungszustand in der Conjunctiva und den Augenliedern, allein dies greift doch immer zugleich das innere Auge an. Jetzt ist es größtentheils besser damit. Doch muß ich mich noch sehr in Acht nehmen, und immer vermeiden, wenigstens bei Licht zu arbeiten. Unter allen Uebeln, denen man freilich bei zunehmenden Jahren nicht entgehen kann, sind Augenübel, meiner Empfindung nach, die störendsten und unangenehmsten.
Für die Sorgfalt, welche Ew. Hochwohlgebornen dem Druck meines Aufsatzes gewidmet haben, bin ich Ihnen ausnehmend verbunden. Ich habe kaum einen Druckfehler darin bemerkt. Das Uebersehen meiner Bitte um besonders abgezogene Exemplare hat durchaus nichts auf sich, und ich bitte Sie, Sich nicht zu bemühen, mir Exemplare des ganzen [2] Heftes zu schicken. Die Hefte der Indischen Bibliothek werden, wie ich höre, auch einzeln ausgegeben, und so kann ich sehr leicht hier die wenigen finden, deren ich bedürfen werde. Daß Sie mir auch ferner erlauben wollen, wenn sich die Gelegenheit dazu fände, Theil an der Indischen Bibliothek zu nehmen, ist mir überaus schätzbar.
Ihre Abhandlung in diesem Heft habe ich mit sehr großem Vergnügen gelesen. Sie gewährt eine belehrende und unterhaltende Uebersicht über Alles, was in dem von Ihnen durchgegangenen Zeitraum für das Sanskrit gethan ist, und erfreut, außer den einzelnen gehaltvollen und gelehrten Bemerkungen, die sie enthält, durch die Zierlichkeit und Lebendigkeit der Darstellung, die Alles auszeichnet, was Sie dem Publicum mittheilen. Ich habe, auch in diesem Winter, noch oft einzelne Stücke der Bhagavad-Gita wieder gelesen, und es ist mir der lebhafte Wunsch entstanden, daß Sie doch sollten versuchen, eine Deutsche Bearbeitung des ganzen Werkes für Deutsche Leser zu machen. Ich meine damit nicht eigentlich eine Uebersetzung des Ganzen, sondern ein Zusammenweben der einzelnen Stellen, die, unabhängig von jeder besondern Ansicht Indischer Mythologie, den Geist, das Dichtergefühl und die Empfindung überhaupt allgemein ansprechen müssen. Ich halte das für sehr möglich, und man würde durch eine solche Arbeit dem Einwurf be[3]gegnen, der von Allen, die nicht selbst Sanskrit treiben, doch immer, bald öffentlich, bald stillschweigend gemacht wird, daß man zwar in Allem, was man von dieser Sprache mitgetheilt erhält, wohl einzelne schöne Stellen findet, daß aber der Genuß des Ganzen doch immer auf eine unangenehme, oder gleichgültig lassende Weise durch andre und häufigere und längere gestört wird. Das Gedicht, von dem ich rede, trift dieser Vorwurf namentlich, und ich habe vielfältig erlebt, daß, wenn ich mit solchen, die Ihre lateinische Uebersetzung ganz wollten gelesen haben, auch nur halb so durchdrungen von dem Gedichte sprach, als ich Ihnen schrieb, ihr Schweigen mir verrieth, daß sie mein Urtheil nur der Selbsttäuschung zuschrieben, die für einen gewissen Grad der Anstrengung sich nun auch einen hinreichenden Lohn gefunden zu haben, überreden möchte. Ich glaube auch nicht, daß eine solche Bearbeitung nothwendig ein tiefes Studium der Indischen Philosophie voraussetzte, wie ein Commentar allerdings erfodern würde. Die Hauptaufgabe wäre nur den Gehalt des Textes recht kräftig und zugleich klar, recht einfach, und zugleich dichterisch, wiederzugeben, und wem würde das so sehr, als Ihnen gelingen? Stücke solcher Bearbeitung paßten auch sehr gut für die Indische Bibliothek.
Ich war vor einigen Tagen im Schauspiel, als man den standhaften Prinzen, nach Ihrer Uebersetzung, gab. [4] Wolf spielt ihn meisterhaft, alle übrigen Schauspieler stehen zum Theil unter dem Mittelmäßigen. Ich habe gleich nachher das Stück von neuem durchgelesen, und es drängt mich ordentlich, Ihnen zu sagen, wie mich Ihre musterhafte und unübertrefliche Uebertragung aufs neue ergriffen hat. Meiner Frau ist es damit ebenso ergangen. So sehr ich die Indischen Studien liebe, so wäre es doch sehr zu bedauern, wenn Sie es von jetzt an völlig verschmähten, dichterischen Arbeiten solcher und andrer Art Ihre Muße zu widmen. Ich hörte einmal in diesem Winter, daß etwas neues Poetisches von Ihnen erscheinen würde. Wie sehr würde ich mich freuen, wenn es sich bestätigen sollte.
Das Unternehmen Ihres Ramayana erfüllt mich mit den freudigsten Hoffnungen. Eine solche Ausgabe des wichtigsten Indischen Gedichts muß das Studium recht eigentlich sichernd begründen. Ich bitte Sie, meinen Namen den Subscribenten beizuzählen. Wo ich kann, werde ich die Unternehmung mit Vergnügen befördern. Leider aber habe ich auswärts kaum einige Verbindungen, am wenigsten in Wien.
In wenigen Tagen hoff ich Ew. Hochwohlgebornen eine schon längst in der Akademie gelesene, aber nun erst gedruckte Abhandlung zu schicken, die ich Sie gütig und nachsichtsvoll aufzunehmen bitte. Leben Sie recht wohl, und arbeiten Sie mit der Ruhe und Heiterkeit, die ein Gelingen der Arbeit, wie dasjenige ist, dessen Sie Sich immer erfreuen können, einflößen muß. Mit hochachtungsvollster Freundschaft
der Ihrige,
Humboldt.
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