• August Wilhelm von Schlegel to Johann Ferdinand Koreff

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Unknown · Date: 19.01.1818
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johann Ferdinand Koreff
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 19.01.1818
    Printed Text
  • Bibliography: Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: David Ferdinand Koreff. Berlin u.a. 1928, S. 230‒233.
  • Verlag: Gebrüder Paetel
  • Incipit: „[1] Paris, 19. Januar 1818.
    Rue de Bourbon 76
    Chez le duc de Broglie
    Wie können Sie glauben, mein teuerster Freund, daß Ihr Brief [...]“
    Manuscript
  • Provider: Bonn, Stadtarchiv
  • Classification Number: SN 019 477
  • Number of Pages: 3 S., hs. m. U.
    Language
  • German
[1] Paris, 19. Januar 1818.
Rue de Bourbon 76
Chez le duc de Broglie

Wie können Sie glauben, mein teuerster Freund, daß Ihr Brief aus Karlsbad ohne Antwort geblieben wäre, wenn ich ihn wirklich erhalten hätte? Er ist ohne Zweifel verloren gegangen. Zwar begreife ich nicht recht, wie? Denn der Verwalter des Schlosses in Coppet pflegt alles, was dort eingeht, auf das sorgfältigste an mich zu fördern. Ihren Brief vom 4. Januar empfing ich vorgestern und antwortete ohne alle Zögerung. Schon im Herbst meldeten mir Freunde aus Deutschland, man habe die Absicht, mich an die Universität in Berlin zu berufen, eine amtliche Mitteilung darüber ist mir aber erst vor einigen Wochen zugekommen. Der Minister von Schuckmann hat deshalb, wo ich nicht irre, im Monat Oktober an Herrn Alexander von Humboldt geschrieben; dieser Brief war aber nach England gegangen und Herr von Humboldt empfing ihn erst nach seiner Zurückkunft. Ich habe darauf sogleich meine Bereitwilligkeit bezeugt, einem so ehrenvollen Rufe zu folgen, es aber selbst abgelehnt, Bedingungen zu machen. Herr von Humboldt hat meine an ihn gerichtete Antwort an den Minister von Altenstein gefördert, und ich erwartete die näheren Vorschläge, als Ihr Brief mit dem neuen Antrage des Fürsten Staatskanzlers ankam. Gegen Sie, als einen vieljährigen Freund, darf ich mich ganz offenherzig äußern. Es ist überhaupt schon ein schwerer Entschluß für mich, der ich seit so lange an vollkommene Unabhängigkeit gewöhnt bin, mich den täglichen und stündlichen Pflichten eines Lehramtes zu unterziehen. Nach dem unersetzlichen Verluste, den ich erlitten, war mein Lieblingsgedanke, mich am Genfer See niederzulassen und dort in freier Muße längst entworfene gelehrte Werke auszuführen. Sie wissen selbst, welche werte Erinnerungen mich dorthin ziehen und welche gesellige Annehmlichkeiten ich in dem Familienkreise meiner unsterblichen Freundin genieße. Wenn ich dennoch den Ehrgeiz hege, in die Dienste der preußischen Regierung zu treten, welche die Wissenschaften vielleicht mehr als irgendeine andere zu ehren weiß, so kann mein Augenmerk dabei nur [2] auf die Hauptstadt gerichtet sein. Nur hier finde ich alle gelehrten Hilfsmittel, alle Kunstsammlungen beisammen, nur hier im Mittelpunkt deutscher Geistesbildung einen Wirkungskreis, wo ich mit Vorteil mitteilen kann, was ich auf vieljährigen Reisen eingesammelt habe. Ich vermute, daß die Gehalte, welche man den Professoren zugesteht, nicht über 2000 Taler hinausgehen, aber durch Vorlesungen in Berlin würde ich diese Einnahme vielleicht verdoppeln können, besonders wenn ich, wie ehemals, außer den Lehrstunden für die Studierenden, auch vor einem gemischten Kreise von Zuhörern und Zuhörerinnen Vorlesungen hielte. Alles dieses fällt in Coblenz weg. Meine Anstellung müßte also wohl sogleich auf Berlin lauten und nur durch eine besondere Übereinkunft ausgemacht werden, daß ich vor dem Antritt meiner eigentlichen Bestimmung mich auf ein Jahr lang zu Lehrvorträgen in Coblenz anheischig mache. Eine neue Einrichtung erfordert immerhin mancherlei Ausgaben; zudem würde ich in Coblenz meine eigne Bibliothek, die zwar nicht zahlreich (etwa 1500 Bände), aber für meine Zwecke gewählt ist, noch weniger entbehren können als in Berlin, und würde also, wie ich schon dorthin getan, um Vergütung des Transportes anhalten müssen. Indessen ist die Voraussetzung des Fürsten Staatskanzlers, daß meine Gegenwart und Mitwirkung der Rheinischen Universität vorteilhaft sein könne, unendlich schmeichelhaft für mich, und ich wünsche zur Förderung der umfassenden Pläne des verehrten Staatsmannes nach meinen geringen Kräften beizutragen. Die schönste Belohnung für einen Entschluß, der, wie Sie selbst einsehen werden, mit bedeutenden Aufopferungen verbunden ist, würde ich in ehrenvollen Auszeichnungen und der Zusage der Preußischen Regierung finden, mir Vorschüsse zu gelehrten Unternehmungen zu machen, die, wie ich hoffe, für den Fortgang der Wissenschaften und für das Ansehen der Berlinischen Universität nicht unersprießlich sein würden. Die Zeit ist heute zu kurz, [3] um Ihnen das Nähere vorzulegen. Das Beste wäre wohl, wenn ich dem Fürsten Staatskanzler meine Aufwartung persönlich machen und von ihm selbst das Nähere über seine Zwecke bei den gelehrten Anstalten, welche er gründet, vernehmen könnte. Die Jahreszeit ist abschreckend und die Entfernung nicht gering; zudem habe ich mit der Neuausgabe der nachgelassenen Werke meiner Freundin fortwährend viel zu tun. Die Reise an den Rhein müßte also äußerst schnell gemacht werden. Ich habe nach Berlin geantwortet, ich würde schwerlich vor dem Herbst antreten können. Vielleicht könnte ich es möglich machen, schon diesen Sommer Vorlesungen zu halten, so wäre für die Rheinische Universität schon ein halbes Jahr gewonnen. Aber länger als auf ein Jahr möchte ich mich in allem nicht gern verpflichten, dort Vorlesungen zu halten. Der Zeitpunkt könnte um ein halbes Jahr verlängert werden, wenn ich die Lage für gelehrte Wirksamkeit nicht allzu ungünstig fände. Ich bitte Sie, dem Fürsten Staatskanzler meine ehrerbietigsten Gesinnungen und meine Dankbarkeit für sein ehrenvolles Zutrauen zu bezeugen. Sie sind gewiß überzeugt, mein teurer Freund, daß in der Lage, worin ich bin, mich nur Eifer für die Sache zu dem Entschlusse bewegen kann, in Deutschland als öffentlicher Lehrer aufzutreten.
Empfangen Sie den herzlichsten Dank für Ihre freundschaftliche Teilnahme an meinen Schicksalen nach so langer Entfernung. Ich erfreue mich der Aussicht, bald einmal wieder die Aufheiterung Ihres geistreichen Gesprächs zu genießen. Unveränderlich der Ihrige
A. W. v. Schlegel.
Ich schicke Ihnen diesen Brief geradezu durch die Post und nicht durch den Legationsrat Schöll, da ich den Ihrigen auf diesem Wege sehr spät erhalten habe. Antworten Sie mir ebenso mit der angegebenen Adresse, aber ich beschwöre Sie, ohne einen einzigen Posttag zu versäumen. Ich erwarte nur Ihre Antwort, um schnell auf einige Tage nach Coblenz zu kommen. Aber ich muß diese Antwort bald erhalten, wenn es möglich sein soll. Ich kann mich höchstens nur auf vierzehn Tage von hier entfernen, und im Monat März ist meine ununterbrochene Gegenwart unumgänglich notwendig.
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[1] Paris, 19. Januar 1818.
Rue de Bourbon 76
Chez le duc de Broglie

Wie können Sie glauben, mein teuerster Freund, daß Ihr Brief aus Karlsbad ohne Antwort geblieben wäre, wenn ich ihn wirklich erhalten hätte? Er ist ohne Zweifel verloren gegangen. Zwar begreife ich nicht recht, wie? Denn der Verwalter des Schlosses in Coppet pflegt alles, was dort eingeht, auf das sorgfältigste an mich zu fördern. Ihren Brief vom 4. Januar empfing ich vorgestern und antwortete ohne alle Zögerung. Schon im Herbst meldeten mir Freunde aus Deutschland, man habe die Absicht, mich an die Universität in Berlin zu berufen, eine amtliche Mitteilung darüber ist mir aber erst vor einigen Wochen zugekommen. Der Minister von Schuckmann hat deshalb, wo ich nicht irre, im Monat Oktober an Herrn Alexander von Humboldt geschrieben; dieser Brief war aber nach England gegangen und Herr von Humboldt empfing ihn erst nach seiner Zurückkunft. Ich habe darauf sogleich meine Bereitwilligkeit bezeugt, einem so ehrenvollen Rufe zu folgen, es aber selbst abgelehnt, Bedingungen zu machen. Herr von Humboldt hat meine an ihn gerichtete Antwort an den Minister von Altenstein gefördert, und ich erwartete die näheren Vorschläge, als Ihr Brief mit dem neuen Antrage des Fürsten Staatskanzlers ankam. Gegen Sie, als einen vieljährigen Freund, darf ich mich ganz offenherzig äußern. Es ist überhaupt schon ein schwerer Entschluß für mich, der ich seit so lange an vollkommene Unabhängigkeit gewöhnt bin, mich den täglichen und stündlichen Pflichten eines Lehramtes zu unterziehen. Nach dem unersetzlichen Verluste, den ich erlitten, war mein Lieblingsgedanke, mich am Genfer See niederzulassen und dort in freier Muße längst entworfene gelehrte Werke auszuführen. Sie wissen selbst, welche werte Erinnerungen mich dorthin ziehen und welche gesellige Annehmlichkeiten ich in dem Familienkreise meiner unsterblichen Freundin genieße. Wenn ich dennoch den Ehrgeiz hege, in die Dienste der preußischen Regierung zu treten, welche die Wissenschaften vielleicht mehr als irgendeine andere zu ehren weiß, so kann mein Augenmerk dabei nur [2] auf die Hauptstadt gerichtet sein. Nur hier finde ich alle gelehrten Hilfsmittel, alle Kunstsammlungen beisammen, nur hier im Mittelpunkt deutscher Geistesbildung einen Wirkungskreis, wo ich mit Vorteil mitteilen kann, was ich auf vieljährigen Reisen eingesammelt habe. Ich vermute, daß die Gehalte, welche man den Professoren zugesteht, nicht über 2000 Taler hinausgehen, aber durch Vorlesungen in Berlin würde ich diese Einnahme vielleicht verdoppeln können, besonders wenn ich, wie ehemals, außer den Lehrstunden für die Studierenden, auch vor einem gemischten Kreise von Zuhörern und Zuhörerinnen Vorlesungen hielte. Alles dieses fällt in Coblenz weg. Meine Anstellung müßte also wohl sogleich auf Berlin lauten und nur durch eine besondere Übereinkunft ausgemacht werden, daß ich vor dem Antritt meiner eigentlichen Bestimmung mich auf ein Jahr lang zu Lehrvorträgen in Coblenz anheischig mache. Eine neue Einrichtung erfordert immerhin mancherlei Ausgaben; zudem würde ich in Coblenz meine eigne Bibliothek, die zwar nicht zahlreich (etwa 1500 Bände), aber für meine Zwecke gewählt ist, noch weniger entbehren können als in Berlin, und würde also, wie ich schon dorthin getan, um Vergütung des Transportes anhalten müssen. Indessen ist die Voraussetzung des Fürsten Staatskanzlers, daß meine Gegenwart und Mitwirkung der Rheinischen Universität vorteilhaft sein könne, unendlich schmeichelhaft für mich, und ich wünsche zur Förderung der umfassenden Pläne des verehrten Staatsmannes nach meinen geringen Kräften beizutragen. Die schönste Belohnung für einen Entschluß, der, wie Sie selbst einsehen werden, mit bedeutenden Aufopferungen verbunden ist, würde ich in ehrenvollen Auszeichnungen und der Zusage der Preußischen Regierung finden, mir Vorschüsse zu gelehrten Unternehmungen zu machen, die, wie ich hoffe, für den Fortgang der Wissenschaften und für das Ansehen der Berlinischen Universität nicht unersprießlich sein würden. Die Zeit ist heute zu kurz, [3] um Ihnen das Nähere vorzulegen. Das Beste wäre wohl, wenn ich dem Fürsten Staatskanzler meine Aufwartung persönlich machen und von ihm selbst das Nähere über seine Zwecke bei den gelehrten Anstalten, welche er gründet, vernehmen könnte. Die Jahreszeit ist abschreckend und die Entfernung nicht gering; zudem habe ich mit der Neuausgabe der nachgelassenen Werke meiner Freundin fortwährend viel zu tun. Die Reise an den Rhein müßte also äußerst schnell gemacht werden. Ich habe nach Berlin geantwortet, ich würde schwerlich vor dem Herbst antreten können. Vielleicht könnte ich es möglich machen, schon diesen Sommer Vorlesungen zu halten, so wäre für die Rheinische Universität schon ein halbes Jahr gewonnen. Aber länger als auf ein Jahr möchte ich mich in allem nicht gern verpflichten, dort Vorlesungen zu halten. Der Zeitpunkt könnte um ein halbes Jahr verlängert werden, wenn ich die Lage für gelehrte Wirksamkeit nicht allzu ungünstig fände. Ich bitte Sie, dem Fürsten Staatskanzler meine ehrerbietigsten Gesinnungen und meine Dankbarkeit für sein ehrenvolles Zutrauen zu bezeugen. Sie sind gewiß überzeugt, mein teurer Freund, daß in der Lage, worin ich bin, mich nur Eifer für die Sache zu dem Entschlusse bewegen kann, in Deutschland als öffentlicher Lehrer aufzutreten.
Empfangen Sie den herzlichsten Dank für Ihre freundschaftliche Teilnahme an meinen Schicksalen nach so langer Entfernung. Ich erfreue mich der Aussicht, bald einmal wieder die Aufheiterung Ihres geistreichen Gesprächs zu genießen. Unveränderlich der Ihrige
A. W. v. Schlegel.
Ich schicke Ihnen diesen Brief geradezu durch die Post und nicht durch den Legationsrat Schöll, da ich den Ihrigen auf diesem Wege sehr spät erhalten habe. Antworten Sie mir ebenso mit der angegebenen Adresse, aber ich beschwöre Sie, ohne einen einzigen Posttag zu versäumen. Ich erwarte nur Ihre Antwort, um schnell auf einige Tage nach Coblenz zu kommen. Aber ich muß diese Antwort bald erhalten, wenn es möglich sein soll. Ich kann mich höchstens nur auf vierzehn Tage von hier entfernen, und im Monat März ist meine ununterbrochene Gegenwart unumgänglich notwendig.
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