• Charlotte Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe · Place of Destination: Bonn · Date: 19.09.1832
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 19.09.1832
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.11
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,4 x 20,6 cm
  • Incipit: „[1] Vielgeliebter Bruder!
    Daß ich Ihren theilnehmenden wohlwollenden Brief nicht eher beantwortete, war einzig mein Befinden und meine traurige Stimmung schuld; [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Vielgeliebter Bruder!
Daß ich Ihren theilnehmenden wohlwollenden Brief nicht eher beantwortete, war einzig mein Befinden und meine traurige Stimmung schuld; den auch ich bin tief gebeugt, und der Tod meines guten Schwiegersohns hat auch mir eine schmerzliche Wunde geschlagen. Ihr Mitgefühl that unserm Herzen wohl und richtete uns auf in unsern Kummer; herzlich dancken wir Ihnen dafür. Meine arme Tochter ist sehr unglüklich, und unbeschreiblich betrübt daß sie den Mann verloren hat den sie mit ganzer Seele liebte, und auf dessen Leben sie noch so viele Jahre rechnete. Durch seine Versetzung nach Lüneburg, wo er eine Compagnie erhielt, und sich seine Einnahme so bedeutend vermehrte, wurden sie in den Stand gesetzt erst ihres Lebens froh zu werden, den sie hatten sich bißher spärlich behelffen müssen. Zu den Umzuge, der neuen Einrichtung und seiner équipirung, muste er Geld borgen, welches er durch seine erhöhte gage bald wieder abzutragen hofte, nun aber da ihn der Tod ereilt hat, fallen meiner armen Tochter die Schulden zur Last, die umso drückender sind, weil gar keine Mittel vorhanden sie zu bezahlen, und sie nicht weiß wovon sie künftig leben soll. Sie erhält freylich ein Wittwengehalt von 150 Thalern, davon müssen aber die Zinsen von den geliehnen Kapital abgezogen werden; wie viel bleibt den noch um mit zwey Kinder davon zu subsistiren! Ihr wird daher jede Beysteur die sie ihr gütigst wollen zu kommen lassen, sehr willkommen, seyn und die 8 Luisdor wozu Sie lieber Bruder ihr Hofnung machen sehr angenehm seyn, nur müssen Sie sie sich nicht entziehen, sondern zu einer Ihnen bequemen und gelegnen Zeit damit warten, dann kann ich auf einen von Ihnen ausgestellten Wechsel bey den Senator Merkel in Hamburg die Summe heben.
Sie erkundigen sich, ob meine Tochter in Harburg bleiben wird? Sie muß es ihres Vortheils wegen, da aber mein kleines Logis zu eng und beschränkt ist als daß wir Alle darin wohnen [2] könten, so habe ich ihr eine Stube und Kammer in meiner Nähe gemiethet. Nach besten Kräften werde ich sie zu unterstützen suchen, was kann ich aber bey meiner geringen Einnahme. Auf Ihrer Anfrage nach dem Alter und den Gesundheitszustand der Kinder, kann ich Ihnen sagen, daß die Tochter als die älteste 10½ Jahr alt ist, und der Knabe 8½ Jahr. Das kleine Mädchen ist kränklich, und leidet besonders an Schwäche der Augen weßhalb sie schon mehrere Jahre eine Fontanelle hat, der Knabe ist aber gesund. –
Auch von meiner jüngsten Tochter wünschen Sie etwas zu wissen, geliebter Bruder, und erkundigen sich theilnehmend nach ihr! Ihnen einen Beweis ihrer edlen Denkungsart, und ihrer Liebe zu den Ihrigen zu geben, lege ich einen Brief den ich kürzlich von ihr erhalten habe mit ein. Nimmermehr würde sie mir es vergeben wenn sie dieses wüste, weil sie Ihre Kritik fürchten würde und dieser Brief nur für mich geschrieben war, aber ich rechne auf Ihre Nachsicht. Das gute Kind lebt nicht in Ueberfluß und muß sich manchen Wunsch versagen, doch ist sie zufrieden und klagt nie. Sie hat einen braven Mann welcher Rektor an der hohen oder gelehrten Schule in Lingen ist aber leider oft kränckelt, und einen Knaben von 8 Jahren der ihr viele Freude macht.
Meines Sohnes undankbares Betragen gegen Sie, bester Bruder, kränkt mich sehr; wiederhohlt habe ich bey ihm angefragt ob er wie es seine Schuldigkeit wäre, Ihnen geschrieben hätte und was er von Ihnen wüste, aber nie habe ich eine Antwort darauf von ihm erhalten können, eben so wenig auf meine öftere Fragen wie es ihm in Verden wo er bey den Domseminar angestellt ist, gefiele, und ob er ein hinlängliches Einkommen hätte. Es ist Schade daß er bey seinem guten Herzen so verkehrte Ansichten hat, und so verschlossen ist daß man nie klug aus ihm werden kan.
Ich muß nun schliessen, geliebter Bruder, nachdem ich Sie auf Ihren Wunsch von allem was mich und meinen Kindern betrift in Kentniß gesetzt habe. Das Schreiben hat mich [3] sehr angegriffen und meine schwachen Kräfte sind erschöpft. Leben Sie den wohl, theurster Bruder! Möge der gütige Gott Ihre Gesundheit stärken und Sie uns noch lange zum Trost erhalten! Alle die Liebe und Anhänglichkeit die ich für die Familie meines verewigten theuren Schlegels je empfand, übertrage ich auf Sie mein geliebter Bruder, als das einzige theure Mitglied welches mir noch davon übrig ist. Bleiben Sie mir und meinen Kindern ferner in Liebe gewogen, und schenken Sie ein freundliches Andenken,
Ihrer
treu ergebenen Schwester
Ch. Schlegel.
Harburg
den 19ten Sept
1832.
[4] [leer]
[1] beantw. d. 15ten Oct. 32
mit Einlage eines Wechsels
von 8
Frdʼor.
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[1] Vielgeliebter Bruder!
Daß ich Ihren theilnehmenden wohlwollenden Brief nicht eher beantwortete, war einzig mein Befinden und meine traurige Stimmung schuld; den auch ich bin tief gebeugt, und der Tod meines guten Schwiegersohns hat auch mir eine schmerzliche Wunde geschlagen. Ihr Mitgefühl that unserm Herzen wohl und richtete uns auf in unsern Kummer; herzlich dancken wir Ihnen dafür. Meine arme Tochter ist sehr unglüklich, und unbeschreiblich betrübt daß sie den Mann verloren hat den sie mit ganzer Seele liebte, und auf dessen Leben sie noch so viele Jahre rechnete. Durch seine Versetzung nach Lüneburg, wo er eine Compagnie erhielt, und sich seine Einnahme so bedeutend vermehrte, wurden sie in den Stand gesetzt erst ihres Lebens froh zu werden, den sie hatten sich bißher spärlich behelffen müssen. Zu den Umzuge, der neuen Einrichtung und seiner équipirung, muste er Geld borgen, welches er durch seine erhöhte gage bald wieder abzutragen hofte, nun aber da ihn der Tod ereilt hat, fallen meiner armen Tochter die Schulden zur Last, die umso drückender sind, weil gar keine Mittel vorhanden sie zu bezahlen, und sie nicht weiß wovon sie künftig leben soll. Sie erhält freylich ein Wittwengehalt von 150 Thalern, davon müssen aber die Zinsen von den geliehnen Kapital abgezogen werden; wie viel bleibt den noch um mit zwey Kinder davon zu subsistiren! Ihr wird daher jede Beysteur die sie ihr gütigst wollen zu kommen lassen, sehr willkommen, seyn und die 8 Luisdor wozu Sie lieber Bruder ihr Hofnung machen sehr angenehm seyn, nur müssen Sie sie sich nicht entziehen, sondern zu einer Ihnen bequemen und gelegnen Zeit damit warten, dann kann ich auf einen von Ihnen ausgestellten Wechsel bey den Senator Merkel in Hamburg die Summe heben.
Sie erkundigen sich, ob meine Tochter in Harburg bleiben wird? Sie muß es ihres Vortheils wegen, da aber mein kleines Logis zu eng und beschränkt ist als daß wir Alle darin wohnen [2] könten, so habe ich ihr eine Stube und Kammer in meiner Nähe gemiethet. Nach besten Kräften werde ich sie zu unterstützen suchen, was kann ich aber bey meiner geringen Einnahme. Auf Ihrer Anfrage nach dem Alter und den Gesundheitszustand der Kinder, kann ich Ihnen sagen, daß die Tochter als die älteste 10½ Jahr alt ist, und der Knabe 8½ Jahr. Das kleine Mädchen ist kränklich, und leidet besonders an Schwäche der Augen weßhalb sie schon mehrere Jahre eine Fontanelle hat, der Knabe ist aber gesund. –
Auch von meiner jüngsten Tochter wünschen Sie etwas zu wissen, geliebter Bruder, und erkundigen sich theilnehmend nach ihr! Ihnen einen Beweis ihrer edlen Denkungsart, und ihrer Liebe zu den Ihrigen zu geben, lege ich einen Brief den ich kürzlich von ihr erhalten habe mit ein. Nimmermehr würde sie mir es vergeben wenn sie dieses wüste, weil sie Ihre Kritik fürchten würde und dieser Brief nur für mich geschrieben war, aber ich rechne auf Ihre Nachsicht. Das gute Kind lebt nicht in Ueberfluß und muß sich manchen Wunsch versagen, doch ist sie zufrieden und klagt nie. Sie hat einen braven Mann welcher Rektor an der hohen oder gelehrten Schule in Lingen ist aber leider oft kränckelt, und einen Knaben von 8 Jahren der ihr viele Freude macht.
Meines Sohnes undankbares Betragen gegen Sie, bester Bruder, kränkt mich sehr; wiederhohlt habe ich bey ihm angefragt ob er wie es seine Schuldigkeit wäre, Ihnen geschrieben hätte und was er von Ihnen wüste, aber nie habe ich eine Antwort darauf von ihm erhalten können, eben so wenig auf meine öftere Fragen wie es ihm in Verden wo er bey den Domseminar angestellt ist, gefiele, und ob er ein hinlängliches Einkommen hätte. Es ist Schade daß er bey seinem guten Herzen so verkehrte Ansichten hat, und so verschlossen ist daß man nie klug aus ihm werden kan.
Ich muß nun schliessen, geliebter Bruder, nachdem ich Sie auf Ihren Wunsch von allem was mich und meinen Kindern betrift in Kentniß gesetzt habe. Das Schreiben hat mich [3] sehr angegriffen und meine schwachen Kräfte sind erschöpft. Leben Sie den wohl, theurster Bruder! Möge der gütige Gott Ihre Gesundheit stärken und Sie uns noch lange zum Trost erhalten! Alle die Liebe und Anhänglichkeit die ich für die Familie meines verewigten theuren Schlegels je empfand, übertrage ich auf Sie mein geliebter Bruder, als das einzige theure Mitglied welches mir noch davon übrig ist. Bleiben Sie mir und meinen Kindern ferner in Liebe gewogen, und schenken Sie ein freundliches Andenken,
Ihrer
treu ergebenen Schwester
Ch. Schlegel.
Harburg
den 19ten Sept
1832.
[4] [leer]
[1] beantw. d. 15ten Oct. 32
mit Einlage eines Wechsels
von 8
Frdʼor.
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