• Karl August Moritz Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe · Place of Destination: Amsterdam · Date: 28.04.1794
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl August Moritz Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Harburg, Elbe
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 28.04.1794
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.88
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 23,2 x 19,3 cm
  • Incipit: „[1] Liebster Bruder,
    Du wirst dich sehr wundern, einmal etwas von meiner Hand zu sehen. Das wird keiner Versicherung bedürfen, daß [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Liebster Bruder,
Du wirst dich sehr wundern, einmal etwas von meiner Hand zu sehen. Das wird keiner Versicherung bedürfen, daß du meinem Andenken sehr oft gegenwärtig bist; nur der große Abstand unsrer beiderseitigen Lage und Verhältnisse ist Schuld an der bisherigen langen Unterbrechung unsrer Correspondenz. Ich muß nur gleich zu Anfange gestehen, daß auch der gegenwärtige Brief eine besondere Veranlassung hat; es ist meine Absicht, bey dir eine verlorne Anfrage zu thun; deretwegen ich dich aber zum voraus bitte, mir recht offenherzig darauf zu antworten. Ich will nur gleich zur Sache kommen, damit ich nachher noch ein bischen mit dir schwatzen kann. du wirst wahrscheinlich in Hannover von einem von mir neu herausgegebenen Werke unter der Aufschrift: Populäre Betrachtungen über natürliche Rel. und Christenthum, gehört haben. Der andre Theil dieses Buches behandelt ausführlich den Beweis für die Göttlichkeit des Christenthums, nach den neuesten Aufklärungen der Philosophie, Kritick und Exegese bearbeitet. Da mich diese Arbeit in den letzten anderthalb Jahren fast ausschließend beschäftigt hat, so mußte es mich frappiren, von der Teylerischen Gottesgelehrtengesellschaft zu Haarlem eine Preisaufgabe, die gerade in dies Fach hineinschlägt, über die innern und äußern Beweise des Christenthums, aufgegeben zu sehen. Ich muß gestehen, daß ich große Begierde empfinde, bey dieser Aufgabe mit zu concurriren; es würde mir jetzt leicht seyn, etwas Reifes und Durchdachtes darüber zu liefern, und zwar Manches, was von andern noch nicht, oder doch nicht auf die Art und in der Verbindung vorgetragen ist. Nur Eine Schwierigkeit findet sich hiebey. Es ist ausdrücklich die deutsche Sprache ausgeschlossen. Ich muß gestehen, daß ich nach einer zwölfjährigen Amtsführung mit dem lateini[2]schen Stil ziemlich aus der Uebung gekommen bin, und es hat große Schwierigkeiten, Sätze der kantischen Philosophie, die bey dieser Abhandlung benutzt werden würden und müßten, auf eine deutliche und leichte Art im Lateinischen auszudrücken. Nun ist es meine brüderliche Anfrage an dich, ob deine Fertigkeit im Holländischen von der Beschaffenheit ist, um eine scientistische und größtentheils philos. Abhandlung mit Leichtigkeit aus dem Deutschen ins Holländische zu übertragen, und ob eine solche Arbeit, ohne dir zu große Unbequemlichkeit zu verursachen, sich mit deiner jetzigen Lage verträgt. Ich denke, die Abhandlung soll höchstens 10 Bogen gedruckt nach 8 Format austragen. Ich würde sie dir zu Michaelis überschicken können, und spätestens von dem letzten November dieses Jahres müßte sie der Gesellschaft eingeliefert werden. Es versteht sich von selbst, daß du deine Uebersetzung auf meine Kosten ins Reine abschreiben ließest, und daß du, wenn ich so glücklich seyn sollte, den Preis davon zu tragen, (welcher in einer goldnen Medaille von 400 Fl an Werth besteht,) du den dritten Theil davon participirtest. Ich habe dir diese freylich etwas kühne Anfrage ganz ohne Umschweife vorgetragen; ich erwarte aber auch, und bitte dich darum, daß du eben so ohne Umschweife darauf antwortest. Nur müßte ich dich bitten, mir bald eine bestimmte Antwort zu ertheilen, und fürʼs erste unsrer Familie in Hannover nichts davon wissen zu lassen. du könntest deinen Brief über Hamburg hieher addressiren.
Auf alle Fälle wird mir diese Anfrage Gelegenheit gewähren, einmal etwas unmittelbar von dir und von deinem Befinden zu erfahren, da mir aus Hannover jetzt selten etwas von dir mitgetheilt wird. Die Lage der Sachen in Hannover hat sich seit unsres guten Vaters Absterben auf eine sehr traurige Art verändert, und man muß auf baldige glückliche Veränderungen in der Familie hoffen, damit die arme Mutter nicht gar zu niedergeschlagen wird. Aber es scheint in unsrer Familie kein auszeichnen[3]des Glück zu Hause zu gehören. Auch mir sind Wünsche und Hoffnungen fehlgeschlagen. Ich muß eine Versetzung von hier wünschen, aber ich muß eine mich um 200 r. in meiner Einnahme verbessern, wenn es mir wirklich zum Vortheile gereichen soll. Und eine solche Verbesserung scheint man nicht geneigt mir geben zu wollen. Man glaubt, daß ich es mir zur großen Ehre anrechnen muß, wenn man mich für eine Einnahme von 6–700 r. inʼs Joch der Superintendenten spannt, worüber ich aber ganz anders denke. Bey diesen unangenehmen und beschränkten Aussichten auf die Zukunft fange ich wirklich an, hier misvergnügt zu seyn, das einzige, was mich hier einigermaaßen schadlos hält, ist eine glückliche Musse, deren ich hier bisweilen genieße, und welche mir gestattet, mit Cicero meinen Trost bey den Musen zu suchen, und dann die manch[en] Vergnügungen, welche mir der hiesige gesellige Ton gewährt. Sehr fr[eund]schaftlich gehe ich insbesondre mit dem Amtsschreiber Schelling um, eine[m] Bruder des Schellings, der jetzt als Generaladjutant in Holländischen Diensten ist, und so geht denn ein Jahr nach dem andern vorüber. Doch, was will man jetzt viel von Privatglück sprechen, da die Aussichten für die öffentliche Wohlfarth in Europa noch immer trübe bleiben. Ich bin des depotischen und barbarischen Sansculottismus so überdrüßig, daß ich kaum mehr davon hören mag. Gestern erhielten wir aus dem Haag die vorläufige Nachricht von einem vom Prinzen von Coburg erfochtnen Siege. Gott gebe, daß es sich bestätige, und daß es wirklich von Bedeutung ist! Ich erfreue mich einer vollkommen guten Gesundheit, aber meine Frau leidet sehr häufig von ihrem bösen Kopfweh. Betty hat lange keinen ordentlichen Besuch bey uns gemacht, ist aber in Hamburg wohl und ziemlich vergnügt. Meine lieben Kinder wachsen heran, und machen mir viel Freude. Nun lebe wohl, Brüderchen, behalte uns in gutem Andenken, und melde uns einmal recht ausführlich, was du machst. Meine Frau läßt sich dir aufʼs freundschaftlichste empfehlen.
Der deinige
K. A. Moriz Schlegel
Harburg
d. 28 Apr. 1794.
[4] A Monsieur
Monsieur Aug. Guill. Schlegel

Franco.
Chez Monsieur le Se-
nateur de Muilmann
.
à
Amsterdam.
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[1] Liebster Bruder,
Du wirst dich sehr wundern, einmal etwas von meiner Hand zu sehen. Das wird keiner Versicherung bedürfen, daß du meinem Andenken sehr oft gegenwärtig bist; nur der große Abstand unsrer beiderseitigen Lage und Verhältnisse ist Schuld an der bisherigen langen Unterbrechung unsrer Correspondenz. Ich muß nur gleich zu Anfange gestehen, daß auch der gegenwärtige Brief eine besondere Veranlassung hat; es ist meine Absicht, bey dir eine verlorne Anfrage zu thun; deretwegen ich dich aber zum voraus bitte, mir recht offenherzig darauf zu antworten. Ich will nur gleich zur Sache kommen, damit ich nachher noch ein bischen mit dir schwatzen kann. du wirst wahrscheinlich in Hannover von einem von mir neu herausgegebenen Werke unter der Aufschrift: Populäre Betrachtungen über natürliche Rel. und Christenthum, gehört haben. Der andre Theil dieses Buches behandelt ausführlich den Beweis für die Göttlichkeit des Christenthums, nach den neuesten Aufklärungen der Philosophie, Kritick und Exegese bearbeitet. Da mich diese Arbeit in den letzten anderthalb Jahren fast ausschließend beschäftigt hat, so mußte es mich frappiren, von der Teylerischen Gottesgelehrtengesellschaft zu Haarlem eine Preisaufgabe, die gerade in dies Fach hineinschlägt, über die innern und äußern Beweise des Christenthums, aufgegeben zu sehen. Ich muß gestehen, daß ich große Begierde empfinde, bey dieser Aufgabe mit zu concurriren; es würde mir jetzt leicht seyn, etwas Reifes und Durchdachtes darüber zu liefern, und zwar Manches, was von andern noch nicht, oder doch nicht auf die Art und in der Verbindung vorgetragen ist. Nur Eine Schwierigkeit findet sich hiebey. Es ist ausdrücklich die deutsche Sprache ausgeschlossen. Ich muß gestehen, daß ich nach einer zwölfjährigen Amtsführung mit dem lateini[2]schen Stil ziemlich aus der Uebung gekommen bin, und es hat große Schwierigkeiten, Sätze der kantischen Philosophie, die bey dieser Abhandlung benutzt werden würden und müßten, auf eine deutliche und leichte Art im Lateinischen auszudrücken. Nun ist es meine brüderliche Anfrage an dich, ob deine Fertigkeit im Holländischen von der Beschaffenheit ist, um eine scientistische und größtentheils philos. Abhandlung mit Leichtigkeit aus dem Deutschen ins Holländische zu übertragen, und ob eine solche Arbeit, ohne dir zu große Unbequemlichkeit zu verursachen, sich mit deiner jetzigen Lage verträgt. Ich denke, die Abhandlung soll höchstens 10 Bogen gedruckt nach 8 Format austragen. Ich würde sie dir zu Michaelis überschicken können, und spätestens von dem letzten November dieses Jahres müßte sie der Gesellschaft eingeliefert werden. Es versteht sich von selbst, daß du deine Uebersetzung auf meine Kosten ins Reine abschreiben ließest, und daß du, wenn ich so glücklich seyn sollte, den Preis davon zu tragen, (welcher in einer goldnen Medaille von 400 Fl an Werth besteht,) du den dritten Theil davon participirtest. Ich habe dir diese freylich etwas kühne Anfrage ganz ohne Umschweife vorgetragen; ich erwarte aber auch, und bitte dich darum, daß du eben so ohne Umschweife darauf antwortest. Nur müßte ich dich bitten, mir bald eine bestimmte Antwort zu ertheilen, und fürʼs erste unsrer Familie in Hannover nichts davon wissen zu lassen. du könntest deinen Brief über Hamburg hieher addressiren.
Auf alle Fälle wird mir diese Anfrage Gelegenheit gewähren, einmal etwas unmittelbar von dir und von deinem Befinden zu erfahren, da mir aus Hannover jetzt selten etwas von dir mitgetheilt wird. Die Lage der Sachen in Hannover hat sich seit unsres guten Vaters Absterben auf eine sehr traurige Art verändert, und man muß auf baldige glückliche Veränderungen in der Familie hoffen, damit die arme Mutter nicht gar zu niedergeschlagen wird. Aber es scheint in unsrer Familie kein auszeichnen[3]des Glück zu Hause zu gehören. Auch mir sind Wünsche und Hoffnungen fehlgeschlagen. Ich muß eine Versetzung von hier wünschen, aber ich muß eine mich um 200 r. in meiner Einnahme verbessern, wenn es mir wirklich zum Vortheile gereichen soll. Und eine solche Verbesserung scheint man nicht geneigt mir geben zu wollen. Man glaubt, daß ich es mir zur großen Ehre anrechnen muß, wenn man mich für eine Einnahme von 6–700 r. inʼs Joch der Superintendenten spannt, worüber ich aber ganz anders denke. Bey diesen unangenehmen und beschränkten Aussichten auf die Zukunft fange ich wirklich an, hier misvergnügt zu seyn, das einzige, was mich hier einigermaaßen schadlos hält, ist eine glückliche Musse, deren ich hier bisweilen genieße, und welche mir gestattet, mit Cicero meinen Trost bey den Musen zu suchen, und dann die manch[en] Vergnügungen, welche mir der hiesige gesellige Ton gewährt. Sehr fr[eund]schaftlich gehe ich insbesondre mit dem Amtsschreiber Schelling um, eine[m] Bruder des Schellings, der jetzt als Generaladjutant in Holländischen Diensten ist, und so geht denn ein Jahr nach dem andern vorüber. Doch, was will man jetzt viel von Privatglück sprechen, da die Aussichten für die öffentliche Wohlfarth in Europa noch immer trübe bleiben. Ich bin des depotischen und barbarischen Sansculottismus so überdrüßig, daß ich kaum mehr davon hören mag. Gestern erhielten wir aus dem Haag die vorläufige Nachricht von einem vom Prinzen von Coburg erfochtnen Siege. Gott gebe, daß es sich bestätige, und daß es wirklich von Bedeutung ist! Ich erfreue mich einer vollkommen guten Gesundheit, aber meine Frau leidet sehr häufig von ihrem bösen Kopfweh. Betty hat lange keinen ordentlichen Besuch bey uns gemacht, ist aber in Hamburg wohl und ziemlich vergnügt. Meine lieben Kinder wachsen heran, und machen mir viel Freude. Nun lebe wohl, Brüderchen, behalte uns in gutem Andenken, und melde uns einmal recht ausführlich, was du machst. Meine Frau läßt sich dir aufʼs freundschaftlichste empfehlen.
Der deinige
K. A. Moriz Schlegel
Harburg
d. 28 Apr. 1794.
[4] A Monsieur
Monsieur Aug. Guill. Schlegel

Franco.
Chez Monsieur le Se-
nateur de Muilmann
.
à
Amsterdam.
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