• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Bonn · Date: 01.12.1818
Edition Status: Newly transcribed and labelled; single collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 01.12.1818
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.19
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 19,5 x 13,4 cm; 14 x 10,4 cm
  • Incipit: „[1] Dresden, den 1. Decemb. 1818.
    Bester Bruder
    Ich kann unmöglich ein Paket des Herrn von Malsburg an dich abgehen laßen, ohne [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 350]/version-01-20/letters/view/4203" data-language="">
[1] Dresden, den 1. Decemb. 1818.
Bester Bruder
Ich kann unmöglich ein Paket des Herrn von Malsburg an dich abgehen laßen, ohne ein paar Zeilen mit einzulegen. Durch die Zeitungen haben wir es erfahren daß du schon eine geraume Zeit deine Heyrath vollzogen, und daß du Bonn zu deinem künftigen Aufenthalte gewählt hast, ich kann nicht läugnen daß ich recht begierig war zu wißen ob es nicht Berlin seyn würde ich erwartete schon mit deiner lieben Frau einen Herbstlichen Besuch, wir hielten schon die Zimmer die wir sonst mannigmal vermiethen parat zu euerm Empfange die Freude wurde uns aber nicht. – Ich glaube daß du für den Reiz des Lebens beßer gewählt hast, daß deine Verhältniße dort einfacher sind, und du ungestörter deinen wissenschaftlichen Ideengang fortgehen kanst, und dein häusliches Glück beßer genießen kannst als an einem Orte wo tausend Störungen tausend Reibungen, die doch im Grunde für den Genuß des Lebens nichts sagen wollen, uns immer von unsrer schönen [2] innen Welt abführt, aber für mich wäre es von großem Werthe gewesen dich in Berlin zu haben. Vielleicht hätte es für meinen Schwiegersohn glücklich seyn können, der voriges Jahr bey seiner Durchreise durch Berlin, durch Gneisenau sehr gute Aufnahme und Versprechungen gefunden, meine Kinder aber Jahrelang aufs ungewiße in dem theuern Berlin zu erhalten, wo er vielleicht eine Anstellung fände, die ihn auch noch nicht ernährte; daß gestatten unsre Mittel nicht, überhaupt ist mein Grundsatz daß wenige Gewiße das meinen Kindern bleibt nicht zu risquiren um ein etablissement zu erzielen, vollends da Gustchen so vil jünger ist. – In Hannover fürchte ich haben sie das Gleiß verfahren, nach meinen Wünschen und Gedanken, sollte die Sache erst leise vorbereitet werden ehe man mit seinen Planen hervortrat, darum hatte ich gleich einen ganzen Winter bestimt, daß meine Kinder dort bleiben sollte, und wenn sie dem Ziele näher gekommen wären hätte ich gern eine Einrichtung getroffen sie noch lange dort zu laßen, [3] der Eifer hat meinen guten Bruder gemisleitet, den sie waren kaum angekommen, so gab mein Bruder kund, was er suchte, und das war zu früh, mein Schwiegersohn mußte sich erst nothwendig Connexionen machen und Gönner erwerben, es würde auch wahrscheinlich auf dem Wege gegangen seyn, denn meine Freunde schienen es aufrichtig zu meynen, und Gustchen hatte das Seltne Glück allgemeinen vielen Beyfall zu finden und grade bey den Personen die ihr wichtig waren auch Buttlar nahm wie uns die Rehberg schrieb die Achtung seiner Bekannten mit sich. Auch war es meinen Kindern nicht günstig (dies bleibt aber nun ein Geheimniß unter uns) daß sie bey der Schwiegerinn im Hause waren, sonderbar das diese Frau, der doch so viel zu Gebote steht sich angenehm zu machen, wenn sie will, gar keine Liebe unter den höhern Ständen hat, mein Bruder genießt eine allgemeine Achtung, aber meine Schwiegerinn liebt man nicht, ich weiß nun nicht womit sie es versehen hat, man hat es aber meinen Kindern deutlich gesagt, daß das das Hinderniß wäre sie nicht in die großen Minister Häuser ausführen zu können. Ich dachte es zu versuchen es diesen Winter wieder ins Gleiß zu bringen ohne etwas anders anzugeben, als meine er[4]wachte Liebe zu meinem Vaterland das ich noch einmal gern in meinem Leben wiedersehen wollte, und meine vielen Freunde dort sehen, ich hätte ganz für mich gelebt, es war auch schon die Einrichtung gemacht, da macht mir meine Tochter den Strich und wird Schwanger, nun mußte a[l]les unterbleiben. Es ist sonderbar daß in allen Schritten die wir gethan, immer Hinderniße und Hemmungen gekommen sind. Meine Sorgen sind drückend ich kann es nicht läugnen, doch ist Buttlar noch mehr zu bedauern, se[in] reger Arbeitstrieb wird so gewaltsam gehemt, daß es eine wahre tortur für ihn wird. Er könnte seine Zeit vielleicht nützlich wißenschaftlich anwenden, doch gehört dazu mehr Ruhe des Gemüths, er lernt Englisch das macht ihm doch einige Zerstreuung. Aber sein innres Gemüth das fühle ich wird zerrißen das fühle ich er nicht als ein thätiger, nützlicher Versorger seines geliebten Weibes erscheinen kann. Gustchen beträgt sich wirklich wie ein Engel, sie paßt sich in ihre Lage, liebt ihren Mann und Eltern innig fragt nicht vil nach der äuß[eren] Welt, richtet sich so vil sie kann, sich durch sich selbst forthelfen zu können, Ihre Fortschritte in der Kunst sind bedeutend, freut sich ihrer Hofnung Mutter zu werden, und lebt übrigens ohne Sorgen, Sie hat das wahre ächte Vertrauen zu der Vorsehung, dazu gehört so ein Schuldloses und nicht durch Leidenschaften getreibtes Gemüth. Nun liebster Wilhelm bitte auch du Gott um Seegen für den neuen Ankömling, und das in dieser gefährlichen Periode alles glücklich gehen möge. Möchte ich bald etwas ähnliches von [3] dir hören dann wären ja wohl alle deine Wünsche erfüllt? Ich und meine Kinder empfehlen uns deiner Liebe. Deine liebe Frau wünschen wir sehnlichst persönlich zu kennen. Schreib [u]ns doch recht vil von ihr und deinem Glücke. Thue mir doch die Liebe und [2] schreib mir was es doch für eine Bewandniß mit Friedrich hat, es bleibt gewiß das tiefste Geheimniß, was du mir darüber schreibst. Nun herzlich, herzlich lebe wohl. Ich bin über dein Urtheil begierig, wegen des Calderons was du [1] von der Uebersetzung hältst, mir hat sie beym Vorlesen sehr glücklich geschienen es ist überhaupt ein liebens würdiger Mann der Malsburg.
Charlot
[te] Ernst.
[5] Hier schickt dir das drollichte Kind statt eines Briefes, deinen Namen, eine kleine Erfindung von ihr, du siehst sie hat die ganze dichterische Welt dazu aufgeboten, so etwas ist ihre Sache, was ingeniouses auszudenken. Wir laßen diesen Brief, nach deiner ersten Anweisung, über Heidelberg gehen, mit der adresse von Mohr und Zimmer, da wir auf das Packet, welches directe nach Bonn gegangen, keine Antwort erhalten, es ist zwar freylich zu glauben daß du in Bonn bist, aber doch haten wir es noch nicht in den Zeitungen die wir gelesen gefunden, und so wollen wir einmal diesen ganz sichern Weg wählen. Die Chezy findet mit allen ihren inconsequenten Wesen hier, immer [6] genug Freunde. Ihr Prozeß mit den Preußischen Behörden scheint wieder anzugehen, sie ist vorgefodert worden, doch weiß ich nicht das Resultat. Tausend Grüße von Ernst, meine Kinder empfehlen sich deiner Liebe. An deine liebe Frau die herzlichsten Empfehlungen
Charlotte Ernst
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 432]/version-01-20/letters/view/4203" data-language="">
[1] Dresden, den 1. Decemb. 1818.
Bester Bruder
Ich kann unmöglich ein Paket des Herrn von Malsburg an dich abgehen laßen, ohne ein paar Zeilen mit einzulegen. Durch die Zeitungen haben wir es erfahren daß du schon eine geraume Zeit deine Heyrath vollzogen, und daß du Bonn zu deinem künftigen Aufenthalte gewählt hast, ich kann nicht läugnen daß ich recht begierig war zu wißen ob es nicht Berlin seyn würde ich erwartete schon mit deiner lieben Frau einen Herbstlichen Besuch, wir hielten schon die Zimmer die wir sonst mannigmal vermiethen parat zu euerm Empfange die Freude wurde uns aber nicht. – Ich glaube daß du für den Reiz des Lebens beßer gewählt hast, daß deine Verhältniße dort einfacher sind, und du ungestörter deinen wissenschaftlichen Ideengang fortgehen kanst, und dein häusliches Glück beßer genießen kannst als an einem Orte wo tausend Störungen tausend Reibungen, die doch im Grunde für den Genuß des Lebens nichts sagen wollen, uns immer von unsrer schönen [2] innen Welt abführt, aber für mich wäre es von großem Werthe gewesen dich in Berlin zu haben. Vielleicht hätte es für meinen Schwiegersohn glücklich seyn können, der voriges Jahr bey seiner Durchreise durch Berlin, durch Gneisenau sehr gute Aufnahme und Versprechungen gefunden, meine Kinder aber Jahrelang aufs ungewiße in dem theuern Berlin zu erhalten, wo er vielleicht eine Anstellung fände, die ihn auch noch nicht ernährte; daß gestatten unsre Mittel nicht, überhaupt ist mein Grundsatz daß wenige Gewiße das meinen Kindern bleibt nicht zu risquiren um ein etablissement zu erzielen, vollends da Gustchen so vil jünger ist. – In Hannover fürchte ich haben sie das Gleiß verfahren, nach meinen Wünschen und Gedanken, sollte die Sache erst leise vorbereitet werden ehe man mit seinen Planen hervortrat, darum hatte ich gleich einen ganzen Winter bestimt, daß meine Kinder dort bleiben sollte, und wenn sie dem Ziele näher gekommen wären hätte ich gern eine Einrichtung getroffen sie noch lange dort zu laßen, [3] der Eifer hat meinen guten Bruder gemisleitet, den sie waren kaum angekommen, so gab mein Bruder kund, was er suchte, und das war zu früh, mein Schwiegersohn mußte sich erst nothwendig Connexionen machen und Gönner erwerben, es würde auch wahrscheinlich auf dem Wege gegangen seyn, denn meine Freunde schienen es aufrichtig zu meynen, und Gustchen hatte das Seltne Glück allgemeinen vielen Beyfall zu finden und grade bey den Personen die ihr wichtig waren auch Buttlar nahm wie uns die Rehberg schrieb die Achtung seiner Bekannten mit sich. Auch war es meinen Kindern nicht günstig (dies bleibt aber nun ein Geheimniß unter uns) daß sie bey der Schwiegerinn im Hause waren, sonderbar das diese Frau, der doch so viel zu Gebote steht sich angenehm zu machen, wenn sie will, gar keine Liebe unter den höhern Ständen hat, mein Bruder genießt eine allgemeine Achtung, aber meine Schwiegerinn liebt man nicht, ich weiß nun nicht womit sie es versehen hat, man hat es aber meinen Kindern deutlich gesagt, daß das das Hinderniß wäre sie nicht in die großen Minister Häuser ausführen zu können. Ich dachte es zu versuchen es diesen Winter wieder ins Gleiß zu bringen ohne etwas anders anzugeben, als meine er[4]wachte Liebe zu meinem Vaterland das ich noch einmal gern in meinem Leben wiedersehen wollte, und meine vielen Freunde dort sehen, ich hätte ganz für mich gelebt, es war auch schon die Einrichtung gemacht, da macht mir meine Tochter den Strich und wird Schwanger, nun mußte a[l]les unterbleiben. Es ist sonderbar daß in allen Schritten die wir gethan, immer Hinderniße und Hemmungen gekommen sind. Meine Sorgen sind drückend ich kann es nicht läugnen, doch ist Buttlar noch mehr zu bedauern, se[in] reger Arbeitstrieb wird so gewaltsam gehemt, daß es eine wahre tortur für ihn wird. Er könnte seine Zeit vielleicht nützlich wißenschaftlich anwenden, doch gehört dazu mehr Ruhe des Gemüths, er lernt Englisch das macht ihm doch einige Zerstreuung. Aber sein innres Gemüth das fühle ich wird zerrißen das fühle ich er nicht als ein thätiger, nützlicher Versorger seines geliebten Weibes erscheinen kann. Gustchen beträgt sich wirklich wie ein Engel, sie paßt sich in ihre Lage, liebt ihren Mann und Eltern innig fragt nicht vil nach der äuß[eren] Welt, richtet sich so vil sie kann, sich durch sich selbst forthelfen zu können, Ihre Fortschritte in der Kunst sind bedeutend, freut sich ihrer Hofnung Mutter zu werden, und lebt übrigens ohne Sorgen, Sie hat das wahre ächte Vertrauen zu der Vorsehung, dazu gehört so ein Schuldloses und nicht durch Leidenschaften getreibtes Gemüth. Nun liebster Wilhelm bitte auch du Gott um Seegen für den neuen Ankömling, und das in dieser gefährlichen Periode alles glücklich gehen möge. Möchte ich bald etwas ähnliches von [3] dir hören dann wären ja wohl alle deine Wünsche erfüllt? Ich und meine Kinder empfehlen uns deiner Liebe. Deine liebe Frau wünschen wir sehnlichst persönlich zu kennen. Schreib [u]ns doch recht vil von ihr und deinem Glücke. Thue mir doch die Liebe und [2] schreib mir was es doch für eine Bewandniß mit Friedrich hat, es bleibt gewiß das tiefste Geheimniß, was du mir darüber schreibst. Nun herzlich, herzlich lebe wohl. Ich bin über dein Urtheil begierig, wegen des Calderons was du [1] von der Uebersetzung hältst, mir hat sie beym Vorlesen sehr glücklich geschienen es ist überhaupt ein liebens würdiger Mann der Malsburg.
Charlot
[te] Ernst.
[5] Hier schickt dir das drollichte Kind statt eines Briefes, deinen Namen, eine kleine Erfindung von ihr, du siehst sie hat die ganze dichterische Welt dazu aufgeboten, so etwas ist ihre Sache, was ingeniouses auszudenken. Wir laßen diesen Brief, nach deiner ersten Anweisung, über Heidelberg gehen, mit der adresse von Mohr und Zimmer, da wir auf das Packet, welches directe nach Bonn gegangen, keine Antwort erhalten, es ist zwar freylich zu glauben daß du in Bonn bist, aber doch haten wir es noch nicht in den Zeitungen die wir gelesen gefunden, und so wollen wir einmal diesen ganz sichern Weg wählen. Die Chezy findet mit allen ihren inconsequenten Wesen hier, immer [6] genug Freunde. Ihr Prozeß mit den Preußischen Behörden scheint wieder anzugehen, sie ist vorgefodert worden, doch weiß ich nicht das Resultat. Tausend Grüße von Ernst, meine Kinder empfehlen sich deiner Liebe. An deine liebe Frau die herzlichsten Empfehlungen
Charlotte Ernst
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 01.12.1818
· Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
· Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.11
×