• August Wilhelm von Schlegel to Elisabeth Wilhelmine van Nuys

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: Unknown · Date: 17.02.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Elisabeth Wilhelmine van Nuys
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 17.02.1811
    Printed Text
  • Bibliography: Körner, Josef: A. W. Schlegel: Brief an eine Dame. In: Das literarische Echo 20 (1917/18), S. 580‒583.
  • Verlag: Egon Fleischel & Co. Berlin
  • Incipit: „Genf, d. 17ten Febr. 1811.
    Ich muß es wohl ein für allemal zu meiner Beschämung gestehn, meine liebe und liebenswürdige Freundin, ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Wien, Wienbibliothek im Rathaus
  • Classification Number: H.I.N. 8366
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
    Language
  • German
Genf, d. 17ten Febr. 1811.
Ich muß es wohl ein für allemal zu meiner Beschämung gestehn, meine liebe und liebenswürdige Freundin, ich bin ein herzlich schlechter Briefschreiber, und bringe ehrer zwey drey Bücher zu Stande, als einen einzigen Brief. Auch mag ich gern meine Schriften als gedruckte Circular-Schreiben an die abwesenden Freunde betrachten, welche die gehorsamste Bitte enthalten, sich doch meiner zu erinnern. Ohne diese wunderliche Eigenheit von mir, wie wäre es möglich gewesen, so wiederhohlten und so freundlichen Anfoderungen zu widerstehen, deren ganzen Werth ich fühle? Dießmal will ich es nicht wieder versäumen und gleich damit anfangen, Ihnen meinen Lebenslauf in der Kürze zu erzählen, der Ihnen doch einigermaßen erklären wird, was mich vom Schreiben abhielt.
Vorigen Winter und Frühling war ich hier und in Coppet sehr beschäftigt, meine schriftstellerischen und andern Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, weil ich nicht voraussah, daß ich so bald zurückkommen würde. Den ganzen Sommer war ich in Frankreich mit der wahrscheinlichen Aussicht auf eine weite Reise. Unterdessen vollendete ich den 3ten B. meiner Vorlesungen. Der Aufenthalt in Frankreich nahm ein Ende mit unerwartet widerwärtigen Umständen, die Sie genugsam aus den Zeitungen werden erfahren haben, und die meine Theilnahme für Andre lebhaft in Anspruch nahmen. Wir kamen in die Schweiz zurück: der schöne Landsitz und das Schloß am Ufer des Sees ist mir zwar schon gewissermaßen heimisch worden; ich habe auch dort meine deutsche Büchersammlung: aber in dieser Stadt, wo wir uns für den Winter eingerichtet, kann ich nun einmal nicht arten, und bleibe immer fremd: Ein paar Männer von Geist habe ich gefunden, die mich schätzen, aber durchaus keinen vertraulichen Umgang, der das Leben wirklich versüßen könnte. Dieß hatte mich trübe gestimmt und eine so trübe Stimmung mochte ich eben nicht mittheilen. Ein Ausflug nach Bern, wo ich sehr ausgezeichnet aufgenommen ward, hatte mich aufgeheitert, aber mich das Bedürfniß deutschen Umganges doppelt fühlen lassen. Vor vierzehn Tagen erhielt ich die unerwartete schmerzliche Nachricht von dem Tode meiner guten Mutter. Was ich dabey empfunden, können Sie sich leicht vorstellen; das schwarze Siegel wird Ihnen schon etwas gesagt haben, ich will Sie nicht von meiner Trauer unterhalten.
Vor allen Dingen möchte ich Sie überzeugen, meine theure Freundin, daß ich in meinen Gesinnungen der unveränderliche Mensch bin, der nie aufhören kann, sich erwiesener Güte dankbar zu erinnern. Deswegen ist mir das liebe Wien so unvergeßlich. Welche Aufnahme erfuhr ich dort! So berauschend angenehme Tage habe ich noch nicht wieder erlebt. – Erinnern Sie sich noch der Harfenspielerin, die wir zuweilen Abends im Prater hörten, und deren Anmuth uns beynahe noch mehr entzückte als ihr Spiel? Ich habe ein kleines Lied auf sie gedichtet, das ich für eins meiner gelungensten halte, und das schon in einem von der Hofräthin Spazier herausgegebenem Taschenbuch muß gestanden haben, und wieder in der neuen Sammlung meiner Gedichte stehen wird, die von der Ostermesse aus bestens an Sie besorgt werden soll. Ein Italiäner hat es seelenvoll in Musik gesetzt, seine Composition ist mir aber abhanden gekommen: ich will sie mir wieder zu verschaffen suchen, um sie Ihnen zuzuschicken.
Fischer ist unerträglich langsam mit seinem Kupferstich: ich wollte das Bild wäre wieder in den Händen des ersten Besitzers. Mit der Büste sind Unglücksfälle vorgefallen, welche es bisher unmöglich gemacht, Abgüsse davon zu nehmen, sonst könnte sie schon in Ihrem Zimmer aufgestellt seyn, es soll aber, hoffe ich, noch geschehen.
Man kann seinen Geburtstag nennen, ohne sein Geburtsjahr zu verrathen. Für den Preis eines schönen Miniaturbildes will ich gern das erste thun: es ist der 5te Sept. Um ein freundliches Andenken zu empfangen sind aber alle Tage des Jahres gut, und ich möchte in so fern meinen Geburtstag gleich auf Morgen ansetzen. Es giebt einen gelehrten Mann, Namens Meusel, der sich eine unsägliche Mühe gegeben hat, die Geburtszeit aller deutschen Schriftsteller genau zu erforschen, um sie alphabetisch drucken zu lassen. Dieß heißt nun denen einen üblen Streich spielen, die schon einigen Grund haben, die Zahl ihrer Jahre geheim zu halten: hier können die Neugierigen uns auf die Spur kommen.
Jeder Ihrer Briefe, alles was Sie mir von Ihrem eignen Leben, von theatralischen und andren Neuigkeiten melden, unterhält mich auf das lebhafteste. Aber doch, was ist es gegen das mündliche Gespräch? Wie würde es mich gefreut haben, Sie mit Ihrer lieblichen Stimme Julia lesen zu hören, und Romeo mit Ihnen zu lesen! – Meine Übersetzung des standhaften Prinzen von Calderon, die ich einmal bey Ihnen in Wien vorlas, hat Goethe in Weimar aufführen lassen, und damit, wie er mir meldet, einen außerordentlichen Enthusiasmus erregt. Sollte Schröder (der mit den Zeilen, die ich über ihn in den Vorlesungen gesagt, nicht unzufrieden seyn kann) wohl in Hamburg das gleiche thun? Wenn Sie ihn persönlich kennen, so schlagen Sie ihm das einmal vor. Freylich müssen die Verse in der höchsten Vollkommenheit gesprochen werden, wenn es gelingen soll. Hat er dazu Schauspieler? Die geringen Veränderungen, z. B. die Eintheilung in fünf Aufzüge, würde Goethe mittheilen.
Es ist mir unendlich wichtig, Ihre Reiseplane auf den Sommer zu wissen; eine Möglichkeit ist es doch immer, daß sich die meinigen damit in Berührung setzen ließen, wenn ich gleich noch keine Wahrscheinlichkeit voraussehe. Meine Zukunft ist für jetzt sehr unbestimmt, man kann keine Plane auf weit hinaus entwerfen, sondern lebt von einem Tage zum andern und wartet die Umstände ab.
Sobald ich etwas sicheres erfahre, melde ich es Ihnen. Nur ist es verdrießlich, daß man immer mit dem Gedanken schreiben muß, die Briefe werden unterwegs geöffnet und kommen in fremde Hände. Wenn man diesem Ungemach entgehen könnte, so wäre der Briefwechsel eine weit erfreulichere Sache.
Lassen Sie mich recht bald wieder von Ihnen hören, liebe Freundin, ich will auch gewiß die bisherige Sünde meines Stillschweigens wieder gut machen. Grüßen Sie bestens von mir die kleine freundliche Henriette, und empfehlen Sie mich der schönen Elise, die gewiß unendlich liebenswürdig seyn muß, wenn sie Ihnen ähnlich blieb. Leben Sie tausendmal wohl.
Unveränderlich
Ihr
A. W. S.
Hat man Ihnen schon meinen Richard III eingehändigt?
Nach den letzten Briefen war meines Bruders Friedrich Gesundheit nicht die beste, sonst lebt er in sehr angenehmen Verhältnissen.
Adressiren Sie nur immerfort nach Coppet, Canton de Baud, Suisse.
Genf, d. 17ten Febr. 1811.
Ich muß es wohl ein für allemal zu meiner Beschämung gestehn, meine liebe und liebenswürdige Freundin, ich bin ein herzlich schlechter Briefschreiber, und bringe ehrer zwey drey Bücher zu Stande, als einen einzigen Brief. Auch mag ich gern meine Schriften als gedruckte Circular-Schreiben an die abwesenden Freunde betrachten, welche die gehorsamste Bitte enthalten, sich doch meiner zu erinnern. Ohne diese wunderliche Eigenheit von mir, wie wäre es möglich gewesen, so wiederhohlten und so freundlichen Anfoderungen zu widerstehen, deren ganzen Werth ich fühle? Dießmal will ich es nicht wieder versäumen und gleich damit anfangen, Ihnen meinen Lebenslauf in der Kürze zu erzählen, der Ihnen doch einigermaßen erklären wird, was mich vom Schreiben abhielt.
Vorigen Winter und Frühling war ich hier und in Coppet sehr beschäftigt, meine schriftstellerischen und andern Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, weil ich nicht voraussah, daß ich so bald zurückkommen würde. Den ganzen Sommer war ich in Frankreich mit der wahrscheinlichen Aussicht auf eine weite Reise. Unterdessen vollendete ich den 3ten B. meiner Vorlesungen. Der Aufenthalt in Frankreich nahm ein Ende mit unerwartet widerwärtigen Umständen, die Sie genugsam aus den Zeitungen werden erfahren haben, und die meine Theilnahme für Andre lebhaft in Anspruch nahmen. Wir kamen in die Schweiz zurück: der schöne Landsitz und das Schloß am Ufer des Sees ist mir zwar schon gewissermaßen heimisch worden; ich habe auch dort meine deutsche Büchersammlung: aber in dieser Stadt, wo wir uns für den Winter eingerichtet, kann ich nun einmal nicht arten, und bleibe immer fremd: Ein paar Männer von Geist habe ich gefunden, die mich schätzen, aber durchaus keinen vertraulichen Umgang, der das Leben wirklich versüßen könnte. Dieß hatte mich trübe gestimmt und eine so trübe Stimmung mochte ich eben nicht mittheilen. Ein Ausflug nach Bern, wo ich sehr ausgezeichnet aufgenommen ward, hatte mich aufgeheitert, aber mich das Bedürfniß deutschen Umganges doppelt fühlen lassen. Vor vierzehn Tagen erhielt ich die unerwartete schmerzliche Nachricht von dem Tode meiner guten Mutter. Was ich dabey empfunden, können Sie sich leicht vorstellen; das schwarze Siegel wird Ihnen schon etwas gesagt haben, ich will Sie nicht von meiner Trauer unterhalten.
Vor allen Dingen möchte ich Sie überzeugen, meine theure Freundin, daß ich in meinen Gesinnungen der unveränderliche Mensch bin, der nie aufhören kann, sich erwiesener Güte dankbar zu erinnern. Deswegen ist mir das liebe Wien so unvergeßlich. Welche Aufnahme erfuhr ich dort! So berauschend angenehme Tage habe ich noch nicht wieder erlebt. – Erinnern Sie sich noch der Harfenspielerin, die wir zuweilen Abends im Prater hörten, und deren Anmuth uns beynahe noch mehr entzückte als ihr Spiel? Ich habe ein kleines Lied auf sie gedichtet, das ich für eins meiner gelungensten halte, und das schon in einem von der Hofräthin Spazier herausgegebenem Taschenbuch muß gestanden haben, und wieder in der neuen Sammlung meiner Gedichte stehen wird, die von der Ostermesse aus bestens an Sie besorgt werden soll. Ein Italiäner hat es seelenvoll in Musik gesetzt, seine Composition ist mir aber abhanden gekommen: ich will sie mir wieder zu verschaffen suchen, um sie Ihnen zuzuschicken.
Fischer ist unerträglich langsam mit seinem Kupferstich: ich wollte das Bild wäre wieder in den Händen des ersten Besitzers. Mit der Büste sind Unglücksfälle vorgefallen, welche es bisher unmöglich gemacht, Abgüsse davon zu nehmen, sonst könnte sie schon in Ihrem Zimmer aufgestellt seyn, es soll aber, hoffe ich, noch geschehen.
Man kann seinen Geburtstag nennen, ohne sein Geburtsjahr zu verrathen. Für den Preis eines schönen Miniaturbildes will ich gern das erste thun: es ist der 5te Sept. Um ein freundliches Andenken zu empfangen sind aber alle Tage des Jahres gut, und ich möchte in so fern meinen Geburtstag gleich auf Morgen ansetzen. Es giebt einen gelehrten Mann, Namens Meusel, der sich eine unsägliche Mühe gegeben hat, die Geburtszeit aller deutschen Schriftsteller genau zu erforschen, um sie alphabetisch drucken zu lassen. Dieß heißt nun denen einen üblen Streich spielen, die schon einigen Grund haben, die Zahl ihrer Jahre geheim zu halten: hier können die Neugierigen uns auf die Spur kommen.
Jeder Ihrer Briefe, alles was Sie mir von Ihrem eignen Leben, von theatralischen und andren Neuigkeiten melden, unterhält mich auf das lebhafteste. Aber doch, was ist es gegen das mündliche Gespräch? Wie würde es mich gefreut haben, Sie mit Ihrer lieblichen Stimme Julia lesen zu hören, und Romeo mit Ihnen zu lesen! – Meine Übersetzung des standhaften Prinzen von Calderon, die ich einmal bey Ihnen in Wien vorlas, hat Goethe in Weimar aufführen lassen, und damit, wie er mir meldet, einen außerordentlichen Enthusiasmus erregt. Sollte Schröder (der mit den Zeilen, die ich über ihn in den Vorlesungen gesagt, nicht unzufrieden seyn kann) wohl in Hamburg das gleiche thun? Wenn Sie ihn persönlich kennen, so schlagen Sie ihm das einmal vor. Freylich müssen die Verse in der höchsten Vollkommenheit gesprochen werden, wenn es gelingen soll. Hat er dazu Schauspieler? Die geringen Veränderungen, z. B. die Eintheilung in fünf Aufzüge, würde Goethe mittheilen.
Es ist mir unendlich wichtig, Ihre Reiseplane auf den Sommer zu wissen; eine Möglichkeit ist es doch immer, daß sich die meinigen damit in Berührung setzen ließen, wenn ich gleich noch keine Wahrscheinlichkeit voraussehe. Meine Zukunft ist für jetzt sehr unbestimmt, man kann keine Plane auf weit hinaus entwerfen, sondern lebt von einem Tage zum andern und wartet die Umstände ab.
Sobald ich etwas sicheres erfahre, melde ich es Ihnen. Nur ist es verdrießlich, daß man immer mit dem Gedanken schreiben muß, die Briefe werden unterwegs geöffnet und kommen in fremde Hände. Wenn man diesem Ungemach entgehen könnte, so wäre der Briefwechsel eine weit erfreulichere Sache.
Lassen Sie mich recht bald wieder von Ihnen hören, liebe Freundin, ich will auch gewiß die bisherige Sünde meines Stillschweigens wieder gut machen. Grüßen Sie bestens von mir die kleine freundliche Henriette, und empfehlen Sie mich der schönen Elise, die gewiß unendlich liebenswürdig seyn muß, wenn sie Ihnen ähnlich blieb. Leben Sie tausendmal wohl.
Unveränderlich
Ihr
A. W. S.
Hat man Ihnen schon meinen Richard III eingehändigt?
Nach den letzten Briefen war meines Bruders Friedrich Gesundheit nicht die beste, sonst lebt er in sehr angenehmen Verhältnissen.
Adressiren Sie nur immerfort nach Coppet, Canton de Baud, Suisse.
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