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$viewFile = '/var/www/awschlegel/version-01-20/app/View/Letters/view.ctp' $dataForView = array( 'html' => '<span class="notice-15060 ">[1]</span> <span class="index-280 tp-38186 ">Genf</span> d. <span class="prspreset1 ">Nov.</span> 4<br>sage 1804<br>Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <span class="offset-4 ">Abreise</span> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <span class="index-219 tp-38187 ">Nennhausen</span> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <span class="index-15 tp-38188 ">Berlin</span> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <span class="index-58 tp-38189 ">Weimar</span> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <span class="index-137 tp-43345 ">Goethe</span> u <span class="index-56 tp-38191 ">den Bildhauer Tieck</span> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <span class="notice-15061 ">[2]</span> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <span class="index-230 tp-38192 ">Würzburg</span> u <span class="index-232 tp-38193 ">Ulm</span> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<span class="notice-20724 ">[n]</span> entgegen, durch <span class="index-251 tp-38194 ">Schaffhausen</span> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <span class="index-227 tp-38195 ">Zürich</span> aus einen Umweg über <span class="index-233 tp-38196 ">Luzern</span> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <span class="index-226 tp-38198 ">Bern</span> ein, u so von <span class="index-297 tp-38197 ">Lausanne</span> an längs dem <span class="index-280 tp-43346 ">Genfer</span> See nach <span class="index-228 tp-38199 ">Coppet</span>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <span class="index-5907 tp-38240 ">ein Graf zu Dohna</span> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <span class="index-5904 tp-38200 ">der berühmte Bayle</span> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <span class="offset-4 ">an literarischen Anekdoten</span> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <span class="index-5905 tp-38201 ">sein Wörterbuch</span> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <span class="notice-15062 ">[3]</span> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<span class="notice-20725 ">[durch]</span>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <span class="offset--4 ">hinter</span> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <span class="offset-4 ">gegenüber</span> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <span class="notice-15063 ">[4]</span> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <span class="offset-4 ">dort</span>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <span class="index-307 tp-38202 ">Rousseauʼs</span> emphatisches <span class="family-courier ">citoyen de Genève</span> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <span class="notice-15064 ">[5]</span> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <span class="notice-15065 ">[6]</span> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <span class="index-260 tp-38204 ">Küßnacht</span>, wo ich zu <span class="index-5996 tp-43348 ">Tells</span> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <span class="index-6497 tp-43347 ">Zuger</span> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<br>Hier Ist <span class="index-6498 tp-43349 ">Grisslers</span> Hochmuoth vom <span class="index-5996 tp-43350 ">Thäll</span> erschossen<br>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<br>u auf der andern:<br>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<br>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<br>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <span class="index-5343 tp-43351 ">Moses vom Nebo</span> zwey Länder vor sich hat, <span class="overstrike-1 ">auf den</span> hinter <span class="notice-23241 ">dem</span> Jura Frank<span class="notice-15066 ">[7]</span>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <span class="index-297 tp-43352 ">Lausanne</span> zu u fuhr von da auf dem See nach <span class="index-369 tp-38205 ">Vevey</span>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <span class="index-420 tp-38206 ">Chamouny</span>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <br>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <span class="index-220 tp-38207 ">Fouqué</span> vor, als er in <span class="index-15 tp-43353 ">Berlin</span> war, ihn bey <span class="index-222 tp-38208 ">Frau von Staël</span> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <span class="notice-15067 ">[8]</span> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<br><span class="notice-20544 ">((</span><span class="cite tp-56354 ">Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in </span><span class="cite tp-56354 index-228 tp-43354 ">Coppet</span><span class="cite tp-56354 "> und dem in </span><span class="cite tp-56354 index-280 tp-43355 ">Genf</span><span class="cite tp-56354 "> zugebrachten Winter</span>; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<br><span class="index-280 tp-43356 ">Genf</span> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <span class="index-48 tp-38209 ">Tieck der Dichter</span>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <span class="index-222 tp-38210 ">meiner neuen Freundin</span> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <span class="index-15 tp-43357 ">Berlin</span> vermied. Allein Tieck wurde durch <span class="index-130 tp-43358 ">seine Frau</span> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <span class="notice-15068 ">[9]</span> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <span class="index-220 tp-43359 ">Fouqué</span> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<span class="notice-23246 ">a</span>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<br>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <span class="index-220 tp-43360 ">Fouqué</span> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <span class="index-366 tp-38211 ">Lyon</span> an, auf dem Mont Cenis bis nach <span class="index-279 tp-38212 ">Neapel</span> hinunter, auf dem V<span class="notice-20727 ">[e]</span>suv, in den Lagunen von <span class="index-355 tp-38213 ">Venedig</span> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <br><span class="notice-15069 ">[10]</span> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <span class="index-220 tp-38214 ">Pellegrins</span> Zueignung von <span class="index-338 tp-38215 ">den Schauspielen zu Gesichte</span>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <span class="index-524 tp-38217 ">meiner Elegie über </span><span class="index-524 tp-38217 index-356 tp-38216 ">Rom</span> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <span class="index-280 tp-43361 ">das prosaische Genf</span> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <span class="offset-4 ">mit</span> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<span class="notice-20728 ">[e]</span> wird es Ihnen manches gesagt haben. <br>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <span class="notice-15070 ">[11]</span> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<br>Als Sie mich in <span class="index-219 tp-43362 ">Nennhausen</span> über meine neue Bekanntschaft mit <span class="index-222 tp-43363 ">Frau von Stael</span> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<span class="notice-20729 ">[r]</span>oßen Welt, das sich in <span class="index-15 tp-43364 ">Berlin</span> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <span class="notice-15071 ">[12]</span> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <span class="index-228 tp-43365 ">ihrem Landgute</span> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <span class="index-339 tp-38218 ">einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie</span>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <span class="overstrike-1 ">an</span> <span class="offset-4 ">in</span> Berlin hielt, aufgelöst war, da <span class="index-132 tp-38219 ">Madam Bernhardi</span> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <span class="index-285 tp-38220 ">Neckers</span> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <span class="overstrike-1 ">wenn</span> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <span class="index-237 tp-38221 index-267 tp-38223 index-268 tp-38222 ">ihre Kinder</span> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <span class="index-58 tp-43366 ">Weimar</span> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <span class="index-234 tp-38224 family-courier ">Ben</span><span class="index-234 tp-38224 notice-15072 ">[13]</span><span class="index-234 tp-38224 family-courier ">jamin Constant</span>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <span class="index-285 tp-38225 ">ihren Vater</span> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <span class="overstrike-1 ">xxx</span> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <span class="overstrike-1 ">Xx</span> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <span class="notice-15073 ">[14]</span> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<br><span class="cite tp-56353 ">Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in </span><span class="cite tp-56353 index-15 tp-43367 ">Berlin</span><span class="cite tp-56353 "> oder sonst über </span><span class="cite tp-56353 index-222 tp-43368 ">Fr. v. St.</span><span class="cite tp-56353 "> haben sagen hören zu vergessen</span>. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <span class="overstrike-1 ">rufen</span> <span class="offset-4 ">bringen.</span> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <span class="notice-15074 ">[15]</span> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <span class="offset-4 ">würde</span>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <span class="overstrike-1 ">Schon</span> gethan. Schon der Gedanke <span class="overstrike-1 ">ihres</span> <span class="offset-4 ">eines solchen</span> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <span class="index-6499 tp-43369 ">ihrer Kammerfrau</span> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <span class="index-280 tp-43370 ">Genf</span> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <span class="notice-15075 ">[16]</span> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<br>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <span class="index-219 tp-43371 ">Nennhausen</span> der heiligste Ernst geworden, <span class="overstrike-1 ">xxx</span> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <span class="overstrike-1 ">xx</span> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<br>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <span class="index-237 tp-43372 index-267 tp-43374 index-268 tp-43373 ">der Kinder</span>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <span class="index-268 tp-38226 ">der Älteste</span>, der sehr verständig und für <span class="overstrike-1 ">sehr</span> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <span class="index-171 tp-43375 ">Paris</span>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <span class="index-267 tp-38227 ">Der jüngste</span>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <span class="notice-15076 ">[17]</span> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <span class="index-237 tp-38228 ">eine kleine Tochter</span> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <span class="index-222 tp-43376 ">ihrer Mutter</span> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <br>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <span class="index-222 tp-43377 ">Frau von Stael</span> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <span class="index-3628 tp-43378 ">Vorlesungen</span> über Philosophie und <span class="overstrike-1 ">xxxx</span> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<br>Es versteht sich, daß <span class="index-222 tp-43379 ">meine Freundin</span> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <span class="index-237 tp-43382 index-267 tp-43380 index-268 tp-43381 ">ihrer Kinder</span> ihr Haus nicht verlassen, <span class="overstrike-1 ">zu</span> <span class="offset-4 ">von</span> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <span class="notice-15077 ">[18]</span> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <span class="overstrike-1 ">xxx</span> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <span class="overstrike-1 ">die</span> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<br>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <span class="overstrike-1 ">verspricht</span> <span class="offset-4 ">zu versprechen</span>, darf nicht besorgt seyn, als ob <span class="overstrike-1 ">xxxx meine</span> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<br>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <span class="notice-15078 ">[19]</span> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <span class="index-222 tp-43383 ">meiner Freundin</span> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <span class="overstrike-1 ">Xxxx</span> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <span class="overstrike-1 ">thxx</span> <span class="offset-4 ">der</span> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <span class="index-285 tp-43384 ">ihrem Vater</span> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <span class="index-171 tp-43385 ">Paris</span>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <span class="index-359 tp-38229 ">Mailand</span> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <span class="index-446 tp-38230 ">dem Kaiser</span> – <span class="index-529 tp-43344 ">Alpinorgos von Majorca</span>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <span class="offset-4 ">aber</span> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <span class="overstrike-1 ">ganz</span> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<span class="notice-15079 ">[20]</span>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <span class="index-280 tp-43386 ">Genf</span> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> feind<span class="overstrike-1 ">x</span> wäre. <span class="overstrike-1 ">xxx</span> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <span class="index-2603 tp-38231 ">Flemming</span>:<br><span class="index-5906 tp-38239 ">Mir lag Arabien und Syrien im Sinne</span>,<br>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<br>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <span class="notice-15080 ">[21]</span> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <span class="overstrike-1 ">Mit der</span> <span class="offset--4 ">Ich nehme die</span> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <span class="offset-4 ">zu machen</span>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <span class="index-219 tp-43387 ">Nennhausen</span>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <br>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <span class="offset-4 ">u</span> von allem was die Ihrigen angeht. <span class="index-220 tp-43388 ">Fouqué</span>, dem ebenfalls <span class="doc-7118 ">ein langer Brief</span> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <span class="notice-15081 ">[22]</span> literarischen Studien, von den Bekannten in <span class="index-15 tp-43389 ">Berlin</span>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<br>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <span class="index-952 tp-38232 ">Ihrem würdigen Herrn Vater</span>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <span class="index-219 tp-43390 ">Nennhausen</span> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <span class="index-6347 tp-42271 ">Frau von Briest</span> und <span class="index-4644 tp-38233 ">Fräulein von Luck</span>. <span class="index-951 tp-38235 index-948 tp-38236 index-949 tp-38237 index-950 tp-38238 ">Ihre Kinder</span> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<br>Ganz Ihr<br>AWSchlegel.<br>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <span class="overstrike-1 ">nehmen, xxx</span> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <span class="notice-20736 ">se</span>y<span class="notice-20737 ">en</span>. – Auch kann es nicht <span class="overstrike-1 ">xxx</span> schaden, wenn eine <span class="notice-15082 ">[23]</span> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<br><span class="notice-15083 ">[24]</span> An<br>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<br>geb. von Briest.', 'isaprint' => false, 'isnewtranslation' => true, 'statemsg' => 'betamsg23', 'cittitle' => 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/959', 'description' => 'August Wilhelm von Schlegel an Caroline de La Motte-Fouqué am November 1804 und 1. 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zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <span class="offset-4 ">Abreise</span> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <span class="index-219 tp-38187 ">Nennhausen</span> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <span class="index-15 tp-38188 ">Berlin</span> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <span class="index-58 tp-38189 ">Weimar</span> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <span class="index-137 tp-43345 ">Goethe</span> u <span class="index-56 tp-38191 ">den Bildhauer Tieck</span> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <span class="notice-15061 ">[2]</span> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <span class="index-230 tp-38192 ">Würzburg</span> u <span class="index-232 tp-38193 ">Ulm</span> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<span class="notice-20724 ">[n]</span> entgegen, durch <span class="index-251 tp-38194 ">Schaffhausen</span> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <span class="index-227 tp-38195 ">Zürich</span> aus einen Umweg über <span class="index-233 tp-38196 ">Luzern</span> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <span class="index-226 tp-38198 ">Bern</span> ein, u so von <span class="index-297 tp-38197 ">Lausanne</span> an längs dem <span class="index-280 tp-43346 ">Genfer</span> See nach <span class="index-228 tp-38199 ">Coppet</span>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <span class="index-5907 tp-38240 ">ein Graf zu Dohna</span> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <span class="index-5904 tp-38200 ">der berühmte Bayle</span> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <span class="offset-4 ">an literarischen Anekdoten</span> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <span class="index-5905 tp-38201 ">sein Wörterbuch</span> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <span class="notice-15062 ">[3]</span> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<span class="notice-20725 ">[durch]</span>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <span class="offset--4 ">hinter</span> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <span class="offset-4 ">gegenüber</span> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <span class="notice-15063 ">[4]</span> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <span class="offset-4 ">dort</span>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <span class="index-307 tp-38202 ">Rousseauʼs</span> emphatisches <span class="family-courier ">citoyen de Genève</span> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <span class="notice-15064 ">[5]</span> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <span class="notice-15065 ">[6]</span> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <span class="index-260 tp-38204 ">Küßnacht</span>, wo ich zu <span class="index-5996 tp-43348 ">Tells</span> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <span class="index-6497 tp-43347 ">Zuger</span> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<br>Hier Ist <span class="index-6498 tp-43349 ">Grisslers</span> Hochmuoth vom <span class="index-5996 tp-43350 ">Thäll</span> erschossen<br>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<br>u auf der andern:<br>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<br>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<br>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <span class="index-5343 tp-43351 ">Moses vom Nebo</span> zwey Länder vor sich hat, <span class="overstrike-1 ">auf den</span> hinter <span class="notice-23241 ">dem</span> Jura Frank<span class="notice-15066 ">[7]</span>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <span class="index-297 tp-43352 ">Lausanne</span> zu u fuhr von da auf dem See nach <span class="index-369 tp-38205 ">Vevey</span>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <span class="index-420 tp-38206 ">Chamouny</span>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <br>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <span class="index-220 tp-38207 ">Fouqué</span> vor, als er in <span class="index-15 tp-43353 ">Berlin</span> war, ihn bey <span class="index-222 tp-38208 ">Frau von Staël</span> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <span class="notice-15067 ">[8]</span> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<br><span class="notice-20544 ">((</span><span class="cite tp-56354 ">Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in </span><span class="cite tp-56354 index-228 tp-43354 ">Coppet</span><span class="cite tp-56354 "> und dem in </span><span class="cite tp-56354 index-280 tp-43355 ">Genf</span><span class="cite tp-56354 "> zugebrachten Winter</span>; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<br><span class="index-280 tp-43356 ">Genf</span> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <span class="index-48 tp-38209 ">Tieck der Dichter</span>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <span class="index-222 tp-38210 ">meiner neuen Freundin</span> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <span class="index-15 tp-43357 ">Berlin</span> vermied. Allein Tieck wurde durch <span class="index-130 tp-43358 ">seine Frau</span> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <span class="notice-15068 ">[9]</span> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <span class="index-220 tp-43359 ">Fouqué</span> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<span class="notice-23246 ">a</span>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<br>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <span class="index-220 tp-43360 ">Fouqué</span> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <span class="index-366 tp-38211 ">Lyon</span> an, auf dem Mont Cenis bis nach <span class="index-279 tp-38212 ">Neapel</span> hinunter, auf dem V<span class="notice-20727 ">[e]</span>suv, in den Lagunen von <span class="index-355 tp-38213 ">Venedig</span> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <br><span class="notice-15069 ">[10]</span> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <span class="index-220 tp-38214 ">Pellegrins</span> Zueignung von <span class="index-338 tp-38215 ">den Schauspielen zu Gesichte</span>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <span class="index-524 tp-38217 ">meiner Elegie über </span><span class="index-524 tp-38217 index-356 tp-38216 ">Rom</span> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <span class="index-280 tp-43361 ">das prosaische Genf</span> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <span class="offset-4 ">mit</span> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<span class="notice-20728 ">[e]</span> wird es Ihnen manches gesagt haben. <br>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <span class="notice-15070 ">[11]</span> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<br>Als Sie mich in <span class="index-219 tp-43362 ">Nennhausen</span> über meine neue Bekanntschaft mit <span class="index-222 tp-43363 ">Frau von Stael</span> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<span class="notice-20729 ">[r]</span>oßen Welt, das sich in <span class="index-15 tp-43364 ">Berlin</span> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <span class="notice-15071 ">[12]</span> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <span class="index-228 tp-43365 ">ihrem Landgute</span> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <span class="index-339 tp-38218 ">einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie</span>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <span class="overstrike-1 ">an</span> <span class="offset-4 ">in</span> Berlin hielt, aufgelöst war, da <span class="index-132 tp-38219 ">Madam Bernhardi</span> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <span class="index-285 tp-38220 ">Neckers</span> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <span class="overstrike-1 ">wenn</span> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <span class="index-237 tp-38221 index-267 tp-38223 index-268 tp-38222 ">ihre Kinder</span> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <span class="index-58 tp-43366 ">Weimar</span> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <span class="index-234 tp-38224 family-courier ">Ben</span><span class="index-234 tp-38224 notice-15072 ">[13]</span><span class="index-234 tp-38224 family-courier ">jamin Constant</span>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <span class="index-285 tp-38225 ">ihren Vater</span> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <span class="overstrike-1 ">xxx</span> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <span class="overstrike-1 ">Xx</span> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <span class="notice-15073 ">[14]</span> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<br><span class="cite tp-56353 ">Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in </span><span class="cite tp-56353 index-15 tp-43367 ">Berlin</span><span class="cite tp-56353 "> oder sonst über </span><span class="cite tp-56353 index-222 tp-43368 ">Fr. v. St.</span><span class="cite tp-56353 "> haben sagen hören zu vergessen</span>. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <span class="overstrike-1 ">rufen</span> <span class="offset-4 ">bringen.</span> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <span class="notice-15074 ">[15]</span> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <span class="offset-4 ">würde</span>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <span class="overstrike-1 ">Schon</span> gethan. Schon der Gedanke <span class="overstrike-1 ">ihres</span> <span class="offset-4 ">eines solchen</span> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <span class="index-6499 tp-43369 ">ihrer Kammerfrau</span> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <span class="index-280 tp-43370 ">Genf</span> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <span class="notice-15075 ">[16]</span> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<br>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <span class="index-219 tp-43371 ">Nennhausen</span> der heiligste Ernst geworden, <span class="overstrike-1 ">xxx</span> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <span class="overstrike-1 ">xx</span> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<br>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <span class="index-237 tp-43372 index-267 tp-43374 index-268 tp-43373 ">der Kinder</span>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <span class="index-268 tp-38226 ">der Älteste</span>, der sehr verständig und für <span class="overstrike-1 ">sehr</span> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <span class="index-171 tp-43375 ">Paris</span>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <span class="index-267 tp-38227 ">Der jüngste</span>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <span class="notice-15076 ">[17]</span> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <span class="index-237 tp-38228 ">eine kleine Tochter</span> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <span class="index-222 tp-43376 ">ihrer Mutter</span> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <br>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <span class="index-222 tp-43377 ">Frau von Stael</span> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <span class="index-3628 tp-43378 ">Vorlesungen</span> über Philosophie und <span class="overstrike-1 ">xxxx</span> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<br>Es versteht sich, daß <span class="index-222 tp-43379 ">meine Freundin</span> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <span class="index-237 tp-43382 index-267 tp-43380 index-268 tp-43381 ">ihrer Kinder</span> ihr Haus nicht verlassen, <span class="overstrike-1 ">zu</span> <span class="offset-4 ">von</span> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <span class="notice-15077 ">[18]</span> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <span class="overstrike-1 ">xxx</span> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <span class="overstrike-1 ">die</span> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<br>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <span class="overstrike-1 ">verspricht</span> <span class="offset-4 ">zu versprechen</span>, darf nicht besorgt seyn, als ob <span class="overstrike-1 ">xxxx meine</span> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<br>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <span class="notice-15078 ">[19]</span> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <span class="index-222 tp-43383 ">meiner Freundin</span> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <span class="overstrike-1 ">Xxxx</span> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <span class="overstrike-1 ">thxx</span> <span class="offset-4 ">der</span> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <span class="index-285 tp-43384 ">ihrem Vater</span> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <span class="index-171 tp-43385 ">Paris</span>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <span class="index-359 tp-38229 ">Mailand</span> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <span class="index-446 tp-38230 ">dem Kaiser</span> – <span class="index-529 tp-43344 ">Alpinorgos von Majorca</span>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <span class="offset-4 ">aber</span> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <span class="overstrike-1 ">ganz</span> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<span class="notice-15079 ">[20]</span>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <span class="index-280 tp-43386 ">Genf</span> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> feind<span class="overstrike-1 ">x</span> wäre. <span class="overstrike-1 ">xxx</span> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <span class="index-2603 tp-38231 ">Flemming</span>:<br><span class="index-5906 tp-38239 ">Mir lag Arabien und Syrien im Sinne</span>,<br>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<br>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <span class="notice-15080 ">[21]</span> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <span class="overstrike-1 ">Mit der</span> <span class="offset--4 ">Ich nehme die</span> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <span class="offset-4 ">zu machen</span>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <span class="index-219 tp-43387 ">Nennhausen</span>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <br>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <span class="offset-4 ">u</span> von allem was die Ihrigen angeht. <span class="index-220 tp-43388 ">Fouqué</span>, dem ebenfalls <span class="doc-7118 ">ein langer Brief</span> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <span class="notice-15081 ">[22]</span> literarischen Studien, von den Bekannten in <span class="index-15 tp-43389 ">Berlin</span>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<br>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <span class="index-952 tp-38232 ">Ihrem würdigen Herrn Vater</span>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <span class="index-219 tp-43390 ">Nennhausen</span> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <span class="index-6347 tp-42271 ">Frau von Briest</span> und <span class="index-4644 tp-38233 ">Fräulein von Luck</span>. <span class="index-951 tp-38235 index-948 tp-38236 index-949 tp-38237 index-950 tp-38238 ">Ihre Kinder</span> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<br>Ganz Ihr<br>AWSchlegel.<br>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <span class="overstrike-1 ">nehmen, xxx</span> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <span class="notice-20736 ">se</span>y<span class="notice-20737 ">en</span>. – Auch kann es nicht <span class="overstrike-1 ">xxx</span> schaden, wenn eine <span class="notice-15082 ">[23]</span> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<br><span class="notice-15083 ">[24]</span> An<br>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<br>geb. von Briest.', '36_xml' => '<p><milestone unit="start" n="15060"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15060"/> <placeName key="280">Genf</placeName> d. <hi rendition="#PRSPreset1">Nov.</hi> 4<lb/>sage 1804<lb/>Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <hi rend="offset:4">Abreise</hi> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <placeName key="219">Nennhausen</placeName> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <placeName key="15">Berlin</placeName> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <placeName key="58">Weimar</placeName> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <persName key="137">Goethe</persName> u <persName key="56">den Bildhauer Tieck</persName> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <milestone unit="start" n="15061"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15061"/> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <placeName key="230">Würzburg</placeName> u <placeName key="232">Ulm</placeName> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<milestone unit="start" n="20724"/>[n]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20724"/> entgegen, durch <placeName key="251">Schaffhausen</placeName> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <placeName key="227">Zürich</placeName> aus einen Umweg über <placeName key="233">Luzern</placeName> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <placeName key="226">Bern</placeName> ein, u so von <placeName key="297">Lausanne</placeName> an längs dem <placeName key="280">Genfer</placeName> See nach <placeName key="228">Coppet</placeName>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <persName key="5907">ein Graf zu Dohna</persName> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <persName key="5904">der berühmte Bayle</persName> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <hi rend="offset:4">an literarischen Anekdoten</hi> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <name key="5905" type="work">sein Wörterbuch</name> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <milestone unit="start" n="15062"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15062"/> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<milestone unit="start" n="20725"/>[durch]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20725"/>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <hi rend="offset:-4">hinter</hi> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <hi rend="offset:4">gegenüber</hi> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <milestone unit="start" n="15063"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15063"/> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <hi rend="offset:4">dort</hi>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <persName key="307">Rousseauʼs</persName> emphatisches <hi rend="family:Courier">citoyen de Genève</hi> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <milestone unit="start" n="15064"/>[5]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15064"/> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <milestone unit="start" n="15065"/>[6]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15065"/> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <placeName key="260">Küßnacht</placeName>, wo ich zu <persName key="5996">Tells</persName> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <placeName key="6497">Zuger</placeName> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<lb/>Hier Ist <persName key="6498">Grisslers</persName> Hochmuoth vom <persName key="5996">Thäll</persName> erschossen<lb/>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<lb/>u auf der andern:<lb/>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<lb/>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<lb/>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <name key="5343" type="work">Moses vom Nebo</name> zwey Länder vor sich hat, <hi rend="overstrike:1">auf den</hi> hinter <milestone unit="start" n="23241"/>dem<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23241"/> Jura Frank<milestone unit="start" n="15066"/>[7]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15066"/>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <placeName key="297">Lausanne</placeName> zu u fuhr von da auf dem See nach <placeName key="369">Vevey</placeName>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <placeName key="420">Chamouny</placeName>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <lb/>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <persName key="220">Fouqué</persName> vor, als er in <placeName key="15">Berlin</placeName> war, ihn bey <persName key="222">Frau von Staël</persName> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <milestone unit="start" n="15067"/>[8]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15067"/> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<lb/><milestone unit="start" n="20544"/>((<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Doppelklammer mit Schlangenkopf versehen, siehe Faksimile</title></note><milestone unit="end" n="20544"/>Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in <placeName key="228">Coppet</placeName> und dem in <placeName key="280">Genf</placeName> zugebrachten Winter; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<lb/><placeName key="280">Genf</placeName> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <persName key="48">Tieck der Dichter</persName>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <persName key="222">meiner neuen Freundin</persName> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <placeName key="15">Berlin</placeName> vermied. Allein Tieck wurde durch <persName key="130">seine Frau</persName> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <milestone unit="start" n="15068"/>[9]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15068"/> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <persName key="220">Fouqué</persName> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<milestone unit="start" n="23246"/>a<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23246"/>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<lb/>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <persName key="220">Fouqué</persName> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <placeName key="366">Lyon</placeName> an, auf dem Mont Cenis bis nach <placeName key="279">Neapel</placeName> hinunter, auf dem V<milestone unit="start" n="20727"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20727"/>suv, in den Lagunen von <placeName key="355">Venedig</placeName> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <lb/><milestone unit="start" n="15069"/>[10]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15069"/> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <persName key="220">Pellegrins</persName> Zueignung von <name key="338" type="work">den Schauspielen zu Gesichte</name>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <name key="524" type="work">meiner Elegie über <placeName key="356">Rom</placeName></name> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <placeName key="280">das prosaische Genf</placeName> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <hi rend="offset:4">mit</hi> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<milestone unit="start" n="20728"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20728"/> wird es Ihnen manches gesagt haben. <lb/>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <milestone unit="start" n="15070"/>[11]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15070"/> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<lb/>Als Sie mich in <placeName key="219">Nennhausen</placeName> über meine neue Bekanntschaft mit <persName key="222">Frau von Stael</persName> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<milestone unit="start" n="20729"/>[r]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20729"/>oßen Welt, das sich in <placeName key="15">Berlin</placeName> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <milestone unit="start" n="15071"/>[12]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15071"/> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <placeName key="228">ihrem Landgute</placeName> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <name key="339" type="work">einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie</name>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <hi rend="overstrike:1">an</hi> <hi rend="offset:4">in</hi> Berlin hielt, aufgelöst war, da <persName key="132">Madam Bernhardi</persName> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <persName key="285">Neckers</persName> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <hi rend="overstrike:1">wenn</hi> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <persName key="237"><persName key="267"><persName key="268">ihre Kinder</persName></persName></persName> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <placeName key="58">Weimar</placeName> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <persName key="234"><hi rend="family:Courier">Ben</hi><milestone unit="start" n="15072"/>[13]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15072"/><hi rend="family:Courier">jamin Constant</hi></persName>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <persName key="285">ihren Vater</persName> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <hi rend="overstrike:1">Xx</hi> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <milestone unit="start" n="15073"/>[14]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15073"/> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<lb/>Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in <placeName key="15">Berlin</placeName> oder sonst über <persName key="222">Fr. v. St.</persName> haben sagen hören zu vergessen. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <hi rend="overstrike:1">rufen</hi> <hi rend="offset:4">bringen.</hi> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <milestone unit="start" n="15074"/>[15]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15074"/> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <hi rend="offset:4">würde</hi>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <hi rend="overstrike:1">Schon</hi> gethan. Schon der Gedanke <hi rend="overstrike:1">ihres</hi> <hi rend="offset:4">eines solchen</hi> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <persName key="6499">ihrer Kammerfrau</persName> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <placeName key="280">Genf</placeName> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <milestone unit="start" n="15075"/>[16]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15075"/> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<lb/>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <placeName key="219">Nennhausen</placeName> der heiligste Ernst geworden, <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <hi rend="overstrike:1">xx</hi> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<lb/>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <persName key="237"><persName key="267"><persName key="268">der Kinder</persName></persName></persName>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <persName key="268">der Älteste</persName>, der sehr verständig und für <hi rend="overstrike:1">sehr</hi> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <placeName key="171">Paris</placeName>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <persName key="267">Der jüngste</persName>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <milestone unit="start" n="15076"/>[17]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15076"/> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <persName key="237">eine kleine Tochter</persName> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <persName key="222">ihrer Mutter</persName> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <lb/>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <persName key="222">Frau von Stael</persName> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <name key="3628" type="work">Vorlesungen</name> über Philosophie und <hi rend="overstrike:1">xxxx</hi> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<lb/>Es versteht sich, daß <persName key="222">meine Freundin</persName> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <persName key="237"><persName key="267"><persName key="268">ihrer Kinder</persName></persName></persName> ihr Haus nicht verlassen, <hi rend="overstrike:1">zu</hi> <hi rend="offset:4">von</hi> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <milestone unit="start" n="15077"/>[18]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15077"/> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <hi rend="overstrike:1">die</hi> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<lb/>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <hi rend="overstrike:1">verspricht</hi> <hi rend="offset:4">zu versprechen</hi>, darf nicht besorgt seyn, als ob <hi rend="overstrike:1">xxxx meine</hi> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<lb/>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <milestone unit="start" n="15078"/>[19]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15078"/> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <persName key="222">meiner Freundin</persName> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <hi rend="overstrike:1">Xxxx</hi> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <hi rend="overstrike:1">thxx</hi> <hi rend="offset:4">der</hi> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <persName key="285">ihrem Vater</persName> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <placeName key="171">Paris</placeName>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <placeName key="359">Mailand</placeName> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <persName key="446">dem Kaiser</persName> – <name key="529" type="work">Alpinorgos von Majorca</name>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <hi rend="offset:4">aber</hi> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <hi rend="overstrike:1">ganz</hi> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<milestone unit="start" n="15079"/>[20]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15079"/>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <placeName key="280">Genf</placeName> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> feind<hi rend="overstrike:1">x</hi> wäre. <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <persName key="2603">Flemming</persName>:<lb/><name key="5906" type="work">Mir lag Arabien und Syrien im Sinne</name>,<lb/>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<lb/>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <milestone unit="start" n="15080"/>[21]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15080"/> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <hi rend="overstrike:1">Mit der</hi> <hi rend="offset:-4">Ich nehme die</hi> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <hi rend="offset:4">zu machen</hi>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <placeName key="219">Nennhausen</placeName>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <lb/>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <hi rend="offset:4">u</hi> von allem was die Ihrigen angeht. <persName key="220">Fouqué</persName>, dem ebenfalls <ref target="fud://7118">ein langer Brief</ref> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <milestone unit="start" n="15081"/>[22]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15081"/> literarischen Studien, von den Bekannten in <placeName key="15">Berlin</placeName>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<lb/>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <persName key="952">Ihrem würdigen Herrn Vater</persName>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <placeName key="219">Nennhausen</placeName> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <persName key="6347">Frau von Briest</persName> und <persName key="4644">Fräulein von Luck</persName>. <persName key="951"><persName key="948"><persName key="949"><persName key="950">Ihre Kinder</persName></persName></persName></persName> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<lb/>Ganz Ihr<lb/>AWSchlegel.<lb/>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <hi rend="overstrike:1">nehmen, xxx</hi> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <milestone unit="start" n="20736"/>se<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20736"/>y<milestone unit="start" n="20737"/>en<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20737"/>. – Auch kann es nicht <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> schaden, wenn eine <milestone unit="start" n="15082"/>[23]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15082"/> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<lb/><milestone unit="start" n="15083"/>[24]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15083"/> An<lb/>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<lb/>geb. von Briest.</p>', '36_xml_standoff' => '<milestone unit="start" n="15060"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15060"/> <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB38186"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE38186"/> d. <hi rendition="#PRSPreset1">Nov.</hi> 4<lb/>sage 1804<lb/>Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <hi rend="offset:4">Abreise</hi> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB38187"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE38187"/> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB38188"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE38188"/> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <anchor type="b" n="58" ana="10" xml:id="NidB38189"/>Weimar<anchor type="e" n="58" ana="10" xml:id="NidE38189"/> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <anchor type="b" n="137" ana="11" xml:id="NidB43345"/>Goethe<anchor type="e" n="137" ana="11" xml:id="NidE43345"/> u <anchor type="b" n="56" ana="11" xml:id="NidB38191"/>den Bildhauer Tieck<anchor type="e" n="56" ana="11" xml:id="NidE38191"/> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <milestone unit="start" n="15061"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15061"/> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <anchor type="b" n="230" ana="10" xml:id="NidB38192"/>Würzburg<anchor type="e" n="230" ana="10" xml:id="NidE38192"/> u <anchor type="b" n="232" ana="10" xml:id="NidB38193"/>Ulm<anchor type="e" n="232" ana="10" xml:id="NidE38193"/> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<milestone unit="start" n="20724"/>[n]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20724"/> entgegen, durch <anchor type="b" n="251" ana="10" xml:id="NidB38194"/>Schaffhausen<anchor type="e" n="251" ana="10" xml:id="NidE38194"/> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <anchor type="b" n="227" ana="10" xml:id="NidB38195"/>Zürich<anchor type="e" n="227" ana="10" xml:id="NidE38195"/> aus einen Umweg über <anchor type="b" n="233" ana="10" xml:id="NidB38196"/>Luzern<anchor type="e" n="233" ana="10" xml:id="NidE38196"/> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <anchor type="b" n="226" ana="10" xml:id="NidB38198"/>Bern<anchor type="e" n="226" ana="10" xml:id="NidE38198"/> ein, u so von <anchor type="b" n="297" ana="10" xml:id="NidB38197"/>Lausanne<anchor type="e" n="297" ana="10" xml:id="NidE38197"/> an längs dem <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43346"/>Genfer<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43346"/> See nach <anchor type="b" n="228" ana="10" xml:id="NidB38199"/>Coppet<anchor type="e" n="228" ana="10" xml:id="NidE38199"/>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <anchor type="b" n="5907" ana="11" xml:id="NidB38240"/>ein Graf zu Dohna<anchor type="e" n="5907" ana="11" xml:id="NidE38240"/> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <anchor type="b" n="5904" ana="11" xml:id="NidB38200"/>der berühmte Bayle<anchor type="e" n="5904" ana="11" xml:id="NidE38200"/> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <hi rend="offset:4">an literarischen Anekdoten</hi> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <anchor type="b" n="5905" ana="12" xml:id="NidB38201"/>sein Wörterbuch<anchor type="e" n="5905" ana="12" xml:id="NidE38201"/> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <milestone unit="start" n="15062"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15062"/> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<milestone unit="start" n="20725"/>[durch]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20725"/>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <hi rend="offset:-4">hinter</hi> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <hi rend="offset:4">gegenüber</hi> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <milestone unit="start" n="15063"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15063"/> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <hi rend="offset:4">dort</hi>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <anchor type="b" n="307" ana="11" xml:id="NidB38202"/>Rousseauʼs<anchor type="e" n="307" ana="11" xml:id="NidE38202"/> emphatisches <hi rend="family:Courier">citoyen de Genève</hi> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <milestone unit="start" n="15064"/>[5]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15064"/> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <milestone unit="start" n="15065"/>[6]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15065"/> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <anchor type="b" n="260" ana="10" xml:id="NidB38204"/>Küßnacht<anchor type="e" n="260" ana="10" xml:id="NidE38204"/>, wo ich zu <anchor type="b" n="5996" ana="11" xml:id="NidB43348"/>Tells<anchor type="e" n="5996" ana="11" xml:id="NidE43348"/> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <anchor type="b" n="6497" ana="10" xml:id="NidB43347"/>Zuger<anchor type="e" n="6497" ana="10" xml:id="NidE43347"/> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<lb/>Hier Ist <anchor type="b" n="6498" ana="11" xml:id="NidB43349"/>Grisslers<anchor type="e" n="6498" ana="11" xml:id="NidE43349"/> Hochmuoth vom <anchor type="b" n="5996" ana="11" xml:id="NidB43350"/>Thäll<anchor type="e" n="5996" ana="11" xml:id="NidE43350"/> erschossen<lb/>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<lb/>u auf der andern:<lb/>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<lb/>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<lb/>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <anchor type="b" n="5343" ana="12" xml:id="NidB43351"/>Moses vom Nebo<anchor type="e" n="5343" ana="12" xml:id="NidE43351"/> zwey Länder vor sich hat, <hi rend="overstrike:1">auf den</hi> hinter <milestone unit="start" n="23241"/>dem<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23241"/> Jura Frank<milestone unit="start" n="15066"/>[7]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15066"/>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <anchor type="b" n="297" ana="10" xml:id="NidB43352"/>Lausanne<anchor type="e" n="297" ana="10" xml:id="NidE43352"/> zu u fuhr von da auf dem See nach <anchor type="b" n="369" ana="10" xml:id="NidB38205"/>Vevey<anchor type="e" n="369" ana="10" xml:id="NidE38205"/>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <anchor type="b" n="420" ana="10" xml:id="NidB38206"/>Chamouny<anchor type="e" n="420" ana="10" xml:id="NidE38206"/>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <lb/>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB38207"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE38207"/> vor, als er in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43353"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43353"/> war, ihn bey <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB38208"/>Frau von Staël<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE38208"/> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <milestone unit="start" n="15067"/>[8]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15067"/> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<lb/><milestone unit="start" n="20544"/>((<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Doppelklammer mit Schlangenkopf versehen, siehe Faksimile</title></note><milestone unit="end" n="20544"/><anchor type="b" n="8979" ana="16" xml:id="NidB56354"/>Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in <anchor type="b" n="228" ana="10" xml:id="NidB43354"/>Coppet<anchor type="e" n="228" ana="10" xml:id="NidE43354"/> und dem in <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43355"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43355"/> zugebrachten Winter<anchor type="e" n="8979" ana="16" xml:id="NidE56354"/>; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<lb/><anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43356"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43356"/> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <anchor type="b" n="48" ana="11" xml:id="NidB38209"/>Tieck der Dichter<anchor type="e" n="48" ana="11" xml:id="NidE38209"/>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB38210"/>meiner neuen Freundin<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE38210"/> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43357"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43357"/> vermied. Allein Tieck wurde durch <anchor type="b" n="130" ana="11" xml:id="NidB43358"/>seine Frau<anchor type="e" n="130" ana="11" xml:id="NidE43358"/> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <milestone unit="start" n="15068"/>[9]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15068"/> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB43359"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE43359"/> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<milestone unit="start" n="23246"/>a<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23246"/>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<lb/>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB43360"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE43360"/> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <anchor type="b" n="366" ana="10" xml:id="NidB38211"/>Lyon<anchor type="e" n="366" ana="10" xml:id="NidE38211"/> an, auf dem Mont Cenis bis nach <anchor type="b" n="279" ana="10" xml:id="NidB38212"/>Neapel<anchor type="e" n="279" ana="10" xml:id="NidE38212"/> hinunter, auf dem V<milestone unit="start" n="20727"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20727"/>suv, in den Lagunen von <anchor type="b" n="355" ana="10" xml:id="NidB38213"/>Venedig<anchor type="e" n="355" ana="10" xml:id="NidE38213"/> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <lb/><milestone unit="start" n="15069"/>[10]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15069"/> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB38214"/>Pellegrins<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE38214"/> Zueignung von <anchor type="b" n="338" ana="12" xml:id="NidB38215"/>den Schauspielen zu Gesichte<anchor type="e" n="338" ana="12" xml:id="NidE38215"/>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <anchor type="b" n="524" ana="12" xml:id="NidB38217"/>meiner Elegie über <anchor type="b" n="356" ana="10" xml:id="NidB38216"/>Rom<anchor type="e" n="356" ana="10" xml:id="NidE38216"/><anchor type="e" n="524" ana="12" xml:id="NidE38217"/> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43361"/>das prosaische Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43361"/> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <hi rend="offset:4">mit</hi> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<milestone unit="start" n="20728"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20728"/> wird es Ihnen manches gesagt haben. <lb/>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <milestone unit="start" n="15070"/>[11]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15070"/> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<lb/>Als Sie mich in <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43362"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43362"/> über meine neue Bekanntschaft mit <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43363"/>Frau von Stael<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43363"/> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<milestone unit="start" n="20729"/>[r]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20729"/>oßen Welt, das sich in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43364"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43364"/> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <milestone unit="start" n="15071"/>[12]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15071"/> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <anchor type="b" n="228" ana="10" xml:id="NidB43365"/>ihrem Landgute<anchor type="e" n="228" ana="10" xml:id="NidE43365"/> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <anchor type="b" n="339" ana="12" xml:id="NidB38218"/>einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie<anchor type="e" n="339" ana="12" xml:id="NidE38218"/>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <hi rend="overstrike:1">an</hi> <hi rend="offset:4">in</hi> Berlin hielt, aufgelöst war, da <anchor type="b" n="132" ana="11" xml:id="NidB38219"/>Madam Bernhardi<anchor type="e" n="132" ana="11" xml:id="NidE38219"/> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <anchor type="b" n="285" ana="11" xml:id="NidB38220"/>Neckers<anchor type="e" n="285" ana="11" xml:id="NidE38220"/> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <hi rend="overstrike:1">wenn</hi> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB38221"/><anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB38223"/><anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB38222"/>ihre Kinder<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE38222"/><anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE38223"/><anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE38221"/> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <anchor type="b" n="58" ana="10" xml:id="NidB43366"/>Weimar<anchor type="e" n="58" ana="10" xml:id="NidE43366"/> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <anchor type="b" n="234" ana="11" xml:id="NidB38224"/><hi rend="family:Courier">Ben</hi><milestone unit="start" n="15072"/>[13]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15072"/><hi rend="family:Courier">jamin Constant</hi><anchor type="e" n="234" ana="11" xml:id="NidE38224"/>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <anchor type="b" n="285" ana="11" xml:id="NidB38225"/>ihren Vater<anchor type="e" n="285" ana="11" xml:id="NidE38225"/> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <hi rend="overstrike:1">Xx</hi> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <milestone unit="start" n="15073"/>[14]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15073"/> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<lb/><anchor type="b" n="8979" ana="16" xml:id="NidB56353"/>Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43367"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43367"/> oder sonst über <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43368"/>Fr. v. St.<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43368"/> haben sagen hören zu vergessen<anchor type="e" n="8979" ana="16" xml:id="NidE56353"/>. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <hi rend="overstrike:1">rufen</hi> <hi rend="offset:4">bringen.</hi> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <milestone unit="start" n="15074"/>[15]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15074"/> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <hi rend="offset:4">würde</hi>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <hi rend="overstrike:1">Schon</hi> gethan. Schon der Gedanke <hi rend="overstrike:1">ihres</hi> <hi rend="offset:4">eines solchen</hi> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <anchor type="b" n="6499" ana="11" xml:id="NidB43369"/>ihrer Kammerfrau<anchor type="e" n="6499" ana="11" xml:id="NidE43369"/> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43370"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43370"/> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <milestone unit="start" n="15075"/>[16]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15075"/> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<lb/>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43371"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43371"/> der heiligste Ernst geworden, <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <hi rend="overstrike:1">xx</hi> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<lb/>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB43372"/><anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB43374"/><anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB43373"/>der Kinder<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE43373"/><anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE43374"/><anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE43372"/>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB38226"/>der Älteste<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE38226"/>, der sehr verständig und für <hi rend="overstrike:1">sehr</hi> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <anchor type="b" n="171" ana="10" xml:id="NidB43375"/>Paris<anchor type="e" n="171" ana="10" xml:id="NidE43375"/>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB38227"/>Der jüngste<anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE38227"/>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <milestone unit="start" n="15076"/>[17]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15076"/> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB38228"/>eine kleine Tochter<anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE38228"/> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43376"/>ihrer Mutter<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43376"/> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <lb/>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43377"/>Frau von Stael<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43377"/> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <anchor type="b" n="3628" ana="12" xml:id="NidB43378"/>Vorlesungen<anchor type="e" n="3628" ana="12" xml:id="NidE43378"/> über Philosophie und <hi rend="overstrike:1">xxxx</hi> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<lb/>Es versteht sich, daß <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43379"/>meine Freundin<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43379"/> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB43382"/><anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB43380"/><anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB43381"/>ihrer Kinder<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE43381"/><anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE43380"/><anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE43382"/> ihr Haus nicht verlassen, <hi rend="overstrike:1">zu</hi> <hi rend="offset:4">von</hi> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <milestone unit="start" n="15077"/>[18]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15077"/> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <hi rend="overstrike:1">die</hi> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<lb/>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <hi rend="overstrike:1">verspricht</hi> <hi rend="offset:4">zu versprechen</hi>, darf nicht besorgt seyn, als ob <hi rend="overstrike:1">xxxx meine</hi> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<lb/>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <milestone unit="start" n="15078"/>[19]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15078"/> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43383"/>meiner Freundin<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43383"/> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <hi rend="overstrike:1">Xxxx</hi> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <hi rend="overstrike:1">thxx</hi> <hi rend="offset:4">der</hi> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <anchor type="b" n="285" ana="11" xml:id="NidB43384"/>ihrem Vater<anchor type="e" n="285" ana="11" xml:id="NidE43384"/> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <anchor type="b" n="171" ana="10" xml:id="NidB43385"/>Paris<anchor type="e" n="171" ana="10" xml:id="NidE43385"/>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <anchor type="b" n="359" ana="10" xml:id="NidB38229"/>Mailand<anchor type="e" n="359" ana="10" xml:id="NidE38229"/> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <anchor type="b" n="446" ana="11" xml:id="NidB38230"/>dem Kaiser<anchor type="e" n="446" ana="11" xml:id="NidE38230"/> – <anchor type="b" n="529" ana="12" xml:id="NidB43344"/>Alpinorgos von Majorca<anchor type="e" n="529" ana="12" xml:id="NidE43344"/>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <hi rend="offset:4">aber</hi> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <hi rend="overstrike:1">ganz</hi> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<milestone unit="start" n="15079"/>[20]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15079"/>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43386"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43386"/> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> feind<hi rend="overstrike:1">x</hi> wäre. <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <anchor type="b" n="2603" ana="11" xml:id="NidB38231"/>Flemming<anchor type="e" n="2603" ana="11" xml:id="NidE38231"/>:<lb/><anchor type="b" n="5906" ana="12" xml:id="NidB38239"/>Mir lag Arabien und Syrien im Sinne<anchor type="e" n="5906" ana="12" xml:id="NidE38239"/>,<lb/>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<lb/>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <milestone unit="start" n="15080"/>[21]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15080"/> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <hi rend="overstrike:1">Mit der</hi> <hi rend="offset:-4">Ich nehme die</hi> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <hi rend="offset:4">zu machen</hi>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43387"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43387"/>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <lb/>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <hi rend="offset:4">u</hi> von allem was die Ihrigen angeht. <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB43388"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE43388"/>, dem ebenfalls <ref target="fud://7118">ein langer Brief</ref> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <milestone unit="start" n="15081"/>[22]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15081"/> literarischen Studien, von den Bekannten in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43389"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43389"/>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<lb/>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <anchor type="b" n="952" ana="11" xml:id="NidB38232"/>Ihrem würdigen Herrn Vater<anchor type="e" n="952" ana="11" xml:id="NidE38232"/>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43390"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43390"/> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <anchor type="b" n="6347" ana="11" xml:id="NidB42271"/>Frau von Briest<anchor type="e" n="6347" ana="11" xml:id="NidE42271"/> und <anchor type="b" n="4644" ana="11" xml:id="NidB38233"/>Fräulein von Luck<anchor type="e" n="4644" ana="11" xml:id="NidE38233"/>. <anchor type="b" n="951" ana="11" xml:id="NidB38235"/><anchor type="b" n="948" ana="11" xml:id="NidB38236"/><anchor type="b" n="949" ana="11" xml:id="NidB38237"/><anchor type="b" n="950" ana="11" xml:id="NidB38238"/>Ihre Kinder<anchor type="e" n="950" ana="11" xml:id="NidE38238"/><anchor type="e" n="949" ana="11" xml:id="NidE38237"/><anchor type="e" n="948" ana="11" xml:id="NidE38236"/><anchor type="e" n="951" ana="11" xml:id="NidE38235"/> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<lb/>Ganz Ihr<lb/>AWSchlegel.<lb/>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <hi rend="overstrike:1">nehmen, xxx</hi> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <milestone unit="start" n="20736"/>se<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20736"/>y<milestone unit="start" n="20737"/>en<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20737"/>. – Auch kann es nicht <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> schaden, wenn eine <milestone unit="start" n="15082"/>[23]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15082"/> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<lb/><milestone unit="start" n="15083"/>[24]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15083"/><note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15069"/> An<lb/>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<lb/>geb. von Briest.', '36_status' => 'Neu transkribiert und ausgezeichnet; zweimal kollationiert', '36_briefid' => 'BrandenburgischesLandeshauptarchiv_AWSanCdeLaMotteFouque_November1804_01031806', '36_absender' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_sprache' => array( (int) 0 => 'Deutsch' ), '36_sortdatum' => '1806-03-01', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( [maximum depth reached] ) ), '36_datengeberhand' => 'Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv', '36_h1zahl' => '23 S. auf Doppelbl., hs. m. 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Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <span class="offset-4 ">Abreise</span> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <span class="index-219 tp-38187 ">Nennhausen</span> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <span class="index-15 tp-38188 ">Berlin</span> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <span class="index-58 tp-38189 ">Weimar</span> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <span class="index-137 tp-43345 ">Goethe</span> u <span class="index-56 tp-38191 ">den Bildhauer Tieck</span> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <span class="notice-15061 ">[2]</span> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <span class="index-230 tp-38192 ">Würzburg</span> u <span class="index-232 tp-38193 ">Ulm</span> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<span class="notice-20724 ">[n]</span> entgegen, durch <span class="index-251 tp-38194 ">Schaffhausen</span> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <span class="index-227 tp-38195 ">Zürich</span> aus einen Umweg über <span class="index-233 tp-38196 ">Luzern</span> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <span class="index-226 tp-38198 ">Bern</span> ein, u so von <span class="index-297 tp-38197 ">Lausanne</span> an längs dem <span class="index-280 tp-43346 ">Genfer</span> See nach <span class="index-228 tp-38199 ">Coppet</span>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <span class="index-5907 tp-38240 ">ein Graf zu Dohna</span> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <span class="index-5904 tp-38200 ">der berühmte Bayle</span> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <span class="offset-4 ">an literarischen Anekdoten</span> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <span class="index-5905 tp-38201 ">sein Wörterbuch</span> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <span class="notice-15062 ">[3]</span> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<span class="notice-20725 ">[durch]</span>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <span class="offset--4 ">hinter</span> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <span class="offset-4 ">gegenüber</span> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <span class="notice-15063 ">[4]</span> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <span class="offset-4 ">dort</span>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <span class="index-307 tp-38202 ">Rousseauʼs</span> emphatisches <span class="family-courier ">citoyen de Genève</span> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <span class="notice-15064 ">[5]</span> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <span class="notice-15065 ">[6]</span> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <span class="index-260 tp-38204 ">Küßnacht</span>, wo ich zu <span class="index-5996 tp-43348 ">Tells</span> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <span class="index-6497 tp-43347 ">Zuger</span> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<br>Hier Ist <span class="index-6498 tp-43349 ">Grisslers</span> Hochmuoth vom <span class="index-5996 tp-43350 ">Thäll</span> erschossen<br>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<br>u auf der andern:<br>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<br>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<br>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <span class="index-5343 tp-43351 ">Moses vom Nebo</span> zwey Länder vor sich hat, <span class="overstrike-1 ">auf den</span> hinter <span class="notice-23241 ">dem</span> Jura Frank<span class="notice-15066 ">[7]</span>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <span class="index-297 tp-43352 ">Lausanne</span> zu u fuhr von da auf dem See nach <span class="index-369 tp-38205 ">Vevey</span>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <span class="index-420 tp-38206 ">Chamouny</span>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <br>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <span class="index-220 tp-38207 ">Fouqué</span> vor, als er in <span class="index-15 tp-43353 ">Berlin</span> war, ihn bey <span class="index-222 tp-38208 ">Frau von Staël</span> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <span class="notice-15067 ">[8]</span> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<br><span class="notice-20544 ">((</span><span class="cite tp-56354 ">Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in </span><span class="cite tp-56354 index-228 tp-43354 ">Coppet</span><span class="cite tp-56354 "> und dem in </span><span class="cite tp-56354 index-280 tp-43355 ">Genf</span><span class="cite tp-56354 "> zugebrachten Winter</span>; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<br><span class="index-280 tp-43356 ">Genf</span> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <span class="index-48 tp-38209 ">Tieck der Dichter</span>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <span class="index-222 tp-38210 ">meiner neuen Freundin</span> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <span class="index-15 tp-43357 ">Berlin</span> vermied. Allein Tieck wurde durch <span class="index-130 tp-43358 ">seine Frau</span> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <span class="notice-15068 ">[9]</span> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <span class="index-220 tp-43359 ">Fouqué</span> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<span class="notice-23246 ">a</span>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<br>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <span class="index-220 tp-43360 ">Fouqué</span> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <span class="index-366 tp-38211 ">Lyon</span> an, auf dem Mont Cenis bis nach <span class="index-279 tp-38212 ">Neapel</span> hinunter, auf dem V<span class="notice-20727 ">[e]</span>suv, in den Lagunen von <span class="index-355 tp-38213 ">Venedig</span> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <br><span class="notice-15069 ">[10]</span> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <span class="index-220 tp-38214 ">Pellegrins</span> Zueignung von <span class="index-338 tp-38215 ">den Schauspielen zu Gesichte</span>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <span class="index-524 tp-38217 ">meiner Elegie über </span><span class="index-524 tp-38217 index-356 tp-38216 ">Rom</span> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <span class="index-280 tp-43361 ">das prosaische Genf</span> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <span class="offset-4 ">mit</span> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<span class="notice-20728 ">[e]</span> wird es Ihnen manches gesagt haben. <br>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <span class="notice-15070 ">[11]</span> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<br>Als Sie mich in <span class="index-219 tp-43362 ">Nennhausen</span> über meine neue Bekanntschaft mit <span class="index-222 tp-43363 ">Frau von Stael</span> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<span class="notice-20729 ">[r]</span>oßen Welt, das sich in <span class="index-15 tp-43364 ">Berlin</span> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <span class="notice-15071 ">[12]</span> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <span class="index-228 tp-43365 ">ihrem Landgute</span> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <span class="index-339 tp-38218 ">einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie</span>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <span class="overstrike-1 ">an</span> <span class="offset-4 ">in</span> Berlin hielt, aufgelöst war, da <span class="index-132 tp-38219 ">Madam Bernhardi</span> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <span class="index-285 tp-38220 ">Neckers</span> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <span class="overstrike-1 ">wenn</span> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <span class="index-237 tp-38221 index-267 tp-38223 index-268 tp-38222 ">ihre Kinder</span> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <span class="index-58 tp-43366 ">Weimar</span> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <span class="index-234 tp-38224 family-courier ">Ben</span><span class="index-234 tp-38224 notice-15072 ">[13]</span><span class="index-234 tp-38224 family-courier ">jamin Constant</span>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <span class="index-285 tp-38225 ">ihren Vater</span> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <span class="overstrike-1 ">xxx</span> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <span class="overstrike-1 ">Xx</span> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <span class="notice-15073 ">[14]</span> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<br><span class="cite tp-56353 ">Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in </span><span class="cite tp-56353 index-15 tp-43367 ">Berlin</span><span class="cite tp-56353 "> oder sonst über </span><span class="cite tp-56353 index-222 tp-43368 ">Fr. v. St.</span><span class="cite tp-56353 "> haben sagen hören zu vergessen</span>. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <span class="overstrike-1 ">rufen</span> <span class="offset-4 ">bringen.</span> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <span class="notice-15074 ">[15]</span> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <span class="offset-4 ">würde</span>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <span class="overstrike-1 ">Schon</span> gethan. Schon der Gedanke <span class="overstrike-1 ">ihres</span> <span class="offset-4 ">eines solchen</span> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <span class="index-6499 tp-43369 ">ihrer Kammerfrau</span> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <span class="index-280 tp-43370 ">Genf</span> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <span class="notice-15075 ">[16]</span> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<br>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <span class="index-219 tp-43371 ">Nennhausen</span> der heiligste Ernst geworden, <span class="overstrike-1 ">xxx</span> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <span class="overstrike-1 ">xx</span> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<br>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <span class="index-237 tp-43372 index-267 tp-43374 index-268 tp-43373 ">der Kinder</span>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <span class="index-268 tp-38226 ">der Älteste</span>, der sehr verständig und für <span class="overstrike-1 ">sehr</span> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <span class="index-171 tp-43375 ">Paris</span>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <span class="index-267 tp-38227 ">Der jüngste</span>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <span class="notice-15076 ">[17]</span> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <span class="index-237 tp-38228 ">eine kleine Tochter</span> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <span class="index-222 tp-43376 ">ihrer Mutter</span> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <br>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <span class="index-222 tp-43377 ">Frau von Stael</span> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <span class="index-3628 tp-43378 ">Vorlesungen</span> über Philosophie und <span class="overstrike-1 ">xxxx</span> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<br>Es versteht sich, daß <span class="index-222 tp-43379 ">meine Freundin</span> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <span class="index-237 tp-43382 index-267 tp-43380 index-268 tp-43381 ">ihrer Kinder</span> ihr Haus nicht verlassen, <span class="overstrike-1 ">zu</span> <span class="offset-4 ">von</span> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <span class="notice-15077 ">[18]</span> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <span class="overstrike-1 ">xxx</span> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <span class="overstrike-1 ">die</span> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<br>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <span class="overstrike-1 ">verspricht</span> <span class="offset-4 ">zu versprechen</span>, darf nicht besorgt seyn, als ob <span class="overstrike-1 ">xxxx meine</span> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<br>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <span class="notice-15078 ">[19]</span> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <span class="index-222 tp-43383 ">meiner Freundin</span> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <span class="overstrike-1 ">Xxxx</span> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <span class="overstrike-1 ">thxx</span> <span class="offset-4 ">der</span> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <span class="index-285 tp-43384 ">ihrem Vater</span> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <span class="index-171 tp-43385 ">Paris</span>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <span class="index-359 tp-38229 ">Mailand</span> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <span class="index-446 tp-38230 ">dem Kaiser</span> – <span class="index-529 tp-43344 ">Alpinorgos von Majorca</span>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <span class="offset-4 ">aber</span> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <span class="overstrike-1 ">ganz</span> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<span class="notice-15079 ">[20]</span>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <span class="index-280 tp-43386 ">Genf</span> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> feind<span class="overstrike-1 ">x</span> wäre. <span class="overstrike-1 ">xxx</span> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <span class="index-2603 tp-38231 ">Flemming</span>:<br><span class="index-5906 tp-38239 ">Mir lag Arabien und Syrien im Sinne</span>,<br>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<br>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <span class="notice-15080 ">[21]</span> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <span class="overstrike-1 ">Mit der</span> <span class="offset--4 ">Ich nehme die</span> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <span class="offset-4 ">zu machen</span>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <span class="index-219 tp-43387 ">Nennhausen</span>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <br>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <span class="offset-4 ">u</span> von allem was die Ihrigen angeht. <span class="index-220 tp-43388 ">Fouqué</span>, dem ebenfalls <span class="doc-7118 ">ein langer Brief</span> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <span class="notice-15081 ">[22]</span> literarischen Studien, von den Bekannten in <span class="index-15 tp-43389 ">Berlin</span>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<br>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <span class="index-952 tp-38232 ">Ihrem würdigen Herrn Vater</span>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <span class="index-219 tp-43390 ">Nennhausen</span> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <span class="index-6347 tp-42271 ">Frau von Briest</span> und <span class="index-4644 tp-38233 ">Fräulein von Luck</span>. <span class="index-951 tp-38235 index-948 tp-38236 index-949 tp-38237 index-950 tp-38238 ">Ihre Kinder</span> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<br>Ganz Ihr<br>AWSchlegel.<br>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <span class="overstrike-1 ">nehmen, xxx</span> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <span class="notice-20736 ">se</span>y<span class="notice-20737 ">en</span>. – Auch kann es nicht <span class="overstrike-1 ">xxx</span> schaden, wenn eine <span class="notice-15082 ">[23]</span> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<br><span class="notice-15083 ">[24]</span> An<br>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<br>geb. von Briest.' $isaprint = false $isnewtranslation = true $statemsg = 'betamsg23' $cittitle = 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/959' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an Caroline de La Motte-Fouqué am November 1804 und 1. 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Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <span class="offset-4 ">Abreise</span> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <span class="index-219 tp-38187 ">Nennhausen</span> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <span class="index-15 tp-38188 ">Berlin</span> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <span class="index-58 tp-38189 ">Weimar</span> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <span class="index-137 tp-43345 ">Goethe</span> u <span class="index-56 tp-38191 ">den Bildhauer Tieck</span> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <span class="notice-15061 ">[2]</span> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <span class="index-230 tp-38192 ">Würzburg</span> u <span class="index-232 tp-38193 ">Ulm</span> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<span class="notice-20724 ">[n]</span> entgegen, durch <span class="index-251 tp-38194 ">Schaffhausen</span> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <span class="index-227 tp-38195 ">Zürich</span> aus einen Umweg über <span class="index-233 tp-38196 ">Luzern</span> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <span class="index-226 tp-38198 ">Bern</span> ein, u so von <span class="index-297 tp-38197 ">Lausanne</span> an längs dem <span class="index-280 tp-43346 ">Genfer</span> See nach <span class="index-228 tp-38199 ">Coppet</span>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <span class="index-5907 tp-38240 ">ein Graf zu Dohna</span> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <span class="index-5904 tp-38200 ">der berühmte Bayle</span> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <span class="offset-4 ">an literarischen Anekdoten</span> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <span class="index-5905 tp-38201 ">sein Wörterbuch</span> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <span class="notice-15062 ">[3]</span> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<span class="notice-20725 ">[durch]</span>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <span class="offset--4 ">hinter</span> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <span class="offset-4 ">gegenüber</span> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <span class="notice-15063 ">[4]</span> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <span class="offset-4 ">dort</span>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <span class="index-307 tp-38202 ">Rousseauʼs</span> emphatisches <span class="family-courier ">citoyen de Genève</span> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <span class="notice-15064 ">[5]</span> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <span class="notice-15065 ">[6]</span> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <span class="index-260 tp-38204 ">Küßnacht</span>, wo ich zu <span class="index-5996 tp-43348 ">Tells</span> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <span class="index-6497 tp-43347 ">Zuger</span> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<br>Hier Ist <span class="index-6498 tp-43349 ">Grisslers</span> Hochmuoth vom <span class="index-5996 tp-43350 ">Thäll</span> erschossen<br>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<br>u auf der andern:<br>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<br>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<br>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <span class="index-5343 tp-43351 ">Moses vom Nebo</span> zwey Länder vor sich hat, <span class="overstrike-1 ">auf den</span> hinter <span class="notice-23241 ">dem</span> Jura Frank<span class="notice-15066 ">[7]</span>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <span class="index-297 tp-43352 ">Lausanne</span> zu u fuhr von da auf dem See nach <span class="index-369 tp-38205 ">Vevey</span>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <span class="index-420 tp-38206 ">Chamouny</span>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <br>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <span class="index-220 tp-38207 ">Fouqué</span> vor, als er in <span class="index-15 tp-43353 ">Berlin</span> war, ihn bey <span class="index-222 tp-38208 ">Frau von Staël</span> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <span class="notice-15067 ">[8]</span> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<br><span class="notice-20544 ">((</span><span class="cite tp-56354 ">Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in </span><span class="cite tp-56354 index-228 tp-43354 ">Coppet</span><span class="cite tp-56354 "> und dem in </span><span class="cite tp-56354 index-280 tp-43355 ">Genf</span><span class="cite tp-56354 "> zugebrachten Winter</span>; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<br><span class="index-280 tp-43356 ">Genf</span> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <span class="index-48 tp-38209 ">Tieck der Dichter</span>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <span class="index-222 tp-38210 ">meiner neuen Freundin</span> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <span class="index-15 tp-43357 ">Berlin</span> vermied. Allein Tieck wurde durch <span class="index-130 tp-43358 ">seine Frau</span> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <span class="notice-15068 ">[9]</span> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <span class="index-220 tp-43359 ">Fouqué</span> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<span class="notice-23246 ">a</span>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<br>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <span class="index-220 tp-43360 ">Fouqué</span> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <span class="index-366 tp-38211 ">Lyon</span> an, auf dem Mont Cenis bis nach <span class="index-279 tp-38212 ">Neapel</span> hinunter, auf dem V<span class="notice-20727 ">[e]</span>suv, in den Lagunen von <span class="index-355 tp-38213 ">Venedig</span> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <br><span class="notice-15069 ">[10]</span> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <span class="index-220 tp-38214 ">Pellegrins</span> Zueignung von <span class="index-338 tp-38215 ">den Schauspielen zu Gesichte</span>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <span class="index-524 tp-38217 ">meiner Elegie über </span><span class="index-524 tp-38217 index-356 tp-38216 ">Rom</span> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <span class="index-280 tp-43361 ">das prosaische Genf</span> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <span class="offset-4 ">mit</span> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<span class="notice-20728 ">[e]</span> wird es Ihnen manches gesagt haben. <br>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <span class="notice-15070 ">[11]</span> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<br>Als Sie mich in <span class="index-219 tp-43362 ">Nennhausen</span> über meine neue Bekanntschaft mit <span class="index-222 tp-43363 ">Frau von Stael</span> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<span class="notice-20729 ">[r]</span>oßen Welt, das sich in <span class="index-15 tp-43364 ">Berlin</span> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <span class="notice-15071 ">[12]</span> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <span class="index-228 tp-43365 ">ihrem Landgute</span> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <span class="index-339 tp-38218 ">einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie</span>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <span class="overstrike-1 ">an</span> <span class="offset-4 ">in</span> Berlin hielt, aufgelöst war, da <span class="index-132 tp-38219 ">Madam Bernhardi</span> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <span class="index-285 tp-38220 ">Neckers</span> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <span class="overstrike-1 ">wenn</span> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <span class="index-237 tp-38221 index-267 tp-38223 index-268 tp-38222 ">ihre Kinder</span> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <span class="index-58 tp-43366 ">Weimar</span> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <span class="index-234 tp-38224 family-courier ">Ben</span><span class="index-234 tp-38224 notice-15072 ">[13]</span><span class="index-234 tp-38224 family-courier ">jamin Constant</span>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <span class="index-285 tp-38225 ">ihren Vater</span> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <span class="overstrike-1 ">xxx</span> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <span class="overstrike-1 ">Xx</span> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <span class="notice-15073 ">[14]</span> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<br><span class="cite tp-56353 ">Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in </span><span class="cite tp-56353 index-15 tp-43367 ">Berlin</span><span class="cite tp-56353 "> oder sonst über </span><span class="cite tp-56353 index-222 tp-43368 ">Fr. v. St.</span><span class="cite tp-56353 "> haben sagen hören zu vergessen</span>. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <span class="overstrike-1 ">rufen</span> <span class="offset-4 ">bringen.</span> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <span class="notice-15074 ">[15]</span> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <span class="offset-4 ">würde</span>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <span class="overstrike-1 ">Schon</span> gethan. Schon der Gedanke <span class="overstrike-1 ">ihres</span> <span class="offset-4 ">eines solchen</span> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <span class="index-6499 tp-43369 ">ihrer Kammerfrau</span> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <span class="index-280 tp-43370 ">Genf</span> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <span class="notice-15075 ">[16]</span> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<br>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <span class="index-219 tp-43371 ">Nennhausen</span> der heiligste Ernst geworden, <span class="overstrike-1 ">xxx</span> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <span class="overstrike-1 ">xx</span> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<br>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <span class="index-237 tp-43372 index-267 tp-43374 index-268 tp-43373 ">der Kinder</span>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <span class="index-268 tp-38226 ">der Älteste</span>, der sehr verständig und für <span class="overstrike-1 ">sehr</span> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <span class="index-171 tp-43375 ">Paris</span>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <span class="index-267 tp-38227 ">Der jüngste</span>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <span class="notice-15076 ">[17]</span> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <span class="index-237 tp-38228 ">eine kleine Tochter</span> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <span class="index-222 tp-43376 ">ihrer Mutter</span> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <br>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <span class="index-222 tp-43377 ">Frau von Stael</span> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <span class="index-3628 tp-43378 ">Vorlesungen</span> über Philosophie und <span class="overstrike-1 ">xxxx</span> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<br>Es versteht sich, daß <span class="index-222 tp-43379 ">meine Freundin</span> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <span class="index-237 tp-43382 index-267 tp-43380 index-268 tp-43381 ">ihrer Kinder</span> ihr Haus nicht verlassen, <span class="overstrike-1 ">zu</span> <span class="offset-4 ">von</span> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <span class="notice-15077 ">[18]</span> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <span class="overstrike-1 ">xxx</span> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <span class="overstrike-1 ">die</span> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<br>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <span class="overstrike-1 ">verspricht</span> <span class="offset-4 ">zu versprechen</span>, darf nicht besorgt seyn, als ob <span class="overstrike-1 ">xxxx meine</span> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<br>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <span class="notice-15078 ">[19]</span> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <span class="index-222 tp-43383 ">meiner Freundin</span> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <span class="overstrike-1 ">Xxxx</span> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <span class="overstrike-1 ">thxx</span> <span class="offset-4 ">der</span> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <span class="index-285 tp-43384 ">ihrem Vater</span> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <span class="index-171 tp-43385 ">Paris</span>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <span class="index-359 tp-38229 ">Mailand</span> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <span class="index-446 tp-38230 ">dem Kaiser</span> – <span class="index-529 tp-43344 ">Alpinorgos von Majorca</span>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <span class="offset-4 ">aber</span> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <span class="overstrike-1 ">ganz</span> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<span class="notice-15079 ">[20]</span>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <span class="index-280 tp-43386 ">Genf</span> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <span class="overstrike-1 ">xxx</span> feind<span class="overstrike-1 ">x</span> wäre. <span class="overstrike-1 ">xxx</span> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <span class="index-2603 tp-38231 ">Flemming</span>:<br><span class="index-5906 tp-38239 ">Mir lag Arabien und Syrien im Sinne</span>,<br>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<br>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <span class="notice-15080 ">[21]</span> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <span class="overstrike-1 ">Mit der</span> <span class="offset--4 ">Ich nehme die</span> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <span class="offset-4 ">zu machen</span>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <span class="index-219 tp-43387 ">Nennhausen</span>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <br>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <span class="offset-4 ">u</span> von allem was die Ihrigen angeht. <span class="index-220 tp-43388 ">Fouqué</span>, dem ebenfalls <span class="doc-7118 ">ein langer Brief</span> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <span class="notice-15081 ">[22]</span> literarischen Studien, von den Bekannten in <span class="index-15 tp-43389 ">Berlin</span>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<br>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <span class="index-952 tp-38232 ">Ihrem würdigen Herrn Vater</span>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <span class="index-219 tp-43390 ">Nennhausen</span> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <span class="index-6347 tp-42271 ">Frau von Briest</span> und <span class="index-4644 tp-38233 ">Fräulein von Luck</span>. <span class="index-951 tp-38235 index-948 tp-38236 index-949 tp-38237 index-950 tp-38238 ">Ihre Kinder</span> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<br>Ganz Ihr<br>AWSchlegel.<br>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <span class="overstrike-1 ">nehmen, xxx</span> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <span class="notice-20736 ">se</span>y<span class="notice-20737 ">en</span>. – Auch kann es nicht <span class="overstrike-1 ">xxx</span> schaden, wenn eine <span class="notice-15082 ">[23]</span> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<br><span class="notice-15083 ">[24]</span> An<br>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<br>geb. von Briest.', '36_xml' => '<p><milestone unit="start" n="15060"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15060"/> <placeName key="280">Genf</placeName> d. <hi rendition="#PRSPreset1">Nov.</hi> 4<lb/>sage 1804<lb/>Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <hi rend="offset:4">Abreise</hi> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <placeName key="219">Nennhausen</placeName> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <placeName key="15">Berlin</placeName> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <placeName key="58">Weimar</placeName> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <persName key="137">Goethe</persName> u <persName key="56">den Bildhauer Tieck</persName> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <milestone unit="start" n="15061"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15061"/> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <placeName key="230">Würzburg</placeName> u <placeName key="232">Ulm</placeName> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<milestone unit="start" n="20724"/>[n]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20724"/> entgegen, durch <placeName key="251">Schaffhausen</placeName> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <placeName key="227">Zürich</placeName> aus einen Umweg über <placeName key="233">Luzern</placeName> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <placeName key="226">Bern</placeName> ein, u so von <placeName key="297">Lausanne</placeName> an längs dem <placeName key="280">Genfer</placeName> See nach <placeName key="228">Coppet</placeName>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <persName key="5907">ein Graf zu Dohna</persName> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <persName key="5904">der berühmte Bayle</persName> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <hi rend="offset:4">an literarischen Anekdoten</hi> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <name key="5905" type="work">sein Wörterbuch</name> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <milestone unit="start" n="15062"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15062"/> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<milestone unit="start" n="20725"/>[durch]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20725"/>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <hi rend="offset:-4">hinter</hi> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <hi rend="offset:4">gegenüber</hi> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <milestone unit="start" n="15063"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15063"/> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <hi rend="offset:4">dort</hi>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <persName key="307">Rousseauʼs</persName> emphatisches <hi rend="family:Courier">citoyen de Genève</hi> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <milestone unit="start" n="15064"/>[5]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15064"/> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <milestone unit="start" n="15065"/>[6]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15065"/> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <placeName key="260">Küßnacht</placeName>, wo ich zu <persName key="5996">Tells</persName> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <placeName key="6497">Zuger</placeName> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<lb/>Hier Ist <persName key="6498">Grisslers</persName> Hochmuoth vom <persName key="5996">Thäll</persName> erschossen<lb/>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<lb/>u auf der andern:<lb/>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<lb/>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<lb/>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <name key="5343" type="work">Moses vom Nebo</name> zwey Länder vor sich hat, <hi rend="overstrike:1">auf den</hi> hinter <milestone unit="start" n="23241"/>dem<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23241"/> Jura Frank<milestone unit="start" n="15066"/>[7]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15066"/>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <placeName key="297">Lausanne</placeName> zu u fuhr von da auf dem See nach <placeName key="369">Vevey</placeName>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <placeName key="420">Chamouny</placeName>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <lb/>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <persName key="220">Fouqué</persName> vor, als er in <placeName key="15">Berlin</placeName> war, ihn bey <persName key="222">Frau von Staël</persName> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <milestone unit="start" n="15067"/>[8]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15067"/> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<lb/><milestone unit="start" n="20544"/>((<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Doppelklammer mit Schlangenkopf versehen, siehe Faksimile</title></note><milestone unit="end" n="20544"/>Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in <placeName key="228">Coppet</placeName> und dem in <placeName key="280">Genf</placeName> zugebrachten Winter; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<lb/><placeName key="280">Genf</placeName> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <persName key="48">Tieck der Dichter</persName>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <persName key="222">meiner neuen Freundin</persName> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <placeName key="15">Berlin</placeName> vermied. Allein Tieck wurde durch <persName key="130">seine Frau</persName> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <milestone unit="start" n="15068"/>[9]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15068"/> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <persName key="220">Fouqué</persName> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<milestone unit="start" n="23246"/>a<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23246"/>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<lb/>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <persName key="220">Fouqué</persName> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <placeName key="366">Lyon</placeName> an, auf dem Mont Cenis bis nach <placeName key="279">Neapel</placeName> hinunter, auf dem V<milestone unit="start" n="20727"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20727"/>suv, in den Lagunen von <placeName key="355">Venedig</placeName> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <lb/><milestone unit="start" n="15069"/>[10]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15069"/> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <persName key="220">Pellegrins</persName> Zueignung von <name key="338" type="work">den Schauspielen zu Gesichte</name>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <name key="524" type="work">meiner Elegie über <placeName key="356">Rom</placeName></name> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <placeName key="280">das prosaische Genf</placeName> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <hi rend="offset:4">mit</hi> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<milestone unit="start" n="20728"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20728"/> wird es Ihnen manches gesagt haben. <lb/>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <milestone unit="start" n="15070"/>[11]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15070"/> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<lb/>Als Sie mich in <placeName key="219">Nennhausen</placeName> über meine neue Bekanntschaft mit <persName key="222">Frau von Stael</persName> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<milestone unit="start" n="20729"/>[r]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20729"/>oßen Welt, das sich in <placeName key="15">Berlin</placeName> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <milestone unit="start" n="15071"/>[12]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15071"/> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <placeName key="228">ihrem Landgute</placeName> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <name key="339" type="work">einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie</name>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <hi rend="overstrike:1">an</hi> <hi rend="offset:4">in</hi> Berlin hielt, aufgelöst war, da <persName key="132">Madam Bernhardi</persName> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <persName key="285">Neckers</persName> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <hi rend="overstrike:1">wenn</hi> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <persName key="237"><persName key="267"><persName key="268">ihre Kinder</persName></persName></persName> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <placeName key="58">Weimar</placeName> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <persName key="234"><hi rend="family:Courier">Ben</hi><milestone unit="start" n="15072"/>[13]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15072"/><hi rend="family:Courier">jamin Constant</hi></persName>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <persName key="285">ihren Vater</persName> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <hi rend="overstrike:1">Xx</hi> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <milestone unit="start" n="15073"/>[14]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15073"/> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<lb/>Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in <placeName key="15">Berlin</placeName> oder sonst über <persName key="222">Fr. v. St.</persName> haben sagen hören zu vergessen. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <hi rend="overstrike:1">rufen</hi> <hi rend="offset:4">bringen.</hi> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <milestone unit="start" n="15074"/>[15]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15074"/> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <hi rend="offset:4">würde</hi>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <hi rend="overstrike:1">Schon</hi> gethan. Schon der Gedanke <hi rend="overstrike:1">ihres</hi> <hi rend="offset:4">eines solchen</hi> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <persName key="6499">ihrer Kammerfrau</persName> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <placeName key="280">Genf</placeName> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <milestone unit="start" n="15075"/>[16]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15075"/> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<lb/>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <placeName key="219">Nennhausen</placeName> der heiligste Ernst geworden, <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <hi rend="overstrike:1">xx</hi> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<lb/>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <persName key="237"><persName key="267"><persName key="268">der Kinder</persName></persName></persName>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <persName key="268">der Älteste</persName>, der sehr verständig und für <hi rend="overstrike:1">sehr</hi> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <placeName key="171">Paris</placeName>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <persName key="267">Der jüngste</persName>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <milestone unit="start" n="15076"/>[17]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15076"/> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <persName key="237">eine kleine Tochter</persName> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <persName key="222">ihrer Mutter</persName> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <lb/>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <persName key="222">Frau von Stael</persName> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <name key="3628" type="work">Vorlesungen</name> über Philosophie und <hi rend="overstrike:1">xxxx</hi> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<lb/>Es versteht sich, daß <persName key="222">meine Freundin</persName> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <persName key="237"><persName key="267"><persName key="268">ihrer Kinder</persName></persName></persName> ihr Haus nicht verlassen, <hi rend="overstrike:1">zu</hi> <hi rend="offset:4">von</hi> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <milestone unit="start" n="15077"/>[18]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15077"/> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <hi rend="overstrike:1">die</hi> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<lb/>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <hi rend="overstrike:1">verspricht</hi> <hi rend="offset:4">zu versprechen</hi>, darf nicht besorgt seyn, als ob <hi rend="overstrike:1">xxxx meine</hi> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<lb/>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <milestone unit="start" n="15078"/>[19]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15078"/> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <persName key="222">meiner Freundin</persName> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <hi rend="overstrike:1">Xxxx</hi> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <hi rend="overstrike:1">thxx</hi> <hi rend="offset:4">der</hi> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <persName key="285">ihrem Vater</persName> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <placeName key="171">Paris</placeName>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <placeName key="359">Mailand</placeName> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <persName key="446">dem Kaiser</persName> – <name key="529" type="work">Alpinorgos von Majorca</name>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <hi rend="offset:4">aber</hi> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <hi rend="overstrike:1">ganz</hi> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<milestone unit="start" n="15079"/>[20]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15079"/>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <placeName key="280">Genf</placeName> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> feind<hi rend="overstrike:1">x</hi> wäre. <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <persName key="2603">Flemming</persName>:<lb/><name key="5906" type="work">Mir lag Arabien und Syrien im Sinne</name>,<lb/>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<lb/>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <milestone unit="start" n="15080"/>[21]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15080"/> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <hi rend="overstrike:1">Mit der</hi> <hi rend="offset:-4">Ich nehme die</hi> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <hi rend="offset:4">zu machen</hi>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <placeName key="219">Nennhausen</placeName>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <lb/>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <hi rend="offset:4">u</hi> von allem was die Ihrigen angeht. <persName key="220">Fouqué</persName>, dem ebenfalls <ref target="fud://7118">ein langer Brief</ref> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <milestone unit="start" n="15081"/>[22]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15081"/> literarischen Studien, von den Bekannten in <placeName key="15">Berlin</placeName>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<lb/>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <persName key="952">Ihrem würdigen Herrn Vater</persName>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <placeName key="219">Nennhausen</placeName> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <persName key="6347">Frau von Briest</persName> und <persName key="4644">Fräulein von Luck</persName>. <persName key="951"><persName key="948"><persName key="949"><persName key="950">Ihre Kinder</persName></persName></persName></persName> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<lb/>Ganz Ihr<lb/>AWSchlegel.<lb/>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <hi rend="overstrike:1">nehmen, xxx</hi> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <milestone unit="start" n="20736"/>se<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20736"/>y<milestone unit="start" n="20737"/>en<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20737"/>. – Auch kann es nicht <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> schaden, wenn eine <milestone unit="start" n="15082"/>[23]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15082"/> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<lb/><milestone unit="start" n="15083"/>[24]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15083"/> An<lb/>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<lb/>geb. von Briest.</p>', '36_xml_standoff' => '<milestone unit="start" n="15060"/>[1]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15060"/> <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB38186"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE38186"/> d. <hi rendition="#PRSPreset1">Nov.</hi> 4<lb/>sage 1804<lb/>Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen <hi rend="offset:4">Abreise</hi> bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB38187"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE38187"/> aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB38188"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE38188"/> in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In <anchor type="b" n="58" ana="10" xml:id="NidB38189"/>Weimar<anchor type="e" n="58" ana="10" xml:id="NidE38189"/> blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, <anchor type="b" n="137" ana="11" xml:id="NidB43345"/>Goethe<anchor type="e" n="137" ana="11" xml:id="NidE43345"/> u <anchor type="b" n="56" ana="11" xml:id="NidB38191"/>den Bildhauer Tieck<anchor type="e" n="56" ana="11" xml:id="NidE38191"/> häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer <milestone unit="start" n="15061"/>[2]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15061"/> neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in <anchor type="b" n="230" ana="10" xml:id="NidB38192"/>Würzburg<anchor type="e" n="230" ana="10" xml:id="NidE38192"/> u <anchor type="b" n="232" ana="10" xml:id="NidB38193"/>Ulm<anchor type="e" n="232" ana="10" xml:id="NidE38193"/> sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende<milestone unit="start" n="20724"/>[n]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20724"/> entgegen, durch <anchor type="b" n="251" ana="10" xml:id="NidB38194"/>Schaffhausen<anchor type="e" n="251" ana="10" xml:id="NidE38194"/> trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von <anchor type="b" n="227" ana="10" xml:id="NidB38195"/>Zürich<anchor type="e" n="227" ana="10" xml:id="NidE38195"/> aus einen Umweg über <anchor type="b" n="233" ana="10" xml:id="NidB38196"/>Luzern<anchor type="e" n="233" ana="10" xml:id="NidE38196"/> u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf <anchor type="b" n="226" ana="10" xml:id="NidB38198"/>Bern<anchor type="e" n="226" ana="10" xml:id="NidE38198"/> ein, u so von <anchor type="b" n="297" ana="10" xml:id="NidB38197"/>Lausanne<anchor type="e" n="297" ana="10" xml:id="NidE38197"/> an längs dem <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43346"/>Genfer<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43346"/> See nach <anchor type="b" n="228" ana="10" xml:id="NidB38199"/>Coppet<anchor type="e" n="228" ana="10" xml:id="NidE38199"/>. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen <anchor type="b" n="5907" ana="11" xml:id="NidB38240"/>ein Graf zu Dohna<anchor type="e" n="5907" ana="11" xml:id="NidE38240"/> hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u <anchor type="b" n="5904" ana="11" xml:id="NidB38200"/>der berühmte Bayle<anchor type="e" n="5904" ana="11" xml:id="NidE38200"/> hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, <hi rend="offset:4">an literarischen Anekdoten</hi> daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für <anchor type="b" n="5905" ana="12" xml:id="NidB38201"/>sein Wörterbuch<anchor type="e" n="5905" ana="12" xml:id="NidE38201"/> hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem <milestone unit="start" n="15062"/>[3]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15062"/> Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin<milestone unit="start" n="20725"/>[durch]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Klebung</title></note><milestone unit="end" n="20725"/>, einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u <hi rend="offset:-4">hinter</hi> einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc <hi rend="offset:4">gegenüber</hi> sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus <milestone unit="start" n="15063"/>[4]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15063"/> die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts <hi rend="offset:4">dort</hi>, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem <anchor type="b" n="307" ana="11" xml:id="NidB38202"/>Rousseauʼs<anchor type="e" n="307" ana="11" xml:id="NidE38202"/> emphatisches <hi rend="family:Courier">citoyen de Genève</hi> sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen <milestone unit="start" n="15064"/>[5]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15064"/> Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die <milestone unit="start" n="15065"/>[6]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15065"/> Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey <anchor type="b" n="260" ana="10" xml:id="NidB38204"/>Küßnacht<anchor type="e" n="260" ana="10" xml:id="NidE38204"/>, wo ich zu <anchor type="b" n="5996" ana="11" xml:id="NidB43348"/>Tells<anchor type="e" n="5996" ana="11" xml:id="NidE43348"/> Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den <anchor type="b" n="6497" ana="10" xml:id="NidB43347"/>Zuger<anchor type="e" n="6497" ana="10" xml:id="NidE43347"/> See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:<lb/>Hier Ist <anchor type="b" n="6498" ana="11" xml:id="NidB43349"/>Grisslers<anchor type="e" n="6498" ana="11" xml:id="NidE43349"/> Hochmuoth vom <anchor type="b" n="5996" ana="11" xml:id="NidB43350"/>Thäll<anchor type="e" n="5996" ana="11" xml:id="NidE43350"/> erschossen<lb/>Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.<lb/>u auf der andern:<lb/>Wie Lang Wird Aber Solche währen?<lb/>Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.<lb/>Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie <anchor type="b" n="5343" ana="12" xml:id="NidB43351"/>Moses vom Nebo<anchor type="e" n="5343" ana="12" xml:id="NidE43351"/> zwey Länder vor sich hat, <hi rend="overstrike:1">auf den</hi> hinter <milestone unit="start" n="23241"/>dem<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23241"/> Jura Frank<milestone unit="start" n="15066"/>[7]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15066"/>reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in <anchor type="b" n="297" ana="10" xml:id="NidB43352"/>Lausanne<anchor type="e" n="297" ana="10" xml:id="NidE43352"/> zu u fuhr von da auf dem See nach <anchor type="b" n="369" ana="10" xml:id="NidB38205"/>Vevey<anchor type="e" n="369" ana="10" xml:id="NidE38205"/>; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von <anchor type="b" n="420" ana="10" xml:id="NidB38206"/>Chamouny<anchor type="e" n="420" ana="10" xml:id="NidE38206"/>, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten. <lb/>Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB38207"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE38207"/> vor, als er in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43353"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43353"/> war, ihn bey <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB38208"/>Frau von Staël<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE38208"/> einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf <milestone unit="start" n="15067"/>[8]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15067"/> mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß<lb/><milestone unit="start" n="20544"/>((<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Doppelklammer mit Schlangenkopf versehen, siehe Faksimile</title></note><milestone unit="end" n="20544"/><anchor type="b" n="8979" ana="16" xml:id="NidB56354"/>Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in <anchor type="b" n="228" ana="10" xml:id="NidB43354"/>Coppet<anchor type="e" n="228" ana="10" xml:id="NidE43354"/> und dem in <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43355"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43355"/> zugebrachten Winter<anchor type="e" n="8979" ana="16" xml:id="NidE56354"/>; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))<lb/><anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43356"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43356"/> d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. <anchor type="b" n="48" ana="11" xml:id="NidB38209"/>Tieck der Dichter<anchor type="e" n="48" ana="11" xml:id="NidE38209"/>, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB38210"/>meiner neuen Freundin<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE38210"/> nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43357"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43357"/> vermied. Allein Tieck wurde durch <anchor type="b" n="130" ana="11" xml:id="NidB43358"/>seine Frau<anchor type="e" n="130" ana="11" xml:id="NidE43358"/> abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom <milestone unit="start" n="15068"/>[9]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15068"/> Schusse halten sollte. Dieß fiel bey <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB43359"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE43359"/> nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu bef<milestone unit="start" n="23246"/>a<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="23246"/>hren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.<lb/>Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB43360"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE43360"/> zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von <anchor type="b" n="366" ana="10" xml:id="NidB38211"/>Lyon<anchor type="e" n="366" ana="10" xml:id="NidE38211"/> an, auf dem Mont Cenis bis nach <anchor type="b" n="279" ana="10" xml:id="NidB38212"/>Neapel<anchor type="e" n="279" ana="10" xml:id="NidE38212"/> hinunter, auf dem V<milestone unit="start" n="20727"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20727"/>suv, in den Lagunen von <anchor type="b" n="355" ana="10" xml:id="NidB38213"/>Venedig<anchor type="e" n="355" ana="10" xml:id="NidE38213"/> und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen. <lb/><milestone unit="start" n="15069"/>[10]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15069"/> Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB38214"/>Pellegrins<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE38214"/> Zueignung von <anchor type="b" n="338" ana="12" xml:id="NidB38215"/>den Schauspielen zu Gesichte<anchor type="e" n="338" ana="12" xml:id="NidE38215"/>, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit <anchor type="b" n="524" ana="12" xml:id="NidB38217"/>meiner Elegie über <anchor type="b" n="356" ana="10" xml:id="NidB38216"/>Rom<anchor type="e" n="356" ana="10" xml:id="NidE38216"/><anchor type="e" n="524" ana="12" xml:id="NidE38217"/> beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43361"/>das prosaische Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43361"/> seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir <hi rend="offset:4">mit</hi> einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss<milestone unit="start" n="20728"/>[e]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20728"/> wird es Ihnen manches gesagt haben. <lb/>Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde <milestone unit="start" n="15070"/>[11]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15070"/> meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.<lb/>Als Sie mich in <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43362"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43362"/> über meine neue Bekanntschaft mit <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43363"/>Frau von Stael<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43363"/> neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g<milestone unit="start" n="20729"/>[r]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Textverlust durch Papierzerfall</title></note><milestone unit="end" n="20729"/>oßen Welt, das sich in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43364"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43364"/> um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. <milestone unit="start" n="15071"/>[12]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15071"/> Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf <anchor type="b" n="228" ana="10" xml:id="NidB43365"/>ihrem Landgute<anchor type="e" n="228" ana="10" xml:id="NidE43365"/> zuzubringen, und ihr bey den Studien zu <anchor type="b" n="339" ana="12" xml:id="NidB38218"/>einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie<anchor type="e" n="339" ana="12" xml:id="NidE38218"/>, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich <hi rend="overstrike:1">an</hi> <hi rend="offset:4">in</hi> Berlin hielt, aufgelöst war, da <anchor type="b" n="132" ana="11" xml:id="NidB38219"/>Madam Bernhardi<anchor type="e" n="132" ana="11" xml:id="NidE38219"/> die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von <anchor type="b" n="285" ana="11" xml:id="NidB38220"/>Neckers<anchor type="e" n="285" ana="11" xml:id="NidE38220"/> Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, <hi rend="overstrike:1">wenn</hi> falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB38221"/><anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB38223"/><anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB38222"/>ihre Kinder<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE38222"/><anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE38223"/><anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE38221"/> zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach <anchor type="b" n="58" ana="10" xml:id="NidB43366"/>Weimar<anchor type="e" n="58" ana="10" xml:id="NidE43366"/> hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, <anchor type="b" n="234" ana="11" xml:id="NidB38224"/><hi rend="family:Courier">Ben</hi><milestone unit="start" n="15072"/>[13]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15072"/><hi rend="family:Courier">jamin Constant</hi><anchor type="e" n="234" ana="11" xml:id="NidE38224"/>, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die <anchor type="b" n="285" ana="11" xml:id="NidB38225"/>ihren Vater<anchor type="e" n="285" ana="11" xml:id="NidE38225"/> auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. <hi rend="overstrike:1">Xx</hi> Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften <milestone unit="start" n="15073"/>[14]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15073"/> an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.<lb/><anchor type="b" n="8979" ana="16" xml:id="NidB56353"/>Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43367"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43367"/> oder sonst über <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43368"/>Fr. v. St.<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43368"/> haben sagen hören zu vergessen<anchor type="e" n="8979" ana="16" xml:id="NidE56353"/>. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht <hi rend="overstrike:1">rufen</hi> <hi rend="offset:4">bringen.</hi> Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm <milestone unit="start" n="15074"/>[15]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15074"/> und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen <hi rend="offset:4">würde</hi>; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig <hi rend="overstrike:1">Schon</hi> gethan. Schon der Gedanke <hi rend="overstrike:1">ihres</hi> <hi rend="offset:4">eines solchen</hi> Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von <anchor type="b" n="6499" ana="11" xml:id="NidB43369"/>ihrer Kammerfrau<anchor type="e" n="6499" ana="11" xml:id="NidE43369"/> begleitet, in den schon dunkeln Straßen von <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43370"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43370"/> umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, <milestone unit="start" n="15075"/>[16]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15075"/> so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.<lb/>Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43371"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43371"/> der heiligste Ernst geworden, <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> und wie es billig und natürlich ist, daß ich <hi rend="overstrike:1">xx</hi> durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.<lb/>Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB43372"/><anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB43374"/><anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB43373"/>der Kinder<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE43373"/><anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE43374"/><anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE43372"/>. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich <anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB38226"/>der Älteste<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE38226"/>, der sehr verständig und für <hi rend="overstrike:1">sehr</hi> sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in <anchor type="b" n="171" ana="10" xml:id="NidB43375"/>Paris<anchor type="e" n="171" ana="10" xml:id="NidE43375"/>, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. <anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB38227"/>Der jüngste<anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE38227"/>, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte <milestone unit="start" n="15076"/>[17]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15076"/> nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB38228"/>eine kleine Tochter<anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE38228"/> da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43376"/>ihrer Mutter<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43376"/> und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen. <lb/>Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43377"/>Frau von Stael<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43377"/> selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen <anchor type="b" n="3628" ana="12" xml:id="NidB43378"/>Vorlesungen<anchor type="e" n="3628" ana="12" xml:id="NidE43378"/> über Philosophie und <hi rend="overstrike:1">xxxx</hi> die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.<lb/>Es versteht sich, daß <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43379"/>meine Freundin<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43379"/> sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung <anchor type="b" n="237" ana="11" xml:id="NidB43382"/><anchor type="b" n="267" ana="11" xml:id="NidB43380"/><anchor type="b" n="268" ana="11" xml:id="NidB43381"/>ihrer Kinder<anchor type="e" n="268" ana="11" xml:id="NidE43381"/><anchor type="e" n="267" ana="11" xml:id="NidE43380"/><anchor type="e" n="237" ana="11" xml:id="NidE43382"/> ihr Haus nicht verlassen, <hi rend="overstrike:1">zu</hi> <hi rend="offset:4">von</hi> dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied <milestone unit="start" n="15077"/>[18]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15077"/> betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für <hi rend="overstrike:1">die</hi> Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.<lb/>Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß <hi rend="overstrike:1">verspricht</hi> <hi rend="offset:4">zu versprechen</hi>, darf nicht besorgt seyn, als ob <hi rend="overstrike:1">xxxx meine</hi> sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.<lb/>Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen <milestone unit="start" n="15078"/>[19]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15078"/> lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus <anchor type="b" n="222" ana="11" xml:id="NidB43383"/>meiner Freundin<anchor type="e" n="222" ana="11" xml:id="NidE43383"/> immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. <hi rend="overstrike:1">Xxxx</hi> Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden <hi rend="overstrike:1">thxx</hi> <hi rend="offset:4">der</hi> geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an <anchor type="b" n="285" ana="11" xml:id="NidB43384"/>ihrem Vater<anchor type="e" n="285" ana="11" xml:id="NidE43384"/> den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus <anchor type="b" n="171" ana="10" xml:id="NidB43385"/>Paris<anchor type="e" n="171" ana="10" xml:id="NidE43385"/>, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In <anchor type="b" n="359" ana="10" xml:id="NidB38229"/>Mailand<anchor type="e" n="359" ana="10" xml:id="NidE38229"/> geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey <anchor type="b" n="446" ana="11" xml:id="NidB38230"/>dem Kaiser<anchor type="e" n="446" ana="11" xml:id="NidE38230"/> – <anchor type="b" n="529" ana="12" xml:id="NidB43344"/>Alpinorgos von Majorca<anchor type="e" n="529" ana="12" xml:id="NidE43344"/>, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem <hi rend="offset:4">aber</hi> ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten <hi rend="overstrike:1">ganz</hi> oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus<milestone unit="start" n="15079"/>[20]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15079"/>machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, <anchor type="b" n="280" ana="10" xml:id="NidB43386"/>Genf<anchor type="e" n="280" ana="10" xml:id="NidE43386"/> u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> feind<hi rend="overstrike:1">x</hi> wäre. <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie <anchor type="b" n="2603" ana="11" xml:id="NidB38231"/>Flemming<anchor type="e" n="2603" ana="11" xml:id="NidE38231"/>:<lb/><anchor type="b" n="5906" ana="12" xml:id="NidB38239"/>Mir lag Arabien und Syrien im Sinne<anchor type="e" n="5906" ana="12" xml:id="NidE38239"/>,<lb/>Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;<lb/>so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man <milestone unit="start" n="15080"/>[21]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15080"/> alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. <hi rend="overstrike:1">Mit der</hi> <hi rend="offset:-4">Ich nehme die</hi> ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland <hi rend="offset:4">zu machen</hi>, und dann komme ich zuverläßig auch nach <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43387"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43387"/>, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach. <lb/>Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, <hi rend="offset:4">u</hi> von allem was die Ihrigen angeht. <anchor type="b" n="220" ana="11" xml:id="NidB43388"/>Fouqué<anchor type="e" n="220" ana="11" xml:id="NidE43388"/>, dem ebenfalls <ref target="fud://7118">ein langer Brief</ref> zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von <milestone unit="start" n="15081"/>[22]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15081"/> literarischen Studien, von den Bekannten in <anchor type="b" n="15" ana="10" xml:id="NidB43389"/>Berlin<anchor type="e" n="15" ana="10" xml:id="NidE43389"/>, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.<lb/>Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste <anchor type="b" n="952" ana="11" xml:id="NidB38232"/>Ihrem würdigen Herrn Vater<anchor type="e" n="952" ana="11" xml:id="NidE38232"/>, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach <anchor type="b" n="219" ana="10" xml:id="NidB43390"/>Nennhausen<anchor type="e" n="219" ana="10" xml:id="NidE43390"/> komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an <anchor type="b" n="6347" ana="11" xml:id="NidB42271"/>Frau von Briest<anchor type="e" n="6347" ana="11" xml:id="NidE42271"/> und <anchor type="b" n="4644" ana="11" xml:id="NidB38233"/>Fräulein von Luck<anchor type="e" n="4644" ana="11" xml:id="NidE38233"/>. <anchor type="b" n="951" ana="11" xml:id="NidB38235"/><anchor type="b" n="948" ana="11" xml:id="NidB38236"/><anchor type="b" n="949" ana="11" xml:id="NidB38237"/><anchor type="b" n="950" ana="11" xml:id="NidB38238"/>Ihre Kinder<anchor type="e" n="950" ana="11" xml:id="NidE38238"/><anchor type="e" n="949" ana="11" xml:id="NidE38237"/><anchor type="e" n="948" ana="11" xml:id="NidE38236"/><anchor type="e" n="951" ana="11" xml:id="NidE38235"/> umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.<lb/>Ganz Ihr<lb/>AWSchlegel.<lb/>Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil <hi rend="overstrike:1">nehmen, xxx</hi> an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet <milestone unit="start" n="20736"/>se<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20736"/>y<milestone unit="start" n="20737"/>en<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Unsichere Lesung</title></note><milestone unit="end" n="20737"/>. – Auch kann es nicht <hi rend="overstrike:1">xxx</hi> schaden, wenn eine <milestone unit="start" n="15082"/>[23]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15082"/> gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.<lb/><milestone unit="start" n="15083"/>[24]<note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15083"/><note type="Notiz_zur_Transkription"><title>Paginierung des Editors</title></note><milestone unit="end" n="15069"/> An<lb/>Frau Baronesse de la Motte-Fouqué<lb/>geb. von Briest.', '36_status' => 'Neu transkribiert und ausgezeichnet; zweimal kollationiert', '36_briefid' => 'BrandenburgischesLandeshauptarchiv_AWSanCdeLaMotteFouque_November1804_01031806', '36_absender' => array( (int) 0 => array( 'ID' => '7125', 'content' => 'August Wilhelm von Schlegel', 'bemerkung' => '', 'altBegriff' => 'Schlegel, August Wilhelm von', 'LmAdd' => array( [maximum depth reached] ) ) ), '36_adressat' => array( (int) 0 => array( 'ID' => '7147', 'content' => 'Caroline de La Motte-Fouqué', 'bemerkung' => '', 'altBegriff' => 'Fouqué, Caroline de La Motte-', 'LmAdd' => array( [maximum depth reached] ) ) ), '36_sprache' => array( (int) 0 => 'Deutsch' ), '36_sortdatum' => '1806-03-01', '36_absenderort' => array( (int) 0 => array( 'ID' => '280', 'content' => 'Genf', 'bemerkung' => 'GND:4020137-5', 'altBegriff' => '', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ) ), '36_datengeberhand' => 'Potsdam, Brandenburgisches Landeshauptarchiv', '36_h1zahl' => '23 S. auf Doppelbl., hs. m. 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[1] Genf d. Nov. 4
sage 1804
Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen Abreise bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen Nennhausen aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in Berlin in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In Weimar blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, Goethe u den Bildhauer Tieck häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer [2] neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in Würzburg u Ulm sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende[n] entgegen, durch Schaffhausen trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von Zürich aus einen Umweg über Luzern u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf Bern ein, u so von Lausanne an längs dem Genfer See nach Coppet. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen ein Graf zu Dohna hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u der berühmte Bayle hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, an literarischen Anekdoten daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für sein Wörterbuch hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem [3] Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin[durch], einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u hinter einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc gegenüber sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus [4] die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts dort, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem Rousseauʼs emphatisches citoyen de Genève sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen [5] Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die [6] Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey Küßnacht, wo ich zu Tells Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den Zuger See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:
Hier Ist Grisslers Hochmuoth vom Thäll erschossen
Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.
u auf der andern:
Wie Lang Wird Aber Solche währen?
Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.
Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie Moses vom Nebo zwey Länder vor sich hat, auf den hinter dem Jura Frank[7]reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in Lausanne zu u fuhr von da auf dem See nach Vevey; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von Chamouny, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten.
Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug Fouqué vor, als er in Berlin war, ihn bey Frau von Staël einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf [8] mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß
((Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in Coppet und dem in Genf zugebrachten Winter; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))
Genf d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. Tieck der Dichter, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft meiner neuen Freundin nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in Berlin vermied. Allein Tieck wurde durch seine Frau abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom [9] Schusse halten sollte. Dieß fiel bey Fouqué nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu befahren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.
Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und Fouqué zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von Lyon an, auf dem Mont Cenis bis nach Neapel hinunter, auf dem V[e]suv, in den Lagunen von Venedig und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen.
[10] Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir Pellegrins Zueignung von den Schauspielen zu Gesichte, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit meiner Elegie über Rom beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in das prosaische Genf seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir mit einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss[e] wird es Ihnen manches gesagt haben.
Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde [11] meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.
Als Sie mich in Nennhausen über meine neue Bekanntschaft mit Frau von Stael neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g[r]oßen Welt, das sich in Berlin um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. [12] Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf ihrem Landgute zuzubringen, und ihr bey den Studien zu einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich an in Berlin hielt, aufgelöst war, da Madam Bernhardi die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von Neckers Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, wenn falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für ihre Kinder zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach Weimar hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, Ben[13]jamin Constant, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die ihren Vater auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so xxx starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. Xx Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften [14] an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.
Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in Berlin oder sonst über Fr. v. St. haben sagen hören zu vergessen. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht rufen bringen. Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm [15] und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen würde; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig Schon gethan. Schon der Gedanke ihres eines solchen Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von ihrer Kammerfrau begleitet, in den schon dunkeln Straßen von Genf umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, [16] so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.
Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu Nennhausen der heiligste Ernst geworden, xxx und wie es billig und natürlich ist, daß ich xx durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.
Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung der Kinder. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich der Älteste, der sehr verständig und für sehr sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in Paris, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. Der jüngste, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte [17] nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch eine kleine Tochter da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist ihrer Mutter und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen.
Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, Frau von Stael selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen Vorlesungen über Philosophie und xxxx die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.
Es versteht sich, daß meine Freundin sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung ihrer Kinder ihr Haus nicht verlassen, zu von dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied [18] betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange xxx vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für die Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.
Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß verspricht zu versprechen, darf nicht besorgt seyn, als ob xxxx meine sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich xxx die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.
Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen [19] lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus meiner Freundin immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. Xxxx Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden thxx der geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an ihrem Vater den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus Paris, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In Mailand geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey dem Kaiser – Alpinorgos von Majorca, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem aber ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten ganz oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus[20]machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, Genf u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich xxx feindx wäre. xxx bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie Flemming:
Mir lag Arabien und Syrien im Sinne,
Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;
so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man [21] alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. Mit der Ich nehme die ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland zu machen, und dann komme ich zuverläßig auch nach Nennhausen, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach.
Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, u von allem was die Ihrigen angeht. Fouqué, dem ebenfalls ein langer Brief zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von [22] literarischen Studien, von den Bekannten in Berlin, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.
Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste Ihrem würdigen Herrn Vater, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach Nennhausen komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an Frau von Briest und Fräulein von Luck. Ihre Kinder umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.
Ganz Ihr
AWSchlegel.
Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil nehmen, xxx an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet seyen. – Auch kann es nicht xxx schaden, wenn eine [23] gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.
[24] An
Frau Baronesse de la Motte-Fouqué
geb. von Briest.
sage 1804
Werden Sie mir verzeihen wollen, meine liebenswürdige Freundin, wenn ich mich erst jetzt zu Ende des Herbstes entschuldige, daß ich zu Anfange des Frühlings ausgeblieben bin? Darüber bin ich wohl gerechtfertigt, daß ich Ihnen nicht im Augenblicke meiner plötzlichen Abreise bezeugen konnte, wie leid es mir that den schönen Plan zu einem ruhigen Aufenthalt in Ihrem gastfreundlichen Nennhausen aufgeben zu müssen; ich hatte nur einen Nachmittag und eine Nacht Zeit um alle meine Geschäfte in Berlin in Ordnung zu bringen u habe selbst den nächsten Freunden nicht Lebewohl gesagt. Seitdem sind freylich viele Monate verflossen, aber die Versäumniß ist eigentlich nur dadurch verursacht, daß ich mir zu oft vorgenommen zu schreiben und meinen Brief gern recht unterhaltend habe machen wollen. In Weimar blieb ich zehn Tage u sah während derselben meine dortigen Freunde, Goethe u den Bildhauer Tieck häufig. Doch eilte ich einem andern Lande u einer [2] neuen Lebensweise entgegen, u wollte Ihnen gern etwas näheres hierüber melden. Franken u Schwaben habe ich nachher schnell durchreist, nur in Würzburg u Ulm sind wir einen halben Tag geblieben. Im Ganzen ging mein Weg dem Frühlinge u den schöneren Gegende[n] entgegen, durch Schaffhausen trat ich in die Schweiz ein, sah den Rheinfall, machte dann von Zürich aus einen Umweg über Luzern u eine Fahrt auf dem Luzerner See, alsdann lenkte ich auf Bern ein, u so von Lausanne an längs dem Genfer See nach Coppet. Dieß ist ein geräumiges stattliches Schloß, ein Landsmann von Ihnen ein Graf zu Dohna hat es zu Anfang des vorigen Jahrhunderts erbaut, u der berühmte Bayle hat nachher als Hauslehrer darin gewohnt, aber – worin ich ihn nicht nachahmen können, über Langeweile geklagt: vermuthlich war dieser eben nicht idyllische Gelehrte, wenig für schöne Natur empfänglich, u die Ausbeute aus dem Städtchen Coppet, an literarischen Anekdoten daß nur zu dicht unter dem Schlosse liegt, mochte nicht die ergiebigste seyn. Für sein Wörterbuch hat er dort wohl wenig gesammelt. – Aus meinem [3] Zimmer, ja aus meinem Bett beym Erwachen genoß ich die Aussicht auf den See, die fast immer, wenn das Wetter nicht ganz trübe ist, einen großen Reichthum darbietet, besonders aber durch das mannichfaltige Spiel der Farben an den Bergen gegenüber u auf dem lieblichen Wasserspiegel, fast zu jeder Tageszeit anders u unter wechselnden Beleuchtungen, bey Sonnen oder Mondenschein, unter einem heitern oder wolkigen Himmel, im Morgenduft oder im Widerschein der Abendröthe, beym Gewitter, bey Windstille oder bewegten Wellen, oft bis zur Überraschung neu erscheint. An den Schloßhof stößt ein Park der zwar nicht mit so sinnreichem Fleiße angebaut ist wie der in Nennhausen, aber desto mehr von der Natur begünstigt: ein frischer reißender Bach schlingt sich unter dem Schatten alter Bäume hin[durch], einige kleine Anhöhen gewähren Ausblicke in die Ferne, u hinter einer durchgehauenen Öffnung, die gerade auf das Schloß stößt, erblickt man den Jura. Den Montblanc gegenüber sieht man vom Balcon des Schlosses nicht, aber höher an den Hügeln hinaus [4] die dahinter liegen. Wir kamen einen Monat nachdem ich Berlin verlassen hatte, in Coppet an, u blieben drittehalb Monate bis Ende Augusts dort, dann gingen wir nach Genf u brachten bis Ende Octobers in der Stadt zu. Von hieraus wollte ich Ihnen nicht schreiben, weil ich nicht so poetisch datiren konnte wie in Coppet: zwischen dem Jura u Montblanc; denn zwischen Saleve u Jura, die ich hier aus meinem Fenster sehe, das klingt doch lange nicht so gut. Bey der Rückkehr aufs Land bis in die Mitte Novembers bin ich durch eine angenehme Zerstreuung abgehalten worden Briefe zu schreiben, u Sie erhalten diesen doch von dem prosaischen Genf aus, das ich die Hauptstadt der Nützlichkeit u die Burgveste der Eingeschränktheit nennen möchte, u wo einem Rousseauʼs emphatisches citoyen de Genève sehr lächerlich vorkommt, besonders wenn man sich erinnert daß er in den unteren schmutzigen Gassen der Stadt gebohren worden, wo die gemeinen Bürgerclassen wohnen. Die Lage zwischen dem See u der Savoyischen [5] Landschaft ist die anmuthigste die sich denken läßt, allein man sieht deutlich daß dieses gewerbsame Volk nie daran gedacht, sie zum Genuß u zur Erhebung des Gemüths zu verwenden. Der See, wo er in die Stadt eintritt, ist von garstigen Hütten umgeben, u zerlappte Hemden sind häufig daran ausgehängt; den herrlichen Rhonefluß nehmen, so wie er mit seinen dunkelblauen Wellen u einer Klarheit ohne Gleichen daraus hervorstürzt, nehmen alte Waschweiber in Beschlag. Das einzige öffentliche Denkmal ist eine kolossale Büste von Rousseau, die wie der Kopf eines Faunen aussieht, u ungeschickter Weise auf eine viereckige Säule gestellt ist. So gehn sie mit ihren großen Männern um: im Leben verfolgt u nach dem Tode dergestalt abgebildet! Die Städte in der Deutschen Schweiz haben mir unendlich viel besser gefallen, das Ehrenfeste Zürich, das stattliche Bern, u besonders das stille beynah klösterliche Lucern, an seinem von hohen Alpen eingefaßten See. Dort herum sind auch die Trachten der Bäuerinnen, unter allen die ich gesehen, am meisten mahlerisch, überhaupt alles sauber verziert, u die [6] Gegend wie ein Garten angebaut. In die kleinen Cantone habe ich nur hinaus geblickt, kaum den Fuß gesetzt, nämlich bey Küßnacht, wo ich zu Tells Kappelle gewandert, u dann von einer Anhöhe den Zuger See u die Glarner Alpen betrachtet. Ich will Ihnen doch die Aufschrift der Kapelle genau wie sie geschrieben steht hersetzen; ich weiß nicht ob schon ein andrer Reisender ihr poetisches Verdienst wie ich erkannt, u es der Mühe werth gefunden sie aufzuzeichnen. Unter einem schlecht gemahlten Bilde von Tells Leben u Thaten steht auf der einen Seite:
Hier Ist Grisslers Hochmuoth vom Thäll erschossen
Und Die Schweitzer Edle Freyheith entsprossen.
u auf der andern:
Wie Lang Wird Aber Solche währen?
Noch Lang, Wan Wir Die alte währen.
Damit ich nichts von meinen Reisen vergesse, so bin ich auch noch auf dem Gipfel des Jura gewesen, auf einem Berge welcher die Dole heißt, von dessen Zinnen man wie Moses vom Nebo zwey Länder vor sich hat, auf den hinter dem Jura Frank[7]reich, daß sich hier ziemlich unansehnlich ausnimmt, vor ihm den See, seitwärts andre Schweizergegenden, u jenseits dem See die ganze Kette der Savoyischen Schneegebirge; dann brachte ich einige Tage in Lausanne zu u fuhr von da auf dem See nach Vevey; endlich bin ich auch zum Montblanc von hieraus gereist, das heist ich bin am Fuße desselben im Thal von Chamouny, auf dem Montanvert u an seinem Eismeer herumgekrochen. Was ich noch sonst in der Schweiz zu sehen habe, bleibt dem künftigen Sommer vorbehalten.
Von den Annehmlichkeiten des geselligen Lebens, das ich hier führe, ist es mir schwer Ihnen eine Vorstellung zu machen, da Sie die Hauptperson nicht kennen, die eine ganz eigne Gabe hat, das Gespräch zu beleben u auch weniger interessanten Menschen etwas unterhaltendes abzulocken. Ich schlug Fouqué vor, als er in Berlin war, ihn bey Frau von Staël einzuführen; er hatte aber keine Lust, was mich eigentlich ein wenig verdroß. Er hätte in Bezug auf [8] mich wohl so viel Neugierde haben können, u hat es sich nun selbst zuzuschreiben, daß
((Hier folgt eine große Parenthese, bestehend aus meiner Reise nach Italien, einem zweyten Sommeraufenthalt in Coppet und dem in Genf zugebrachten Winter; ich habe die Klammern, weil sie einen Zeitraum von 15 Monaten mit so wenigen Umständen in die Mitte nehmen, als die Ewigkeit mit unserm zeitlichen Daseyn macht, als einen zertheilten Schlangenreif abgebildet und fahre hierauf ohne weiteres in dem angefangnen Satze fort:))
Genf d. 1 März. 1806. – er sich jetzt von den Verhältnissen, unter denen ich lebe, und die auf mein Glück den bedeutendsten Einfluß haben, eine weit weniger anschauliche Vorstellung machen kann. Tieck der Dichter, hatte damals denselben Eigensinn, die Bekanntschaft meiner neuen Freundin nicht machen zu wollen; seit dem hat es ihn genug gereut, u er wird, wenn er wieder mit ihr zusammentreffen sollte, die Gelegenheit sie kennen zu lernen, eben so eifrig benutzen als er sie in Berlin vermied. Allein Tieck wurde durch seine Frau abgehalten, welche sehr triftige Gründe hatte, darauf zu bestehen, daß ihr ehelicher Gemahl sich mit andern Frauen von glänzendem Verstande weit vom [9] Schusse halten sollte. Dieß fiel bey Fouqué nun gänzlich weg, denn Sie, meine schöne, liebenswürdige und geistreiche Freundin, haben nichts dabey zu befahren, wenn ihm eine andre Frau sollte gefallen wollen, und wäre sie so schön wie ein Engel und so witzig wie der Teufel.
Ich kann aber doch nicht so fortfahren, ich muß zuvor versuchen mein geängstetes Gewissen zu entladen, Ihnen einen Fußfall thun und so lange Bitten, bis ich Ihre Verzeihung für mein unerhörtes Stillschweigen erlangt habe und wieder zu Huld und Gnade aufgenommen bin. Könnte ich nur neben Ihnen auf dem Divan in Ihrem allerliebsten Zimmer sitzen und vertraulich schwatzen wie ehemals, ich wollte es Ihnen schon begreiflich machen, wie ein Mensch wie ich bey dem lebhaftesten freundschaftlichen Andenken dazu kommen kann, keine Sylbe von sich vernehmen zu lassen. Unbeschreibliche Anwandlungen habe ich gehabt an Sie und Fouqué zu schreiben, auf der ganzen Italiänischen Reise von Lyon an, auf dem Mont Cenis bis nach Neapel hinunter, auf dem V[e]suv, in den Lagunen von Venedig und wo nicht alles; und jedesmal schreckte mich die Größe des Unternehmens da ich so viel wieder gut zu machen hatte, und dann kamen wieder neue Zerstreuungen dazwischen.
[10] Erst beträchtliche Zeit nach meiner Zurückkunft aus Italien kam mir Pellegrins Zueignung von den Schauspielen zu Gesichte, die mich innigst erfreute und rührte; nun sollte es mit einem Gedichte geantwortet seyn, ich war eben mit meiner Elegie über Rom beschäftigt, nachher befriedigte ich mich selbst nicht; und seit dem Eintritt in das prosaische Genf seit Anfang November hat mich die poetische Stimmung ganz verlassen, das einzige Lebenszeichen, was ich Ihnen sowie den meisten übrigen Freunden in Deutschland unterdessen gegeben habe, meine Elegie über Rom, haben Sie hoffentlich erhalten, wenigstens hat es an meinem angelegentlichsten Auftrage dazu nicht gefehlt. Ich schmeichle mir mit einer freundlichen Aufnahme dieses Lieblingsgedichtes bei Ihnen. Es kann Ihnen gewissermaßen die Stelle einer Reisebeschreibung vertreten, da es die bedeutendsten Eindrücke von Rom, welches immer der Mittelpunkt bleibt, zu Einem Bilde vereinigt; auch über meine persönlichen Verhältniss[e] wird es Ihnen manches gesagt haben.
Ich bin in der ersten Hälfte meines Briefes vielleicht auf eine ermüdende Art mit der Beschreibung meiner Reisen ins einzelne und kleine gegangen, ich will jetzt damit nicht fortfahren, es würde [11] meinen ganzen Brief einnehmen; ich will Sie lieber vertraulicher, und, wenn ich noch auf Ihre Theilnahme rechnen darf, anziehender von meiner Lebensweise, meinem Thun und Lassen, meinen Planen und Aussichten, meinen Verbindungen und Verhältnissen, kurz allem, was mich am nächsten persönlich angeht, unterhalten.
Als Sie mich in Nennhausen über meine neue Bekanntschaft mit Frau von Stael neckten, dachten Sie wohl nicht, daß sie auf meine Schicksale einen so wichtigen Einfluß haben und ihnen eine ganz andre Richtung geben würde. Fr. v. St. zeichnete mich mitten unter dem Getümmel der g[r]oßen Welt, das sich in Berlin um sie her drängte, aus; grade damit beschäftigt, die Deutsche Literatur kennen zu lernen, gab sie mir Gelegenheit ihr über vieles meine Ansichten darzustellen, und sie schrieb mir vielleicht alles ihr neue tiefere und eigenthümlichere in Gedanken und Gesichten zu, was ich selbst nur der allgemeinen Richtung, welche die Deutsche Bildung genommen, verdankte. Sie äußerte dieß mit der ihr eignen schönen enthusiastischen Lebhaftigkeit, und gewiß nie habe ich eine beredtere Fürsprecherin bey allen die mich herabsetzten oder nicht anerkannten, gefunden. [12] Sehr bald schlug sie mir vor, sie nach der Schweiz zu begleiten, den Sommer auf ihrem Landgute zuzubringen, und ihr bey den Studien zu einer Schrift über Deutsche Literatur und Philosophie, wozu sie den Plan hatte zu Hülfe zu kommen. Sonderbar genug fügte es sich, daß eben das Band was mich an in Berlin hielt, aufgelöst war, da Madam Bernhardi die Absicht hatte es zu verlassen, und auch der übrige Kreis von Freunden sich ziemlich zerstreut hatte. Ich ging also diesen Vorschlag ein, und hatte schon mein Wort gegeben, als plötzlich die unglückliche Nachricht von Neckers Tode eintraf. Nur seine Krankheit wurde ihr zuerst gemeldet, sie war in dem beklagenswerthesten Zustande, ich werde es nie vergessen wie ich sie fand, als sie mich rufen ließ um mich zu fragen, ob ich sogleich mit ihr reisen könne, um im Nothfalle, wenn falls sie sich unterwegs bewogen fände Tag und Nacht zu reisen, die Sorge für ihre Kinder zu übernehmen, und langsamer nachzukommen. Bis nach Weimar hielt ich sie künstlich mit Verbergung der Nachricht hin, die ihr tödlich hätte werden können, wenn sie sie plötzlich erfahren hätte. Dort war ein seit vielen Jahren ihr ergebner Freund, Ben[13]jamin Constant, ihr zu diesem traurigen Geschäfte entgegengekommen. Nein, keine Worte sind vermögend die Heftigkeit und Tiefe ihres Schmerzes zu schildern, nicht bloß im ersten Augenblicke, sondern bey jeder anregenden Veranlassung, bey der Annäherung an die Schweiz, bey dem Wiedersehen der Freunde die ihren Vater auf dem Todbette umgeben hatten, bey der Ankunft in ihrem Schloß, in welches sie mehr todt als lebend hineingetragen ward. Noch lange kehrten diese heftigen Auftritte wieder, und es gehörte in der That eine so xxx starke Gesundheit dazu als die ihrige, um nicht darunter zu erliegen. Xx Die Zärtlichkeit, die Anbetung für ihren Vater war allerdings das herrschendste Gefühl ihres Lebens, allein es ließ sich doch an diesem Maßstabe sehen, mit welcher Innigkeit ihr Gemüth die Gegenstände seiner Zuneigung in jedem Verhältnisse umfassen müsse; und der Zeuge dieser Trauer gewesen zu seyn, wie ich es vom ersten Augenblicke an war, hätte allein hingereicht, ihr meine Anhänglichkeit für immer zu sichern. Aber seit beynah zwey Jahren, daß ich auf den vertraulichsten Fuß in ihrem Hause lebe, habe ich so manche herrliche Eigenschaften [14] an dieser edlen Frau bewährt gefunden, daß ich es für den glücklichsten Zufall meines bisherigen Lebens erklären muß, sie kennengelernt zu haben, und mit Überzeugung sagen kann, dieser Freundschaftsbund sey für alle mir noch gegönnten Jahre unauflöslich.
Ich muß Sie zuvörderst bitten, alles was Sie in Berlin oder sonst über Fr. v. St. haben sagen hören zu vergessen. Ein berühmter Name, eine glänzende Lage, ein ausgezeichneter und kühner Geist müssen immer viel unberufene Urtheile über eine Frau ans Licht rufen bringen. Aber bey meiner Freundin ist dieß umso mehr der Fall, da es unmöglich ist wahrer, offner, freyer von jeder Spur des Angekünstelten, ja unvorsichtiger hingegeben zu seyn; sie spielt gleichsam mit offnen Karten und da kann sich die mistrauische Welt nicht bereden, daß dahinter keine List stecken sollte. Unter dem Anschein der Raschheit, der Veränderlichkeit, und der Liebe zur Zerstreuung, die nur auf der Oberfläche ihres Wesens spielt, hegt sie ein tiefes Gemüth, ein treues Herz, ja eine unerschütterliche Anhänglichkeit und Standhaftigkeit in der Freundschaft und dem Eifer für das einmal der Begeisterung würdig erkannte. Ungestüm [15] und leidenschaftlich, ist sie dennoch die Güte, ja ich darf sagen die Sanftmuth selbst, unfähig die Fortdauer irgend eines mishelligen Verhältnisses zu ertragen. Ihre Ansicht der Menschen überhaupt ist vielleicht allzu vertrauend; nie habe ich ein engeres und wo sich irgend eine Gelegenheit darbietet ein thätigeres Mitleid mit dem Unglück jeder Art, eine schonendere Hand in dessen Berührung gesehen. Dennoch verwechselt sie nie den allgemeinen Verkehr zu Linderung oder Genuß mit dem was ihre auserwählten Freunde ihr sind, oder sie ihnen ist. Es heißt wenig gesagt, daß sie mit Freuden ihr Leben für sie wagen würde; dieß hat sie in den Schreckenszeiten häufig Schon gethan. Schon der Gedanke ihres eines solchen Verlustes setzt sie in gewaltsame Bewegung, und ihre Einbildungskraft ist besonders von dieser Seite leicht zu erschüttern. Ich habe sie fast außer sich, bloß von ihrer Kammerfrau begleitet, in den schon dunkeln Straßen von Genf umherirren sehen, da ich mich auf einem Spaziergange verirrt hatte, so daß sie glaubte mir sey ein Unglück zugestoßen, und alle Leute des Hauses nach mir ausschickte. Ich will Ihnen auch gern gestehen, daß ich mich, als ihr Kleid vor dem Kamin Feuer gefaßt hatte, so daß die Flammen über ihren Kopf emporschlugen, [16] so rasch auf sie warf, daß alles gelöscht war, eh jemand anders zu Hülfe kommen konnte, und ich meine über und über verbrannten Hände als Ehrenzeichen davon trug.
Ich erzähle Ihnen diese Züge nur, damit Sie sehen, wie aus dem Scherz zu Nennhausen der heiligste Ernst geworden, xxx und wie es billig und natürlich ist, daß ich xx durchaus keine Plane für meine Zukunft hinter dem Rücken einer so gestifteten und so oft bestätigten Verbindung schließe.
Da das Verhältniß einen bestimmten Namen haben mußte, wenn ich fortdauernd in dem Hause leben sollte, und ich selbst wünschte, das meinige für eine mir so gastfreundliche Familie zu thun, so übernahm ich gleich von Anfange an die Erziehung der Kinder. Dieß ist aber auf einen solchen Fuß gesetzt, daß es nur einen kleinen Theil meiner Zeit fodert. Bis nach der Zurükkunft in Italien haben wir beyde Söhne bey uns gehabt; seit dem Sommer befindet sich der Älteste, der sehr verständig und für sehr sein Alter schon sehr unterrichtet ist, in Paris, besonders um die Mathematik und die physikal. Wissenschaften zu erlernen. Der jüngste, ein aufgeweckter und liebenswürdiger, aber etwas flüchtiger Knabe ist bey mir. Bald wird dieß vielleicht umgetauscht, der ältere wieder ins Haus genommen, und der zweyte [17] nach Deutschland in eine Pension geschickt. In drey bis vier Jahren wird dieß ganze Geschäft beendigt seyn: der älteste wird seine Studien auf einer schottischen oder Deutschen Universität vollenden und der jüngste vermuthlich ins Militär gehen. Alsdann ist noch eine kleine Tochter da, von acht Jahren, die am meisten von dem Geist ihrer Mutter und auch ihre schönen Augen geerbt hat, zu deren Bildung ich, wenn sie erst empfänglicher dafür seyn wird, beyzutragen suchen werde, was grade nicht durch andre Lehrer und selbst durch den Unterricht ihrer Mutter geleistet werden kann; doch dieß ist mehr eine Unterhaltung, als eine Arbeit zu nennen.
Eine andre Schülerin habe ich, um die ich wohl beneidet zu werden verdiene, Frau von Stael selbst, mit der ich häufig Deutsch gelesen, auch zuweilen Vorlesungen über Philosophie und xxxx die Theorie der schönen Künste gehalten habe. Italien hat sie etwas von den Deutschen Studien abgeführt, die sie aber bald mit Wärme wieder ergreifen wird.
Es versteht sich, daß meine Freundin sich ausbedungen, ich solle auch nach vollendeter Erziehung ihrer Kinder ihr Haus nicht verlassen, zu von dem sie mich als ein unentbehrliches Mitglied [18] betrachtet. Die Umstände müßten sich außerordentlich ändern, wenn dieß von einer von beyden Seiten zurückgenommen werden sollte, so wie ich auch, wenn ihr Vermögen nicht ganz unerwartete Stöße erleidet, für das, was ich bedarf, nicht weiter zu sorgen habe. Ich sage ihr oft, daß ich lange xxx vergeblich auf einen Fürsten gewartet der mich großmüthig in Stand setzen möchte, einzig für die Kunst und Poesie ohne Sorge zu leben; daß ich nun an ihr diese Fürstin gefunden, die ich daher höher achte als alle Potentaten Europaʼs, welche überdieß jetzt sehr in Abnahme kommen.
Wer so günstig von mir denkt, sich von meinen ferneren Geistesarbeiten einigen Genuß verspricht zu versprechen, darf nicht besorgt seyn, als ob xxxx meine sie durch meine Lage und Entfernung von Deutschland ins Stocken gerathen würde. Vielmehr habe ich xxx die Aussicht bald in ganz freyer Muße und mit heiterm Gemüth an Werken zu arbeiten, die, wo möglich, meinen Namen auf die Nachwelt bringen möchten.
Bis jetzt bin ich zwar sehr abgehalten worden. Dieß ist zum Theil die Schuld neuer Gewöhnungen die ich annehmen mußte, dann des häufig veränderten Aufenthaltes, hauptsächlich aber der Reisen, die mir aber theils durch so viel anziehende u große Gegenstände, die ich kennen [19] lerne, theils durch die Bekanntschaft mit merkwürdigen Menschen, von denen das Haus meiner Freundin immer der Mittelpunkt ist, sehr zu Statten kommen müssen. Xxxx Dann ist es natürlich, daß ich, seit ich bey ihr lebe, viele Stunden thxx der geselligen Aufheiterung widmen mußte. Denn ihre Lage ist in der That sehr beklagenswerth. Sie hat an ihrem Vater den vertrautesten Freund, den besorgtesten und einsichtsvollsten Beschützer verlohren. Seitdem sind viele ihr neue und verdrießliche Geschäfte zur Verwaltung ihres Vermögens auf sie gefallen. Ihre Verbannung aus Paris, ihrer Vaterstadt und dem Aufenthalte, welchen sie jedem andern vorzieht, dauert immer noch fort. In Mailand geschahen so lebhafte und dringende Verwendungen deßhalb bey dem Kaiser – Alpinorgos von Majorca, daß wir einige Hoffnung faßten, der Bann würde aufgehoben werden, seitdem aber ist alles unverrückt bey den alten Verboten geblieben. Man verweigert ihr die Zahlung einer Schuldfoderung von drey Millionen an den franz. Nationalschatz, die, noch so sehr durch Finanzkünste auf den dritten ganz oder gar auf den sechsten Theil herabgesetzt, immer einen sehr bedeutenden Zuwachs zu ihrem Vermögen aus[20]machen würde. – In einer Provinzstadt Frankreichs zu leben, ist das unerfreulichste, einförmigste und für Geist und Talent ertödtendste, was sich denken läßt. Um das Landleben auf die Länge auszuhalten, ist sie zu gesellig, Genf u die ganze hiesige Gegend (das heißt die Menschen) misfallen ihr mit Recht aufs äußerste. Unvermeidlich ist daher eine große Unschlüßigkeit in ihren Planen für die Zukunft, da sie in einer so unglücklichen Abhängigkeit von einer ungünstig gesinnten Regierug steht. Den Sommer geht sie nun ihrer Geschäfte halber nach Frankreich, was mir Gelegenheit geben wird, Paris wenigstens auf kurze Zeit zu besuchen; den nächsten Winter, je nachdem die Umstände sind, vielleicht wieder nach Italien; wird Frieden, so dürfte eine Reise nach England gemacht werden. Der Himmel gebe, daß diese unstete Lebensart bald ein Ende finden möge. Nicht als ob ich dem Reisen an sich xxx feindx wäre. xxx bin ich gleich nicht voll von so weitläuftigen Planen wie Flemming:
Mir lag Arabien und Syrien im Sinne,
Aegypten zog mich an, ich war wie fast darinne;
so denke ich doch noch manche zu machen, und namentlich nach Spanien. Allein man muß einen festen Wohnsitz haben, von wo man ausfliegt, wohin man zurückkehrt, worauf man [21] alles bezieht, und den man als sichern und ruhigen Zufluchtsort nicht aus den Augen verliert. Doch wer darf klagen, daß es ihm daran fehlt, da ganz Europa drüber und drunter geht? Wie sich meine Zukunft auch weiter fügen mag, so seyn Sie gewiß, liebe Freundin, daß ich unter jedem Himmelstrich ein deutsches Herz in mir tragen und meine Freunde in der alten Heimath nie vergessen werde. Mit der Ich nehme die ersten Gelegenheit wahr, einen Besuch in Deutschland zu machen, und dann komme ich zuverläßig auch nach Nennhausen, und hohle das im Frühlinge vor zwey Jahren versäumte nach.
Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen so weitläuftig über mich selbst geschrieben habe. Es muß Ihnen beweisen, daß das Bedürfniß vertraulicher Mittheilung gegen Sie ungeachtet der langen Entwöhnung bey mir nicht abgenommen hat. Sie sehen, wenn ich lange zögre, ehe ich zu reden anfange, daß es eben so schwer fält mir Einhalt zu thun, wenn ich einmal im Zuge bin. Erwiedern Sie es mir nun recht freygebig mit den genauesten Nachrichten von Ihrem eignen Befinden, u von allem was die Ihrigen angeht. Fouqué, dem ebenfalls ein langer Brief zugedacht ist, wird dieß denn durch Nachrichten von seinen Beschäftigungen und Studien, von [22] literarischen Studien, von den Bekannten in Berlin, endlich von den Gesinnungen unsrer Landsleute über die öffentlichen Begebenheiten und was sich in dieser Hinsicht ferner erwarten läßt, ergänzen.
Empfehlen Sie mich aufs angelegentlichste Ihrem würdigen Herrn Vater, an den ich nie ohne dankbare Verehrung denke. Hoffentlich genießt er immer einer gleichen Gesundheit, und ist noch eben so sehr zur heitern Geselligkeit gestimmt wie sonst, und so hoffe ich auch unsre Schachpartie wieder vorzunehmen, wenn ich nach Nennhausen komme. Ich habe mich seither in dieser Kunst ziemlich geübt. – Meine besten Empfehlungen an Frau von Briest und Fräulein von Luck. Ihre Kinder umarme ich herzlich und küsse Ihnen in Gedanken die Hand.
Ganz Ihr
AWSchlegel.
Ich bitte Sie, von allem was ich Ihnen über meine persönlichen Verhältnissen geschrieben nichts über den vertrautesten Zirkel hinaus sich verirren zu lassen. Es ist nöthig daß gleichgültige Menschen, die durchaus keinen wahren Antheil nehmen, xxx an meiner Lage nehmen, darüber unterrichtet seyen. – Auch kann es nicht xxx schaden, wenn eine [23] gewisse Classe in der Meynung erhalten wird daß ich bald für beständig nach Deutschland zurückkommen dürfte.
[24] An
Frau Baronesse de la Motte-Fouqué
geb. von Briest.