• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: Unknown · Date: 03.08.1804 bis 06.08.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 03.08.1804 bis 06.08.1804
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 135‒137.
  • Incipit: „Genf d. 3 Aug [180]4
    Seit vorgestern sind wir in der Stadt, ich bin zum Theil beschäftigt gewesen, mich einzurichten, da wir [...]“
    Language
  • German
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Genf d. 3 Aug [180]4
Seit vorgestern sind wir in der Stadt, ich bin zum Theil beschäftigt gewesen, mich einzurichten, da wir hier natürlich nicht ganz so bequem und geräumig wohnen, als in dem weitläuftigen Schloße. Die Wohnung hat indessen eine schöne Aussicht, nicht auf den See sondern auf das Land und die Berge, mein Zimmer geht aber nicht auf die Terrasse hinaus, ich verliere in dieser Rücksicht beträchtlich. Dazu kommt daß der Sommer sich wieder eingestellt hat, nachdem wir draußen lange genug mit dem schlimmen Wetter gekämpft; und hier ist weniger Genuß der freyen Luft möglich, und mehr Beschwerde von der Hitze. Der einzige Vortheil bey dem Tausch ist für mich die Benutzung der öffentlichen Bibliothek, auf städtische Vergnügungen werde ich mich wohl weiter nicht einlassen als einige male das Schauspiel, so lange Mlle. Contat aus Paris hier ist, das übrige ist zu mittelmäßig. – Ich besorge auch daß der Briefwechsel nicht so rasch wird von Statten gehen, gebe ich die Briefe hier auf die Post, so machen sie den Umweg über Paris, ich muß sie also mit Gelegenheit nach Coppet schicken. Heute habe ich es leider versäumt, weil ich dieß noch nicht wußte, ich will daher in Vorrath schreiben, wiewohl bis zum nächsten Posttag noch lange hin ist.
Ich habe immer noch keine Nachricht von der Ankunft meines Wechsels, der nach meiner Rechnung bey Absendung Ihres Briefs vom 12. Jul. noch nicht in Ihren Händen seyn konnte, aber wenige Tage darauf ankommen mußte. Ich hoffe er wird nicht verlohren gegangen seyn, und bitte Sie bey solchen Gelegenheiten mir immer unverzüglich den Empfang zu melden. Schreiben Sie mir ja ausführlich über die oekonomischen Angelegenheiten, meine geliebte Freundin, verschweigen Sie mir ja keine Sorge, ich werde alles thun was in meinen Kräften steht, und ich hoffe dieß soll in Zukunft zur Befriedigung Ihrer Wünsche hinreichen. Wenn nur erst meine eignen Schulden berichtigt wären, damit ich ganz freye Hand hätte! Nur noch ein klein wenig Geduld.
Von meinem Bruder habe ich einen Brief, der mir die gewisse Aussicht giebt, ihn im Herbste hier zu sehn. Dieß ist also der erste von den Deutschen Freunden, mit dem ich nach dem allgemeinen Abschiede wieder zumammen treffe, ich werde es als glückliche Vorbedeutung für die übrigen ansehen.
Haben Sie von Schütze nichts gehört? Ich habe ihm so eben einen langen Brief geschrieben, der ihn hoffentlich vermögen wird, mir Nachricht von sich und den übrigen Berlinischen Freunden zu geben.
Der ältere Bruder des verstorbnen Necker, den ich noch vor einiger Zeit auf seinem Landsitze besuchte, ist nun auch gestorben. Gestern bin ich ihm zur Leiche gefolgt, die sehr zahlreich begleitet wurde. Die Bestattungsweise hier gefällt mir aber mit nichten, und trägt das Gepräge von dem trocknen oekonomischen Republicanismus der Genfer an sich. Necker hatte daher wohl recht, sich und den seinigen eine schöne Begräbnißstätte in Coppet einzurichten. Der eben verstorbne war äusserst schwächlich, man konnte seinen Tod lange erwarten, doch hat dieser Vorfall Fr.[au] von St.[aël] von neuem sehr heftig bewegt. Überhaupt ist die Trauer immer in ihrem Gemüthe, der Verlust ist und bleibt in jeder Hinsicht unersetzlich; allein es wird hier durch so manches dem Andenken eine nähere Gegenwart gegeben, in so fern hoff ich viel von der Italiänischen Reise.
Die meinige nach Chamouni wird nun vielleicht diesen Sommer ganz unterbleiben. Das Wetter wäre jetzt zwar günstig, aber ich müßte darum die Contat versäumen, die noch etwa fünfmal spielt, und die ich vielleicht nicht so bald Gelegenheit habe wiederzusehen. Ich sah sie gestern und vorgestern, und soll heute mit ihr bey einem hiesigen Banquier in Gesellschaft seyn. Sie ist gar nicht jung mehr und übermäßig stark, etwa wie Mad. Herz, dabey aber von unvergleichlicher Leichtigkeit in ihren Bewegungen, sie hat schöne Augen, und Zähne, ein unbeschreiblich reizendes Lächeln und einen Ausdruck der Schalkhaftigkeit und des Muthwillens, dem man nicht wiederstehen kann. Doch Tieck wird sie ja kennen.
Nächstens wird die Herzogin von Curland hier erwartet, da Fr.[au] v. St.[aël] in Berlin viel bey ihr gewesen, so wird sie sie hier auch einladen müssen, da werden wir also einen Theil der Berliner Großen Welt bey uns sehn. Ich schenkte dergleichen gerne, ich kann mich nicht ausschließen und es zerstreut mich.
Mit meinen Arbeiten geht es noch lange nicht wie es soll, ich bin wenig vorgerückt, und nun muß ich doch auch einige Studien für Italiänische Sprache und Alterthümer auf unsre Reise machen.
d. 6ten Aug. Mit der vorigen Post ist nichts für mich in Coppet angekommen, vielleicht bin ich heute glücklicher. Ich erwarte mit Ungeduld den Bedienten der vom Schloße hereinkommt.
Ich habe eine angelegentliche Bitte an Sie oder vielmehr Ihren Bruder zu thun. Ich habe an Schütze geschrieben, mir einige Bücher an Tieck nach Weimar zu schicken. Wenn diese ankommen bitte ich Sie die altdeutschen Sachen die Sie von mir mitgenommen haben: Müllers altdeutsche Gedichte 3 Bände. Bodmers Minnesänger. Wilhelm von Oranse 1 und 2 B.[and], ihm zu übergeben, damit er alles sorgfältig in eine kleine Kiste packt, und unverzüglich mit der fahrenden Post nach Coppet schickt. Vielleicht ist es aber nöthig, wenn das Packet nicht sehr lange auf der Schweizer Gränze liegen bleiben soll, es zuvor noch wo anders hin etwa nach Basel, zu weiterer Beförderung zu addressiren. Ich bitte Tieck sich hiernach zu erkundigen, und sich, im Falle es erfoderlich, eine solche Addresse vielleicht bey Bertuch auszumachen.
Ich wünschte außer diesen Büchern (die ich wegen der in Rom zu machenden Studien über die altdeutschen Manuscripte nothwendig brauche) Fiorilloʼs Geschichte der Italiänischen Mahlerey 2 Bände, der Kiste beygefügt wenn es keinen Aufenthalt verursacht. Ist das Buch nicht in Weimar, so kommt es doch vielleicht zugleich mit den Büchern aus Berlin, wenn Tieck es auf Empfang dieses sogleich von Leipzig verschreiben läßt, in Weimar an. – Ich werde für die Besorgung dieses Auftrags sehr dankbar seyn. Es ist aber nicht damit zu säumen, sonst möchten die Bücher vor meiner Abreise nicht mehr eintreffen. – Ayrers Opus Theatricum bleibt natürlich in W.[eimar], und die Katholischen Gesangbücher bey Ihnen. Wie steht es mit Herders Auction?
Ich muß für heute schließen, doch lasse ich den Brief offen, um noch ein paar Zeilen hinzuzufügen, wenn eine von Ihnen ankömmt. Die herzlichsten Grüße an den Bruder Tieck; ich trage Ihr und Ihrer Kinder Glück in meinem Herzen. Nächstens schreibe ich auch an Felix. Wie geht es mit seinem Sprechen? – Es ist mir ein sichres Mittel der Aufheiterung, wenn ich an die beyden Engel von Kindern denke.
Soeben erhalte ich Ihren entzückenden Brief vom 26sten Juli den ich kaum noch habe lesen können, aber nächsten Posttag beantworten werde, nach Dresden hin, wie Sie verlangen entweder poste restante oder mit einer Addresse an Mlle. Alberti.
Leben Sie wohl herzlich geliebte Freundin.
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Genf d. 3 Aug [180]4
Seit vorgestern sind wir in der Stadt, ich bin zum Theil beschäftigt gewesen, mich einzurichten, da wir hier natürlich nicht ganz so bequem und geräumig wohnen, als in dem weitläuftigen Schloße. Die Wohnung hat indessen eine schöne Aussicht, nicht auf den See sondern auf das Land und die Berge, mein Zimmer geht aber nicht auf die Terrasse hinaus, ich verliere in dieser Rücksicht beträchtlich. Dazu kommt daß der Sommer sich wieder eingestellt hat, nachdem wir draußen lange genug mit dem schlimmen Wetter gekämpft; und hier ist weniger Genuß der freyen Luft möglich, und mehr Beschwerde von der Hitze. Der einzige Vortheil bey dem Tausch ist für mich die Benutzung der öffentlichen Bibliothek, auf städtische Vergnügungen werde ich mich wohl weiter nicht einlassen als einige male das Schauspiel, so lange Mlle. Contat aus Paris hier ist, das übrige ist zu mittelmäßig. – Ich besorge auch daß der Briefwechsel nicht so rasch wird von Statten gehen, gebe ich die Briefe hier auf die Post, so machen sie den Umweg über Paris, ich muß sie also mit Gelegenheit nach Coppet schicken. Heute habe ich es leider versäumt, weil ich dieß noch nicht wußte, ich will daher in Vorrath schreiben, wiewohl bis zum nächsten Posttag noch lange hin ist.
Ich habe immer noch keine Nachricht von der Ankunft meines Wechsels, der nach meiner Rechnung bey Absendung Ihres Briefs vom 12. Jul. noch nicht in Ihren Händen seyn konnte, aber wenige Tage darauf ankommen mußte. Ich hoffe er wird nicht verlohren gegangen seyn, und bitte Sie bey solchen Gelegenheiten mir immer unverzüglich den Empfang zu melden. Schreiben Sie mir ja ausführlich über die oekonomischen Angelegenheiten, meine geliebte Freundin, verschweigen Sie mir ja keine Sorge, ich werde alles thun was in meinen Kräften steht, und ich hoffe dieß soll in Zukunft zur Befriedigung Ihrer Wünsche hinreichen. Wenn nur erst meine eignen Schulden berichtigt wären, damit ich ganz freye Hand hätte! Nur noch ein klein wenig Geduld.
Von meinem Bruder habe ich einen Brief, der mir die gewisse Aussicht giebt, ihn im Herbste hier zu sehn. Dieß ist also der erste von den Deutschen Freunden, mit dem ich nach dem allgemeinen Abschiede wieder zumammen treffe, ich werde es als glückliche Vorbedeutung für die übrigen ansehen.
Haben Sie von Schütze nichts gehört? Ich habe ihm so eben einen langen Brief geschrieben, der ihn hoffentlich vermögen wird, mir Nachricht von sich und den übrigen Berlinischen Freunden zu geben.
Der ältere Bruder des verstorbnen Necker, den ich noch vor einiger Zeit auf seinem Landsitze besuchte, ist nun auch gestorben. Gestern bin ich ihm zur Leiche gefolgt, die sehr zahlreich begleitet wurde. Die Bestattungsweise hier gefällt mir aber mit nichten, und trägt das Gepräge von dem trocknen oekonomischen Republicanismus der Genfer an sich. Necker hatte daher wohl recht, sich und den seinigen eine schöne Begräbnißstätte in Coppet einzurichten. Der eben verstorbne war äusserst schwächlich, man konnte seinen Tod lange erwarten, doch hat dieser Vorfall Fr.[au] von St.[aël] von neuem sehr heftig bewegt. Überhaupt ist die Trauer immer in ihrem Gemüthe, der Verlust ist und bleibt in jeder Hinsicht unersetzlich; allein es wird hier durch so manches dem Andenken eine nähere Gegenwart gegeben, in so fern hoff ich viel von der Italiänischen Reise.
Die meinige nach Chamouni wird nun vielleicht diesen Sommer ganz unterbleiben. Das Wetter wäre jetzt zwar günstig, aber ich müßte darum die Contat versäumen, die noch etwa fünfmal spielt, und die ich vielleicht nicht so bald Gelegenheit habe wiederzusehen. Ich sah sie gestern und vorgestern, und soll heute mit ihr bey einem hiesigen Banquier in Gesellschaft seyn. Sie ist gar nicht jung mehr und übermäßig stark, etwa wie Mad. Herz, dabey aber von unvergleichlicher Leichtigkeit in ihren Bewegungen, sie hat schöne Augen, und Zähne, ein unbeschreiblich reizendes Lächeln und einen Ausdruck der Schalkhaftigkeit und des Muthwillens, dem man nicht wiederstehen kann. Doch Tieck wird sie ja kennen.
Nächstens wird die Herzogin von Curland hier erwartet, da Fr.[au] v. St.[aël] in Berlin viel bey ihr gewesen, so wird sie sie hier auch einladen müssen, da werden wir also einen Theil der Berliner Großen Welt bey uns sehn. Ich schenkte dergleichen gerne, ich kann mich nicht ausschließen und es zerstreut mich.
Mit meinen Arbeiten geht es noch lange nicht wie es soll, ich bin wenig vorgerückt, und nun muß ich doch auch einige Studien für Italiänische Sprache und Alterthümer auf unsre Reise machen.
d. 6ten Aug. Mit der vorigen Post ist nichts für mich in Coppet angekommen, vielleicht bin ich heute glücklicher. Ich erwarte mit Ungeduld den Bedienten der vom Schloße hereinkommt.
Ich habe eine angelegentliche Bitte an Sie oder vielmehr Ihren Bruder zu thun. Ich habe an Schütze geschrieben, mir einige Bücher an Tieck nach Weimar zu schicken. Wenn diese ankommen bitte ich Sie die altdeutschen Sachen die Sie von mir mitgenommen haben: Müllers altdeutsche Gedichte 3 Bände. Bodmers Minnesänger. Wilhelm von Oranse 1 und 2 B.[and], ihm zu übergeben, damit er alles sorgfältig in eine kleine Kiste packt, und unverzüglich mit der fahrenden Post nach Coppet schickt. Vielleicht ist es aber nöthig, wenn das Packet nicht sehr lange auf der Schweizer Gränze liegen bleiben soll, es zuvor noch wo anders hin etwa nach Basel, zu weiterer Beförderung zu addressiren. Ich bitte Tieck sich hiernach zu erkundigen, und sich, im Falle es erfoderlich, eine solche Addresse vielleicht bey Bertuch auszumachen.
Ich wünschte außer diesen Büchern (die ich wegen der in Rom zu machenden Studien über die altdeutschen Manuscripte nothwendig brauche) Fiorilloʼs Geschichte der Italiänischen Mahlerey 2 Bände, der Kiste beygefügt wenn es keinen Aufenthalt verursacht. Ist das Buch nicht in Weimar, so kommt es doch vielleicht zugleich mit den Büchern aus Berlin, wenn Tieck es auf Empfang dieses sogleich von Leipzig verschreiben läßt, in Weimar an. – Ich werde für die Besorgung dieses Auftrags sehr dankbar seyn. Es ist aber nicht damit zu säumen, sonst möchten die Bücher vor meiner Abreise nicht mehr eintreffen. – Ayrers Opus Theatricum bleibt natürlich in W.[eimar], und die Katholischen Gesangbücher bey Ihnen. Wie steht es mit Herders Auction?
Ich muß für heute schließen, doch lasse ich den Brief offen, um noch ein paar Zeilen hinzuzufügen, wenn eine von Ihnen ankömmt. Die herzlichsten Grüße an den Bruder Tieck; ich trage Ihr und Ihrer Kinder Glück in meinem Herzen. Nächstens schreibe ich auch an Felix. Wie geht es mit seinem Sprechen? – Es ist mir ein sichres Mittel der Aufheiterung, wenn ich an die beyden Engel von Kindern denke.
Soeben erhalte ich Ihren entzückenden Brief vom 26sten Juli den ich kaum noch habe lesen können, aber nächsten Posttag beantworten werde, nach Dresden hin, wie Sie verlangen entweder poste restante oder mit einer Addresse an Mlle. Alberti.
Leben Sie wohl herzlich geliebte Freundin.
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