• August Wilhelm von Schlegel to Christian Friedrich Tieck

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 05.03.1834
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Christian Friedrich Tieck
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 05.03.1834
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(88)
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 20,3 x 12,8 cm
  • Incipit: „[1] Bonn d. 5ten März 34.
    Theuerster Freund!
    Ich habe es geflissentlich einige Zeit lang verschoben, deinen letzten Brief zu beantworten, weil [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Bonn d. 5ten März 34.
Theuerster Freund!
Ich habe es geflissentlich einige Zeit lang verschoben, deinen letzten Brief zu beantworten, weil ich mich scheute, so manche schmerzliche Erinnerungen, welche die darin enthaltene traurige Nachricht bei mir geweckt hatte, noch lebhafter anzuregen. Freilich war ich durch alles, was ich von dem Gesundheitszustande deiner Schwester gehört hatte, längst darauf vorbereitet; indessen bringt ein solches Ereigniß, auch voraus gesehen, immer eine trübe Stimmung hervor. Du kannst dir dabei zum Troste sagen, daß du nach besten Kräften gestrebt hast, die äußere Lage deiner Schwester zu verbessern, wiewohl eine gründliche Abhülfe hier nicht möglich war. Vor mehreren Jahren schrieb mir deine Schwester, es seyen große Verbesserungen auf Knorrings Landgütern im Werke, wodurch die Einkünfte sehr vermehrt werden würden. Diese Hoffnung hat sich, wie es scheint, nicht verwirklicht. Zuletzt schrieb mir Kn., er sey das Opfer einer großen Ungerechtigkeit geworden. Bei meiner Unbekanntschaft mit allen Umständen ist mir dieß Wort räthselhaft geblieben. Ich sah ihn, so wie deine Schwester, zum letztenmale in Wien im Jahr [2] 1808. Damals lieh mir Kn. ein paar hundert Gulden ab. Er hat sich nie daran erinnert, u ich habe ihn auch nicht darum gemahnt. – Bei dem Besuche in Deutschland hat deine Schwester nicht den Wunsch gehegt, mich wieder zu sehn, sonst hätte sie nicht Heidelberg zu ihrem Aufenthalte gewählt: den einzigen Ort, wo ich sie durchaus nicht besuchen konnte, wie sie wohl wissen mußte. Ich erfuhr mit Bedauern, daß dein Neffe bei dir wohne, immer noch ohne Bestimmung. Es ist sehr zu bedauern, daß er nicht schon vor zehn Jahren oder noch früher in eine thätige Laufbahn eingetreten. Für einen jungen Mann ist ja nichts verderblicher, als sich so müßig und zwecklos in der Welt herumzutreiben, gesetzt auch, er hätte Vermögen genug, um einer Anstellung nicht zu bedürfen.
Du hast nun lange genug in Berlin gesessen, theurer Freund: du solltest einmal alles abschütteln, und eine Reise an den Rhein machen. Ist doch sogar dein Bruder mobiler als du. Nichts erfrischt den Geist mehr als wenn man einmal seinen täglichen Gesichtskreis verändert, u xxxxx der Einbildungskraft eine Reihe neuer Gegenstände vorüberführt. Man reist ja jetzt überall mit ziemlicher Leichtigkeit; vollends hier am Rheine mit den [3] Dampfboten: das ist ein wahrer Flug. Du wirst mir unendlich willkommen seyn. Jetzt ist mein Haus ziemlich bevölkert. Außer Hrn. Lassen, meinem Mitarbeiter, wohnt jetzt eine frühzeitig zur Witwe gewordene Nichte xx mit ihrem Söhnchen bei mir.
Wenn du mir etwas schenken willst, so thue es ja: der Platz wird sich nachher schon ausmitteln lassen. Freilich ist mein Haus nicht eben groß, u nicht ganz regelmäßig, da es schräg an der Straße liegt. Aber sehr wöhnlich ist es: ich habe es so gut wie möglich auszubauen gesucht. Hätte ich damals, als ich es kaufte, voraussehen können, daß Bonn durch eine neue Anlage vergrößert und verschönert werden würde, was größtentheils unter meiner Leitung zu Stande gekommen ist, so hätte ich lieber gewartet, um mir nachher eins von Grund aus nach meinem Sinne zu bauen. – Das Vestibül des meinigen ist eine Durchfahrt mit Thorwegen; die Decke ist mit vertieften Quadraten u Rosetten verziert; an jeder Seite sind zwei Flügelthüren; Rauch meynte, der Raum über diesen bis an die Decke könnte mit fortlaufenden Basreliefs schicklich ausgefüllt werden. Wenn du etwas dafür hättest, könnte ich dir die Maaße leicht schicken.
[4] Deine Berlinischen Freunde sind voll des Lobes deiner Werke. Schinkel war ganz entzückt über deine älteren Zeichnungen, die ich sorgfältig bewahre; er wünschte lebhaft, die Neigung zu solchen Compositionen möchte wieder bei dir erwachen. Ich habe noch ein besondres u dringendes Anliegen an dich. Du mußt durchaus deine wichtigsten Werke im Kupferstich mit leicht schattirten Umrissen herausgeben, wie es Rauch gethan. Vorzüglich die Frontons am Schauspielhause, für die ich meine Bewunderung nicht lebhaft genug auszudrücken weiß.
Das lithographirte Porträt deines Bruders schickte ich in der Absicht, daß du sie die Exemplare sogleich unter deine Freunde, u die Freunde u Bewunderer deines Bruders vertheilen solltest, gegen den gewöhnlichen Preis eines solchen Blattes, von 20 oder 25 Sg. Wach hat es dir ja deutlich genug gesagt. Wie kannst du, theurer Freund, nur solche Weitläuftigkeiten bei einer solchen Kleinigkeit machen? Hätte ich es durch einen Kunsthändler wollen gehen lassen, so hätte ich nicht nöthig gehabt, mich an dich zu wenden. Die übrigen Exemplare sind auch in Commission gegeben, das verursacht aber einen Abzug von 50 Procent an dem Ladenpreise. Nun ist es freilich etwas altes geworden. Ich wollte gern einem armen jungen Menschen, den ich seit mehreren Jahren auf meine [5] Kosten in Düsseldorf habe studiren lassen, ein kleines Stipendium schaffen. Wenn es dir aber beschwerlich ist, so hätte ich besser gethan, die Exemplare sämtlich dem Commissionar zu übergeben. Die Leute müssen ja doch wohl 20 Sg. hergeben, wenn du ihnen ein Wort sagst. Wenn du etwas dafür eingenommen hast oder einnimmst, so schicke es mir in Cassen-Anweisungen. – Vor einem Leipziger Musenalmanache hat man deinem Bruder ein abscheuliches Philistergesicht aufgeladen.
Seit meiner Zurückkunft aus London lebe ich hier ganz still, vertieft in meine gelehrten Arbeiten, die aber zugleich meine Freude und Erholung sind. Lebe recht wohl, gedenke meiner im besten, u gib mir bald wieder Nachricht von dir. Überlege das mit der Rheinreise auf diesen Sommer, u mit den Kupferstichen.
Unveränderlich dein
AWvSchlegel
[6] [leer]
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[1] Bonn d. 5ten März 34.
Theuerster Freund!
Ich habe es geflissentlich einige Zeit lang verschoben, deinen letzten Brief zu beantworten, weil ich mich scheute, so manche schmerzliche Erinnerungen, welche die darin enthaltene traurige Nachricht bei mir geweckt hatte, noch lebhafter anzuregen. Freilich war ich durch alles, was ich von dem Gesundheitszustande deiner Schwester gehört hatte, längst darauf vorbereitet; indessen bringt ein solches Ereigniß, auch voraus gesehen, immer eine trübe Stimmung hervor. Du kannst dir dabei zum Troste sagen, daß du nach besten Kräften gestrebt hast, die äußere Lage deiner Schwester zu verbessern, wiewohl eine gründliche Abhülfe hier nicht möglich war. Vor mehreren Jahren schrieb mir deine Schwester, es seyen große Verbesserungen auf Knorrings Landgütern im Werke, wodurch die Einkünfte sehr vermehrt werden würden. Diese Hoffnung hat sich, wie es scheint, nicht verwirklicht. Zuletzt schrieb mir Kn., er sey das Opfer einer großen Ungerechtigkeit geworden. Bei meiner Unbekanntschaft mit allen Umständen ist mir dieß Wort räthselhaft geblieben. Ich sah ihn, so wie deine Schwester, zum letztenmale in Wien im Jahr [2] 1808. Damals lieh mir Kn. ein paar hundert Gulden ab. Er hat sich nie daran erinnert, u ich habe ihn auch nicht darum gemahnt. – Bei dem Besuche in Deutschland hat deine Schwester nicht den Wunsch gehegt, mich wieder zu sehn, sonst hätte sie nicht Heidelberg zu ihrem Aufenthalte gewählt: den einzigen Ort, wo ich sie durchaus nicht besuchen konnte, wie sie wohl wissen mußte. Ich erfuhr mit Bedauern, daß dein Neffe bei dir wohne, immer noch ohne Bestimmung. Es ist sehr zu bedauern, daß er nicht schon vor zehn Jahren oder noch früher in eine thätige Laufbahn eingetreten. Für einen jungen Mann ist ja nichts verderblicher, als sich so müßig und zwecklos in der Welt herumzutreiben, gesetzt auch, er hätte Vermögen genug, um einer Anstellung nicht zu bedürfen.
Du hast nun lange genug in Berlin gesessen, theurer Freund: du solltest einmal alles abschütteln, und eine Reise an den Rhein machen. Ist doch sogar dein Bruder mobiler als du. Nichts erfrischt den Geist mehr als wenn man einmal seinen täglichen Gesichtskreis verändert, u xxxxx der Einbildungskraft eine Reihe neuer Gegenstände vorüberführt. Man reist ja jetzt überall mit ziemlicher Leichtigkeit; vollends hier am Rheine mit den [3] Dampfboten: das ist ein wahrer Flug. Du wirst mir unendlich willkommen seyn. Jetzt ist mein Haus ziemlich bevölkert. Außer Hrn. Lassen, meinem Mitarbeiter, wohnt jetzt eine frühzeitig zur Witwe gewordene Nichte xx mit ihrem Söhnchen bei mir.
Wenn du mir etwas schenken willst, so thue es ja: der Platz wird sich nachher schon ausmitteln lassen. Freilich ist mein Haus nicht eben groß, u nicht ganz regelmäßig, da es schräg an der Straße liegt. Aber sehr wöhnlich ist es: ich habe es so gut wie möglich auszubauen gesucht. Hätte ich damals, als ich es kaufte, voraussehen können, daß Bonn durch eine neue Anlage vergrößert und verschönert werden würde, was größtentheils unter meiner Leitung zu Stande gekommen ist, so hätte ich lieber gewartet, um mir nachher eins von Grund aus nach meinem Sinne zu bauen. – Das Vestibül des meinigen ist eine Durchfahrt mit Thorwegen; die Decke ist mit vertieften Quadraten u Rosetten verziert; an jeder Seite sind zwei Flügelthüren; Rauch meynte, der Raum über diesen bis an die Decke könnte mit fortlaufenden Basreliefs schicklich ausgefüllt werden. Wenn du etwas dafür hättest, könnte ich dir die Maaße leicht schicken.
[4] Deine Berlinischen Freunde sind voll des Lobes deiner Werke. Schinkel war ganz entzückt über deine älteren Zeichnungen, die ich sorgfältig bewahre; er wünschte lebhaft, die Neigung zu solchen Compositionen möchte wieder bei dir erwachen. Ich habe noch ein besondres u dringendes Anliegen an dich. Du mußt durchaus deine wichtigsten Werke im Kupferstich mit leicht schattirten Umrissen herausgeben, wie es Rauch gethan. Vorzüglich die Frontons am Schauspielhause, für die ich meine Bewunderung nicht lebhaft genug auszudrücken weiß.
Das lithographirte Porträt deines Bruders schickte ich in der Absicht, daß du sie die Exemplare sogleich unter deine Freunde, u die Freunde u Bewunderer deines Bruders vertheilen solltest, gegen den gewöhnlichen Preis eines solchen Blattes, von 20 oder 25 Sg. Wach hat es dir ja deutlich genug gesagt. Wie kannst du, theurer Freund, nur solche Weitläuftigkeiten bei einer solchen Kleinigkeit machen? Hätte ich es durch einen Kunsthändler wollen gehen lassen, so hätte ich nicht nöthig gehabt, mich an dich zu wenden. Die übrigen Exemplare sind auch in Commission gegeben, das verursacht aber einen Abzug von 50 Procent an dem Ladenpreise. Nun ist es freilich etwas altes geworden. Ich wollte gern einem armen jungen Menschen, den ich seit mehreren Jahren auf meine [5] Kosten in Düsseldorf habe studiren lassen, ein kleines Stipendium schaffen. Wenn es dir aber beschwerlich ist, so hätte ich besser gethan, die Exemplare sämtlich dem Commissionar zu übergeben. Die Leute müssen ja doch wohl 20 Sg. hergeben, wenn du ihnen ein Wort sagst. Wenn du etwas dafür eingenommen hast oder einnimmst, so schicke es mir in Cassen-Anweisungen. – Vor einem Leipziger Musenalmanache hat man deinem Bruder ein abscheuliches Philistergesicht aufgeladen.
Seit meiner Zurückkunft aus London lebe ich hier ganz still, vertieft in meine gelehrten Arbeiten, die aber zugleich meine Freude und Erholung sind. Lebe recht wohl, gedenke meiner im besten, u gib mir bald wieder Nachricht von dir. Überlege das mit der Rheinreise auf diesen Sommer, u mit den Kupferstichen.
Unveränderlich dein
AWvSchlegel
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