• Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Braunschweig · Place of Destination: Berlin · Date: 20. April [1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Braunschweig
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 20. April [1801]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 103‒106 u. S. 609 (Kommentar).
  • Incipit: „Braunschweig d. 20ten Aprill [1801].
    Mein lieber Schlegel, ich bin nun wieder hier, es ist alles glücklich bis so weit gegangen, und [...]“
    Language
  • German
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Braunschweig d. 20ten Aprill [1801].
Mein lieber Schlegel, ich bin nun wieder hier, es ist alles glücklich bis so weit gegangen, und Morgen wollen wir abreisen. Meine kleine Schwägerin ging nebst ihrem Jungen mit mir bis Zelle, Philipp konnte sich keinen Tag entfernen. In Zelle fanden wir Mutter, Luise und Emma, die Versammlung ging im Dahmeschen Hause vor sich und war sehr zahlreich. Mutter habe ich leidlich gefunden, und ich bin nun froh sie in einer veränderten Lage und in so guten Händen zu wissen. Die Zusammenkunft der beyden Kinder machte ein allerliebstes Zwischenspiel; von Adolph werde ich Dir mündlich erzählen. Die Chanoinesse Schläger hatte sich auch eingefunden, und wir nahmen sie auf dem Weg hieher mit bis in ihr Kloster Wienhausen, wo wir uns noch eine Stunde verweilten.
In Zelle lag alles voll hannöverischer Truppen, die in gewisse Städte gleichsam eingesperrt werden. Man rechnet, daß die bloße Verpflegung der Preußen dem Land monatlich 250000 rh. kosten wird. Daß die Besiznehmung Folgen haben werde, will unter den jetzigen Umständen niemand mehr fürchten. Die Aufhebung der Communikazion zwischen der H. Regierung und England scheint nicht in Erfüllung gebracht zu werden, es geht alles dorthin, wie mir Dahme sagt, der in der Landschaft sitzt, die jetzt versammelt ist. Noch waren in Harburg keine Preußen, doch sind sie unstreitig seitdem gekommen. Hier erzählt man viel von Schulenburgs Übermuth in Hannover, was nicht wahr seyn mag; in Zelle hörte ich nichts davon, aber es ist auch, als wenn die besten Freunde sich alleweil schämten aneinander zu schreiben. Nieper hatte keine Zeile von sich gegeben. Tatter ist nicht mit dem Prinzen gegangen, man bedauerte ihn sehr, daß er nun keinen fürstlichen Tisch mehr habe. Ich weiß nicht, ob ich Dich in meinem lezten Brief noch mit den Gerüchten unterhalten habe, daß die Preußen nicht kommen würden usw. Sie hatten sich durch das ganze Land verbreitet, indessen sind sie auch hinlänglich durch die That widerlegt worden. In Hamburg und an allen den Orten selbst, die den Schauplaz machen, ließ sich gar nichts glauben wie die Zeitungen, obschon der unparteyische Correspondent selbst sich etwas von den Dänen leiten lassen muß.
Vorgestern Abend kam ich hier an, ich habe gestern schon fast alles gepackt und Besuche gemacht (Mad. deNuys fand ich nicht zu Hause). Das Wetter ist gut. Aber wie ich ermüdet bin von Sprechen, Thun und Treiben, das kann ich Dir nicht beschreiben; auch die Besinnung ist mir so ziemlich vergangen. Ich werde mich unterwegens ausruhen. Diesen Abend seh ich noch einmal die Serigny in Adolph und Clara, aber Degligny blos in dem fatalen Stück, wo der Vater aus Egoismus die Tochter nicht verheirathen will. Das hiesige französische Theater ist unstreitig jetzt besser wie das Hamburgische. Die Vaudevillespieler aus Bordeaux waren leider schon abgereiset. Das teutsche Spectakel ist zum Ersticken voll in Hamburg, aber tief unter aller Kritik, denn es soll noch schlechter wie das Altonaer seyn. Es ist allenthalben nicht viel Gutes, aber ich wollte, daß die Serigny ihr Benefiz über 8 Tage, die fausse Agnès, heute hätte, das müßte doch etwas Gutes und Köstliches seyn. ‒ Das ist nur ärgerlich, wenn die Böotier selbst über den Geschmack in Böotien klagen.
Von Jena will ich Dir mittheilen, daß Loder mit aller Gewalt Himly hinzubringen sucht, daß er an den Herzog geschrieben hat, dieser aber seit seinem häslichen Ebenteuer zu Berlin sehr verstimmt ist und nichts hören will von Jena. Goethe mag sich auch im Namen Sr. Durchlaucht schämen, er ist sogleich auf sein Landgut gegangen, was er noch nie gethan hat, und auch gewiß seine Absicht nicht war. Kilian hat sich in Jena niederzulassen versucht, aber Gruner hat (ich weiß nicht genau wie) einen Suspensionsbefehl gegen ihn ausgewirkt, dem Loder aber entgegenarbeitet. Das sind herrliche Dinge. Der Niethammer aeltester Bruder hat sich mit 7 Stichen schimpflich entleibet, einer mislungnen Heyrath willen. ‒ Gestern Abend habe ich mit dem Winkelmann bey Wiedemanns gegessen, es ist ein schlechter und lächerlicher Gesell. Du glaubst nicht, was der Patron hier alles zusammen lügt über alle die, denen er dort die Füße geküßt hat. Er wolte sich mir durchaus nähern, aber ich wieß ihn sehr trocken ab und widersprach einigen absurden Behauptungen, die jedoch nicht Jena betrafen, daß er ganz roth und heiß wurde, demohngeachtet aber sich zum Begleiter nach Haus aufdrang. Er ist gewiß sehr nichts nuzig und eine wahre Pest der Gesellschaft. ‒ Die Paulus ist ja für den Sommer nach Bamberg und überhaupt Franken gereiset.
Du wirst nun besser wissen wie ich jetzt, ob ich Tiek noch sehn werde, denn geschrieben hast Du mir gar nichts bestimmtes über die Zeit. Auch wann ich mir in Leipzig Geld auszahlen lassen kann.
Höre, das Tuch ist so überirdisch, daß ich es noch an mich gebracht habe mit Luisens guten Willen, ich habe ihr einen grünen englischen Castorhut, den ich geschenkt bekam in Haarburg, dafür gegeben und ihr versprochen, daß Du ihr eine Kleinigkeit mitbringen solst, was ich Dir schon noch angeben werde. Aber liebes Herz, Du kommst doch nicht zu spät? es sieht so aus, als hättest Du Dich jetzt erst recht häuslich niedergelassen. Ich werde nicht ruhig seyn, ehe Du nicht da bist.

nach Tisch.
Roosens waren noch hier, sie ist sehr traurig. Wenn R. nach Jena gerufen worden wäre, er würde es gewiß gern angenommen haben. Lebe wohl, mein lieber Freund, schreibe mir bald nach Jena, ich muß dies wegschicken.
Ich lege da einen Brief von der Gotter bey.
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Braunschweig d. 20ten Aprill [1801].
Mein lieber Schlegel, ich bin nun wieder hier, es ist alles glücklich bis so weit gegangen, und Morgen wollen wir abreisen. Meine kleine Schwägerin ging nebst ihrem Jungen mit mir bis Zelle, Philipp konnte sich keinen Tag entfernen. In Zelle fanden wir Mutter, Luise und Emma, die Versammlung ging im Dahmeschen Hause vor sich und war sehr zahlreich. Mutter habe ich leidlich gefunden, und ich bin nun froh sie in einer veränderten Lage und in so guten Händen zu wissen. Die Zusammenkunft der beyden Kinder machte ein allerliebstes Zwischenspiel; von Adolph werde ich Dir mündlich erzählen. Die Chanoinesse Schläger hatte sich auch eingefunden, und wir nahmen sie auf dem Weg hieher mit bis in ihr Kloster Wienhausen, wo wir uns noch eine Stunde verweilten.
In Zelle lag alles voll hannöverischer Truppen, die in gewisse Städte gleichsam eingesperrt werden. Man rechnet, daß die bloße Verpflegung der Preußen dem Land monatlich 250000 rh. kosten wird. Daß die Besiznehmung Folgen haben werde, will unter den jetzigen Umständen niemand mehr fürchten. Die Aufhebung der Communikazion zwischen der H. Regierung und England scheint nicht in Erfüllung gebracht zu werden, es geht alles dorthin, wie mir Dahme sagt, der in der Landschaft sitzt, die jetzt versammelt ist. Noch waren in Harburg keine Preußen, doch sind sie unstreitig seitdem gekommen. Hier erzählt man viel von Schulenburgs Übermuth in Hannover, was nicht wahr seyn mag; in Zelle hörte ich nichts davon, aber es ist auch, als wenn die besten Freunde sich alleweil schämten aneinander zu schreiben. Nieper hatte keine Zeile von sich gegeben. Tatter ist nicht mit dem Prinzen gegangen, man bedauerte ihn sehr, daß er nun keinen fürstlichen Tisch mehr habe. Ich weiß nicht, ob ich Dich in meinem lezten Brief noch mit den Gerüchten unterhalten habe, daß die Preußen nicht kommen würden usw. Sie hatten sich durch das ganze Land verbreitet, indessen sind sie auch hinlänglich durch die That widerlegt worden. In Hamburg und an allen den Orten selbst, die den Schauplaz machen, ließ sich gar nichts glauben wie die Zeitungen, obschon der unparteyische Correspondent selbst sich etwas von den Dänen leiten lassen muß.
Vorgestern Abend kam ich hier an, ich habe gestern schon fast alles gepackt und Besuche gemacht (Mad. deNuys fand ich nicht zu Hause). Das Wetter ist gut. Aber wie ich ermüdet bin von Sprechen, Thun und Treiben, das kann ich Dir nicht beschreiben; auch die Besinnung ist mir so ziemlich vergangen. Ich werde mich unterwegens ausruhen. Diesen Abend seh ich noch einmal die Serigny in Adolph und Clara, aber Degligny blos in dem fatalen Stück, wo der Vater aus Egoismus die Tochter nicht verheirathen will. Das hiesige französische Theater ist unstreitig jetzt besser wie das Hamburgische. Die Vaudevillespieler aus Bordeaux waren leider schon abgereiset. Das teutsche Spectakel ist zum Ersticken voll in Hamburg, aber tief unter aller Kritik, denn es soll noch schlechter wie das Altonaer seyn. Es ist allenthalben nicht viel Gutes, aber ich wollte, daß die Serigny ihr Benefiz über 8 Tage, die fausse Agnès, heute hätte, das müßte doch etwas Gutes und Köstliches seyn. ‒ Das ist nur ärgerlich, wenn die Böotier selbst über den Geschmack in Böotien klagen.
Von Jena will ich Dir mittheilen, daß Loder mit aller Gewalt Himly hinzubringen sucht, daß er an den Herzog geschrieben hat, dieser aber seit seinem häslichen Ebenteuer zu Berlin sehr verstimmt ist und nichts hören will von Jena. Goethe mag sich auch im Namen Sr. Durchlaucht schämen, er ist sogleich auf sein Landgut gegangen, was er noch nie gethan hat, und auch gewiß seine Absicht nicht war. Kilian hat sich in Jena niederzulassen versucht, aber Gruner hat (ich weiß nicht genau wie) einen Suspensionsbefehl gegen ihn ausgewirkt, dem Loder aber entgegenarbeitet. Das sind herrliche Dinge. Der Niethammer aeltester Bruder hat sich mit 7 Stichen schimpflich entleibet, einer mislungnen Heyrath willen. ‒ Gestern Abend habe ich mit dem Winkelmann bey Wiedemanns gegessen, es ist ein schlechter und lächerlicher Gesell. Du glaubst nicht, was der Patron hier alles zusammen lügt über alle die, denen er dort die Füße geküßt hat. Er wolte sich mir durchaus nähern, aber ich wieß ihn sehr trocken ab und widersprach einigen absurden Behauptungen, die jedoch nicht Jena betrafen, daß er ganz roth und heiß wurde, demohngeachtet aber sich zum Begleiter nach Haus aufdrang. Er ist gewiß sehr nichts nuzig und eine wahre Pest der Gesellschaft. ‒ Die Paulus ist ja für den Sommer nach Bamberg und überhaupt Franken gereiset.
Du wirst nun besser wissen wie ich jetzt, ob ich Tiek noch sehn werde, denn geschrieben hast Du mir gar nichts bestimmtes über die Zeit. Auch wann ich mir in Leipzig Geld auszahlen lassen kann.
Höre, das Tuch ist so überirdisch, daß ich es noch an mich gebracht habe mit Luisens guten Willen, ich habe ihr einen grünen englischen Castorhut, den ich geschenkt bekam in Haarburg, dafür gegeben und ihr versprochen, daß Du ihr eine Kleinigkeit mitbringen solst, was ich Dir schon noch angeben werde. Aber liebes Herz, Du kommst doch nicht zu spät? es sieht so aus, als hättest Du Dich jetzt erst recht häuslich niedergelassen. Ich werde nicht ruhig seyn, ehe Du nicht da bist.

nach Tisch.
Roosens waren noch hier, sie ist sehr traurig. Wenn R. nach Jena gerufen worden wäre, er würde es gewiß gern angenommen haben. Lebe wohl, mein lieber Freund, schreibe mir bald nach Jena, ich muß dies wegschicken.
Ich lege da einen Brief von der Gotter bey.
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