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$viewFile = '/var/www/awschlegel/version-01-20/app/View/Letters/view.ctp' $dataForView = array( 'html' => '[Bonn] Gegen die Mitte des März 1825<br><span class="doc-8063 ">Ew. Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24</span> empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<br>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<br>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<br>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<br>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<br>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<br>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<br>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<br>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<br>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<br>Er sagt in seiner Einleitung:<br>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<br>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<br>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<br>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<br>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<br>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<br>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<br>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<br>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<br>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. 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Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<br>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<br>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<br>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<br>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<br>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<br>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<br>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<br>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<br>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<br>Er sagt in seiner Einleitung:<br>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<br>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<br>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<br>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<br>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<br>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<br>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<br>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<br>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<br>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.', '36_xml' => '<p>[Bonn] Gegen die Mitte des März 1825<lb/><ref target="fud://8063">Ew. 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Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<lb/>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<lb/>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<lb/>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<lb/>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<lb/>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<lb/>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<lb/>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<lb/>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<lb/>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<lb/>Er sagt in seiner Einleitung:<lb/>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<lb/>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<lb/>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<lb/>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<lb/>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<lb/>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<lb/>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<lb/>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<lb/>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<lb/>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.</p>', '36_xml_standoff' => '[Bonn] Gegen die Mitte des März 1825<lb/><ref target="fud://8063">Ew. Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24</ref> empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<lb/>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<lb/>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<lb/>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<lb/>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<lb/>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<lb/>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<lb/>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<lb/>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<lb/>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<lb/>Er sagt in seiner Einleitung:<lb/>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<lb/>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<lb/>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<lb/>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<lb/>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<lb/>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<lb/>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<lb/>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<lb/>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<lb/>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.', '36_altDat' => 'Mitte März 1825', '36_preasentation' => true, '36_leitd' => 'Körner, Josef: Indologie und Humanität. In: Festschrift Moriz Winterniz. Hg. v. 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Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24</span> empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<br>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<br>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<br>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<br>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<br>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<br>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<br>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<br>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<br>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<br>Er sagt in seiner Einleitung:<br>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<br>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<br>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<br>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<br>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<br>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<br>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<br>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<br>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<br>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.' $isaprint = true $isnewtranslation = false $statemsg = 'betamsg15' $cittitle = '' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an Bernhard Schmid am Mitte März 1825, Bonn, Palayamkottai (Tirunelveli)' $adressatort = 'Palayamkottai (Tirunelveli) <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4119626-0">GND</a>' $absendeort = 'Bonn <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/1001909-1">GND</a>' $date = 'Mitte März 1825' $adressat = array( (int) 4649 => array( 'ID' => '4649', 'project' => '1', 'timecreate' => '2014-02-28 13:41:21', 'timelastchg' => '2019-12-03 22:37:37', 'key' => 'AWS-ap-00gv', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_fulltext' => '', '39_html' => '', '39_sterbeort' => array( 'ID' => '10338', 'content' => 'Calicut', 'bemerkung' => 'GND:4302447-6', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_geburtsort' => array( 'ID' => '12', 'content' => 'Jena', 'bemerkung' => 'GND:4028557-1', 'LmAdd' => array([maximum depth reached]) ), '39_geschlecht' => 'm', '39_name' => 'Schmid, Bernhard', '39_lebenwirken' => 'Missionar Bernhard Schmidt studierte Theologie. 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Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<br>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<br>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<br>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<br>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<br>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<br>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<br>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<br>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<br>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<br>Er sagt in seiner Einleitung:<br>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<br>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<br>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<br>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<br>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<br>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<br>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<br>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<br>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<br>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.', '36_xml' => '<p>[Bonn] Gegen die Mitte des März 1825<lb/><ref target="fud://8063">Ew. Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24</ref> empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<lb/>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<lb/>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<lb/>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?<lb/>Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<lb/>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<lb/>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<lb/>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<lb/>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<lb/>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<lb/>Er sagt in seiner Einleitung:<lb/>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<lb/>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<lb/>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<lb/>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<lb/>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<lb/>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<lb/>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<lb/>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<lb/>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<lb/>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.</p>', '36_xml_standoff' => '[Bonn] Gegen die Mitte des März 1825<lb/><ref target="fud://8063">Ew. Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24</ref> empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.<lb/>Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.<lb/>In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.<lb/>Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? 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Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.<lb/>Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.<lb/>Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.<lb/>Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.<lb/>Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.<lb/>Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.<lb/>Er sagt in seiner Einleitung:<lb/>„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –<lb/>Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.<lb/>Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?<lb/>Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.<lb/>Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.<lb/>Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.<lb/>Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.<lb/>Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.<lb/>Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.<lb/>Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.', '36_altDat' => 'Mitte März 1825', '36_preasentation' => true, '36_leitd' => 'Körner, Josef: Indologie und Humanität. In: Festschrift Moriz Winterniz. Hg. v. 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[Bonn] Gegen die Mitte des März 1825
Ew. Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24 empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.
Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.
In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.
Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?
Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.
Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.
Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.
Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.
Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.
Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.
Er sagt in seiner Einleitung:
„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –
Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.
Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?
Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.
Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.
Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.
Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.
Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.
Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.
Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.
Ew. Hochwürden Schreiben vom Mai [18]24 empfing ich vor wenigen Tagen, und war sehr überrascht aus so weiter Ferne, wiewohl von einem Unbekannten, doch von einem Landsmanne, und in den vertrauten Tönen der Muttersprache begrüßt zu werden. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrten Bemerkungen und Mittheilungen, und werde sie gewiß nicht unbeachtet lassen. Aber ich finde wohl ein andermal Muße, näher darauf einzugehn. Jetzt giebt mir eine dringendere Angelegenheit die Feder in die Hand, und macht es mir zur Pflicht, unter dem Gedränge von mancherlei Geschäften Ihnen dennoch so bald wie möglich zu antworten. Ein Exemplar einer Zeitschrift, welche zunächst den Zweck hat, Anregungen zu wissenschaftlicher Forschung unter den Gelehrten Deutschlands auszustreuen, ist zufällig bis zu Ihnen gelangt, und eine Stelle darin hat Ihnen Anstoß gegeben. Ich habe Sie sogar, wiewohl ganz unwissentlich und unabsichtlich in Ihrem mir ehrwürdigen Berufe gekränkt. Ich wünsche, dieß wieder gut zu machen. Zwar könnte ich sagen, Sie hätten durch die harten Vorwürfe, welche Sie an mich richten, schon selbst Ihre Genugthuung genommen. Allein ich setze gern jede persönliche Empfindlichkeit bei Seite; es ist mir einzig darum zu thun, das Misverständniß zu lösen und ein wohlwollendes Verhältniß zwischen uns zu stiften. Ihre Freimüthigkeit, ja Ihre Verletzung der geselligen Schicklichkeiten bewährt mir die Redlichkeit Ihrer Gesinnung, und flößt mir Achtung vor Ihrem Charakter ein. Wie gesagt, mit mir hat es nichts auf sich; jedoch kann ich nicht umhin, Ihnen bei Ihrem Bekehrungsgeschäft mildere Formen zu empfehlen: sonst möchten Sie die Gemüther, welche Sie gewinnen wollen, nur entfremden.
Ew. Hochwürden schreiben mir nicht bloß feindselige Absichten gegen das Christenthum zu, Sie setzen voraus, daß mir alle religiösen Gefühle und Betrachtungen fremd seyen.
In meiner nun schon ziemlich langen schriftstellerischen Laufbahn bin ich von den verschiedensten Seiten her angegriffen worden, ich weiß nicht wie oft, nicht selten mit großer Heftigkeit und Bitterkeit. Ich war es gewohnt und habe meistens nicht für nöthig erachtet, mich zu vertheidigen. Dieß letzte ist mir neu und unerwartet. Sie sind, so viel ich weiß, der erste, der diese Beschuldigung gegen mich vorbringt. Wohl bin ich im Gegentheil beschuldigt worden, daß ich durch eine, gleichwohl nur dichterisch geäußerte Neigung zu den geheiligten Gebräuchen und Überlieferungen eines kirchlichen Gemeinwesens, welchem ich nicht angehöre, durch Anpreisung zweier großen, ganz von christlicher Begeisterung durchdrungenen aber eifrig katholischen Dichter, des Dante und Calderon, durch Spott über eine gewisse sich selbst so nennende kahle und oberflächliche Aufklärung, endlich durch mystische Andeutungen nach meinen geringen Kräften dazu beigetragen habe, dem Aberglauben Thür und Thor zu öffnen, und den Geist wiederum unter das Joch einer bloß menschlichen Auctorität zu beugen. Sehen Sie, Hochwürdiger Herr, so schwer fällt es einem Schriftsteller, der mit Lesern von sehr abweichender, ja entgegengesetzter Denkart in Berührung kommt, es allen rechtzumachen.
Und was gab Ihnen Anlaß zu jenen Klagen, zu jenen, ich muß es sagen, ganz unbefugten Annahmen? Einige Zeilen meiner Indischen Bibliothek, worin ich äußerte, das Vorhaben, die Indier mit Gewalt zu bekehren, sei nicht gut zu heißen; auch das Bestreben, nicht nur den heutigen entarteten Götterdienst und Aberglauben, sondern zugleich den sittlichen Charakter dieser zahlreichen Nation, sondern zugleich die Lehren ihrer alten Weisen mit den schwärzesten und gehäßigsten Farben zu schildern, in den beiden letzten durchaus nichts gutes finden zu wollen, könne keine wohlthätigen Wirkungen bezwecken. Ist es möglich, daß Ew. Hochwürden solchergestalt die Sache einzelner Menschen mit der Sache göttlicher Wahrheit verwechseln? Wer die Verfahrungsweise dieses oder jenes Missionars, seine in öffentlichen Druckschriften niedergelegten Grundsätze und Ansichten misbilligt, ist ein Gegner des Christenthums? Wer Wards bekanntes Buch über Indien tadelt, ein Atheist?
Diese Art zu folgern wäre etwas rasch. Kein unparteiisches Geschwornen-Gericht wird auf solchen Grund einer Anklage sein schuldig aussprechen. Ich habe nicht einmal Anlaß zu dem Verdachte gegeben, als ob ich das Geschäft der Missionen wo es aus reiner Liebe unternommen wird, nicht gebührend ehrte. Da Ew. Hochwürden mich aber so sehr misverstehen, so erkläre ich ausdrücklich, daß ich die Lebensgeschichte vieler Missionare, die Schilderung ihres unermüdlichen Eifers, ihrer Entsagungen, ihres Heldenmuths nicht ohne Bewunderung und Rührung lesen konnte.
Ich kann mir leicht denken, daß Ew. Hochwürden unter ernsteren Bemühungen weder Muße gehabt noch Antrieb gefühlt haben, meine früheren Schriften zu lesen. Sonst hätte, wie ich hoffe, die Erinnerung daran der ganzen Misdeutung vorgebeugt. Meine Jugend fiel in eine Zeit, welche dem Zweifel günstiger war als dem Glauben; bei meiner wissenschaftlichen Bildung mußte ich die mannichfaltigsten Richtungen und Gestalten des Zweifels kennen lernen. Wenige Geister sind fest genug in sich selbst gegründet, um sich ganz frei von den Einflüssen ihres Zeitalters zu behaupten. Ich kann mich dessen nicht rühmen. Manches habe ich in jugendlicher Zuversicht geschrieben, was ich jetzt, bei einer Durchsicht meiner Schriften, als einseitig und übereilt ganz zurücknehmen würde, anderes möchte ich wenigstens beschränken und genauer bestimmen. Vom Christenthum aber habe ich, so oft sich in dem Kreise meiner philosophischen und kritischen Forschungen eine Veranlassung dazu darbot, mit Ehrerbietung, ja mit Erhebung des Gemüths gesprochen. Ich will mich nur auf eine einzige Stelle berufen, welche die übrigen entbehrlich macht. (Vorlesungen pp. 2te Ausg. Th. I S. 20.) So manche Gedichte erwähne ich nicht, weil man sie als von einer augenblicklichen Stimmung eingegeben ansehen könnte.
Erlauben Sie mir, zuvörderst die bewußte Stelle zu rechtfertigen, dann will ich zu allgemeineren Betrachtungen fortgehen.
Ew. Hochwürden läugnen, daß jemals in England der Vorschlag gemacht worden sei, gewaltsame Mittel zur Bekehrung der Indier anzuwenden, und bemerken dabei, ich müsse wohl sehr unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik in Indien seyn. Wenn dem so ist, so habe ich allerdings sehr günstige Gelegenheiten verabsäumt, etwas davon zu erfahren. Denn ich erfreute mich nicht nur seit Jahren der persönlichen Bekanntschaft mit berühmten Mitgliedern des Parlaments; ich lernte auch, insbesondere bei meinem letzten Besuche in England, nicht wenige Männer kennen, welche in Indien hohe administrative, judiciäre und militärische Würden bekleidet haben. Aber stellen wir das beiseit, es gehört nicht hieher. Was haben die Grundsätze einsichtsvoller Brittischer Staatsmänner mit den Wünschen, den ausgesprochenen oder nicht ausgesprochenen dieses oder jenes Zeloten gemein.
Was aber meine Behauptung betrifft, daß der Vorschlag wirklich gemacht worden sei, so kann ich mich hierüber kurz fassen. Hr. Vans Kennedy, Mitglied der litterarischen Gesellschaft in Bombay hat in seiner beredten und gründlichen Vertheidigung der Indier gegen Mill die Beweise urkundlich dargelegt! Er führt unter andern eine Stelle aus einer vielgelesenen Englischen Zeitschrift an (Quarterly Review) wo die gewaltsamen Bekehrungen der Spanier nach der Eroberung von Mexiko ausdrücklich gelobt und zum Muster der Nachahmung empfohlen werden. Ich hoffe doch nicht die andern Gräuelthaten welche jene begleiteten, und wovon die Schilderung in dem Buche des Las Casas vor mir liegt? Aber diese Gräuelthaten waren das natürliche Gefolge jener Gewaltthätigkeit.
Vorgeschlagen ward es also allerdings. Allein Sie könnten mir einwenden, Ward schlug es wenigstens nicht vor. Nein, ganz ausdrücklich nicht: dieß habe ich ihm auch nicht Schuld gegeben. Wenn wir aber seine Worte genau erwägen, so liegt es unverkennbar darin.
Er sagt in seiner Einleitung:
„Ich schäme mich nicht zu bekennen, daß ich für die Fortdauer der Brittischen Herrschaft in Indien mehr von der Aufmunterung befürchte, welche Engländer dem Götzendienst der Hindu’s gegeben haben, als von irgend einer andern Seite her. Der Weltregierer sagte zu den Israeliten in besonderer Beziehung auf den Götzendienst: ,Wenn ihr wider mich wandelt, so werde ich wider euch wandeln‘. Moses, im Namen Jehovah’s bedroht die Juden folgendermaßen, falls sie den Götzendienst begünstigen würden: ,So rufe ich heutiges Tages über euch zu Zeugen Himmel und Erde, daß ihr werdet bald umkommen von dem Lande, in welches ihr gehet über den Jordan, daß ihr es einnehmet; ihr werdet nicht lange darin bleiben, sondern werdet vertilget werden‘. Deut. 18, 26.“ –
Ist dieses klar? Man hatte bisher geglaubt, das sicherste Mittel die Brittische Herrschaft in Indien zu befestigen sei, nächst einer besser geordneten und milden Verwaltung, sorgfältige Vermeidung alles dessen, was die religiöse Denkart der beherrschten Völker beleidigen könnte. Ward sagt nun den Brittischen Machthabern: „Gerade umgekehrt! Dieß wird eure Herrschaft stürzen. Nicht zwar durch eine natürliche Verkettung von Ursachen und Wirkungen welche die menschliche Klugheit im voraus berechnen zu können wähnt, sondern durch ein göttliches Strafgericht.“ – Worin bestand nun die Aufmunterung, welche die Engländer in Indien dem Götzendienst gegeben haben? Daß sie die freyeste Ausübung der dort verbreiteten Religionen gestatteten, daß sie sich durchaus jeder Einmischung in religiöse Angelegenheiten enthielten, daß sie die Tempel und andern geistlichen Stiftungen bei ihrem Eigenthum schützten. Um das angedrohte Strafgericht zu vermeiden, werden sie also die entgegengesetzte Verfahrungsweise annehmen müssen. Konnte Ward voraussetzen, seine christlichen Leser würden nicht in der heiligen Schrift nachschlagen, um sich über den Zusammenhang der angeführten Stelle selbst aufzuklären? Und mußten sie dann nicht in derselben Reihe von Ermahnungen und Warnungen den Ausspruch finden: „Ihre AItäre sollt ihr zerreißen, ihre Säulen zerbrechen, ihre Haine abhauen, und ihre Götzen mit Feuer verbrennen“. Deut. VII, 5. – Das gelindeste wäre demnach, die Tempel zu schließen, die Opfer, die Feste, die Processionen zu untersagen. Aber Meynungen, angeerbte, tief eingewurzelte, mit allen nationalen Gewöhnungen verwebte Meynungen lassen sich nicht mit Gewalt ausrotten, am wenigsten religiöse. Das lehren alle Blätter der Geschichte. Eine Lehre hat vielleicht nur laue Anhänger; wollt ihr den Eifer ihrer Bekenner wieder beleben, ihn bis zur Schwärmerei steigern, unterdrückt sie, verfolgt sie. Alle Religionen haben ihre Märtyrer gehabt. Es würden also Empörungen erfolgen; der erste Schritt würde die folgenden unvermeidlich nach sich ziehen. Um die Schwäche seiner Regierung nicht zu verrathen, müßte man mit Feuer und Schwert darein schlagen; man müßte eine allgemeine Inquisition einrichten, um die heimliche Ausübung des verbotenen Götterdienstes zu ahnden; man müßte die Brahmanen als die Anstifter des Unheils entweder vertilgen oder für immer aus ihrer Heimath verbannen. Glücklicherweise sind alle diese Dinge vollkommen unausführbar: denn die Engländer in Indien sind nur eine Handvoll Menschen gegen die unzählbare Bevölkerung des Landes, und der größte Theil ihrer bewaffneten Macht besteht aus Anhängern der Brahmanischen Lehre. Die Mahomedaner, welche an Abscheu vor der Idolatrie dem Verfasser des Buchs über Indien sonst gewiß nicht nachstehen, sind in Masse dort erobernd eingerückt, sie haben anfangs mit allem Grimme des Islams gewütet, und nach Jahrhunderten der Herrschaft dennoch nachgiebig und gewissermaßen duldsam werden müssen, wovon uns das Ayin Akberi den auffallendsten Beweis giebt.
Ich könnte es recht gut begreifen, wenn ein strenger Christ, der die Zustände in Indien beobachtet hätte, zu den Engländern sagte: „Gebt diese großentheils auf ungerechten Wegen gemachten Eroberungen auf. Alle zeitlichen Vortheile, die ihr davon genießt oder erwartet, können den geistlichen Unsegen nicht aufwiegen. Der tägliche Anblick jener verwerflichen Gebräuche, jener Feste, wovon manche nur zu sehr geeignet sind die Einbildungskraft zu bestechen, macht eure Landsleute, wo nicht abtrünnig, doch gleichgültig gegen unsre allerheiligste Religion; die ungesetzlichen Verbindungen mit nicht-christlichen Frauen müssen noch verführerischer wirken“. Dieß, sage ich, könnte ich recht gut begreifen. Aber Wards Mahnungen und Drohungen zielen auf etwas ganz andres. Macht es die Sache besser, daß er sich den Brittischen Machthabern gegenüber mit Zurückhaltung äußert? Daß er vielleicht die Folgerung, welche unmittelbar aus seinen Vordersätzen fließt verläugnet haben würde? Ich frage Ew. Hochwürden, ich frage alle besonnenen, gelehrten, frommen Theologen, ob dieß die rechte Art ist, Stellen des alten Testaments auf gegenwärtige politische Verhältnisse anzuwenden? Ob die Befehle des Gesetzgebers der Israeliten über die Behandlung der vorgefundenen Einwohner bei der Eroberung Canaans die Grundlage des Völkerrechts für Europäische Staaten werden sollen, wenn sie Länder in andern Welttheilen unter ihre Herrschaft bringen?
Aber nicht nur aufgemuntert haben die Engländer nach Wards Behauptung die Abgötterei; „viele von ihnen“, sagt er ferner, „werden beargwohnt, sich selbst mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet zu haben. Sogar Sir William Jones pflegte, wie erzählt wird, seinem Pandit zu gefallen die Sastra’s mit einem auf seinem Tische aufgestellten Bilde eines Indischen Gottes zu studiren.“ Ward beruft sich bei diesem so begierig aufgehaschten Geschichtchen nur auf ein Gerücht. Gesetzt aber, Sir William hätte wirklich gegen einen Gewissens-Scrupel seines Lehrers, der ihm seinerseits auch nicht geringe Opfer brachte, und der die heiligen Bücher nicht anders als an geweihter Stätte lesen zu dürfen glaubte, diese Nachgiebigkeit gehabt, sollen wir darum jenen weisen und tugendhaften Menschenfreund, der sich unaufgefordert für einen gläubigen Verehrer des Christenthums bekannt hat, einen Apostaten schelten? – „Seine schönen metrischen Übersetzungen abgöttischer Hymnen sind allen Liebhabern der Dichtkunst bekannt. Wir bemerken, daß in demselben Geist Figuren und Anspielungen auf die alten Abgöttereien fast in allen neueren poetischen Compositionen, und selbst in einigen christlichen Schriften beibehalten werden“. Hiebei führt er nun billigend in einer Anmerkung den Angriff eines andern gleichgesinnten Eiferers gegen Sir William Jones an, wo es heißt, „diese Hymnen seien ein Vergehen nicht nur gegen das Evangelium sondern selbst gegen den Theismus“. Solche Verdammungsurtheile über die harmlosen Spiele der Poesie! Dem Dante, dem Calderon, unserm Klopstock wird nun ihre fromme Begeisterung nicht helfen: Dante hat den Apoll und die Musen angerufen, Calderon hat die Geschichte vom Apoll und der Clymene und viele andre mythologische Stoffe in Schauspielen behandelt; Klopstock hat die nordischen Götter der Edda besungen. Alle haben sich mit starken Schritten der Abgötterei zugewendet. Wie wird es vollends den neueren Künstlern ergehen, welche Statuen Griechischer Götter aufgestellt, oder Scenen des alten Olymps gemahlt haben? – Wenn man dergleichen liest, glaubt man sich in das Zeitalter Cromwells zurückversetzt; es athmet den düstersten Fanatismus der Puritaner.
Es kann seyn, daß ich, wie Ew. Hochwürden bemerken, über das Buch von Maurice aus der Erinnerung ein allzu günstiges Unheil gefällt habe, welches ich bei erneuerter Lesung berichtigen würde. Für unsere Erörterung gilt dieß gleich. Ohnehin hat ja Ward den noch lebenden Verfasser hart genug auf das jüngste Gericht vorgeladen, um von diesem Buche Rechenschaft abzulegen.
Wards allgemeine Resultate sind: „daß im Hinduismus, (ich behalte das barbarische Wort bei, um ja nichts an seinen Ausdrücken zu ändern) wenn man ihn gründlich kennt, kaum irgend etwas ist, woran ein gelehrter Mann sich erfreuen, oder was ein wohlwollender Mann billigen könnte; daß das Indische System das kindischste, unreinste, und blutigste unter allen Systemen der Abgötterei ist, die jemals auf Erden aufgestellt worden; daß endlich dieser Götterdienst die lndier zu dem weichlichsten und verderbtesten Volk auf Erden gemacht hat“.
Die Vertheidigung des Indischen National-Charakters kann ich den edlen Britten überlassen, welche ihn aus eigner Beobachtung und in ganz anders umfassenden Verhältnissen kennen lernten, als die waren, worin Ward lebte. Sie haben diese Vertheidigung ausgesprochen, ein Warren Hastings, ein Sir John Malcolm und so manche andre achtungswerthe Namen, die sich an diese anreihen; im Parlament, vor den Augen ihrer großen Nation, wie sich’s erwarten ließ, milde, gerecht, männlich. Was die Entnervung und Feigheit betrifft (denn was kann das Wort effeminate anders bedeuten?) so erlauben Sie mir, tapfern Feldherrn und Kriegern mehr Glauben beizumessen, als einem Geistlichen der niemals ein Schlachtfeld sah. Brittische Offiziere, ebenso ausgezeichnet durch ihre Geistesbildung als ihre Bravur, wie es deren so viele giebt, sagten mir: „Glauben Sie nichts von jenen Schilderungen; wir fanden dort eben so viel Tugend und Edelmuth als in Europa. Der Sepoy ist tapfer, beseelt von Ehrgefühl, treu, und bereit für einen Anführer, der sich seine Liebe und Achtung zu erwerben gewußt hat, sein Leben in die Schanze zu schlagen“.
Hr. Vans Kennedy hat sich in der schon oben erwähnten Abhandlung auf die Untersuchung des sittlichen Zustandes von Indien sehr gründlich und ausführlich eingelassen. Er hat die Archive der Brittischen Tribunale zu Rathe gezogen, und bewiesen, daß Verbrecher im Verhältniß zur Bevölkerung, und bei weit größerer Leichtigkeit sich der Strafe zu entziehn, in Indien weniger häufig sind als in England. Er zeigt ferner, daß die Fehler, welche den Indiern mit Recht vorgeworfen werden, z. B. Verstellung und Mangel an Wahrhaftigkeit, die natürliche Folge von der Lage einer Nation sind, welche durch ihre unglückliche Lage seit Jahrhunderten unter fremden Eroberern und tyrannischen Regierungen mistrauisch gemacht worden ist. Die Laster freilich lassen sich in den meisten Fällen nicht statistisch berechnen; wo es aber einigermaßen möglich ist, wie bei der gesetzlosen Geschlechtslust, dürfte die Vergleichung zwischen den Hauptstädten Indiens und denen Europas vielleicht nicht zum Nachtheile der ersten ausschlagen.
Die Vertheidigung des Hrn. Vans Kennedy ist zwar zunächst gegen Mill gerichtet, doch berücksichtigt sie auch zugleich die Wardschen Behauptungen. Beides hängt auf das genaueste zusammen. Mill’s Buch ist auf das von Ward geimpft, dieses ist der Baum und jenes die Frucht. Mill stellt die Behauptung voran, um Indien recht zu kennen, müsse man nicht da gewesen seyn; dann vergißt er sich aber, und nennt Ward einen bewundernswürdigen Zeugen, wiewohl dieser sein Vorgänger mit dem Gebrechen behaftet war, lange in Serampore gewohnt zu haben. Seine mit den Farben der Hölle ausgemahlte Schilderung hier ganz zu wiederholen, wäre theils überflüßig, theils ein höchst widerwärtiges Geschäft. Einige Züge werden hinreichen. Die unteren Stände sagt Mill, stehen unendlich tief unter dem Vieh. Die Mitglieder der obern Casten machen sich so wenig ein Gewissen daraus einen Menschen seines Lebens zu berauben als wir ein Huhn zu schlachten. Väterliche, kindliche, und eheliche Zärtlichkeit sind ihnen gänzlich fremd. Sie sind der Rachsucht mit wütender Leidenschaft ergeben, dabei aber über alle Maßen feige u. s. w. – Ist es christlich, dergleichen ganz allgemeine Behauptungen über mehr als hundert Millionen Menschen öffentlich auszusprechen? Ist es menschlich? Ist es weise? Nein, es ist bis zum Wahnwitz abgeschmackt und böse obendrein. Das Loos einer unter fremde Herrschaft gerathnen Nation ist schon beklagenswerth genug; nun verläumdet man sie bei den Gewalthabern, man sucht diese gegen das Schicksal ihrer Untergebenen gleichgültig zu machen, alles Mitleiden zu ersticken. Was kann der Zweck eines solchen Beginnens seyn, als die Überzeugung hervorzubringen: das gegenwärtig lebende Geschlecht in Indien sei heillos und unrettbar verderbt; an diesem sei alles erlaubt; nur durch die Ausrottung nationaler Sitte und Gesetzgebung, durch die gewaltsame Einführung einer andern Religion könne vielleicht in Zukunft ein besserer Zustand bewirkt werden.
Um jede Besorgniß vor gewaltsamen Bekehrungsversuchen zu beseitigen, sagen Ew. Hochwürden: Wir leben nicht mehr in den Zeiten der Kreuzfahrer und Jesuiten. Sie erklären mich für unbekannt mit dem Geiste der Englischen Politik. Ich muß dagegen meinerseits ausrufen: wie unbekannt sind Sie mit dem, was in Europa vorgeht! Freilich, Sie waren schon seit sechs Jahren abwesend. Aber viele Symptome dessen, was sich jetzt vor unsern Augen entwickelt, waren schon damals bemerkbar. Ich will hiebei nicht verweilen: Ew. Hochwürden mögen meine Zurückhaltung verzeihn, die ich rathsam finde, weil ich in Europa lebe. Nur Eine Bemerkung sey es mir erlaubt, zu machen. Sie gebrauchen wie es scheint, die beiden Namen der Kreuzzüge und Jesuiten als sprüchwörtlich gewordene Bezeichnungen, den ersten für die durch einen blinden Fanatismus entzündeten Religionskriege, den zweiten für eine schlaue und verfolgungssüchtige Priesterherrschaft. Zur Vertheidigung der Kreuzzüge habe ich schon in früheren Zeiten manches gesagt, und mir dadurch den Vorwurf der Paradoxie zugezogen. In dem gegenwärtigen Augenblicke, wo das Ägäische Meer um Chios her noch von Christenblut gefärbt ist, wo noch die Ruinen von Ipsara dampfen, dürfte meine damalige Apologie vielleicht mehr Eingang finden. Ich suchte zu zeigen, die Kreuzzüge seyen ein Vertheidigungskrieg des christlichen Europa gewesen, ein Vertheidigungskrieg nicht nur für die Religion sondern auch für die Cultur. Der angreifende Theil ist der, welcher zuerst eine Ungerechtigkeit begeht, und einen gewaltsamen Zustand der Dinge herbeiführt. Die Nationen sind lange lebende Individuen: es kommt nichts darauf an, ob ein solcher gewaltsamer Zustand aus Mangel an Streitkräften oder an deren gemeinsamer Wirksamkeit Jahrhunderte lang hat erduldet werden müssen. Das Prinzip des Islam ist ein durchaus antisociales und barbarisches. Manche Geschichtschreiber haben, nur allzu parteiisch die damalige Europäische Cultur gegen die Arabische in ein nachtheiliges Licht gestellt. Aber wenn die Araber eine Zeitlang zu der Wissenschaft der unterjochten Völker einige Neigung bewiesen haben, so geschah es hinter dem Rücken des Korans; sie sind bald mit allen übrigen Mahomedanern in die alte Barbarei zurückgesunken. Niemals hat man sie dahin bringen können, bei Führung der Kriege das Europäische Völkerrecht anzuerkennen; ein wahrer Friedenszustand mit ihnen ist also nicht möglich.