• August Wilhelm von Schlegel to Johannes Schulze

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Berlin · Date: 12.11.1826
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johannes Schulze
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 12.11.1826
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 443‒444.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 12ten Nov. [18]26
    Hochzuverehrender Herr Geheimerath!
    Ew. Hochwohlgeboren haben Bonn verlassen, ohne daß ich Gelegenheit hatte, Abschied von Ihnen zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Kraków, Biblioteka Jagiellońska
    Language
  • German
  • Latin
[1] Bonn d. 12ten Nov. [18]26
Hochzuverehrender Herr Geheimerath!
Ew. Hochwohlgeboren haben Bonn verlassen, ohne daß ich Gelegenheit hatte, Abschied von Ihnen zu nehmen, und Ihnen meinen lebhaftesten Dank für Ihren so freundschaftlichen und anregenden Zuspruch zu wiederholen. Sie waren in der Gesellschaft, wo wir zusammentrafen, in einem Gespräche begriffen, auf dessen Ende ich lange vergeblich wartete. Aber Jemand wollte Sie nicht loslassen:
Non missura cutem nisi plena cruoris hirudo.
Ich hatte gehofft, Sie in Berlin wiederzusehen: aber die Reise, wozu ich so viele Beweggründe habe, wurde mir für diesen Herbst durch meinen Hausbau unmöglich gemacht. Ich hänge leider noch an diesen irdischen Dingen, an einer bequem und artig eingerichteten Wohnung, und ohne meine beständige Aufsicht wäre nichts zu Stande gekommen. – Nun habe ich mir die Reise unverrücklich auf die nächsten Osterferien vorgenommen. Einstweilen halte ich ganz fleißig Vorlesungen. Im Sanskrit habe ich zwei fähige Schüler, in der Geschichte der Deutschen Sprache und Poesie eine mäßige Anzahl; in einer öffentlichen Vorlesung über die Deutsche Grammatik ist [2] unser größtes Auditorium überfüllt. Zuweilen wandelt mich hiebei ein Gelüst an, einmal wieder vor einem gebildeten Publicum mündliche Vorträge zu halten, wie ehemals in Berlin, als ich dort noch in Ecclesia pressa lebte, und nachher in Wien. Mir ist der Gedanke durch den Kopf geflogen, ob sich dieß nicht mit meiner Reise vereinigen ließe? Die Jahrszeit wäre wohl noch ziemlich günstig. Ich gäbe etwa in vier Wochen, wöchentlich dreimal, einen Überblick der Indischen Alterthumskunde und Litteratur; denn das möchte doch wohl die Wißbegierde und Neugier am lebhaftesten anregen. Ich erbitte mir Ew. Hochwohlgeboren wohlwollenden Rath hierüber. Freilich müßte schon im voraus alles in Richtigkeit gebracht seyn: die Subscription der theilnehmenden Herren und Damen, die Stunden, das Local u.s.w., damit ich sogleich nach meiner Ankunft zum Werke schreiten könnte, wie die französischen Falkeniere nach Hamlets Ausdruck. Hiebei würde mir Hr. Professor Lichtenstein gewiß gern behülflich seyn.
Die Einlage wird Ew. Hochwohlgeboren in Verwunderung setzen. Ich theile sie mit, in einer doppelten Absicht. Vielleicht kennen Sie den Briefsteller und wissen, ob er Unterstützung verdient. In diesem Falle dürfte ich ihn Ihrer Berücksichtigung empfehlen. Aus diesem Grunde habe ich seinen Namen nicht ausgelöscht, den ich sonst aus Rücksicht [3] auf das in mich gesetzte, wiewohl seltsame Vertrauen verschweigen sollte. Ich müßte die Schätze des Krösus und die Freigebigkeit des Abul-Kasam besitzen, um solchen Zumuthungen Genüge zu leisten. Das Briefporto allein, wenn es oft wiederkäme, würde mich ruiniren. Wollten Sie, Herr Geheimerath, mir nicht die Gnade erzeigen, in Berlin das Gerücht zu verbreiten, ich sei ein Knicker, ein wahrer Filz, was man im Französischen einen Fesse-mathieu nennt; zudem stehe es sehr bedenklich mit meinen Finanzen, ich sei bereits genöthigt gewesen, meine kleine Vischnus einem Juden zu verpfänden, der mir eine beträchtliche Summe darauf geliehen, in der Hoffnung ich würde sie nicht wieder einlösen können, und solchergestalt werde dem greulichen Götzendienst ein Ende gemacht werden. In der That, ich begreife nicht, wie dieser ganz unhistorische Bonnische Mythus von meinen Reichthümern, um mit Hrn. Creuzer zu reden, sich bis in jene entfernten Gegenden hinüber gerankt hat. Die Wahrheit ist, daß ich wegen der Fortführung des Râmâyańa in großen Sorgen stehe, weil die bisherige Subscription noch nicht den dritten Theil der Kosten überträgt, und ich die oft erfahrene Großmuth einer Staatsbehörde, die für das Nähere und Nützlichere zu sorgen hat, nicht gern in Anspruch nehmen möchte.
Ich hoffe, Ew. Hochwohlgeboren haben die beiden Hefte meiner Indischen Bibliothek richtig [4] empfangen; in kurzem denke ich mit einem neuen aufzuwarten. Das erste Buch des Râmâyańa ist beinahe fertig gedruckt.
Ich bitte Ew. Hochwohlgeboren, meinem hohen Gönner, Hrn. Staatsminister von Altenstein den ehrerbietigsten Ausdruck meiner Dankbarkeit und Verehrung darzubringen. Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
A. W. v. Schlegel
Sie haben sich doch nicht durch den seligen Voß, der noch vom Grabe her hadert, überreden lassen, ich sei ein Aussendling der Jesuiten?
[1] Bonn d. 12ten Nov. [18]26
Hochzuverehrender Herr Geheimerath!
Ew. Hochwohlgeboren haben Bonn verlassen, ohne daß ich Gelegenheit hatte, Abschied von Ihnen zu nehmen, und Ihnen meinen lebhaftesten Dank für Ihren so freundschaftlichen und anregenden Zuspruch zu wiederholen. Sie waren in der Gesellschaft, wo wir zusammentrafen, in einem Gespräche begriffen, auf dessen Ende ich lange vergeblich wartete. Aber Jemand wollte Sie nicht loslassen:
Non missura cutem nisi plena cruoris hirudo.
Ich hatte gehofft, Sie in Berlin wiederzusehen: aber die Reise, wozu ich so viele Beweggründe habe, wurde mir für diesen Herbst durch meinen Hausbau unmöglich gemacht. Ich hänge leider noch an diesen irdischen Dingen, an einer bequem und artig eingerichteten Wohnung, und ohne meine beständige Aufsicht wäre nichts zu Stande gekommen. – Nun habe ich mir die Reise unverrücklich auf die nächsten Osterferien vorgenommen. Einstweilen halte ich ganz fleißig Vorlesungen. Im Sanskrit habe ich zwei fähige Schüler, in der Geschichte der Deutschen Sprache und Poesie eine mäßige Anzahl; in einer öffentlichen Vorlesung über die Deutsche Grammatik ist [2] unser größtes Auditorium überfüllt. Zuweilen wandelt mich hiebei ein Gelüst an, einmal wieder vor einem gebildeten Publicum mündliche Vorträge zu halten, wie ehemals in Berlin, als ich dort noch in Ecclesia pressa lebte, und nachher in Wien. Mir ist der Gedanke durch den Kopf geflogen, ob sich dieß nicht mit meiner Reise vereinigen ließe? Die Jahrszeit wäre wohl noch ziemlich günstig. Ich gäbe etwa in vier Wochen, wöchentlich dreimal, einen Überblick der Indischen Alterthumskunde und Litteratur; denn das möchte doch wohl die Wißbegierde und Neugier am lebhaftesten anregen. Ich erbitte mir Ew. Hochwohlgeboren wohlwollenden Rath hierüber. Freilich müßte schon im voraus alles in Richtigkeit gebracht seyn: die Subscription der theilnehmenden Herren und Damen, die Stunden, das Local u.s.w., damit ich sogleich nach meiner Ankunft zum Werke schreiten könnte, wie die französischen Falkeniere nach Hamlets Ausdruck. Hiebei würde mir Hr. Professor Lichtenstein gewiß gern behülflich seyn.
Die Einlage wird Ew. Hochwohlgeboren in Verwunderung setzen. Ich theile sie mit, in einer doppelten Absicht. Vielleicht kennen Sie den Briefsteller und wissen, ob er Unterstützung verdient. In diesem Falle dürfte ich ihn Ihrer Berücksichtigung empfehlen. Aus diesem Grunde habe ich seinen Namen nicht ausgelöscht, den ich sonst aus Rücksicht [3] auf das in mich gesetzte, wiewohl seltsame Vertrauen verschweigen sollte. Ich müßte die Schätze des Krösus und die Freigebigkeit des Abul-Kasam besitzen, um solchen Zumuthungen Genüge zu leisten. Das Briefporto allein, wenn es oft wiederkäme, würde mich ruiniren. Wollten Sie, Herr Geheimerath, mir nicht die Gnade erzeigen, in Berlin das Gerücht zu verbreiten, ich sei ein Knicker, ein wahrer Filz, was man im Französischen einen Fesse-mathieu nennt; zudem stehe es sehr bedenklich mit meinen Finanzen, ich sei bereits genöthigt gewesen, meine kleine Vischnus einem Juden zu verpfänden, der mir eine beträchtliche Summe darauf geliehen, in der Hoffnung ich würde sie nicht wieder einlösen können, und solchergestalt werde dem greulichen Götzendienst ein Ende gemacht werden. In der That, ich begreife nicht, wie dieser ganz unhistorische Bonnische Mythus von meinen Reichthümern, um mit Hrn. Creuzer zu reden, sich bis in jene entfernten Gegenden hinüber gerankt hat. Die Wahrheit ist, daß ich wegen der Fortführung des Râmâyańa in großen Sorgen stehe, weil die bisherige Subscription noch nicht den dritten Theil der Kosten überträgt, und ich die oft erfahrene Großmuth einer Staatsbehörde, die für das Nähere und Nützlichere zu sorgen hat, nicht gern in Anspruch nehmen möchte.
Ich hoffe, Ew. Hochwohlgeboren haben die beiden Hefte meiner Indischen Bibliothek richtig [4] empfangen; in kurzem denke ich mit einem neuen aufzuwarten. Das erste Buch des Râmâyańa ist beinahe fertig gedruckt.
Ich bitte Ew. Hochwohlgeboren, meinem hohen Gönner, Hrn. Staatsminister von Altenstein den ehrerbietigsten Ausdruck meiner Dankbarkeit und Verehrung darzubringen. Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichnetsten Hochachtung, womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster
A. W. v. Schlegel
Sie haben sich doch nicht durch den seligen Voß, der noch vom Grabe her hadert, überreden lassen, ich sei ein Aussendling der Jesuiten?
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