• August Wilhelm von Schlegel to Anne Louise Germaine de Staël-Holstein

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Unknown · Date: [vor dem 18. Oktober 1805]
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Anne Louise Germaine de Staël-Holstein
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [vor dem 18. Oktober 1805]
  • Notations: Datum erschlossen. Aus rechtlichen Gründen wird vorerst die deutsche Übersetzung angezeigt.
    Printed Text
  • Bibliography: Pange, Pauline de: August Wilhelm Schlegel und Frau von Staël. Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 107–109.
  • Incipit: „Ich sende Ihnen dies geliebte Bild als Friedensboten. Sie, die es darstellt, hat zu Lebzeiten nie gewußt, wie ich sie liebte. [...]“
    Language
  • German
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Ich sende Ihnen dies geliebte Bild als Friedensboten. Sie, die es darstellt, hat zu Lebzeiten nie gewußt, wie ich sie liebte. Aber wenn sie nach ihrem Tode unsichtbarer Zeuge meiner Tränen und meiner Verzweiflung gewesen ist, könnte sie Ihnen versichern, daß ich wirklich eine liebende Seele habe ... Damals meinte ich, der Rest meines Lebens würde schal bleiben, nur schmerzvoller Erinnerung, Vereinsamung und Unempfindlichkeit geweiht. Aber ich kann nun einmal dem Verlangen nach Liebe nicht widerstehen, und drei Jahre lang habe ich unter Sorgen und Mühen darum gebangt, ein Herz zu gewinnen und mir zu erhalten. Es gelang mir, eine leidenschaftliche Zuneigung zu erwecken, aber sie war – ach ! – nicht beständig genug. Nur Erinnerungen hielten mich fest; ich lebte in der süßen Hoffnung auf eine glückliche Zukunft und glaubte nichtsdestoweniger, daß das Gefühl, einem Menschen treu ergeben zu sein, genügen müsse, ein ganzes Leben auszufüllen. Endlich machte ich Ihre Bekanntschaft und glaubte aus dem Eindruck, den ich auf Sie machte und den ich so wenig verdiente, zum ersten Mal auf eine Gunst des Schicksals schließen zu dürfen. So schmeichelhaft und so verlockend auch die Aussicht war, die mir Ihre Güte eröffnete, so wissen Sie doch, wie ich lange zögerte, Ihr Anerbieten anzunehmen, um so mehr als ich mich manchmal des Verdachtes nicht erwehren konnte, daß Sie Ihre Anhänglichkeit doch ein wenig leicht nahmen.
Sie waren so unglücklich, und alles entschied sich in einem Augenblick, aber ach ! bald mußte ich erfahren, wie ich in Ihr Unglück mit hineingerissen wurde. Als Sie sich an mich wandten, waren Sie glücklich, obwohl Sie von dem Menschen, dem Ihre ganze Liebe galt, entfernt waren. Alles schien Ihnen leicht, und Sie waren für alles zugänglich. Wie sind Sie seitdem so ganz anders geworden! Zunächst gewann eine alte Neigung [zu Benjamin Constant], von deren Tiefe Sie nie zu mir gesprochen hatten, gerade durch die besonderen Umstände [Neckers Tod] wieder ihre Rechte und Herrschaft über Sie. Unter all Ihren Freunden war ich der einzige, der den Menschen, um den Sie trauerten, nicht gekannt hatte und der infolgedessen in Ihnen auch nicht Trost und Erinnerung an glücklichere Zeiten wachrufen und der nicht aus eigener Bekanntschaft mit ihm besänftigend zu Ihnen reden konnte. Sie wissen ganz genau, daß ich das verehrungsvolle Andenken an einen geliebten Menschen in jeder Weise achte, aber gerade diese Achtung verbot mir, nur oberflächlich mit Ihnen davon zu sprechen; vielmehr hörte ich schweigend alles an, was Sie mir hierüber sagten. Trotzdem glaubte ich, Ihre Gefühle nicht zu verletzen, wenn ich versuchte, Ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Arbeiten zu lenken, Sie durch interessante Gedankengänge zu zerstreuen, wie es mir auf der Reise von Berlin nach Weimar so gut gelungen war. Aber das wurde nun unmöglich. Wichtigere Angelegenheiten nahmen den größten Teil Ihrer Zeit in Anspruch, und die wenige Zeit, die übrig blieb, wurde von vielen lästigen Menschen auch noch geraubt. Gewiß fühlte ich mich oft sehr vereinsamt, da ich mein Vaterland und alle meine Freunde verlassen hatte und nun inmitten von Zerstreuungen, an die ich nicht gewöhnt war, nicht einmal für meine Arbeiten, die mir sehr am Herzen lagen, die nötige Zeit fand. Oft verbrachte ich meine Tage in einer sozusagen lärmenden Einsamkeit. Aber damit nicht genug; meine Beziehungen zur Gesellschaft stimmten Sie dauernd unzufrieden, sodaß auch noch die wenigen angenehmen Stunden, die hätten bleiben können, verloren gingen. Mögen Sie auch mein Benehmen abstoßend nennen – ich bin von Natur weich und friedliebend und keineswegs ein Freund heftiger Szenen, von denen ich mich immer nur schwer erholen kann. Aber die geradezu scheußlich gewordene Situation hat meine innere Haltung völlig verändert. Es ist wirklich wahr, alle in Ihrer Umgebung, Freunde und Gleichgültige, haben sich dauernd gegen mich verschworen, man will mich von Ihnen forttreiben, als sei ich ein Eindringling. Im eigentlichen Sinne des Wortes bin ich tatsächlich der zuletzt Gekommene und nun in Gefahr, es immer zu bleiben. Sie sind bei der Einordnung Ihrer Freunde zum Anciennitätsverhältnis zurückgekehrt; nur in der kurzen Zeit, da sie fern von Coppet waren, haben Sie es zu meinen Gunsten durchbrochen. Es ist mir ganz klar, bleibt dieser Zustand derselbe, dann ist mein Leben dahin. Wie ich mein Vaterland und meine Freunde verlassen habe, auch die inneren Beziehungen zu meinen Idealen und meine Fähigkeiten vernachlässigt habe, – so verläßt mich jetzt alles. Aber gerade die geringe Bedeutung, die ich allem, was ich will und tue, beimesse, läßt mich klar erkennen, daß man einem sowieso verfehlten Leben nicht zuviel Wert beimessen sollte: es hat schon allzu vollkommen seinen Zweck erfüllt, wenn es auch nur in den geringsten Kleinigkeiten sich in Ihren Dienst stellt, und so konnte ich auch nur einen Augenblick wirklich daran denken, meine Ketten zu zerbrechen. Sie beklagen sich darüber, daß zwei Seelen in mir vereinigt wären, und daß die eine der anderen gar nicht gleiche. Dasselbe könnte ich von Ihnen sagen. Die berühmte Frau, die unbedingt von jedem bewundert werden will, die siegreiche Rivalin aller, bedrückt mich und zerreißt mir das Herz; sie behandelt mich mit einer Herablassung, die ich von niemandem bis jetzt hingenommen habe. Wie kommen Sie zu dem Glauben, daß ich mich gegen diese Ihre Ansprüche zur Wehr setze? Ich erhebe für mich keine Forderung und wünsche nichts sehnlicher, als bei Ihnen in voller Zurückgezogenheit, die mir nur angenehm sein kann, leben zu dürfen, vorausgesetzt allerdings, daß ich in meinen doch wahrlich anspruchslosen Neigungen, meinen Studien, Betrachtungen und Freuden nicht immer wieder auf Widerstand stoße. Nehmen Sie doch das Gute in meinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Talenten für sich hin – es sei Ihr Eigentum, haben Sie aber Nachsicht mit dem, was Sie bei mir Verschrobenheit nennen. Lassen Sie mich doch jene andere Frau wiedersehen, die von der Welt verkannt oder zum wenigsten nicht genügend gekannt wird, deren wahres Wesen himmlische Güte, reine Zärtlichkeit, rührende Sorge für Ihre Freunde ist. Oft genug haben Sie ja erkennen können, wie allmächtig Sie auf mich wirken: mein Herz ist dann in Ihren Händen weich wie Wachs. Ich verspreche Ihnen, auf alles zu achten, was Ihnen bei mir mißfällt. Nennen Sie mir meine Fehler, ›aber schleudert sie mir nicht in die Zähnet‹. Reißen wir doch nicht immer alte Wunden auf, die noch bluten. Die Unterredung gestern abend muß unbedingt die letzte dieser Art sein, ich beschwöre Sie bei diesem Bilde, über dem ich so bittere Tränen vergossen habe.
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Ich sende Ihnen dies geliebte Bild als Friedensboten. Sie, die es darstellt, hat zu Lebzeiten nie gewußt, wie ich sie liebte. Aber wenn sie nach ihrem Tode unsichtbarer Zeuge meiner Tränen und meiner Verzweiflung gewesen ist, könnte sie Ihnen versichern, daß ich wirklich eine liebende Seele habe ... Damals meinte ich, der Rest meines Lebens würde schal bleiben, nur schmerzvoller Erinnerung, Vereinsamung und Unempfindlichkeit geweiht. Aber ich kann nun einmal dem Verlangen nach Liebe nicht widerstehen, und drei Jahre lang habe ich unter Sorgen und Mühen darum gebangt, ein Herz zu gewinnen und mir zu erhalten. Es gelang mir, eine leidenschaftliche Zuneigung zu erwecken, aber sie war – ach ! – nicht beständig genug. Nur Erinnerungen hielten mich fest; ich lebte in der süßen Hoffnung auf eine glückliche Zukunft und glaubte nichtsdestoweniger, daß das Gefühl, einem Menschen treu ergeben zu sein, genügen müsse, ein ganzes Leben auszufüllen. Endlich machte ich Ihre Bekanntschaft und glaubte aus dem Eindruck, den ich auf Sie machte und den ich so wenig verdiente, zum ersten Mal auf eine Gunst des Schicksals schließen zu dürfen. So schmeichelhaft und so verlockend auch die Aussicht war, die mir Ihre Güte eröffnete, so wissen Sie doch, wie ich lange zögerte, Ihr Anerbieten anzunehmen, um so mehr als ich mich manchmal des Verdachtes nicht erwehren konnte, daß Sie Ihre Anhänglichkeit doch ein wenig leicht nahmen.
Sie waren so unglücklich, und alles entschied sich in einem Augenblick, aber ach ! bald mußte ich erfahren, wie ich in Ihr Unglück mit hineingerissen wurde. Als Sie sich an mich wandten, waren Sie glücklich, obwohl Sie von dem Menschen, dem Ihre ganze Liebe galt, entfernt waren. Alles schien Ihnen leicht, und Sie waren für alles zugänglich. Wie sind Sie seitdem so ganz anders geworden! Zunächst gewann eine alte Neigung [zu Benjamin Constant], von deren Tiefe Sie nie zu mir gesprochen hatten, gerade durch die besonderen Umstände [Neckers Tod] wieder ihre Rechte und Herrschaft über Sie. Unter all Ihren Freunden war ich der einzige, der den Menschen, um den Sie trauerten, nicht gekannt hatte und der infolgedessen in Ihnen auch nicht Trost und Erinnerung an glücklichere Zeiten wachrufen und der nicht aus eigener Bekanntschaft mit ihm besänftigend zu Ihnen reden konnte. Sie wissen ganz genau, daß ich das verehrungsvolle Andenken an einen geliebten Menschen in jeder Weise achte, aber gerade diese Achtung verbot mir, nur oberflächlich mit Ihnen davon zu sprechen; vielmehr hörte ich schweigend alles an, was Sie mir hierüber sagten. Trotzdem glaubte ich, Ihre Gefühle nicht zu verletzen, wenn ich versuchte, Ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Arbeiten zu lenken, Sie durch interessante Gedankengänge zu zerstreuen, wie es mir auf der Reise von Berlin nach Weimar so gut gelungen war. Aber das wurde nun unmöglich. Wichtigere Angelegenheiten nahmen den größten Teil Ihrer Zeit in Anspruch, und die wenige Zeit, die übrig blieb, wurde von vielen lästigen Menschen auch noch geraubt. Gewiß fühlte ich mich oft sehr vereinsamt, da ich mein Vaterland und alle meine Freunde verlassen hatte und nun inmitten von Zerstreuungen, an die ich nicht gewöhnt war, nicht einmal für meine Arbeiten, die mir sehr am Herzen lagen, die nötige Zeit fand. Oft verbrachte ich meine Tage in einer sozusagen lärmenden Einsamkeit. Aber damit nicht genug; meine Beziehungen zur Gesellschaft stimmten Sie dauernd unzufrieden, sodaß auch noch die wenigen angenehmen Stunden, die hätten bleiben können, verloren gingen. Mögen Sie auch mein Benehmen abstoßend nennen – ich bin von Natur weich und friedliebend und keineswegs ein Freund heftiger Szenen, von denen ich mich immer nur schwer erholen kann. Aber die geradezu scheußlich gewordene Situation hat meine innere Haltung völlig verändert. Es ist wirklich wahr, alle in Ihrer Umgebung, Freunde und Gleichgültige, haben sich dauernd gegen mich verschworen, man will mich von Ihnen forttreiben, als sei ich ein Eindringling. Im eigentlichen Sinne des Wortes bin ich tatsächlich der zuletzt Gekommene und nun in Gefahr, es immer zu bleiben. Sie sind bei der Einordnung Ihrer Freunde zum Anciennitätsverhältnis zurückgekehrt; nur in der kurzen Zeit, da sie fern von Coppet waren, haben Sie es zu meinen Gunsten durchbrochen. Es ist mir ganz klar, bleibt dieser Zustand derselbe, dann ist mein Leben dahin. Wie ich mein Vaterland und meine Freunde verlassen habe, auch die inneren Beziehungen zu meinen Idealen und meine Fähigkeiten vernachlässigt habe, – so verläßt mich jetzt alles. Aber gerade die geringe Bedeutung, die ich allem, was ich will und tue, beimesse, läßt mich klar erkennen, daß man einem sowieso verfehlten Leben nicht zuviel Wert beimessen sollte: es hat schon allzu vollkommen seinen Zweck erfüllt, wenn es auch nur in den geringsten Kleinigkeiten sich in Ihren Dienst stellt, und so konnte ich auch nur einen Augenblick wirklich daran denken, meine Ketten zu zerbrechen. Sie beklagen sich darüber, daß zwei Seelen in mir vereinigt wären, und daß die eine der anderen gar nicht gleiche. Dasselbe könnte ich von Ihnen sagen. Die berühmte Frau, die unbedingt von jedem bewundert werden will, die siegreiche Rivalin aller, bedrückt mich und zerreißt mir das Herz; sie behandelt mich mit einer Herablassung, die ich von niemandem bis jetzt hingenommen habe. Wie kommen Sie zu dem Glauben, daß ich mich gegen diese Ihre Ansprüche zur Wehr setze? Ich erhebe für mich keine Forderung und wünsche nichts sehnlicher, als bei Ihnen in voller Zurückgezogenheit, die mir nur angenehm sein kann, leben zu dürfen, vorausgesetzt allerdings, daß ich in meinen doch wahrlich anspruchslosen Neigungen, meinen Studien, Betrachtungen und Freuden nicht immer wieder auf Widerstand stoße. Nehmen Sie doch das Gute in meinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Talenten für sich hin – es sei Ihr Eigentum, haben Sie aber Nachsicht mit dem, was Sie bei mir Verschrobenheit nennen. Lassen Sie mich doch jene andere Frau wiedersehen, die von der Welt verkannt oder zum wenigsten nicht genügend gekannt wird, deren wahres Wesen himmlische Güte, reine Zärtlichkeit, rührende Sorge für Ihre Freunde ist. Oft genug haben Sie ja erkennen können, wie allmächtig Sie auf mich wirken: mein Herz ist dann in Ihren Händen weich wie Wachs. Ich verspreche Ihnen, auf alles zu achten, was Ihnen bei mir mißfällt. Nennen Sie mir meine Fehler, ›aber schleudert sie mir nicht in die Zähnet‹. Reißen wir doch nicht immer alte Wunden auf, die noch bluten. Die Unterredung gestern abend muß unbedingt die letzte dieser Art sein, ich beschwöre Sie bei diesem Bilde, über dem ich so bittere Tränen vergossen habe.
· Original , [vor dem 18. Oktober 1805]
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 151‒153.
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