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Juni [1809]<br>Liebe Freundin!<br>Je heftiger und unerträglicher Ihre Qualen sind, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß sie nicht andauern können. Ich hätte Ihnen nicht geraten, auf einen so fernliegenden Erklärungstermin zu dringen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß diese Frau [Constant] bei all ihren heuchlerischen Manieren, die an schlechte Romane erinnern, sich wirklich ehrlich unterwerfen will. Dann aber bringt das doch alles nur wieder neue Falschheiten und Aufregungen mit sich. Auch die Aussicht, Herrn C[onstant] in Ihrer Begleitung wiederkommen zu sehen, bedeutet für mich wirklich keine Freude. Das geringste Übel dabei wäre, daß seine Gegenwart Sie mit all ihren übrigen Freunden entzweite. Aber jede Zeit, die Sie noch mit ihm verbringen, ist doch für Ihre eigentliche Bestimmung verloren, sie hält die Rückkehr Ihres Glücks oder wenigstens Ihrer Ruhe auf, aber vor allem hindert sie Sie, zu vergessen und Ihr eigentliches hervorragendes Talent zu betätigen. Ich weiß, es gibt Operationen, die so heftige Schmerzen verursachen, daß man sie nicht auf einmal ausführen kann, aber wenn man sie unterbricht und dann aufs neue beginnt, werden die Schmerzen, die der Patient ertragen muß, insgesamt umso größer. Es wäre zu wünschen, daß irgendeine äußere Unmöglichkeit Sie hinderte, ihn je wiederzusehen, denn solange es sich nur um moralische Schwierigkeiten handelt, werden sich die gleichen peinlichen Kämpfe immer wieder erneuern.<br>Ich würde Ihren letzten Brief als Befehl, sofort abzureisen, aufgefaßt haben, wenn Sie mich nicht auf die Ankunft Sismondis verwiesen hätten. Ich halte mich also bereit und erwarte Ihren endgültigen Bescheid. Wenn Sie am 1. Juli zurück sein wollen und ich am 22. von hier abfahre, so macht das nur zehn Tage, dabei sind noch Hin- und Rückreise eingeschlossen. So wäre ich also kaum ein paar Tage mit Ihnen allein. Warum wollen Sie durchaus annehmen, daß nur Freude am Vergnügen und nicht Interesse für Sie mich dorthin [nach Lyon] lockt? Ich bin viel zu unruhig, um an etwas anderem Vergnügen zu finden, als an einer einzigen Art von Lektüre, – die Sie leicht erraten können, die ich mir aber nicht immer leicht verschaffen kann.<br>Sie schreiben nichts davon, ob Herr de Montm[orency] schon angekommen ist. Ich hoffe das sehr, alles übrige ist mir unwichtig.<br>Ich vergaß Ihnen mitzuteilen, daß Herr Cellérier mit Alb[ert] recht zufrieden ist; nur findet er seine schriftlichen Arbeiten nicht klar und eindeutig genug. Doch sein letzter Aufsatz war schon besser.<br>Ich wohne so weit von Herrn de Bar[ante], daß ich mich wohl von der Pflicht, ihm Besuche zu machen, für entbunden halten kann. Doch bei meiner nächsten Anwesenheit in der Stadt werde ich ihn besuchen, wenn ich Zeit dazu habe. Ich finde, daß das Unglück, das über ihn gekommen ist, diesmal nicht wahllos getroffen hat: es ist nur gerecht, daß die Makler die Natur des Marktes kennenlernen, auf dem sie ihre Kunden handeln lassen. <br>Ihre Mahnung betreffs der Bedienten zeigt mir wieder einmal klar, daß Ihre alten Vorurteile gegen mich unausrottbar sind. Beunruhigen Sie sich doch nicht; sie legen sich meinetwegen ebenso wenig Zwang auf, wie sie es Ihretwegen tun, wenn Sie da sind. Swifts Äußerung kann sicher sehr oft angewandt werden, aber für gewöhnlich sind die Bedienten weder bedauernswerte Unglückliche noch unsere Freunde.<br>Das Schweizer Blatt gibt nicht mehr Einzelheiten über Schills Tod, als Sie in den französischen Blättern gelesen haben. Sein Wagemut wird ihn ins Verderben gezogen haben. Statt sich einzuschiffen, hat er sich anscheinend gegen eine vierfache Übermacht schlagen wollen. Er ist wohl dem Druck der Holländer und Dänen erlegen. Ich fürchte, die Saat dieses Mannes wird nach seinem Tode vielfältig aufgehen. Nordische Blätter berichten, daß dreitausend Mann aus Königsberg unter Trommelklang und mit fliegenden Fahnen desertiert sind. Die Tiroler überfluten mit den Österreichern, die sich ins Gebirge zurückgezogen hatten, wieder Südbayern. Alle französischen und bayerischen Truppen scheinen sich um Augsburg und München zusammengezogen zu haben. Der Einzug eines feindlichen Korps in Dresden hat sich nicht bestätigt.<br>Schelling ließ mir einen Band <span class="slant-italic ">Philosophische Schriften </span>zukommen; die einzige, die darin neu ist, richtet sich zum Teil gegen Friedrich; und zwar stützt sie sich, soweit ich beim Durchblättern feststellen konnte, nur auf äußerliche Gesichtspunkte; aber sie ist im Grunde recht übelwollend. Fr[iedrich] wird sicher einmal Muße finden, darauf zu antworten. Diese ganze Philosophie ist innerlich hohl. Gestern kam nichts für Sie an, weder aus Frankreich, noch aus der Schweiz.<br>Leben Sie wohl, liebe Freundin. Dienstag fahre ich zu Herrn Sismondi nach Genf und lasse mir von ihm Ihre Entscheidung sagen, und dann treffe ich sofort meine Reisevorbereitungen.<br>Hoffentlich haben Sie alle meine Briefe erhalten; ich schrieb auch an August. 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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18. Juni [1809]
Liebe Freundin!
Je heftiger und unerträglicher Ihre Qualen sind, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß sie nicht andauern können. Ich hätte Ihnen nicht geraten, auf einen so fernliegenden Erklärungstermin zu dringen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß diese Frau [Constant] bei all ihren heuchlerischen Manieren, die an schlechte Romane erinnern, sich wirklich ehrlich unterwerfen will. Dann aber bringt das doch alles nur wieder neue Falschheiten und Aufregungen mit sich. Auch die Aussicht, Herrn C[onstant] in Ihrer Begleitung wiederkommen zu sehen, bedeutet für mich wirklich keine Freude. Das geringste Übel dabei wäre, daß seine Gegenwart Sie mit all ihren übrigen Freunden entzweite. Aber jede Zeit, die Sie noch mit ihm verbringen, ist doch für Ihre eigentliche Bestimmung verloren, sie hält die Rückkehr Ihres Glücks oder wenigstens Ihrer Ruhe auf, aber vor allem hindert sie Sie, zu vergessen und Ihr eigentliches hervorragendes Talent zu betätigen. Ich weiß, es gibt Operationen, die so heftige Schmerzen verursachen, daß man sie nicht auf einmal ausführen kann, aber wenn man sie unterbricht und dann aufs neue beginnt, werden die Schmerzen, die der Patient ertragen muß, insgesamt umso größer. Es wäre zu wünschen, daß irgendeine äußere Unmöglichkeit Sie hinderte, ihn je wiederzusehen, denn solange es sich nur um moralische Schwierigkeiten handelt, werden sich die gleichen peinlichen Kämpfe immer wieder erneuern.
Ich würde Ihren letzten Brief als Befehl, sofort abzureisen, aufgefaßt haben, wenn Sie mich nicht auf die Ankunft Sismondis verwiesen hätten. Ich halte mich also bereit und erwarte Ihren endgültigen Bescheid. Wenn Sie am 1. Juli zurück sein wollen und ich am 22. von hier abfahre, so macht das nur zehn Tage, dabei sind noch Hin- und Rückreise eingeschlossen. So wäre ich also kaum ein paar Tage mit Ihnen allein. Warum wollen Sie durchaus annehmen, daß nur Freude am Vergnügen und nicht Interesse für Sie mich dorthin [nach Lyon] lockt? Ich bin viel zu unruhig, um an etwas anderem Vergnügen zu finden, als an einer einzigen Art von Lektüre, – die Sie leicht erraten können, die ich mir aber nicht immer leicht verschaffen kann.
Sie schreiben nichts davon, ob Herr de Montm[orency] schon angekommen ist. Ich hoffe das sehr, alles übrige ist mir unwichtig.
Ich vergaß Ihnen mitzuteilen, daß Herr Cellérier mit Alb[ert] recht zufrieden ist; nur findet er seine schriftlichen Arbeiten nicht klar und eindeutig genug. Doch sein letzter Aufsatz war schon besser.
Ich wohne so weit von Herrn de Bar[ante], daß ich mich wohl von der Pflicht, ihm Besuche zu machen, für entbunden halten kann. Doch bei meiner nächsten Anwesenheit in der Stadt werde ich ihn besuchen, wenn ich Zeit dazu habe. Ich finde, daß das Unglück, das über ihn gekommen ist, diesmal nicht wahllos getroffen hat: es ist nur gerecht, daß die Makler die Natur des Marktes kennenlernen, auf dem sie ihre Kunden handeln lassen.
Ihre Mahnung betreffs der Bedienten zeigt mir wieder einmal klar, daß Ihre alten Vorurteile gegen mich unausrottbar sind. Beunruhigen Sie sich doch nicht; sie legen sich meinetwegen ebenso wenig Zwang auf, wie sie es Ihretwegen tun, wenn Sie da sind. Swifts Äußerung kann sicher sehr oft angewandt werden, aber für gewöhnlich sind die Bedienten weder bedauernswerte Unglückliche noch unsere Freunde.
Das Schweizer Blatt gibt nicht mehr Einzelheiten über Schills Tod, als Sie in den französischen Blättern gelesen haben. Sein Wagemut wird ihn ins Verderben gezogen haben. Statt sich einzuschiffen, hat er sich anscheinend gegen eine vierfache Übermacht schlagen wollen. Er ist wohl dem Druck der Holländer und Dänen erlegen. Ich fürchte, die Saat dieses Mannes wird nach seinem Tode vielfältig aufgehen. Nordische Blätter berichten, daß dreitausend Mann aus Königsberg unter Trommelklang und mit fliegenden Fahnen desertiert sind. Die Tiroler überfluten mit den Österreichern, die sich ins Gebirge zurückgezogen hatten, wieder Südbayern. Alle französischen und bayerischen Truppen scheinen sich um Augsburg und München zusammengezogen zu haben. Der Einzug eines feindlichen Korps in Dresden hat sich nicht bestätigt.
Schelling ließ mir einen Band Philosophische Schriften zukommen; die einzige, die darin neu ist, richtet sich zum Teil gegen Friedrich; und zwar stützt sie sich, soweit ich beim Durchblättern feststellen konnte, nur auf äußerliche Gesichtspunkte; aber sie ist im Grunde recht übelwollend. Fr[iedrich] wird sicher einmal Muße finden, darauf zu antworten. Diese ganze Philosophie ist innerlich hohl. Gestern kam nichts für Sie an, weder aus Frankreich, noch aus der Schweiz.
Leben Sie wohl, liebe Freundin. Dienstag fahre ich zu Herrn Sismondi nach Genf und lasse mir von ihm Ihre Entscheidung sagen, und dann treffe ich sofort meine Reisevorbereitungen.
Hoffentlich haben Sie alle meine Briefe erhalten; ich schrieb auch an August. Sie wissen nicht, wie sehr ich Ihnen ergeben bin, und Sie wollen es auch gar nicht wissen.
Liebe Freundin!
Je heftiger und unerträglicher Ihre Qualen sind, desto mehr bin ich davon überzeugt, daß sie nicht andauern können. Ich hätte Ihnen nicht geraten, auf einen so fernliegenden Erklärungstermin zu dringen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß diese Frau [Constant] bei all ihren heuchlerischen Manieren, die an schlechte Romane erinnern, sich wirklich ehrlich unterwerfen will. Dann aber bringt das doch alles nur wieder neue Falschheiten und Aufregungen mit sich. Auch die Aussicht, Herrn C[onstant] in Ihrer Begleitung wiederkommen zu sehen, bedeutet für mich wirklich keine Freude. Das geringste Übel dabei wäre, daß seine Gegenwart Sie mit all ihren übrigen Freunden entzweite. Aber jede Zeit, die Sie noch mit ihm verbringen, ist doch für Ihre eigentliche Bestimmung verloren, sie hält die Rückkehr Ihres Glücks oder wenigstens Ihrer Ruhe auf, aber vor allem hindert sie Sie, zu vergessen und Ihr eigentliches hervorragendes Talent zu betätigen. Ich weiß, es gibt Operationen, die so heftige Schmerzen verursachen, daß man sie nicht auf einmal ausführen kann, aber wenn man sie unterbricht und dann aufs neue beginnt, werden die Schmerzen, die der Patient ertragen muß, insgesamt umso größer. Es wäre zu wünschen, daß irgendeine äußere Unmöglichkeit Sie hinderte, ihn je wiederzusehen, denn solange es sich nur um moralische Schwierigkeiten handelt, werden sich die gleichen peinlichen Kämpfe immer wieder erneuern.
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Sie schreiben nichts davon, ob Herr de Montm[orency] schon angekommen ist. Ich hoffe das sehr, alles übrige ist mir unwichtig.
Ich vergaß Ihnen mitzuteilen, daß Herr Cellérier mit Alb[ert] recht zufrieden ist; nur findet er seine schriftlichen Arbeiten nicht klar und eindeutig genug. Doch sein letzter Aufsatz war schon besser.
Ich wohne so weit von Herrn de Bar[ante], daß ich mich wohl von der Pflicht, ihm Besuche zu machen, für entbunden halten kann. Doch bei meiner nächsten Anwesenheit in der Stadt werde ich ihn besuchen, wenn ich Zeit dazu habe. Ich finde, daß das Unglück, das über ihn gekommen ist, diesmal nicht wahllos getroffen hat: es ist nur gerecht, daß die Makler die Natur des Marktes kennenlernen, auf dem sie ihre Kunden handeln lassen.
Ihre Mahnung betreffs der Bedienten zeigt mir wieder einmal klar, daß Ihre alten Vorurteile gegen mich unausrottbar sind. Beunruhigen Sie sich doch nicht; sie legen sich meinetwegen ebenso wenig Zwang auf, wie sie es Ihretwegen tun, wenn Sie da sind. Swifts Äußerung kann sicher sehr oft angewandt werden, aber für gewöhnlich sind die Bedienten weder bedauernswerte Unglückliche noch unsere Freunde.
Das Schweizer Blatt gibt nicht mehr Einzelheiten über Schills Tod, als Sie in den französischen Blättern gelesen haben. Sein Wagemut wird ihn ins Verderben gezogen haben. Statt sich einzuschiffen, hat er sich anscheinend gegen eine vierfache Übermacht schlagen wollen. Er ist wohl dem Druck der Holländer und Dänen erlegen. Ich fürchte, die Saat dieses Mannes wird nach seinem Tode vielfältig aufgehen. Nordische Blätter berichten, daß dreitausend Mann aus Königsberg unter Trommelklang und mit fliegenden Fahnen desertiert sind. Die Tiroler überfluten mit den Österreichern, die sich ins Gebirge zurückgezogen hatten, wieder Südbayern. Alle französischen und bayerischen Truppen scheinen sich um Augsburg und München zusammengezogen zu haben. Der Einzug eines feindlichen Korps in Dresden hat sich nicht bestätigt.
Schelling ließ mir einen Band Philosophische Schriften zukommen; die einzige, die darin neu ist, richtet sich zum Teil gegen Friedrich; und zwar stützt sie sich, soweit ich beim Durchblättern feststellen konnte, nur auf äußerliche Gesichtspunkte; aber sie ist im Grunde recht übelwollend. Fr[iedrich] wird sicher einmal Muße finden, darauf zu antworten. Diese ganze Philosophie ist innerlich hohl. Gestern kam nichts für Sie an, weder aus Frankreich, noch aus der Schweiz.
Leben Sie wohl, liebe Freundin. Dienstag fahre ich zu Herrn Sismondi nach Genf und lasse mir von ihm Ihre Entscheidung sagen, und dann treffe ich sofort meine Reisevorbereitungen.
Hoffentlich haben Sie alle meine Briefe erhalten; ich schrieb auch an August. Sie wissen nicht, wie sehr ich Ihnen ergeben bin, und Sie wollen es auch gar nicht wissen.
· Original , 18.06.1809
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 247‒249.
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 247‒249.