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Januar [1812] <br>Es scheint nach Ihren Briefen nicht, daß Sie vorgestern an mich gedacht haben – es war ein sehr trauriger Gedenktag für mich. Ich habe viel geweint und war sehr traurig, keine Kirche offen zu finden, wo ich still für mich hätte sein können.<br>Ich würde mich nicht auf Friedensgerüchte verlassen. Die außerordentliche Höhe des russischen Wechselkurses scheint mir entscheidend zu sein. Sie kann nur auf erhöhte Anspannung des Handels zurückgehen. Gestern traf ich die Schwägerin des Danziger Bürgermeisters Hufeland. Sie sagte mir, ihre Schwester schriebe ihr immer, dort sehe alles nach Krieg aus, die Stadt sei voller Truppen und dadurch sei das Amt des Herrn Hufe[land] so beschwerlich geworden, daß nur die Liebe zu seinen Landsleuten ihn seit einiger Zeit immer wieder daran gehindert habe, zurückzutreten. 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Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. Zürich u.a. 1930, S. 121, 138. 138-139.@ extern@Hofmann, Etienne „Staël, Germaine de“, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F16051.php@ Wikipedia@http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Louise_Germaine_de_Sta%C3%ABl@', '39_beziehung' => 'AWS machte gegen Ende des Jahres 1804 in Berlin die persönliche Bekanntschaft mit Germaine de Staël-Holstein. Als Hauslehrer ihrer Kinder gehörte er zum Coppeter Zirkel. Er begleitete Mme de Staël-Holstein auf ihren zahlreichen Reisen und war auch als ihr Berater im Hinblick auf die deutsche Literatur tätig; sein wichtiger Anteil an ihrem bedeutendsten Werk „De LʼAllemagne“ (1810) ist heute unbestritten. Auch Friedrich von Schlegel gehörte zu den zahlreichen Gästen auf Schloss Coppet. In Zeiten des politischen Umbruches begleitete AWS die Familie de Staël-Holstein durch Europa. Den Kindern Mme de Staël-Holsteins blieb AWS auch nach ihrem Tod verbunden. 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. 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Bern, den 23. Januar [1812]
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Ich würde mich nicht auf Friedensgerüchte verlassen. Die außerordentliche Höhe des russischen Wechselkurses scheint mir entscheidend zu sein. Sie kann nur auf erhöhte Anspannung des Handels zurückgehen. Gestern traf ich die Schwägerin des Danziger Bürgermeisters Hufeland. Sie sagte mir, ihre Schwester schriebe ihr immer, dort sehe alles nach Krieg aus, die Stadt sei voller Truppen und dadurch sei das Amt des Herrn Hufe[land] so beschwerlich geworden, daß nur die Liebe zu seinen Landsleuten ihn seit einiger Zeit immer wieder daran gehindert habe, zurückzutreten. Wenn die Rüstungen auf beiden Seiten so weit getrieben sind, muß es einmal zur Entladung kommen, aber niemand weiß, wann.
In der deutschen Zeitung werden Sie gelesen haben, daß der größte Teil der Schweizer Regimenter sich in Wesel sammeln soll.
Man behauptet, das gelbe Fieber richte in Spanien gewaltige Verwüstungen an.
Herr und Frau von Falk haben mich höflich empfangen, aber ich warte eine Einladung ab, ehe ich wieder in ihr Haus gehe. Herr von Falk hat sich interessiert über Ihren Prozeß berichten lassen. Herr und Frau von Watt[enwyl] haben mir nichts Interessantes mitgeteilt. Ich bin immer bei den offiziellen Abendgesellschaften, die Herr Fr[eudenreich] gibt, zugegen, aber Sie wissen sehr wohl, daß nichts so leer ist, wie die große Welt im Kleinen. Herr Fellenberg kam in die Stadt, um mit mir über seine Pläne und die Ratschläge zu plaudern, die ich einem seiner Lehrer gegeben habe. – Er hat mich dringend eingeladen, nach Hofwyl zu kommen. Wie es scheint, ist er ein feiner, beweglicher Geist, der es versteht, seine Unternehmungen unter Gesichtspunkten darzustellen, die jeden interessieren müssen.
Das einzige Mittel für Sie, sich eine richtige Ansicht von Camoëns zu bilden, ist, sich eine italienische Übersetzung zu verschaffen. Es gibt sehr gute im Versmaß des Urtextes. Aber ich bezweifle, daß eine solche in Genf zu haben ist. Wenn ich mich nicht irre, gibt es auch eine gute englische Übersetzung in Versen. – Ich glaube nicht, daß, wenn man schon daran gehen will, seine eigene Jugendgeschichte zu schreiben, man das anders machen kann, als es Goethe getan hat. Welcher Mensch kann denn auf Trophäen von Schlangen hinweisen, die er in der Wiege erwürgte? Die Kindheit des Herkules und die des Merkur (der noch am Tage seiner Geburt sich heimlich aus seinen Windeln herauswickelte, um Rinder zu stehlen, und der dann die Leier erfand und sofort mit einer Improvisation über die heimliche Liebe seiner Eltern begann) sind von anderen besungen worden. In ihrem eigenen Munde würde sich eine so großsprecherische Erzählung nicht schön ausnehmen. Es ist natürlich interessant zu sehen, wie aus einem zarten Reis eine majestätische Eiche erwächst. Viele kleine Züge halte ich für sehr charakteristisch: Die Töpfe, die er auf die Straße wirft, um sich an dem Lärm zu freuen, den sie machen, bedeuten nichts anderes als den Krieg gegen alle gesellschaftlichen Vorurteile im Werther. Das Pfeifergericht und die Beschreibung der Krönung lassen mich schon seinen Götz von Berlichingen ahnen. Die Art und Weise, wie er den Siebenjährigen Krieg sieht, zeigt schon die gefühlsmäßigen Zweifel, die er auf dem Felde der Politik immer bekundete, und so geht es weiter. Zum mindesten werden Sie nicht sagen können, ich hätte eine zu hohe Erwartung von diesem Buch in Ihnen erweckt.
Sehr erfreut bin ich darüber, was Sie mir über die neue Übersetzung meiner Vorlesungen sagen. – Ich erwartete es so. Haben Sie das Manuskript aus Paris wieder zurückkommen lassen?
Liebe Freundin! Einen Teil Ihres letzten Briefes, der mir voll seltsamster Ungerechtigkeiten zu sein scheint, und der nur lange Gegenbeschuldigungen nach sich ziehen würde, übergehe ich mit Stillschweigen. Ich erschwere nichts und habe nie etwas erschwert, aber ich kenne Frauen, die sich selber das Leben schwer machen.
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Ich würde mich nicht auf Friedensgerüchte verlassen. Die außerordentliche Höhe des russischen Wechselkurses scheint mir entscheidend zu sein. Sie kann nur auf erhöhte Anspannung des Handels zurückgehen. Gestern traf ich die Schwägerin des Danziger Bürgermeisters Hufeland. Sie sagte mir, ihre Schwester schriebe ihr immer, dort sehe alles nach Krieg aus, die Stadt sei voller Truppen und dadurch sei das Amt des Herrn Hufe[land] so beschwerlich geworden, daß nur die Liebe zu seinen Landsleuten ihn seit einiger Zeit immer wieder daran gehindert habe, zurückzutreten. Wenn die Rüstungen auf beiden Seiten so weit getrieben sind, muß es einmal zur Entladung kommen, aber niemand weiß, wann.
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Sehr erfreut bin ich darüber, was Sie mir über die neue Übersetzung meiner Vorlesungen sagen. – Ich erwartete es so. Haben Sie das Manuskript aus Paris wieder zurückkommen lassen?
Liebe Freundin! Einen Teil Ihres letzten Briefes, der mir voll seltsamster Ungerechtigkeiten zu sein scheint, und der nur lange Gegenbeschuldigungen nach sich ziehen würde, übergehe ich mit Stillschweigen. Ich erschwere nichts und habe nie etwas erschwert, aber ich kenne Frauen, die sich selber das Leben schwer machen.
· Original , 23.01.1812
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 351‒352.
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 351‒352.