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$viewFile = '/var/www/awschlegel/version-04-20/app/View/Letters/view.ctp' $dataForView = array( 'html' => 'Hannover, den 28. Februar<br>Liebe Freundin!<br>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. Glücklicherweise konnte ich hier einen ausgezeichneten Arzt bekommen und hatte bei meinem Bruder aufmerksamste Pflege. Endlich erhole ich mich jetzt etwas; seit einiger Zeit habe ich das Bett verlassen, aber meine Kräfte wollen nur allmählich wiederkommen, der Husten quält mich weiter, und der Arzt erlaubt mir noch nicht, bei dieser strengen Kälte an die Luft zu gehen.<br>Am 31. Januar bin ich hier angekommen; ich hatte den Kr[on]pr[inzen] auf dem Wege von Lübeck überholt; um hier einige Tage für Geselligkeit und Arbeit zu gewinnen, fuhr ich Tag und Nacht im Postwagen; das scheußliche Wetter, das während meiner Reise herrschte, brachte die Krankheit, die schon in mir steckte, zum Ausbruch. Kaum war ich angekommen, da wurde ich krank, und nach einem mißglückten Versuch auszugehen und zu tun, als ob ich ganz gesund wäre, brach ich vollkommen zusammen.<br>Ich habe Herrn Constant gebeten, Ihnen gegenüber meine Erkrankung als ein leichtes Unwohlsein hinzustellen, damit Sie sich einerseits nicht beunruhigten und andrerseits über mein Schweigen nicht böse wären.<br>So habe ich denn nun einen Monat verloren und schreiben bedeutet für mich noch eine große Arbeit. Ich hoffe, daß Sie alles, was ich Ihnen aus Kiel sandte, empfangen haben. Ich schickte an Sie ein dickes Paket, und wie ich glaube, mehrere Briefe durch den Kabinettskurier; einen gab ich dem Marquis de l[a] M[aisonfort] mit und zwei dem Grafen von Bouillé.<br>In den ersten Februartagen habe ich hier Ihren Brief vom 17. Januar durch Löwenhjelm erhalten. Er hätte mich gut besuchen können, um mir mündlich von Ihnen zu erzählen, aber er wird zu beschäftigt gewesen sein. Auf diesen Brief will ich Ihnen jetzt antworten. Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.<br>Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.<br>Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.<br>Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.<br>Das Hauptqu[artier] sollte bis zum 26. Februar in Köln sein; am 22. habe ich eine Stafette dorthin mit einem gewaltigen Paket von Drucksachen geschickt, die ich, so gut ich konnte, trotz meiner Krankheit zusammengetragen habe. Aber ich kann von dort keine Nachrichten bekommen, weil man annimmt, daß ich nicht mehr in Hannover bin. Meine <span class="slant-italic ">Abgefangenen Depeschen</span> sind soeben hier erschienen. Ich bin über das Schicksal der Kopie, die ich August durch den Kabinettskurier übersandte, beunruhigt. Sie war am 17. Januar noch nicht in London angekommen, ist aber von Kiel schon Anfang des Jahres abgegangen. Auch bin ich neugierig, wie Sie meine Vorrede beurteilen. Im allgemeinen hat sie großen Erfolg und mein Beschützer war von ihr wirklich begeistert.<br>Stellen Sie sich vor, daß ich immer noch nicht Ihr Werk in Händen habe, während die Nachdrucke und Übersetzungen, die davon in Deutschland erscheinen sollen, schon ganz weit vorgeschritten sind. Wenn ich zum Schelten und Klagen aufgelegt wäre, hätte ich wirklich allen Grund dazu, denn in Himmels Namen, was haben Sie mit den Exemplaren gemacht, die für uns bestimmt waren? Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.<br>Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. 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Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.<br>Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.<br>An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der <span class="slant-italic ">Abgefangenen Depeschen</span>, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. 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März<br>Liebe Freundin!<br>Ich hätte Ihnen noch sehr viel zu sagen, aber da das Dinge sind, die nur uns angehen, so möchte ich sie Ihnen lieber bei einer anderen Gelegenheit mitteilen, weil ich nicht weiß, welchen Zufällen dieser Brief ausgesetzt ist. So spare ich mir u. a. das auf, was ich Ihnen über Graf W[olf] B[audissin] zu sagen hätte; er ist wirklich ein sehr anständiger und vornehmer Charakter. <br>Der Herzog von Cambridge hat mich sehr freundlich aufgenommen und besonders interessiert über Sie mit mir geredet.<br>Ich rechne darauf, in vier oder fünf Tagen fahren zu können. Alles ist noch voll Schnee.<br>Die Dinge in Frankreich ziehen sich etwas in die Länge. Die Heere sind ein wenig zurückgenommen worden, aber ohne wesentliche Rückschläge. 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Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.<br>Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.<br>An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der <span class="slant-italic ">Abgefangenen Depeschen</span>, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. Ich werde also bei einem hiesigen Kaufmann einen Wechsel über 50 Pfund Sterling auf August ausstellen und meiner Tratte einen ausdrücklichen Ankündigungsbrief beigeben, und ich bitte Sie inständig, ihn in jedem Fall zu honorieren, selbst wenn Sie infolge eines wenig wahrscheinlichen Zufalls kein Geld für mich in Händen haben sollten.<br>Ich bin im Besitz der Kopie des Wechsels über 400 Pfund Sterling; wenn das Original verloren gegangen ist, würde ich sie sofort abschicken, aber ich würde ihn mit Ihrem Namen endossieren, für den Fall, daß August schon abgereist ist.<br>Ich bat August, Ihnen die 100 Louisdor zurückzugeben, die ich auf Ihren Kreditbrief entnommen habe. Ich schulde Ihnen noch die Rechnung über Alberts Angelegenheiten – es fehlen mir aber immer noch 30 Louisdor, zahlbar in Stralsund – wenigstens habe ich noch nicht die Nachricht vom Kaufmann.<br>8. März<br>Liebe Freundin!<br>Ich hätte Ihnen noch sehr viel zu sagen, aber da das Dinge sind, die nur uns angehen, so möchte ich sie Ihnen lieber bei einer anderen Gelegenheit mitteilen, weil ich nicht weiß, welchen Zufällen dieser Brief ausgesetzt ist. So spare ich mir u. a. das auf, was ich Ihnen über Graf W[olf] B[audissin] zu sagen hätte; er ist wirklich ein sehr anständiger und vornehmer Charakter. <br>Der Herzog von Cambridge hat mich sehr freundlich aufgenommen und besonders interessiert über Sie mit mir geredet.<br>Ich rechne darauf, in vier oder fünf Tagen fahren zu können. Alles ist noch voll Schnee.<br>Die Dinge in Frankreich ziehen sich etwas in die Länge. Die Heere sind ein wenig zurückgenommen worden, aber ohne wesentliche Rückschläge. An sich ist es gut, daß man sieht, wie schwierig das Problem zu lösen und daß dazu ein <span class="slant-italic ">Deus ex machina </span>nötig ist.<br>Albertine gegenüber fühle ich mich wegen meines Schweigens so schuldig, daß ich nicht weiß, wie ich mich entschuldigen soll. Um ihr einen Brief zu schreiben, der ihrer und meiner würdig ist, müßte ich den schönsten meines ganzen Lebens verfassen; ich trage ihn schon lange in meinem Kopf mit mir herum.<br>Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ungeduldig ich Nachrichten von Ihnen erwarte. Ich rechne darauf, Briefe im Hauptqu[artier] vorzufinden.<br>Leben Sie wohl, liebe Freundin! Wann werden wir die Freude haben, miteinander zu plaudern? Dann werden wir hoffentlich lange zusammensein – nur Dinge, die von langer Dauer sind, sind etwas wert.<br>Überstürzen Sie Ihre Abreise aus England nicht. Erst muß das Chaos auf dem Kontinent in Ordnung gebracht sein, bevor Sie dort leben können, wie Sie es sich vorstellen. Tausend Grüße!<br>Bei uns regnet es politische Broschüren; u. a. heftige gegen den Rhein als Grenze; auf den Rheinbrücken verkauft man Lieder und andere satirische Gesänge für das Volk. Man singt zum Leierkasten sehr komische Lieder über die Niederlagen Bonapartes. Das zieht immer bei den Leuten auf der Straße.<br>Es erscheinen ebensoviele Karikaturen wie in London – es sind unsere ersten Versuche auf diesem Gebiet. Einige von ihnen würden, wie ich glaube, auch in England durchschlagen. Ich werde Ihnen ein Paket schicken. Auf der anderen Seite erheben sich hier auch ziemlich laute Stimmen gegen unsere kleinen Tyrannen und die Widerrechtlichkeiten des Rheinbundes.', '36_xml' => '<p>Hannover, den 28. Februar<lb/>Liebe Freundin!<lb/>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. Glücklicherweise konnte ich hier einen ausgezeichneten Arzt bekommen und hatte bei meinem Bruder aufmerksamste Pflege. Endlich erhole ich mich jetzt etwas; seit einiger Zeit habe ich das Bett verlassen, aber meine Kräfte wollen nur allmählich wiederkommen, der Husten quält mich weiter, und der Arzt erlaubt mir noch nicht, bei dieser strengen Kälte an die Luft zu gehen.<lb/>Am 31. Januar bin ich hier angekommen; ich hatte den Kr[on]pr[inzen] auf dem Wege von Lübeck überholt; um hier einige Tage für Geselligkeit und Arbeit zu gewinnen, fuhr ich Tag und Nacht im Postwagen; das scheußliche Wetter, das während meiner Reise herrschte, brachte die Krankheit, die schon in mir steckte, zum Ausbruch. Kaum war ich angekommen, da wurde ich krank, und nach einem mißglückten Versuch auszugehen und zu tun, als ob ich ganz gesund wäre, brach ich vollkommen zusammen.<lb/>Ich habe Herrn Constant gebeten, Ihnen gegenüber meine Erkrankung als ein leichtes Unwohlsein hinzustellen, damit Sie sich einerseits nicht beunruhigten und andrerseits über mein Schweigen nicht böse wären.<lb/>So habe ich denn nun einen Monat verloren und schreiben bedeutet für mich noch eine große Arbeit. Ich hoffe, daß Sie alles, was ich Ihnen aus Kiel sandte, empfangen haben. Ich schickte an Sie ein dickes Paket, und wie ich glaube, mehrere Briefe durch den Kabinettskurier; einen gab ich dem Marquis de l[a] M[aisonfort] mit und zwei dem Grafen von Bouillé.<lb/>In den ersten Februartagen habe ich hier Ihren Brief vom 17. Januar durch Löwenhjelm erhalten. Er hätte mich gut besuchen können, um mir mündlich von Ihnen zu erzählen, aber er wird zu beschäftigt gewesen sein. Auf diesen Brief will ich Ihnen jetzt antworten. Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.<lb/>Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.<lb/>Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.<lb/>Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.<lb/>Das Hauptqu[artier] sollte bis zum 26. Februar in Köln sein; am 22. habe ich eine Stafette dorthin mit einem gewaltigen Paket von Drucksachen geschickt, die ich, so gut ich konnte, trotz meiner Krankheit zusammengetragen habe. Aber ich kann von dort keine Nachrichten bekommen, weil man annimmt, daß ich nicht mehr in Hannover bin. Meine <hi rend="slant:italic">Abgefangenen Depeschen</hi> sind soeben hier erschienen. Ich bin über das Schicksal der Kopie, die ich August durch den Kabinettskurier übersandte, beunruhigt. Sie war am 17. Januar noch nicht in London angekommen, ist aber von Kiel schon Anfang des Jahres abgegangen. Auch bin ich neugierig, wie Sie meine Vorrede beurteilen. Im allgemeinen hat sie großen Erfolg und mein Beschützer war von ihr wirklich begeistert.<lb/>Stellen Sie sich vor, daß ich immer noch nicht Ihr Werk in Händen habe, während die Nachdrucke und Übersetzungen, die davon in Deutschland erscheinen sollen, schon ganz weit vorgeschritten sind. Wenn ich zum Schelten und Klagen aufgelegt wäre, hätte ich wirklich allen Grund dazu, denn in Himmels Namen, was haben Sie mit den Exemplaren gemacht, die für uns bestimmt waren? Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.<lb/>Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. Dieser schöne Fluß wird seine stolzen Höhen jetzt wieder frei erheben können, nachdem er das Joch der französischen Festungen abgeschüttelt hat und nunmehr vom Albulapaß bis zum Ozean auf seinen beiden Ufern nur noch Völker sieht, die in einem freien Bund vereinigt sind, wie sie einem gemeinsamen Blute entstammen und eine gemeinsame Sprache reden.<lb/>›Am Rhein! am Rhein! da wachsen unsere Reben!‹<lb/>Ich sehne mich sehr darnach, dahin zu kommen.<lb/>5. März<lb/>Noch habe ich keine Gelegenheit gefunden, diesen Brief zu befördern. Unsere Verbindungen mit England sind sehr unsicher. Die Mündungen der Elbe und der Weser sind durch Eisschollen versperrt. Auch kann ich mich nicht auf den Fahrplan der gewöhnlichen durch Holland gehenden Post verlassen. Endlich hat man mir versprochen, diesen Brief mit dem Kurier zu befördern, der die Regierungssendungen besorgt.<lb/>Mit meiner Gesundheit will es immer noch nicht werden. Ich bin noch bei Chinin und Selterswasser und fühle mich noch nicht wieder im Besitz meiner Kräfte. Trotzdem hoffe ich imstande zu sein, gegen Mitte März mich auf die Reise zu begeben. Jetzt werde ich meinen Prinzen im Herzen von Brabant oder vielleicht schon an der Grenze des alten Frankreich suchen müssen. <lb/>In den ersten Tagen meiner Krankheit besuchte mich Herr B[enjamin] C[onstant] oft, und obwohl ich nicht sechs Worte ohne große Anstrengung und, ohne daß es mir weh tat, sprechen konnte, haben wir viel von Ihnen geredet und uns lebhaft über die Sache und die Rolle, die Fortinbras darin zu spielen hat, unterhalten. Ich habe – und darauf bilde ich mir etwas ein – seit meiner ersten Durchreise hier viel dazu beigetragen, Herrn Benjamin Constant zu einer offenen Stellungnahme zu bestimmen. Er bekannte sich mit seinem republikanischen Titel als Verfasser des <hi rend="slant:italic">Esprit de conquête </hi>usw. und, obwohl dieses Buch von tiefgründiger Beredsamkeit ist, so bedeutet dieser Entschluß doch ungleich mehr als die Schrift selbst – es ist ein öffentliches Bekenntnis und das erste in seiner Art. Bei der Unsicherheit, in der sich damals alles befand, wollte der Prinz sich von ihm nicht von hier nach Köln begleiten lassen, weil das zu ostentativ ausgesehen hätte. Herr Benjamin Constant verwandelte sich in einen Herrn Berkenburg; aber einige Tage später fuhr er unter einem ganz oberflächlichen Vorwand nach Göttingen, um dem Abschied von seiner Familie und den Vorwürfen, die man ihm machen könnte, zu entgehen. Bei der Abreise sagte er, er würde sicher wiederkommen, aber wie es scheint, hat er sich Anfang dieses Monats von dort unmittelbar auf den Schauplatz der Handlung begeben. Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.<lb/>Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.<lb/>An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der <hi rend="slant:italic">Abgefangenen Depeschen</hi>, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. Ich werde also bei einem hiesigen Kaufmann einen Wechsel über 50 Pfund Sterling auf August ausstellen und meiner Tratte einen ausdrücklichen Ankündigungsbrief beigeben, und ich bitte Sie inständig, ihn in jedem Fall zu honorieren, selbst wenn Sie infolge eines wenig wahrscheinlichen Zufalls kein Geld für mich in Händen haben sollten.<lb/>Ich bin im Besitz der Kopie des Wechsels über 400 Pfund Sterling; wenn das Original verloren gegangen ist, würde ich sie sofort abschicken, aber ich würde ihn mit Ihrem Namen endossieren, für den Fall, daß August schon abgereist ist.<lb/>Ich bat August, Ihnen die 100 Louisdor zurückzugeben, die ich auf Ihren Kreditbrief entnommen habe. Ich schulde Ihnen noch die Rechnung über Alberts Angelegenheiten – es fehlen mir aber immer noch 30 Louisdor, zahlbar in Stralsund – wenigstens habe ich noch nicht die Nachricht vom Kaufmann.<lb/>8. März<lb/>Liebe Freundin!<lb/>Ich hätte Ihnen noch sehr viel zu sagen, aber da das Dinge sind, die nur uns angehen, so möchte ich sie Ihnen lieber bei einer anderen Gelegenheit mitteilen, weil ich nicht weiß, welchen Zufällen dieser Brief ausgesetzt ist. So spare ich mir u. a. das auf, was ich Ihnen über Graf W[olf] B[audissin] zu sagen hätte; er ist wirklich ein sehr anständiger und vornehmer Charakter. <lb/>Der Herzog von Cambridge hat mich sehr freundlich aufgenommen und besonders interessiert über Sie mit mir geredet.<lb/>Ich rechne darauf, in vier oder fünf Tagen fahren zu können. Alles ist noch voll Schnee.<lb/>Die Dinge in Frankreich ziehen sich etwas in die Länge. Die Heere sind ein wenig zurückgenommen worden, aber ohne wesentliche Rückschläge. An sich ist es gut, daß man sieht, wie schwierig das Problem zu lösen und daß dazu ein <hi rend="slant:italic">Deus ex machina </hi>nötig ist.<lb/>Albertine gegenüber fühle ich mich wegen meines Schweigens so schuldig, daß ich nicht weiß, wie ich mich entschuldigen soll. Um ihr einen Brief zu schreiben, der ihrer und meiner würdig ist, müßte ich den schönsten meines ganzen Lebens verfassen; ich trage ihn schon lange in meinem Kopf mit mir herum.<lb/>Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ungeduldig ich Nachrichten von Ihnen erwarte. Ich rechne darauf, Briefe im Hauptqu[artier] vorzufinden.<lb/>Leben Sie wohl, liebe Freundin! Wann werden wir die Freude haben, miteinander zu plaudern? Dann werden wir hoffentlich lange zusammensein – nur Dinge, die von langer Dauer sind, sind etwas wert.<lb/>Überstürzen Sie Ihre Abreise aus England nicht. Erst muß das Chaos auf dem Kontinent in Ordnung gebracht sein, bevor Sie dort leben können, wie Sie es sich vorstellen. Tausend Grüße!<lb/>Bei uns regnet es politische Broschüren; u. a. heftige gegen den Rhein als Grenze; auf den Rheinbrücken verkauft man Lieder und andere satirische Gesänge für das Volk. Man singt zum Leierkasten sehr komische Lieder über die Niederlagen Bonapartes. Das zieht immer bei den Leuten auf der Straße.<lb/>Es erscheinen ebensoviele Karikaturen wie in London – es sind unsere ersten Versuche auf diesem Gebiet. Einige von ihnen würden, wie ich glaube, auch in England durchschlagen. Ich werde Ihnen ein Paket schicken. Auf der anderen Seite erheben sich hier auch ziemlich laute Stimmen gegen unsere kleinen Tyrannen und die Widerrechtlichkeiten des Rheinbundes.</p>', '36_xml_standoff' => 'Hannover, den 28. Februar<lb/>Liebe Freundin!<lb/>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. 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Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.<lb/>Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. 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Tausend Grüße!<lb/>Bei uns regnet es politische Broschüren; u. a. heftige gegen den Rhein als Grenze; auf den Rheinbrücken verkauft man Lieder und andere satirische Gesänge für das Volk. Man singt zum Leierkasten sehr komische Lieder über die Niederlagen Bonapartes. Das zieht immer bei den Leuten auf der Straße.<lb/>Es erscheinen ebensoviele Karikaturen wie in London – es sind unsere ersten Versuche auf diesem Gebiet. Einige von ihnen würden, wie ich glaube, auch in England durchschlagen. Ich werde Ihnen ein Paket schicken. 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Februar<br>Liebe Freundin!<br>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. Glücklicherweise konnte ich hier einen ausgezeichneten Arzt bekommen und hatte bei meinem Bruder aufmerksamste Pflege. Endlich erhole ich mich jetzt etwas; seit einiger Zeit habe ich das Bett verlassen, aber meine Kräfte wollen nur allmählich wiederkommen, der Husten quält mich weiter, und der Arzt erlaubt mir noch nicht, bei dieser strengen Kälte an die Luft zu gehen.<br>Am 31. Januar bin ich hier angekommen; ich hatte den Kr[on]pr[inzen] auf dem Wege von Lübeck überholt; um hier einige Tage für Geselligkeit und Arbeit zu gewinnen, fuhr ich Tag und Nacht im Postwagen; das scheußliche Wetter, das während meiner Reise herrschte, brachte die Krankheit, die schon in mir steckte, zum Ausbruch. Kaum war ich angekommen, da wurde ich krank, und nach einem mißglückten Versuch auszugehen und zu tun, als ob ich ganz gesund wäre, brach ich vollkommen zusammen.<br>Ich habe Herrn Constant gebeten, Ihnen gegenüber meine Erkrankung als ein leichtes Unwohlsein hinzustellen, damit Sie sich einerseits nicht beunruhigten und andrerseits über mein Schweigen nicht böse wären.<br>So habe ich denn nun einen Monat verloren und schreiben bedeutet für mich noch eine große Arbeit. Ich hoffe, daß Sie alles, was ich Ihnen aus Kiel sandte, empfangen haben. Ich schickte an Sie ein dickes Paket, und wie ich glaube, mehrere Briefe durch den Kabinettskurier; einen gab ich dem Marquis de l[a] M[aisonfort] mit und zwei dem Grafen von Bouillé.<br>In den ersten Februartagen habe ich hier Ihren Brief vom 17. Januar durch Löwenhjelm erhalten. Er hätte mich gut besuchen können, um mir mündlich von Ihnen zu erzählen, aber er wird zu beschäftigt gewesen sein. Auf diesen Brief will ich Ihnen jetzt antworten. Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.<br>Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.<br>Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.<br>Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.<br>Das Hauptqu[artier] sollte bis zum 26. Februar in Köln sein; am 22. habe ich eine Stafette dorthin mit einem gewaltigen Paket von Drucksachen geschickt, die ich, so gut ich konnte, trotz meiner Krankheit zusammengetragen habe. Aber ich kann von dort keine Nachrichten bekommen, weil man annimmt, daß ich nicht mehr in Hannover bin. 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Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.<br>Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. Dieser schöne Fluß wird seine stolzen Höhen jetzt wieder frei erheben können, nachdem er das Joch der französischen Festungen abgeschüttelt hat und nunmehr vom Albulapaß bis zum Ozean auf seinen beiden Ufern nur noch Völker sieht, die in einem freien Bund vereinigt sind, wie sie einem gemeinsamen Blute entstammen und eine gemeinsame Sprache reden.<br>›Am Rhein! am Rhein! da wachsen unsere Reben!‹<br>Ich sehne mich sehr darnach, dahin zu kommen.<br>5. März<br>Noch habe ich keine Gelegenheit gefunden, diesen Brief zu befördern. Unsere Verbindungen mit England sind sehr unsicher. Die Mündungen der Elbe und der Weser sind durch Eisschollen versperrt. Auch kann ich mich nicht auf den Fahrplan der gewöhnlichen durch Holland gehenden Post verlassen. Endlich hat man mir versprochen, diesen Brief mit dem Kurier zu befördern, der die Regierungssendungen besorgt.<br>Mit meiner Gesundheit will es immer noch nicht werden. 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Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.<br>Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. 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Zürich u.a. 1930, S. 121, 138. 138-139.@ extern@Hofmann, Etienne „Staël, Germaine de“, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F16051.php@ Wikipedia@http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Louise_Germaine_de_Sta%C3%ABl@', '39_beziehung' => 'AWS machte gegen Ende des Jahres 1804 in Berlin die persönliche Bekanntschaft mit Germaine de Staël-Holstein. Als Hauslehrer ihrer Kinder gehörte er zum Coppeter Zirkel. Er begleitete Mme de Staël-Holstein auf ihren zahlreichen Reisen und war auch als ihr Berater im Hinblick auf die deutsche Literatur tätig; sein wichtiger Anteil an ihrem bedeutendsten Werk „De LʼAllemagne“ (1810) ist heute unbestritten. Auch Friedrich von Schlegel gehörte zu den zahlreichen Gästen auf Schloss Coppet. In Zeiten des politischen Umbruches begleitete AWS die Familie de Staël-Holstein durch Europa. Den Kindern Mme de Staël-Holsteins blieb AWS auch nach ihrem Tod verbunden. 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Eine schicksalhafte Begegnung. Nach unveröffentlichten Briefen erzählt von Pauline Gräfin de Pange. Dt. Ausg. von Willy Grabert. Hamburg 1940, S. 407–411.', 'Incipit' => '„Hannover, den 28. Februar<br>Liebe Freundin!<br>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich [...]“' ) $docmain = array( 'ID' => '12212', 'project' => '1', 'timecreate' => '2018-09-28 16:06:20', 'timelastchg' => '2018-09-28 17:22:11', 'key' => 'AWS-aw-05q2', 'docTyp' => array( 'name' => 'Brief', 'id' => '36' ), '36_html' => 'Hannover, den 28. Februar<br>Liebe Freundin!<br>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. Glücklicherweise konnte ich hier einen ausgezeichneten Arzt bekommen und hatte bei meinem Bruder aufmerksamste Pflege. 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Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.<br>Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.<br>Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.<br>Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.<br>Das Hauptqu[artier] sollte bis zum 26. Februar in Köln sein; am 22. habe ich eine Stafette dorthin mit einem gewaltigen Paket von Drucksachen geschickt, die ich, so gut ich konnte, trotz meiner Krankheit zusammengetragen habe. Aber ich kann von dort keine Nachrichten bekommen, weil man annimmt, daß ich nicht mehr in Hannover bin. Meine <span class="slant-italic ">Abgefangenen Depeschen</span> sind soeben hier erschienen. Ich bin über das Schicksal der Kopie, die ich August durch den Kabinettskurier übersandte, beunruhigt. Sie war am 17. Januar noch nicht in London angekommen, ist aber von Kiel schon Anfang des Jahres abgegangen. Auch bin ich neugierig, wie Sie meine Vorrede beurteilen. Im allgemeinen hat sie großen Erfolg und mein Beschützer war von ihr wirklich begeistert.<br>Stellen Sie sich vor, daß ich immer noch nicht Ihr Werk in Händen habe, während die Nachdrucke und Übersetzungen, die davon in Deutschland erscheinen sollen, schon ganz weit vorgeschritten sind. Wenn ich zum Schelten und Klagen aufgelegt wäre, hätte ich wirklich allen Grund dazu, denn in Himmels Namen, was haben Sie mit den Exemplaren gemacht, die für uns bestimmt waren? Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.<br>Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. Dieser schöne Fluß wird seine stolzen Höhen jetzt wieder frei erheben können, nachdem er das Joch der französischen Festungen abgeschüttelt hat und nunmehr vom Albulapaß bis zum Ozean auf seinen beiden Ufern nur noch Völker sieht, die in einem freien Bund vereinigt sind, wie sie einem gemeinsamen Blute entstammen und eine gemeinsame Sprache reden.<br>›Am Rhein! am Rhein! da wachsen unsere Reben!‹<br>Ich sehne mich sehr darnach, dahin zu kommen.<br>5. März<br>Noch habe ich keine Gelegenheit gefunden, diesen Brief zu befördern. Unsere Verbindungen mit England sind sehr unsicher. Die Mündungen der Elbe und der Weser sind durch Eisschollen versperrt. Auch kann ich mich nicht auf den Fahrplan der gewöhnlichen durch Holland gehenden Post verlassen. Endlich hat man mir versprochen, diesen Brief mit dem Kurier zu befördern, der die Regierungssendungen besorgt.<br>Mit meiner Gesundheit will es immer noch nicht werden. Ich bin noch bei Chinin und Selterswasser und fühle mich noch nicht wieder im Besitz meiner Kräfte. Trotzdem hoffe ich imstande zu sein, gegen Mitte März mich auf die Reise zu begeben. Jetzt werde ich meinen Prinzen im Herzen von Brabant oder vielleicht schon an der Grenze des alten Frankreich suchen müssen. <br>In den ersten Tagen meiner Krankheit besuchte mich Herr B[enjamin] C[onstant] oft, und obwohl ich nicht sechs Worte ohne große Anstrengung und, ohne daß es mir weh tat, sprechen konnte, haben wir viel von Ihnen geredet und uns lebhaft über die Sache und die Rolle, die Fortinbras darin zu spielen hat, unterhalten. Ich habe – und darauf bilde ich mir etwas ein – seit meiner ersten Durchreise hier viel dazu beigetragen, Herrn Benjamin Constant zu einer offenen Stellungnahme zu bestimmen. 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Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.<br>Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.<br>An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der <span class="slant-italic ">Abgefangenen Depeschen</span>, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. Ich werde also bei einem hiesigen Kaufmann einen Wechsel über 50 Pfund Sterling auf August ausstellen und meiner Tratte einen ausdrücklichen Ankündigungsbrief beigeben, und ich bitte Sie inständig, ihn in jedem Fall zu honorieren, selbst wenn Sie infolge eines wenig wahrscheinlichen Zufalls kein Geld für mich in Händen haben sollten.<br>Ich bin im Besitz der Kopie des Wechsels über 400 Pfund Sterling; wenn das Original verloren gegangen ist, würde ich sie sofort abschicken, aber ich würde ihn mit Ihrem Namen endossieren, für den Fall, daß August schon abgereist ist.<br>Ich bat August, Ihnen die 100 Louisdor zurückzugeben, die ich auf Ihren Kreditbrief entnommen habe. Ich schulde Ihnen noch die Rechnung über Alberts Angelegenheiten – es fehlen mir aber immer noch 30 Louisdor, zahlbar in Stralsund – wenigstens habe ich noch nicht die Nachricht vom Kaufmann.<br>8. 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Tausend Grüße!<br>Bei uns regnet es politische Broschüren; u. a. heftige gegen den Rhein als Grenze; auf den Rheinbrücken verkauft man Lieder und andere satirische Gesänge für das Volk. Man singt zum Leierkasten sehr komische Lieder über die Niederlagen Bonapartes. Das zieht immer bei den Leuten auf der Straße.<br>Es erscheinen ebensoviele Karikaturen wie in London – es sind unsere ersten Versuche auf diesem Gebiet. Einige von ihnen würden, wie ich glaube, auch in England durchschlagen. Ich werde Ihnen ein Paket schicken. Auf der anderen Seite erheben sich hier auch ziemlich laute Stimmen gegen unsere kleinen Tyrannen und die Widerrechtlichkeiten des Rheinbundes.', '36_xml' => '<p>Hannover, den 28. Februar<lb/>Liebe Freundin!<lb/>Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. 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Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.<lb/>Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.<lb/>Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.<lb/>Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.<lb/>Das Hauptqu[artier] sollte bis zum 26. Februar in Köln sein; am 22. habe ich eine Stafette dorthin mit einem gewaltigen Paket von Drucksachen geschickt, die ich, so gut ich konnte, trotz meiner Krankheit zusammengetragen habe. Aber ich kann von dort keine Nachrichten bekommen, weil man annimmt, daß ich nicht mehr in Hannover bin. Meine <hi rend="slant:italic">Abgefangenen Depeschen</hi> sind soeben hier erschienen. Ich bin über das Schicksal der Kopie, die ich August durch den Kabinettskurier übersandte, beunruhigt. Sie war am 17. Januar noch nicht in London angekommen, ist aber von Kiel schon Anfang des Jahres abgegangen. Auch bin ich neugierig, wie Sie meine Vorrede beurteilen. Im allgemeinen hat sie großen Erfolg und mein Beschützer war von ihr wirklich begeistert.<lb/>Stellen Sie sich vor, daß ich immer noch nicht Ihr Werk in Händen habe, während die Nachdrucke und Übersetzungen, die davon in Deutschland erscheinen sollen, schon ganz weit vorgeschritten sind. Wenn ich zum Schelten und Klagen aufgelegt wäre, hätte ich wirklich allen Grund dazu, denn in Himmels Namen, was haben Sie mit den Exemplaren gemacht, die für uns bestimmt waren? Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.<lb/>Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. Dieser schöne Fluß wird seine stolzen Höhen jetzt wieder frei erheben können, nachdem er das Joch der französischen Festungen abgeschüttelt hat und nunmehr vom Albulapaß bis zum Ozean auf seinen beiden Ufern nur noch Völker sieht, die in einem freien Bund vereinigt sind, wie sie einem gemeinsamen Blute entstammen und eine gemeinsame Sprache reden.<lb/>›Am Rhein! am Rhein! da wachsen unsere Reben!‹<lb/>Ich sehne mich sehr darnach, dahin zu kommen.<lb/>5. März<lb/>Noch habe ich keine Gelegenheit gefunden, diesen Brief zu befördern. Unsere Verbindungen mit England sind sehr unsicher. Die Mündungen der Elbe und der Weser sind durch Eisschollen versperrt. Auch kann ich mich nicht auf den Fahrplan der gewöhnlichen durch Holland gehenden Post verlassen. Endlich hat man mir versprochen, diesen Brief mit dem Kurier zu befördern, der die Regierungssendungen besorgt.<lb/>Mit meiner Gesundheit will es immer noch nicht werden. Ich bin noch bei Chinin und Selterswasser und fühle mich noch nicht wieder im Besitz meiner Kräfte. Trotzdem hoffe ich imstande zu sein, gegen Mitte März mich auf die Reise zu begeben. Jetzt werde ich meinen Prinzen im Herzen von Brabant oder vielleicht schon an der Grenze des alten Frankreich suchen müssen. <lb/>In den ersten Tagen meiner Krankheit besuchte mich Herr B[enjamin] C[onstant] oft, und obwohl ich nicht sechs Worte ohne große Anstrengung und, ohne daß es mir weh tat, sprechen konnte, haben wir viel von Ihnen geredet und uns lebhaft über die Sache und die Rolle, die Fortinbras darin zu spielen hat, unterhalten. Ich habe – und darauf bilde ich mir etwas ein – seit meiner ersten Durchreise hier viel dazu beigetragen, Herrn Benjamin Constant zu einer offenen Stellungnahme zu bestimmen. Er bekannte sich mit seinem republikanischen Titel als Verfasser des <hi rend="slant:italic">Esprit de conquête </hi>usw. und, obwohl dieses Buch von tiefgründiger Beredsamkeit ist, so bedeutet dieser Entschluß doch ungleich mehr als die Schrift selbst – es ist ein öffentliches Bekenntnis und das erste in seiner Art. Bei der Unsicherheit, in der sich damals alles befand, wollte der Prinz sich von ihm nicht von hier nach Köln begleiten lassen, weil das zu ostentativ ausgesehen hätte. Herr Benjamin Constant verwandelte sich in einen Herrn Berkenburg; aber einige Tage später fuhr er unter einem ganz oberflächlichen Vorwand nach Göttingen, um dem Abschied von seiner Familie und den Vorwürfen, die man ihm machen könnte, zu entgehen. Bei der Abreise sagte er, er würde sicher wiederkommen, aber wie es scheint, hat er sich Anfang dieses Monats von dort unmittelbar auf den Schauplatz der Handlung begeben. Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.<lb/>Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.<lb/>An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der <hi rend="slant:italic">Abgefangenen Depeschen</hi>, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. Ich werde also bei einem hiesigen Kaufmann einen Wechsel über 50 Pfund Sterling auf August ausstellen und meiner Tratte einen ausdrücklichen Ankündigungsbrief beigeben, und ich bitte Sie inständig, ihn in jedem Fall zu honorieren, selbst wenn Sie infolge eines wenig wahrscheinlichen Zufalls kein Geld für mich in Händen haben sollten.<lb/>Ich bin im Besitz der Kopie des Wechsels über 400 Pfund Sterling; wenn das Original verloren gegangen ist, würde ich sie sofort abschicken, aber ich würde ihn mit Ihrem Namen endossieren, für den Fall, daß August schon abgereist ist.<lb/>Ich bat August, Ihnen die 100 Louisdor zurückzugeben, die ich auf Ihren Kreditbrief entnommen habe. Ich schulde Ihnen noch die Rechnung über Alberts Angelegenheiten – es fehlen mir aber immer noch 30 Louisdor, zahlbar in Stralsund – wenigstens habe ich noch nicht die Nachricht vom Kaufmann.<lb/>8. März<lb/>Liebe Freundin!<lb/>Ich hätte Ihnen noch sehr viel zu sagen, aber da das Dinge sind, die nur uns angehen, so möchte ich sie Ihnen lieber bei einer anderen Gelegenheit mitteilen, weil ich nicht weiß, welchen Zufällen dieser Brief ausgesetzt ist. So spare ich mir u. a. das auf, was ich Ihnen über Graf W[olf] B[audissin] zu sagen hätte; er ist wirklich ein sehr anständiger und vornehmer Charakter. <lb/>Der Herzog von Cambridge hat mich sehr freundlich aufgenommen und besonders interessiert über Sie mit mir geredet.<lb/>Ich rechne darauf, in vier oder fünf Tagen fahren zu können. Alles ist noch voll Schnee.<lb/>Die Dinge in Frankreich ziehen sich etwas in die Länge. Die Heere sind ein wenig zurückgenommen worden, aber ohne wesentliche Rückschläge. 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Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.<lb/>An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der <hi rend="slant:italic">Abgefangenen Depeschen</hi>, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. 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Zürich u.a. 1930, S. 121, 138. 138-139.@ extern@Hofmann, Etienne „Staël, Germaine de“, URL: http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/f/F16051.php@ Wikipedia@http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Louise_Germaine_de_Sta%C3%ABl@', '39_beziehung' => 'AWS machte gegen Ende des Jahres 1804 in Berlin die persönliche Bekanntschaft mit Germaine de Staël-Holstein. Als Hauslehrer ihrer Kinder gehörte er zum Coppeter Zirkel. Er begleitete Mme de Staël-Holstein auf ihren zahlreichen Reisen und war auch als ihr Berater im Hinblick auf die deutsche Literatur tätig; sein wichtiger Anteil an ihrem bedeutendsten Werk „De LʼAllemagne“ (1810) ist heute unbestritten. Auch Friedrich von Schlegel gehörte zu den zahlreichen Gästen auf Schloss Coppet. In Zeiten des politischen Umbruches begleitete AWS die Familie de Staël-Holstein durch Europa. Den Kindern Mme de Staël-Holsteins blieb AWS auch nach ihrem Tod verbunden. 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Hannover, den 28. Februar
Liebe Freundin!
Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. Glücklicherweise konnte ich hier einen ausgezeichneten Arzt bekommen und hatte bei meinem Bruder aufmerksamste Pflege. Endlich erhole ich mich jetzt etwas; seit einiger Zeit habe ich das Bett verlassen, aber meine Kräfte wollen nur allmählich wiederkommen, der Husten quält mich weiter, und der Arzt erlaubt mir noch nicht, bei dieser strengen Kälte an die Luft zu gehen.
Am 31. Januar bin ich hier angekommen; ich hatte den Kr[on]pr[inzen] auf dem Wege von Lübeck überholt; um hier einige Tage für Geselligkeit und Arbeit zu gewinnen, fuhr ich Tag und Nacht im Postwagen; das scheußliche Wetter, das während meiner Reise herrschte, brachte die Krankheit, die schon in mir steckte, zum Ausbruch. Kaum war ich angekommen, da wurde ich krank, und nach einem mißglückten Versuch auszugehen und zu tun, als ob ich ganz gesund wäre, brach ich vollkommen zusammen.
Ich habe Herrn Constant gebeten, Ihnen gegenüber meine Erkrankung als ein leichtes Unwohlsein hinzustellen, damit Sie sich einerseits nicht beunruhigten und andrerseits über mein Schweigen nicht böse wären.
So habe ich denn nun einen Monat verloren und schreiben bedeutet für mich noch eine große Arbeit. Ich hoffe, daß Sie alles, was ich Ihnen aus Kiel sandte, empfangen haben. Ich schickte an Sie ein dickes Paket, und wie ich glaube, mehrere Briefe durch den Kabinettskurier; einen gab ich dem Marquis de l[a] M[aisonfort] mit und zwei dem Grafen von Bouillé.
In den ersten Februartagen habe ich hier Ihren Brief vom 17. Januar durch Löwenhjelm erhalten. Er hätte mich gut besuchen können, um mir mündlich von Ihnen zu erzählen, aber er wird zu beschäftigt gewesen sein. Auf diesen Brief will ich Ihnen jetzt antworten. Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.
Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.
Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.
Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.
Das Hauptqu[artier] sollte bis zum 26. Februar in Köln sein; am 22. habe ich eine Stafette dorthin mit einem gewaltigen Paket von Drucksachen geschickt, die ich, so gut ich konnte, trotz meiner Krankheit zusammengetragen habe. Aber ich kann von dort keine Nachrichten bekommen, weil man annimmt, daß ich nicht mehr in Hannover bin. Meine Abgefangenen Depeschen sind soeben hier erschienen. Ich bin über das Schicksal der Kopie, die ich August durch den Kabinettskurier übersandte, beunruhigt. Sie war am 17. Januar noch nicht in London angekommen, ist aber von Kiel schon Anfang des Jahres abgegangen. Auch bin ich neugierig, wie Sie meine Vorrede beurteilen. Im allgemeinen hat sie großen Erfolg und mein Beschützer war von ihr wirklich begeistert.
Stellen Sie sich vor, daß ich immer noch nicht Ihr Werk in Händen habe, während die Nachdrucke und Übersetzungen, die davon in Deutschland erscheinen sollen, schon ganz weit vorgeschritten sind. Wenn ich zum Schelten und Klagen aufgelegt wäre, hätte ich wirklich allen Grund dazu, denn in Himmels Namen, was haben Sie mit den Exemplaren gemacht, die für uns bestimmt waren? Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.
Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. Dieser schöne Fluß wird seine stolzen Höhen jetzt wieder frei erheben können, nachdem er das Joch der französischen Festungen abgeschüttelt hat und nunmehr vom Albulapaß bis zum Ozean auf seinen beiden Ufern nur noch Völker sieht, die in einem freien Bund vereinigt sind, wie sie einem gemeinsamen Blute entstammen und eine gemeinsame Sprache reden.
›Am Rhein! am Rhein! da wachsen unsere Reben!‹
Ich sehne mich sehr darnach, dahin zu kommen.
5. März
Noch habe ich keine Gelegenheit gefunden, diesen Brief zu befördern. Unsere Verbindungen mit England sind sehr unsicher. Die Mündungen der Elbe und der Weser sind durch Eisschollen versperrt. Auch kann ich mich nicht auf den Fahrplan der gewöhnlichen durch Holland gehenden Post verlassen. Endlich hat man mir versprochen, diesen Brief mit dem Kurier zu befördern, der die Regierungssendungen besorgt.
Mit meiner Gesundheit will es immer noch nicht werden. Ich bin noch bei Chinin und Selterswasser und fühle mich noch nicht wieder im Besitz meiner Kräfte. Trotzdem hoffe ich imstande zu sein, gegen Mitte März mich auf die Reise zu begeben. Jetzt werde ich meinen Prinzen im Herzen von Brabant oder vielleicht schon an der Grenze des alten Frankreich suchen müssen.
In den ersten Tagen meiner Krankheit besuchte mich Herr B[enjamin] C[onstant] oft, und obwohl ich nicht sechs Worte ohne große Anstrengung und, ohne daß es mir weh tat, sprechen konnte, haben wir viel von Ihnen geredet und uns lebhaft über die Sache und die Rolle, die Fortinbras darin zu spielen hat, unterhalten. Ich habe – und darauf bilde ich mir etwas ein – seit meiner ersten Durchreise hier viel dazu beigetragen, Herrn Benjamin Constant zu einer offenen Stellungnahme zu bestimmen. Er bekannte sich mit seinem republikanischen Titel als Verfasser des Esprit de conquête usw. und, obwohl dieses Buch von tiefgründiger Beredsamkeit ist, so bedeutet dieser Entschluß doch ungleich mehr als die Schrift selbst – es ist ein öffentliches Bekenntnis und das erste in seiner Art. Bei der Unsicherheit, in der sich damals alles befand, wollte der Prinz sich von ihm nicht von hier nach Köln begleiten lassen, weil das zu ostentativ ausgesehen hätte. Herr Benjamin Constant verwandelte sich in einen Herrn Berkenburg; aber einige Tage später fuhr er unter einem ganz oberflächlichen Vorwand nach Göttingen, um dem Abschied von seiner Familie und den Vorwürfen, die man ihm machen könnte, zu entgehen. Bei der Abreise sagte er, er würde sicher wiederkommen, aber wie es scheint, hat er sich Anfang dieses Monats von dort unmittelbar auf den Schauplatz der Handlung begeben. Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.
Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.
An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der Abgefangenen Depeschen, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. Ich werde also bei einem hiesigen Kaufmann einen Wechsel über 50 Pfund Sterling auf August ausstellen und meiner Tratte einen ausdrücklichen Ankündigungsbrief beigeben, und ich bitte Sie inständig, ihn in jedem Fall zu honorieren, selbst wenn Sie infolge eines wenig wahrscheinlichen Zufalls kein Geld für mich in Händen haben sollten.
Ich bin im Besitz der Kopie des Wechsels über 400 Pfund Sterling; wenn das Original verloren gegangen ist, würde ich sie sofort abschicken, aber ich würde ihn mit Ihrem Namen endossieren, für den Fall, daß August schon abgereist ist.
Ich bat August, Ihnen die 100 Louisdor zurückzugeben, die ich auf Ihren Kreditbrief entnommen habe. Ich schulde Ihnen noch die Rechnung über Alberts Angelegenheiten – es fehlen mir aber immer noch 30 Louisdor, zahlbar in Stralsund – wenigstens habe ich noch nicht die Nachricht vom Kaufmann.
8. März
Liebe Freundin!
Ich hätte Ihnen noch sehr viel zu sagen, aber da das Dinge sind, die nur uns angehen, so möchte ich sie Ihnen lieber bei einer anderen Gelegenheit mitteilen, weil ich nicht weiß, welchen Zufällen dieser Brief ausgesetzt ist. So spare ich mir u. a. das auf, was ich Ihnen über Graf W[olf] B[audissin] zu sagen hätte; er ist wirklich ein sehr anständiger und vornehmer Charakter.
Der Herzog von Cambridge hat mich sehr freundlich aufgenommen und besonders interessiert über Sie mit mir geredet.
Ich rechne darauf, in vier oder fünf Tagen fahren zu können. Alles ist noch voll Schnee.
Die Dinge in Frankreich ziehen sich etwas in die Länge. Die Heere sind ein wenig zurückgenommen worden, aber ohne wesentliche Rückschläge. An sich ist es gut, daß man sieht, wie schwierig das Problem zu lösen und daß dazu ein Deus ex machina nötig ist.
Albertine gegenüber fühle ich mich wegen meines Schweigens so schuldig, daß ich nicht weiß, wie ich mich entschuldigen soll. Um ihr einen Brief zu schreiben, der ihrer und meiner würdig ist, müßte ich den schönsten meines ganzen Lebens verfassen; ich trage ihn schon lange in meinem Kopf mit mir herum.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ungeduldig ich Nachrichten von Ihnen erwarte. Ich rechne darauf, Briefe im Hauptqu[artier] vorzufinden.
Leben Sie wohl, liebe Freundin! Wann werden wir die Freude haben, miteinander zu plaudern? Dann werden wir hoffentlich lange zusammensein – nur Dinge, die von langer Dauer sind, sind etwas wert.
Überstürzen Sie Ihre Abreise aus England nicht. Erst muß das Chaos auf dem Kontinent in Ordnung gebracht sein, bevor Sie dort leben können, wie Sie es sich vorstellen. Tausend Grüße!
Bei uns regnet es politische Broschüren; u. a. heftige gegen den Rhein als Grenze; auf den Rheinbrücken verkauft man Lieder und andere satirische Gesänge für das Volk. Man singt zum Leierkasten sehr komische Lieder über die Niederlagen Bonapartes. Das zieht immer bei den Leuten auf der Straße.
Es erscheinen ebensoviele Karikaturen wie in London – es sind unsere ersten Versuche auf diesem Gebiet. Einige von ihnen würden, wie ich glaube, auch in England durchschlagen. Ich werde Ihnen ein Paket schicken. Auf der anderen Seite erheben sich hier auch ziemlich laute Stimmen gegen unsere kleinen Tyrannen und die Widerrechtlichkeiten des Rheinbundes.
Liebe Freundin!
Ich war recht krank; es handelt sich um eine Brustentzündung, die eine Lungenentzündung zu werden drohte. Zugleich war ich so schwach, daß man nicht wagte, mich zur Ader zu lassen. Glücklicherweise konnte ich hier einen ausgezeichneten Arzt bekommen und hatte bei meinem Bruder aufmerksamste Pflege. Endlich erhole ich mich jetzt etwas; seit einiger Zeit habe ich das Bett verlassen, aber meine Kräfte wollen nur allmählich wiederkommen, der Husten quält mich weiter, und der Arzt erlaubt mir noch nicht, bei dieser strengen Kälte an die Luft zu gehen.
Am 31. Januar bin ich hier angekommen; ich hatte den Kr[on]pr[inzen] auf dem Wege von Lübeck überholt; um hier einige Tage für Geselligkeit und Arbeit zu gewinnen, fuhr ich Tag und Nacht im Postwagen; das scheußliche Wetter, das während meiner Reise herrschte, brachte die Krankheit, die schon in mir steckte, zum Ausbruch. Kaum war ich angekommen, da wurde ich krank, und nach einem mißglückten Versuch auszugehen und zu tun, als ob ich ganz gesund wäre, brach ich vollkommen zusammen.
Ich habe Herrn Constant gebeten, Ihnen gegenüber meine Erkrankung als ein leichtes Unwohlsein hinzustellen, damit Sie sich einerseits nicht beunruhigten und andrerseits über mein Schweigen nicht böse wären.
So habe ich denn nun einen Monat verloren und schreiben bedeutet für mich noch eine große Arbeit. Ich hoffe, daß Sie alles, was ich Ihnen aus Kiel sandte, empfangen haben. Ich schickte an Sie ein dickes Paket, und wie ich glaube, mehrere Briefe durch den Kabinettskurier; einen gab ich dem Marquis de l[a] M[aisonfort] mit und zwei dem Grafen von Bouillé.
In den ersten Februartagen habe ich hier Ihren Brief vom 17. Januar durch Löwenhjelm erhalten. Er hätte mich gut besuchen können, um mir mündlich von Ihnen zu erzählen, aber er wird zu beschäftigt gewesen sein. Auf diesen Brief will ich Ihnen jetzt antworten. Seitdem habe ich keinen mehr erhalten und das ist ganz natürlich. Da ich nicht dachte, so lange vom Hauptqu[artier] fernbleiben zu müssen, und fürchtete, das, was mir von dort hierher geschickt würde, überhaupt nicht zu bekommen, so bat ich Schulzenheim, alles, was für mich ankäme, dort zu behalten. Herr Constant sprach mir von einem späteren Brief, den er von Ihnen erhalten hätte, aber er hat immer vergessen, ihn mir zu zeigen.
Liebe Freundin! Ihr Vorschlag, Sie auf einer Reise nach Schottland und Irland zu begleiten, ist an sich sehr verlockend, aber ich wüßte nicht, wie ich es in diesem Frühjahr einrichten könnte, wo sich sehr wahrscheinlich die Ereignisse überstürzen werden. Wenn dann der Moloch gestürzt oder seinem Sturz nahe ist, dann werden Sie viel zu sehr interessiert sein, zu erfahren, wie sich die Dinge in Frankreich entwickeln, als daß Sie auf eine Irrfahrt in unbewohnte Länder gehen und sich vom Mittelpunkt der Nachrichten entfernen können. Gelingt es ihm dagegen, seine Kräfte wieder zusammenzufassen, dann ist Europa von neuem in Gefahr und dann würden wir in unserer Unruhe wenig dazu neigen, Naturschönheiten zu genießen. Eine solche Reise wäre wie eine Idylle mitten unter den letzten Gesängen der Ilias. Weiter scheinen Sie anzunehmen, daß es nur an mir liegt, ja zu sagen. Aber ich stehe im Dienst des Kr[on]pr[inzen] und muß zu allem seine Erlaubnis einholen. Wie könnte ich nach dem unfreiwilligen Urlaub, den ich wegen meiner Krankheit nehmen mußte, im entscheidendsten Augenblick einen so langen Urlaub beanspruchen? Das hieße, ihn und damit die ganze Sache völlig im Stich lassen.
Ich dachte sehr ernsthaft an den Tod und habe ihm ruhig ins Auge gesehen. Wie ich glaube, habe ich vom Leben keine großen Genüsse mehr zu erwarten. Von dem, was ich besaß und hätte hingeben müssen, hätte ich Ihrer Freundschaft am meisten nachgetrauert. Diese Freundschaft ist mir ebenso wichtig wie der Ausgang der jetzigen Ereignisse, die ich mit größter Spannung erwarte. Was ich mir in stillen Träumen wünsche, ist ein Leben mit Ihnen in Paris unter dem Schutze eines Mannes, den wir beide lieben und bewundern, und dazu in jedem Jahr ein Sommeraufenthalt in Coppet. Dann wollen wir versuchen, ein schönes Werk zu schreiben; im übrigen würden wir nach soviel Widerwärtigkeiten die Ruhe genießen.
Zuletzt sah ich den Kr[on]pr[inzen] in Lübeck; er ist immer außerordentlich freundlich zu mir. Ich schulde Ihnen vielen Dank für diese ebenso ehrenvolle wie angenehme Beziehung.
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Stellen Sie sich vor, daß ich immer noch nicht Ihr Werk in Händen habe, während die Nachdrucke und Übersetzungen, die davon in Deutschland erscheinen sollen, schon ganz weit vorgeschritten sind. Wenn ich zum Schelten und Klagen aufgelegt wäre, hätte ich wirklich allen Grund dazu, denn in Himmels Namen, was haben Sie mit den Exemplaren gemacht, die für uns bestimmt waren? Sie werden sie nach Schweden geschickt haben, und damals ging es wohl nicht anders; aber Sie mußten doch wissen, daß es in Schweden keine Post und keine Spediteure gibt, und daß ein Paket ruhig in einem Hafen verschimmeln kann, wenn man nicht besondere Maßnahmen dagegen ergreift. Man hätte damals einen Bankier in Göteborg beauftragen sollen, das Paket sofort durch eine Stafette nach Gstad zu senden, was nach schwedischen Preisen nur eine Kleinigkeit gekostet hätte. Später war das Meer mit Eis bedeckt, und die Überfahrt nach Stralsund gänzlich unterbrochen.
Ihre Vorrede ist ausgezeichnet und voll von feinen Bemerkungen. Aber mir scheint, Sie lassen den Deutschen nicht volle Gerechtigkeit widerfahren. Wieviel erhebende Züge wird man später aus diesem Kriege erzählen! Jetzt, wo wir die beiden Eigenschaften erworben haben, die uns fehlten: das Gefühl nationaler Zusammengehörigkeit und die Kraft zu handeln, werden wir groß werden und erstaunliche Dinge vollbringen. Sie sehen, daß die Frage der Rheingrenze durch die Tat gelöst ist. Dieser schöne Fluß wird seine stolzen Höhen jetzt wieder frei erheben können, nachdem er das Joch der französischen Festungen abgeschüttelt hat und nunmehr vom Albulapaß bis zum Ozean auf seinen beiden Ufern nur noch Völker sieht, die in einem freien Bund vereinigt sind, wie sie einem gemeinsamen Blute entstammen und eine gemeinsame Sprache reden.
›Am Rhein! am Rhein! da wachsen unsere Reben!‹
Ich sehne mich sehr darnach, dahin zu kommen.
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Mit meiner Gesundheit will es immer noch nicht werden. Ich bin noch bei Chinin und Selterswasser und fühle mich noch nicht wieder im Besitz meiner Kräfte. Trotzdem hoffe ich imstande zu sein, gegen Mitte März mich auf die Reise zu begeben. Jetzt werde ich meinen Prinzen im Herzen von Brabant oder vielleicht schon an der Grenze des alten Frankreich suchen müssen.
In den ersten Tagen meiner Krankheit besuchte mich Herr B[enjamin] C[onstant] oft, und obwohl ich nicht sechs Worte ohne große Anstrengung und, ohne daß es mir weh tat, sprechen konnte, haben wir viel von Ihnen geredet und uns lebhaft über die Sache und die Rolle, die Fortinbras darin zu spielen hat, unterhalten. Ich habe – und darauf bilde ich mir etwas ein – seit meiner ersten Durchreise hier viel dazu beigetragen, Herrn Benjamin Constant zu einer offenen Stellungnahme zu bestimmen. Er bekannte sich mit seinem republikanischen Titel als Verfasser des Esprit de conquête usw. und, obwohl dieses Buch von tiefgründiger Beredsamkeit ist, so bedeutet dieser Entschluß doch ungleich mehr als die Schrift selbst – es ist ein öffentliches Bekenntnis und das erste in seiner Art. Bei der Unsicherheit, in der sich damals alles befand, wollte der Prinz sich von ihm nicht von hier nach Köln begleiten lassen, weil das zu ostentativ ausgesehen hätte. Herr Benjamin Constant verwandelte sich in einen Herrn Berkenburg; aber einige Tage später fuhr er unter einem ganz oberflächlichen Vorwand nach Göttingen, um dem Abschied von seiner Familie und den Vorwürfen, die man ihm machen könnte, zu entgehen. Bei der Abreise sagte er, er würde sicher wiederkommen, aber wie es scheint, hat er sich Anfang dieses Monats von dort unmittelbar auf den Schauplatz der Handlung begeben. Vor einiger Zeit kam seine Frau sehr erregt zu mir, weil sie diesen Plan ahnte; sie bat mich, ihm zu schreiben – ich hatte übrigens auch gehofft, mit ihm zusammen reisen zu können. Sie hat sich seitdem etwas beruhigt, redet aber immer noch davon, daß sie ihm nachfahren will. Ich versuche ihr immer wieder klarzumachen, wie unmöglich es für eine Frau ist, im Hauptquartier zu leben.
Signeul besuchte mich auch während des Aufenthalts unseres Prinzen hier. Er rechnete darauf, gleich in das Kaiserliche Hauptquartier reisen zu können; aber da die Zeit nicht reichte, endgültige Instruktionen fertigzustellen, fuhr er bis Köln mit. Signeul drängt am stärksten zu entscheidenden Schritten – deshalb sehe ich ihn lieber in unserem Hauptqu[artier] als mit einer besonderen Mission betraut. Schließlich aber kann Herr B[enjamin] C[onstant] ihn ersetzen, und ich hoffe auch, bald dort einzutreffen und zwar mit einigen neuen Broschüren von der Art, wie ich sie für wichtig halte, in der Tasche. Wir sind alle drei einig in unseren Ansichten und Wünschen.
An August habe ich mehrere Male geschrieben und ihm durch den Grafen von Bouillé einen Wechsel über 400 Pfund Sterling, zahlbar an ihn durch Mrs. George Frazer, gesandt. Hoffentlich ist dieser Wechsel gut angekommen, und er hat sich das Geld auszahlen lassen. Meiner Ansicht nach wird mir das Manuskript der Abgefangenen Depeschen, das ich Anfang Januar nach London sandte, etwas eingetragen haben. Ich habe August genau die Gründe auseinandergesetzt, weshalb eine spätere Veröffentlichung in Deutschland dem englischen Verleger nicht schaden kann. So darf ich also auf jeden Fall annehmen, daß Sie oder August Geld für mich in Verwahrung haben. Meine Krankheit hat mich viel gekostet, außerdem muß ich noch eine lange Reise in der Post machen, da ich meine Pferde vorausgeschickt habe; ich könnte nämlich unmöglich in kleinen Tagereisen folgen, und ich muß sie dort in gutem Zustand vorfinden. Ich werde also bei einem hiesigen Kaufmann einen Wechsel über 50 Pfund Sterling auf August ausstellen und meiner Tratte einen ausdrücklichen Ankündigungsbrief beigeben, und ich bitte Sie inständig, ihn in jedem Fall zu honorieren, selbst wenn Sie infolge eines wenig wahrscheinlichen Zufalls kein Geld für mich in Händen haben sollten.
Ich bin im Besitz der Kopie des Wechsels über 400 Pfund Sterling; wenn das Original verloren gegangen ist, würde ich sie sofort abschicken, aber ich würde ihn mit Ihrem Namen endossieren, für den Fall, daß August schon abgereist ist.
Ich bat August, Ihnen die 100 Louisdor zurückzugeben, die ich auf Ihren Kreditbrief entnommen habe. Ich schulde Ihnen noch die Rechnung über Alberts Angelegenheiten – es fehlen mir aber immer noch 30 Louisdor, zahlbar in Stralsund – wenigstens habe ich noch nicht die Nachricht vom Kaufmann.
8. März
Liebe Freundin!
Ich hätte Ihnen noch sehr viel zu sagen, aber da das Dinge sind, die nur uns angehen, so möchte ich sie Ihnen lieber bei einer anderen Gelegenheit mitteilen, weil ich nicht weiß, welchen Zufällen dieser Brief ausgesetzt ist. So spare ich mir u. a. das auf, was ich Ihnen über Graf W[olf] B[audissin] zu sagen hätte; er ist wirklich ein sehr anständiger und vornehmer Charakter.
Der Herzog von Cambridge hat mich sehr freundlich aufgenommen und besonders interessiert über Sie mit mir geredet.
Ich rechne darauf, in vier oder fünf Tagen fahren zu können. Alles ist noch voll Schnee.
Die Dinge in Frankreich ziehen sich etwas in die Länge. Die Heere sind ein wenig zurückgenommen worden, aber ohne wesentliche Rückschläge. An sich ist es gut, daß man sieht, wie schwierig das Problem zu lösen und daß dazu ein Deus ex machina nötig ist.
Albertine gegenüber fühle ich mich wegen meines Schweigens so schuldig, daß ich nicht weiß, wie ich mich entschuldigen soll. Um ihr einen Brief zu schreiben, der ihrer und meiner würdig ist, müßte ich den schönsten meines ganzen Lebens verfassen; ich trage ihn schon lange in meinem Kopf mit mir herum.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie ungeduldig ich Nachrichten von Ihnen erwarte. Ich rechne darauf, Briefe im Hauptqu[artier] vorzufinden.
Leben Sie wohl, liebe Freundin! Wann werden wir die Freude haben, miteinander zu plaudern? Dann werden wir hoffentlich lange zusammensein – nur Dinge, die von langer Dauer sind, sind etwas wert.
Überstürzen Sie Ihre Abreise aus England nicht. Erst muß das Chaos auf dem Kontinent in Ordnung gebracht sein, bevor Sie dort leben können, wie Sie es sich vorstellen. Tausend Grüße!
Bei uns regnet es politische Broschüren; u. a. heftige gegen den Rhein als Grenze; auf den Rheinbrücken verkauft man Lieder und andere satirische Gesänge für das Volk. Man singt zum Leierkasten sehr komische Lieder über die Niederlagen Bonapartes. Das zieht immer bei den Leuten auf der Straße.
Es erscheinen ebensoviele Karikaturen wie in London – es sind unsere ersten Versuche auf diesem Gebiet. Einige von ihnen würden, wie ich glaube, auch in England durchschlagen. Ich werde Ihnen ein Paket schicken. Auf der anderen Seite erheben sich hier auch ziemlich laute Stimmen gegen unsere kleinen Tyrannen und die Widerrechtlichkeiten des Rheinbundes.
· Original , 28.02.1814
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 489‒494.
· Pange, Pauline de: Auguste-Guillaume Schlegel et Madame de Staël d’apres des documents inédits. Paris 1938, S. 489‒494.