• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Rom · Place of Destination: Unknown · Date: 27. April bis 2. Mai [1807]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Rom
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27. April bis 2. Mai [1807]
  • Notations: Datum (Jahr) erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 396‒403.
  • Incipit: „[1] Rom den 27ten April [1807]
    Ich habe Ihnen mein theurer Freund und Bruder vor einiger Zeit einen Brief geschrieben, welcher freilich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,50
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,3 x 18,3 cm
    Language
  • German
[1] Rom den 27ten April [1807]
Ich habe Ihnen mein theurer Freund und Bruder vor einiger Zeit einen Brief geschrieben, welcher freilich nur kurz war, und welchen ich bloß schrieb um die Antwort auf den Ihrigen nicht zu lange aufzuschieben. Mein geliebter Freund wie schmerzlich ist es mir so oft ich Ihren Brief ansehe daß Sie die Hoffnung des Wiedersehens darin auf so lange und so unbestimte Zeit hinauß schieben, wir hatten uns alle das glücklichste Leben, in Gedanken, in Ihrer Nähe erbaut, und müssen es nun in so weiter Ferne sehen, daß vieleicht das Leben darüber untergeht ehe wir es erreichen. Mein geliebter Bruder das Leben des Menschen ist ein ungewisses Gut, und man weiß nicht wie bald wie plözlich es vieleicht entrückt ist. Ich habe Ihnen vor einiger Zeit nur einen so kurzen Brief geschrieben, welcher eigentlich bloß über das Basrelief spricht, weil ich eine lange Zeit kranck gewesen bin, so daß ich in zwölf Wochen nicht das Zimmer verlassen konte, und wenig das Bet, es endigte sich diese Kranckheit in einer Halsentzündung, und in einem Nervenfieber, das hat mich lange schwach erhalten, da ich aber Kohlrausch nicht zum Arzte hatte, so bin ich glücklich davon geheilt, und erhohle mich nach und nach so daß ich orndlich anfange starck zu werden. Sie solten doch mein theurer Freund mit Briefen nicht so sparsam sein Sie wissen oft nicht wie tröstlich sie sein können. Ihr lezter lieber theurer Brief hat mir unendlich viel Freude in dieser Rücksicht gemacht daß doch eine neue Lust zum Leben, und zur Poesie darauß hervorleuchtet, und ich bin Ihrem Bruder sehr danckbahr weil ich glaube daß seine Gegenwart viel zu dieser Stimmung beigetragen hat. Ich habe sein Gedicht welches uns alle entzückt hat der Herzogin mitgetheilt. Sie hatte viel Freude darüber, und ich werde ihm selbst nächstens weitläuftig schreiben, es hat mir eine ausserorndlich wohlthätige Empfindung erregt, daß er meiner sich noch freundschaftlich erinnert da ich in der That seine Gesinnung, durch den Einfluß meiner Schwägerin auf ihn, anders gegen mich glaubte. Ich möchte ich könte die ganze Lebendigkeit Ihres ersten Gefühles für mich mein geliebter Bruder zurückrufen, um diesen Einfluß auf Sie dan anzuwenden daß Ihr edles Gemüth in neuen Poesien, zu der Welt spräche, damit die Menschen doch wieder blöde wirden, und nicht jeder elende Gesell meinte, er könne sich mit Dreistigkeit neben Ihnen stellen. Voß fodert Sie ja in der Literaturzeitung auf ob Sie den Schäckspaer weiter übersetzen wolten, also hat er wohl die Absicht es zu thun, mein Bruder ist ja in der selben Meinung nach Deutsch[2]land zurückgegangen, und selbst Reimer fragt ja an wie Sie Ihre Verpflichtungen gegen ihn zu lösen gedächten. Ich muß gestehen daß mich lange nichts so sehr gekränckt hat als dies, weil es mir sehr wohl im Gedächtniß lebt daß Sie Reimers Vorschuß gar nicht bedurft hätten, wen[n] Sie es nicht für mich gebraucht hätten, und zugleich hat es mich heftig bekümmert, daß meine Plane niemals auch die Besten, nicht so geliengen wie ich es wünschte. Denn wären unsere Plane ganz gelungen, so hätten Sie sogleich das Geld haben können, um es ihm zurick zu bezalen. Sie nehmen in Ihrem Briefe an, Knorring sei nach Hause gereißt um von seinem Vater das Geld zu empfangen, daß war aber nach all den vorgefallenen Klatschereien welche theils durch H[umboldt] theils durch Burgsdorf erregt waren nicht möglich, sein Vater hatte es ihm abgeschlagen die Summe zu geben, und ob sie gleich Knorring, nach dem Rechte fodern konte mit Gewalt, so wäre die doch sehr übel angewendet gewesen weil er dadurch seines Vaters kaum gestiltes Mistrauen von neuen erregt hätte. Er ist also nach Deutschland gereißt um durch Hardenbergs Vermittelung, und Bürgschaft die Summe dort aufzunehmen, wofür er dem sein Mütterlich Vermögen verpfändet, biß jezt ist es aber noch nicht zustande gekommen und wir haben nur kleine Summen erhalten, womit unsre Schulden noch nicht bezalt sind, und das komt bloß daher weil jezt in Deutschland ein so grosser Mangel an barem Gelde ist. Und so wird unsre Absicht zwar erreicht werden, aber es wird viel langsamer gehen als wir es wünschen. Ich bin gegen Sie mein theurer Freund, in dem Zustande der Beschämung, weil ich Ihnen so viel zu Müllers Ruhme geschrieben habe, und er grade hat uns auf eine so unverantwortliche schändliche Weise, unter der Maske der wärmsten Freundschaft um eine so entsezliche Summe betrogen, und dabei so viele Künste angewendet, und sich zulezt so unwiederleglich als ein Schurke gezeigt, daß es ein Buch werden wirde wenn ich es Ihnen alles schreiben wolte. Verzeihen Sie mir daß ich Sie je gebeten habe etwaß für ihn zu thun.

Den 2ten Mai
Ich habe Ihren Brief mein geliebter Freund vor einigen Tagen erhalten und bin erstaunt, wie ich die Schneiderrechnung durchgesehn habe, zu bemerken daß Bernhardi so gar keine Umstände macht, Sie zu betrügen, den[n] mit [3] dem blauen Überrock, und mit den weiter gemachten Kleidern daß ist zu auffallend. Ich bitte Sie liebster Freund da ich so oft und gern Ihrem Rathe gefolgt bin, diesmal den Meinigen zu befolgen, den[n] leider hat mich schon die Erfahrung gelehrt, wie man dergleichen Schurken [be]handlen muß. Zuerst also schreiben Sie an Hardenberg und bitten Sie ihn Ihre Bücher zu nehmen, und die Bürgschaft zu leisten. Ich selbst schreibe noch heute deshalb an ihn, und ich weiß daß wen[n] es nöthig sein solte, er sogleich das Geld in Berlin deponirt, nur ist es gut wen[n] Sie ihn auch darum bitten, und auch um allen ferneren Chikanen des Herren Bernhardi auszuweichen, müssen Sie ihm eine gültige Volmacht schiken daß er Ihre Bücher nehmen solle; weigert sie Bernhardi alsdan, so hat er es mit Hardenberg zu thun. Ferner schicke ich Ihnen hier zwei förmliche gerichtliche Zeugnisse mit. Sie sind von der Jette, welche bei mir in Diensten ist, und welche damals in Berlin genau Ihre und Bernhardis Kleider kante. Ich habe ihr Zeugniß auf zwei verschiedenen Blättern abfassen lassen, damit sie der Justizkommisarius brauchen kann wie es ihm am Besten dünckt, weil vieleicht Bernhardi, deshalb weil sie bei mir dient ein Zeugniß gegen ihn verwerfen kann. Kein Mensch kann aber ihr Zeugniß, für Sie, gegen einen Schneider verwerfen. Mein Zeugniß für Sie wirde sogleich verworfen werden, weil Sie in einem Prozesse für mich zeugen, da aber jedes Gericht einen subtilen Unterschied macht zwischen ein Zeugniß, und einen Beweiß, so lege ich Ihnen hier einen besondern Brief bei, welchen Sie sich als einen Beweiß daß Sie die Warheit behaupten bedienen können, indem Sie nemlich sagen, Sie haben an mich geschrieben um von mir Auskunft zu haben, von dem waß ich über die Schneiderrechnung wisse, und ich habe dies darauf geantwortet, und wen[n] man gleich annehmen wirde, ich könnte vor Gericht Ihnen zu Gunsten, ein partheiisches Zeugniß ablegen, so kann man nicht annehmen, ich wirde Sie, wenn Sie mich privatim, um eine Sache fragen, privatim belügen, und so sehen Sie wie Ihnen mein Brief als Beweiß, und ich Ihnen nicht als Zeuge dienen könte. Es ist ein herliches Dieng um diese Formen. Ich bitte Sie nur kurz an den Herren Breutel zu schreiben, seine Rechnung können Sie nicht annehmen, weil sie gänzlich falsch sei, erstlich enthalte sie eine kleine Rechnung für meinen Bruder Ludwig, zweitens eine Menge Kleider welche Sie nie erhalten, drittens gehe sie drei Monathe weiter als Ihr Auffenthalt in Berlin, und endlich sei die Kleinigkeit welche in der That einmal für Sie gemacht sei, von mir bezalt worden, ich behauptete die Quittungen in meinem Schreibtisch, welchen Herr Bernhardi habe erbrechen lassen zurückgelassen zu haben. Wenn Bernhardi sagte er [4] habe die quittirten Rechnungen nicht gefunden, so wolle ich mich entschliessen die kleine Rechnung für Sie, wie die für meinen Bruder noch einmal zu bezalen. Sagen Sie ja nicht Sie wollen das thun. Daß Bernhardi für den Schneider zeugen wolle, schreiben Sie ferner dem Herren Breutel fänden Sie sonderbahr, und könne nicht angehen, da Sie einen Brief von ihm an meinen Bruder Friedrich, über diese Angelegenheit in Händen haben, worin er selbst die Rechnung für falsch und unrichtig erklärt, und sagt er könne das beweisen, und diesen Brief lege ich Ihnen hier ebenfals bei. Schreiben Sie dem Herren Breutel wenn er sich bei diesen Gründen beruhigen, und seine weiteren Foderungen für die Feigenschen Kinder, an Sie, aufgeben wolle so sei es Ihnen angenehm, wo nicht, so möge er sich an die Gerichtsbarkeit wenden. Nehmen Sie dan alle die Sachen, meinen Brief, die Zeugnisse der Jette, Bernhardis Briefe an Sie und an meinen Bruder und schiken Sie sie dem Justizkommisarius zu, damit er alles gehörig gegen den Herrn Breutel, fals der klagen solte brauchen kann. Auch wird der Justizkommisarius am besten wissen, ob Sie gleich gegen Bernhardi klagen können, auf eine Art daß Ihnen nicht daß Recht genommen wird dadurch für mich zu zeigen.
Ich glaube das wird ohngefehr alles sein waß für jezt geschehen kann in dieser Sache. Verzeihen Sie mein theuerster Freund daß Sie die Antwort so spät erhalten, die Posten gehen jezt so langsam daß Ihr Brief einen Monath unterwegs ist gewesen, und ich habe nur so lange mit der Antwort gezögert, als nöthig war um die Rechtsgültigen Zeugnisse auszuwirken. Ich werde also nun diese Antwort nach Coppet schiken, wo Sie jezt ohne Zweifel schon sein werden. Das Basrelief wird in dreien Wochen von hier abgehen, und ich bin überzeugt daß Sie und Frau v. Stael mit der Ausführung zufrieden sein werden. Ich werde Ihnen nächstens mein geliebter Freund mit meinem Bruder zusammen schreiben, wo wir Ihnen vielerlei über Rohm, über Künste und Künstler melden wollen. Daß Ihr Schacksspaer fortgerückt ist hat mir eine unbeschreibliche Freude gemacht, lassen Sie mir doch ja alles waß Sie arbeiten zukommen, ich werde es orndlich als eine verletzung der Freundschaft ansehen, wenn Sie mich damit zu lange warten lassen, auch daß waß Sie Französisch schreiben, es könte kommen daß ich dabei die Sprache noch orndlich lernte. Ich habe jezt, seit lange nichts gearbeitet, und daß komt erstlich von dem unglaublichen Elend welches mir meine theuren Freunde in Deutschland bereitet hatten, und nun seit Knorring abwesend ist von meiner [5] Kranckheit. Es schmerzt mich mein geliebter [Freund] daß Sie einen Brief welchen ich schon im vorigen Jahre im September geschrieben, nicht erhalten haben. Erstlich weil es mir wehe daß dieser Brief, welchen ich in einer wahren Verzweiflung des Herzens schrieb, vieleicht in unrechte Hände gerathen ist. Er enthält eine so treue und aufrichtige Schilderung, meiner fürchterlichen Lage worin ich mich damals befand, daß ich sie nur in den Busen eines geliebten Bruders konte niederlegen wollen. Zweitens aber wirden Sie auch schon aus diesem Briefe manches andere erfahren haben, zum Beispiel, daß meine große Noth damals es mir wünschenswerth machte, daß Flore und Blantscheflur noch im vorigen Jahre zu Michaeli gedruckt wurde. Die Riepenhausen versicherten mir, der Buchhändler Dietrich in Göttingen wirde es sogleich als Almanach druken, weil er sich darauf eingerichtet habe, einen von meinem Bruder zu nehmen, welchen er nun nicht bekäme. Ich ließ mich aus Noth zu der Torheit verleiten, daß ich das Manusscript den ersten Theil durch die Riepenhausen, und das Andre durch meinen Bruder Friedrich hinschiken ließ. Dietrich ließ sich das Manusscript zuschiken gab keine Antwort darauf, druckte es auch nicht, nahm keine Notiz davon als es wiedergefodert wurde, und hat es so neun Monathe liegen lassen. Jezt nur eben hat es Hardenberg fast mit Gewalt zurickbekommen, und diesem hat es so sehr gefallen daß er es als zweiten Theil des Buches Dichtergarten, worin im ersten Theil Egidio und Isabella gedruckt ist, durchaus geben will. Sie können nicht glauben welche unendliche Freude es mir machen [würde], wenn Sie mein geliebter Freund es noch durchsehen, und verbessern könten, aber äusserst ungern möchte ich Hardenberg, welcher so viele wahre Freundschaft für uns hat, dadurch beleidigen, daß er glauben solte ich wolle ihm das Manuscript unter einen Vorwand wieder abfodern, und es solle nicht in seinem Buche gedruckt werden. Wenn Sie sicher wären daß die Posten nach der Schweiz mit solchen Paketen, nicht zu lange unterwegs wären, und wenn Sie die große Arbeit es noch einmal abzuschreiben, bei Ihren eignen Poetischen Arbeiten, sicher wären zu stande zu bringen, daß es troz alle dem noch zu Michaeli könte gedruckt werden, so wirde es mir eine unglaubliche Freude sein, aber mein geliebtester Freund, fodern Sie es lieber nicht von Hardenberg wenn dies irgend zweifelhaft ist. Ich bin gewiß mein theurer Bruder Sie verzeihen mir diese Sorge, Sie wissen nicht wie viel von unserm Glück in Hardenbergs Händen liegt, Sie wissen nicht wie viel er schon für uns gethan hat. Ach mein theurer Bruder bald ist mir vieleicht das Glück gewogen, und Sie sehen mich einmal so froh und glücklich wie Ihr zärtliches Herz es mir immer wünschte. Waß Sie mir [6] über Fouquet schreiben hat mich gekränckt, doch bin ich zufrieden. Es scheint mir jezt eine Zeit wo sich alles scheidet, waß elend ist oder innerlich schwach, fält von mir ab, und ich bleibe im Kreise des Edelsten und Besten. Ich erinre mich durchaus nicht jemals etwaß über Fouquet gesagt zu haben als zu Ihnen, also hat daß Herr Bernhardi erfunden. Mein Bruder Ludwig hatte aber vieles gegen ihn einzuwenden, er hat aber eine seltsame Art Antikritiken zu machen. Da Bernhardi dem schon so vieles vorgelogen hat, wie mag es erst mit Fichte sein. Waß Sie mir von Fouquets neusten Arbeiten sagen wundert mich nicht, Sie wissen ich habe nie viel von seinen Poesien gehalten. Es ist in allen höchstens eine Sehnsucht nach Liebe und Ehre, doch mangelt daß Gefühl selbst wie jede Leidenschaft, und die Sehnsucht darnach hat sich nun in die Poetische Form gerettet, und zu seinem Unglück wird ihm die Form zu leicht. Die Sehnsucht nach der Leidenschaft scheint mir hat Fouquets ganzes Leben zertrümmert, er hat sie immer gesucht und nie gefunden, und in diesem vergeblichen Streben wird auch seine Poesie untergehen. Mich hat es bei der Betrübniß über ihn unendlich gefreut daß Sie im stande gewesen sind ihm zu bezahlen und ich bitte Sie nun um meinetwillen, in so weniger Berührung als möglich mit ihm zu sein. Mein theurer Freund die Herzen welche sich warhaft gewählt haben, haben diese Wahl für die Ewigkeit getroffen, so sind Sie meinem Herzen liebend nahe, so lange noch ein Athemzug meinen Busen bewegt. Vieles ist von mir abgefallen, viele Wunden sind meinem Herzen geschlagen, und viele schmerzliche Erfahrungen habe ich gesammelt doch sehe ich heiter und beruhigt auf mein Leben zurick; vieles habe ich auch gefunden, waß mich mit wahrer Liebe umschließt. Bleiben Sie mir treu mit Brüderlicher Liebe, mein geliebter Bruder, und lassen Sie fallen waß nicht halten will. Mir ist es oft als dehnte sich nun mein Leben heiter bis in der fernsten Ferne vor mir aus, und ich werde Sie wenn ich Sie wiedersehe mit unendlichen Entzücken an meine Brust drüken. Vieles Böse haben Sie mit mir niedergekämpft, Vieles Gute haben Sie mir errungen, und ich denke immer wenn ich einmal glücklich bin, müssen Sie sich darüber als über Ihr Werck freuen. Schon seit lange liegt mir ein Gedicht an Sie in den Sinn, nur weil ich immer meine ich könte es nicht Ihrer würdig ausführen, habe ich es noch nicht aufgeschrieben. Ich werde es Ihnen nächstens schiken. Wunderlich ist es, wie unser Verhältniß zu H[umboldt] wie auf Wogen steigt und fält. Die Zeugnisse welche ich Ihnen beifüge machten es nöthig mit ihm zu reden. Ich ließ es ihm sagen daß ich ihn zu sprechen wünsche und wolte zu ihm gehen. Er aber sehr höflich gab dies nicht zu, sondern kam noch denselben Tag selbst, um mit [7] mir zu reden. Ich war wie Sie dencken können sehr höflich, sagte ihm aber doch mit aller Artigkeit mancherlei waß ihm sehr auffiel, und wodurch er einsahe daß ich sehr von allen Gründen unterrichtet bin welche ihn bestimmt haben gegen mich zu handlen. Ich beschloß damit daß ich ihm sagte ich könne mich gegen alle die Herren Fichte Burgsdorf und Fouquet sehr gründlich rechtfertigen, wenn mir dies nun nicht erniedrigend wäre, da sie mich handelnd beurtheilt hätten, so könne ich mich nur handelnd rechtfertigen, und wenn Bernhardi, nicht nur allein meine Ehre beleidigte, sondern auch andere bewegte es zu thun, so könne ich nicht anders als den Prozeß mit allen Rollen druken lassen und alsdan könne ich niemand die öffentliche Beschämung ersparen, welcher sich mit einem solchen Menschen eingelassen habe. Dies schien H[umboldt] ein wenig sehr verlegen zu machen, um so mehr, da er es aus den Briefen und Papieren welche ich ihm vorlegte, zu deutlich sahe und nicht läugnen konte, daß es eine gemeine Betrügerei, und folglich Bernhardi ein elender Mensch sei. Den folgenden Tag nahm er Gelegenheit von diesem kleinem Geschäft, mich noch einmal zu besuchen, und Gestern schickte er seinen Hofmeister, einen kleinen Professor Wölker aus Giessen, der dan sprach von dem Prozeß und meinte es wäre doch übel injuriöse Briefe druken zu lassen. Ich antwortete ihm aber gehörig darauf. Sie sehen das Druken liegt ihm sehr am Herzen, und ob gleich [es] so sehr mein Ernst nicht ist, so will ich doch denen Sorge damit machen, welche sich fürchten müssen prostituirt zu werden. Wenn wir Sie einmal wiedersehen werden wir auch mit einander über die wunderbahren Begebenheiten mit den Hofmeistern im H[umboldt]schen Hause lachen wie sich das zu der lustigsten Novelle flicht. Sie hatten einen sehr moralischen Nahmens Zickler bekommen, der Mann sahe die wahre Feinheit, die rechte Pointe seines Amtes nicht ein, daß er nemlich Erzieher, und Erzeuger sein solte, und daß jeder Hofmeister, indem er Kinder erzieht verpflichtet ist diejenigen zu erzeugen, welche der Folgende zu erziehen bekömt. Kurz der Mann empörte sich gegen seine Bestimmung, und lebte in beständigen Streitigkeiten. Indeß kam der kleine Professor, jung, Rosenroth, voller Kentnisse, Neumodisch, Kleinstädtisch, grif seine Bildung mächtig an, wolte nach Sycilien, nach Griechenland reisen. Übersezt allerhand, hat an Ihren Übersetzungen allerhand auszusetzen. Ist selbst angesezt bei [8] einer Schule. Kurz dieser Mann stad sich selbst zu bilden bildet nun H[umboldts] Kinder, und so paßt das Sprichwort daß mancher nach Wolle geht und komt geschoren nach Hause. Seine Reisen nach Sycilien und Griechenland, hat er aufgegeben um mit Humbolds nach Albano zu gehen, und seine Schule in Giessen scheint er aufgegeben zu haben, um die Schule der Frau v. H[umboldt] zu geniessen.
Sie glauben nicht zu wie vielen Erfahrungen uns der Geldmangel geholfen hat. Erstlich Müller ein Hauptschurke, zweitens Riepenhausens Lumpen, drittens sehr wenige Deutsche hier, die ich mit Freude für meine Landsleute erkenne. Doch leben Sie für diesmal wohl mein theurer geliebter Freund mich drängt der Abgang der Post und ich fürchte auch der wilde Styl welchen Sie nicht an mir gewohnt sind wird Sie befremden. Leben Sie wohl tausend Grüße von den Bruder und den Kindern. Diese drei Herren werden Ihnen nächstens schreiben.
Ewig Ihre Freundin
S.[ophie]
[1] Rom den 27ten April [1807]
Ich habe Ihnen mein theurer Freund und Bruder vor einiger Zeit einen Brief geschrieben, welcher freilich nur kurz war, und welchen ich bloß schrieb um die Antwort auf den Ihrigen nicht zu lange aufzuschieben. Mein geliebter Freund wie schmerzlich ist es mir so oft ich Ihren Brief ansehe daß Sie die Hoffnung des Wiedersehens darin auf so lange und so unbestimte Zeit hinauß schieben, wir hatten uns alle das glücklichste Leben, in Gedanken, in Ihrer Nähe erbaut, und müssen es nun in so weiter Ferne sehen, daß vieleicht das Leben darüber untergeht ehe wir es erreichen. Mein geliebter Bruder das Leben des Menschen ist ein ungewisses Gut, und man weiß nicht wie bald wie plözlich es vieleicht entrückt ist. Ich habe Ihnen vor einiger Zeit nur einen so kurzen Brief geschrieben, welcher eigentlich bloß über das Basrelief spricht, weil ich eine lange Zeit kranck gewesen bin, so daß ich in zwölf Wochen nicht das Zimmer verlassen konte, und wenig das Bet, es endigte sich diese Kranckheit in einer Halsentzündung, und in einem Nervenfieber, das hat mich lange schwach erhalten, da ich aber Kohlrausch nicht zum Arzte hatte, so bin ich glücklich davon geheilt, und erhohle mich nach und nach so daß ich orndlich anfange starck zu werden. Sie solten doch mein theurer Freund mit Briefen nicht so sparsam sein Sie wissen oft nicht wie tröstlich sie sein können. Ihr lezter lieber theurer Brief hat mir unendlich viel Freude in dieser Rücksicht gemacht daß doch eine neue Lust zum Leben, und zur Poesie darauß hervorleuchtet, und ich bin Ihrem Bruder sehr danckbahr weil ich glaube daß seine Gegenwart viel zu dieser Stimmung beigetragen hat. Ich habe sein Gedicht welches uns alle entzückt hat der Herzogin mitgetheilt. Sie hatte viel Freude darüber, und ich werde ihm selbst nächstens weitläuftig schreiben, es hat mir eine ausserorndlich wohlthätige Empfindung erregt, daß er meiner sich noch freundschaftlich erinnert da ich in der That seine Gesinnung, durch den Einfluß meiner Schwägerin auf ihn, anders gegen mich glaubte. Ich möchte ich könte die ganze Lebendigkeit Ihres ersten Gefühles für mich mein geliebter Bruder zurückrufen, um diesen Einfluß auf Sie dan anzuwenden daß Ihr edles Gemüth in neuen Poesien, zu der Welt spräche, damit die Menschen doch wieder blöde wirden, und nicht jeder elende Gesell meinte, er könne sich mit Dreistigkeit neben Ihnen stellen. Voß fodert Sie ja in der Literaturzeitung auf ob Sie den Schäckspaer weiter übersetzen wolten, also hat er wohl die Absicht es zu thun, mein Bruder ist ja in der selben Meinung nach Deutsch[2]land zurückgegangen, und selbst Reimer fragt ja an wie Sie Ihre Verpflichtungen gegen ihn zu lösen gedächten. Ich muß gestehen daß mich lange nichts so sehr gekränckt hat als dies, weil es mir sehr wohl im Gedächtniß lebt daß Sie Reimers Vorschuß gar nicht bedurft hätten, wen[n] Sie es nicht für mich gebraucht hätten, und zugleich hat es mich heftig bekümmert, daß meine Plane niemals auch die Besten, nicht so geliengen wie ich es wünschte. Denn wären unsere Plane ganz gelungen, so hätten Sie sogleich das Geld haben können, um es ihm zurick zu bezalen. Sie nehmen in Ihrem Briefe an, Knorring sei nach Hause gereißt um von seinem Vater das Geld zu empfangen, daß war aber nach all den vorgefallenen Klatschereien welche theils durch H[umboldt] theils durch Burgsdorf erregt waren nicht möglich, sein Vater hatte es ihm abgeschlagen die Summe zu geben, und ob sie gleich Knorring, nach dem Rechte fodern konte mit Gewalt, so wäre die doch sehr übel angewendet gewesen weil er dadurch seines Vaters kaum gestiltes Mistrauen von neuen erregt hätte. Er ist also nach Deutschland gereißt um durch Hardenbergs Vermittelung, und Bürgschaft die Summe dort aufzunehmen, wofür er dem sein Mütterlich Vermögen verpfändet, biß jezt ist es aber noch nicht zustande gekommen und wir haben nur kleine Summen erhalten, womit unsre Schulden noch nicht bezalt sind, und das komt bloß daher weil jezt in Deutschland ein so grosser Mangel an barem Gelde ist. Und so wird unsre Absicht zwar erreicht werden, aber es wird viel langsamer gehen als wir es wünschen. Ich bin gegen Sie mein theurer Freund, in dem Zustande der Beschämung, weil ich Ihnen so viel zu Müllers Ruhme geschrieben habe, und er grade hat uns auf eine so unverantwortliche schändliche Weise, unter der Maske der wärmsten Freundschaft um eine so entsezliche Summe betrogen, und dabei so viele Künste angewendet, und sich zulezt so unwiederleglich als ein Schurke gezeigt, daß es ein Buch werden wirde wenn ich es Ihnen alles schreiben wolte. Verzeihen Sie mir daß ich Sie je gebeten habe etwaß für ihn zu thun.

Den 2ten Mai
Ich habe Ihren Brief mein geliebter Freund vor einigen Tagen erhalten und bin erstaunt, wie ich die Schneiderrechnung durchgesehn habe, zu bemerken daß Bernhardi so gar keine Umstände macht, Sie zu betrügen, den[n] mit [3] dem blauen Überrock, und mit den weiter gemachten Kleidern daß ist zu auffallend. Ich bitte Sie liebster Freund da ich so oft und gern Ihrem Rathe gefolgt bin, diesmal den Meinigen zu befolgen, den[n] leider hat mich schon die Erfahrung gelehrt, wie man dergleichen Schurken [be]handlen muß. Zuerst also schreiben Sie an Hardenberg und bitten Sie ihn Ihre Bücher zu nehmen, und die Bürgschaft zu leisten. Ich selbst schreibe noch heute deshalb an ihn, und ich weiß daß wen[n] es nöthig sein solte, er sogleich das Geld in Berlin deponirt, nur ist es gut wen[n] Sie ihn auch darum bitten, und auch um allen ferneren Chikanen des Herren Bernhardi auszuweichen, müssen Sie ihm eine gültige Volmacht schiken daß er Ihre Bücher nehmen solle; weigert sie Bernhardi alsdan, so hat er es mit Hardenberg zu thun. Ferner schicke ich Ihnen hier zwei förmliche gerichtliche Zeugnisse mit. Sie sind von der Jette, welche bei mir in Diensten ist, und welche damals in Berlin genau Ihre und Bernhardis Kleider kante. Ich habe ihr Zeugniß auf zwei verschiedenen Blättern abfassen lassen, damit sie der Justizkommisarius brauchen kann wie es ihm am Besten dünckt, weil vieleicht Bernhardi, deshalb weil sie bei mir dient ein Zeugniß gegen ihn verwerfen kann. Kein Mensch kann aber ihr Zeugniß, für Sie, gegen einen Schneider verwerfen. Mein Zeugniß für Sie wirde sogleich verworfen werden, weil Sie in einem Prozesse für mich zeugen, da aber jedes Gericht einen subtilen Unterschied macht zwischen ein Zeugniß, und einen Beweiß, so lege ich Ihnen hier einen besondern Brief bei, welchen Sie sich als einen Beweiß daß Sie die Warheit behaupten bedienen können, indem Sie nemlich sagen, Sie haben an mich geschrieben um von mir Auskunft zu haben, von dem waß ich über die Schneiderrechnung wisse, und ich habe dies darauf geantwortet, und wen[n] man gleich annehmen wirde, ich könnte vor Gericht Ihnen zu Gunsten, ein partheiisches Zeugniß ablegen, so kann man nicht annehmen, ich wirde Sie, wenn Sie mich privatim, um eine Sache fragen, privatim belügen, und so sehen Sie wie Ihnen mein Brief als Beweiß, und ich Ihnen nicht als Zeuge dienen könte. Es ist ein herliches Dieng um diese Formen. Ich bitte Sie nur kurz an den Herren Breutel zu schreiben, seine Rechnung können Sie nicht annehmen, weil sie gänzlich falsch sei, erstlich enthalte sie eine kleine Rechnung für meinen Bruder Ludwig, zweitens eine Menge Kleider welche Sie nie erhalten, drittens gehe sie drei Monathe weiter als Ihr Auffenthalt in Berlin, und endlich sei die Kleinigkeit welche in der That einmal für Sie gemacht sei, von mir bezalt worden, ich behauptete die Quittungen in meinem Schreibtisch, welchen Herr Bernhardi habe erbrechen lassen zurückgelassen zu haben. Wenn Bernhardi sagte er [4] habe die quittirten Rechnungen nicht gefunden, so wolle ich mich entschliessen die kleine Rechnung für Sie, wie die für meinen Bruder noch einmal zu bezalen. Sagen Sie ja nicht Sie wollen das thun. Daß Bernhardi für den Schneider zeugen wolle, schreiben Sie ferner dem Herren Breutel fänden Sie sonderbahr, und könne nicht angehen, da Sie einen Brief von ihm an meinen Bruder Friedrich, über diese Angelegenheit in Händen haben, worin er selbst die Rechnung für falsch und unrichtig erklärt, und sagt er könne das beweisen, und diesen Brief lege ich Ihnen hier ebenfals bei. Schreiben Sie dem Herren Breutel wenn er sich bei diesen Gründen beruhigen, und seine weiteren Foderungen für die Feigenschen Kinder, an Sie, aufgeben wolle so sei es Ihnen angenehm, wo nicht, so möge er sich an die Gerichtsbarkeit wenden. Nehmen Sie dan alle die Sachen, meinen Brief, die Zeugnisse der Jette, Bernhardis Briefe an Sie und an meinen Bruder und schiken Sie sie dem Justizkommisarius zu, damit er alles gehörig gegen den Herrn Breutel, fals der klagen solte brauchen kann. Auch wird der Justizkommisarius am besten wissen, ob Sie gleich gegen Bernhardi klagen können, auf eine Art daß Ihnen nicht daß Recht genommen wird dadurch für mich zu zeigen.
Ich glaube das wird ohngefehr alles sein waß für jezt geschehen kann in dieser Sache. Verzeihen Sie mein theuerster Freund daß Sie die Antwort so spät erhalten, die Posten gehen jezt so langsam daß Ihr Brief einen Monath unterwegs ist gewesen, und ich habe nur so lange mit der Antwort gezögert, als nöthig war um die Rechtsgültigen Zeugnisse auszuwirken. Ich werde also nun diese Antwort nach Coppet schiken, wo Sie jezt ohne Zweifel schon sein werden. Das Basrelief wird in dreien Wochen von hier abgehen, und ich bin überzeugt daß Sie und Frau v. Stael mit der Ausführung zufrieden sein werden. Ich werde Ihnen nächstens mein geliebter Freund mit meinem Bruder zusammen schreiben, wo wir Ihnen vielerlei über Rohm, über Künste und Künstler melden wollen. Daß Ihr Schacksspaer fortgerückt ist hat mir eine unbeschreibliche Freude gemacht, lassen Sie mir doch ja alles waß Sie arbeiten zukommen, ich werde es orndlich als eine verletzung der Freundschaft ansehen, wenn Sie mich damit zu lange warten lassen, auch daß waß Sie Französisch schreiben, es könte kommen daß ich dabei die Sprache noch orndlich lernte. Ich habe jezt, seit lange nichts gearbeitet, und daß komt erstlich von dem unglaublichen Elend welches mir meine theuren Freunde in Deutschland bereitet hatten, und nun seit Knorring abwesend ist von meiner [5] Kranckheit. Es schmerzt mich mein geliebter [Freund] daß Sie einen Brief welchen ich schon im vorigen Jahre im September geschrieben, nicht erhalten haben. Erstlich weil es mir wehe daß dieser Brief, welchen ich in einer wahren Verzweiflung des Herzens schrieb, vieleicht in unrechte Hände gerathen ist. Er enthält eine so treue und aufrichtige Schilderung, meiner fürchterlichen Lage worin ich mich damals befand, daß ich sie nur in den Busen eines geliebten Bruders konte niederlegen wollen. Zweitens aber wirden Sie auch schon aus diesem Briefe manches andere erfahren haben, zum Beispiel, daß meine große Noth damals es mir wünschenswerth machte, daß Flore und Blantscheflur noch im vorigen Jahre zu Michaeli gedruckt wurde. Die Riepenhausen versicherten mir, der Buchhändler Dietrich in Göttingen wirde es sogleich als Almanach druken, weil er sich darauf eingerichtet habe, einen von meinem Bruder zu nehmen, welchen er nun nicht bekäme. Ich ließ mich aus Noth zu der Torheit verleiten, daß ich das Manusscript den ersten Theil durch die Riepenhausen, und das Andre durch meinen Bruder Friedrich hinschiken ließ. Dietrich ließ sich das Manusscript zuschiken gab keine Antwort darauf, druckte es auch nicht, nahm keine Notiz davon als es wiedergefodert wurde, und hat es so neun Monathe liegen lassen. Jezt nur eben hat es Hardenberg fast mit Gewalt zurickbekommen, und diesem hat es so sehr gefallen daß er es als zweiten Theil des Buches Dichtergarten, worin im ersten Theil Egidio und Isabella gedruckt ist, durchaus geben will. Sie können nicht glauben welche unendliche Freude es mir machen [würde], wenn Sie mein geliebter Freund es noch durchsehen, und verbessern könten, aber äusserst ungern möchte ich Hardenberg, welcher so viele wahre Freundschaft für uns hat, dadurch beleidigen, daß er glauben solte ich wolle ihm das Manuscript unter einen Vorwand wieder abfodern, und es solle nicht in seinem Buche gedruckt werden. Wenn Sie sicher wären daß die Posten nach der Schweiz mit solchen Paketen, nicht zu lange unterwegs wären, und wenn Sie die große Arbeit es noch einmal abzuschreiben, bei Ihren eignen Poetischen Arbeiten, sicher wären zu stande zu bringen, daß es troz alle dem noch zu Michaeli könte gedruckt werden, so wirde es mir eine unglaubliche Freude sein, aber mein geliebtester Freund, fodern Sie es lieber nicht von Hardenberg wenn dies irgend zweifelhaft ist. Ich bin gewiß mein theurer Bruder Sie verzeihen mir diese Sorge, Sie wissen nicht wie viel von unserm Glück in Hardenbergs Händen liegt, Sie wissen nicht wie viel er schon für uns gethan hat. Ach mein theurer Bruder bald ist mir vieleicht das Glück gewogen, und Sie sehen mich einmal so froh und glücklich wie Ihr zärtliches Herz es mir immer wünschte. Waß Sie mir [6] über Fouquet schreiben hat mich gekränckt, doch bin ich zufrieden. Es scheint mir jezt eine Zeit wo sich alles scheidet, waß elend ist oder innerlich schwach, fält von mir ab, und ich bleibe im Kreise des Edelsten und Besten. Ich erinre mich durchaus nicht jemals etwaß über Fouquet gesagt zu haben als zu Ihnen, also hat daß Herr Bernhardi erfunden. Mein Bruder Ludwig hatte aber vieles gegen ihn einzuwenden, er hat aber eine seltsame Art Antikritiken zu machen. Da Bernhardi dem schon so vieles vorgelogen hat, wie mag es erst mit Fichte sein. Waß Sie mir von Fouquets neusten Arbeiten sagen wundert mich nicht, Sie wissen ich habe nie viel von seinen Poesien gehalten. Es ist in allen höchstens eine Sehnsucht nach Liebe und Ehre, doch mangelt daß Gefühl selbst wie jede Leidenschaft, und die Sehnsucht darnach hat sich nun in die Poetische Form gerettet, und zu seinem Unglück wird ihm die Form zu leicht. Die Sehnsucht nach der Leidenschaft scheint mir hat Fouquets ganzes Leben zertrümmert, er hat sie immer gesucht und nie gefunden, und in diesem vergeblichen Streben wird auch seine Poesie untergehen. Mich hat es bei der Betrübniß über ihn unendlich gefreut daß Sie im stande gewesen sind ihm zu bezahlen und ich bitte Sie nun um meinetwillen, in so weniger Berührung als möglich mit ihm zu sein. Mein theurer Freund die Herzen welche sich warhaft gewählt haben, haben diese Wahl für die Ewigkeit getroffen, so sind Sie meinem Herzen liebend nahe, so lange noch ein Athemzug meinen Busen bewegt. Vieles ist von mir abgefallen, viele Wunden sind meinem Herzen geschlagen, und viele schmerzliche Erfahrungen habe ich gesammelt doch sehe ich heiter und beruhigt auf mein Leben zurick; vieles habe ich auch gefunden, waß mich mit wahrer Liebe umschließt. Bleiben Sie mir treu mit Brüderlicher Liebe, mein geliebter Bruder, und lassen Sie fallen waß nicht halten will. Mir ist es oft als dehnte sich nun mein Leben heiter bis in der fernsten Ferne vor mir aus, und ich werde Sie wenn ich Sie wiedersehe mit unendlichen Entzücken an meine Brust drüken. Vieles Böse haben Sie mit mir niedergekämpft, Vieles Gute haben Sie mir errungen, und ich denke immer wenn ich einmal glücklich bin, müssen Sie sich darüber als über Ihr Werck freuen. Schon seit lange liegt mir ein Gedicht an Sie in den Sinn, nur weil ich immer meine ich könte es nicht Ihrer würdig ausführen, habe ich es noch nicht aufgeschrieben. Ich werde es Ihnen nächstens schiken. Wunderlich ist es, wie unser Verhältniß zu H[umboldt] wie auf Wogen steigt und fält. Die Zeugnisse welche ich Ihnen beifüge machten es nöthig mit ihm zu reden. Ich ließ es ihm sagen daß ich ihn zu sprechen wünsche und wolte zu ihm gehen. Er aber sehr höflich gab dies nicht zu, sondern kam noch denselben Tag selbst, um mit [7] mir zu reden. Ich war wie Sie dencken können sehr höflich, sagte ihm aber doch mit aller Artigkeit mancherlei waß ihm sehr auffiel, und wodurch er einsahe daß ich sehr von allen Gründen unterrichtet bin welche ihn bestimmt haben gegen mich zu handlen. Ich beschloß damit daß ich ihm sagte ich könne mich gegen alle die Herren Fichte Burgsdorf und Fouquet sehr gründlich rechtfertigen, wenn mir dies nun nicht erniedrigend wäre, da sie mich handelnd beurtheilt hätten, so könne ich mich nur handelnd rechtfertigen, und wenn Bernhardi, nicht nur allein meine Ehre beleidigte, sondern auch andere bewegte es zu thun, so könne ich nicht anders als den Prozeß mit allen Rollen druken lassen und alsdan könne ich niemand die öffentliche Beschämung ersparen, welcher sich mit einem solchen Menschen eingelassen habe. Dies schien H[umboldt] ein wenig sehr verlegen zu machen, um so mehr, da er es aus den Briefen und Papieren welche ich ihm vorlegte, zu deutlich sahe und nicht läugnen konte, daß es eine gemeine Betrügerei, und folglich Bernhardi ein elender Mensch sei. Den folgenden Tag nahm er Gelegenheit von diesem kleinem Geschäft, mich noch einmal zu besuchen, und Gestern schickte er seinen Hofmeister, einen kleinen Professor Wölker aus Giessen, der dan sprach von dem Prozeß und meinte es wäre doch übel injuriöse Briefe druken zu lassen. Ich antwortete ihm aber gehörig darauf. Sie sehen das Druken liegt ihm sehr am Herzen, und ob gleich [es] so sehr mein Ernst nicht ist, so will ich doch denen Sorge damit machen, welche sich fürchten müssen prostituirt zu werden. Wenn wir Sie einmal wiedersehen werden wir auch mit einander über die wunderbahren Begebenheiten mit den Hofmeistern im H[umboldt]schen Hause lachen wie sich das zu der lustigsten Novelle flicht. Sie hatten einen sehr moralischen Nahmens Zickler bekommen, der Mann sahe die wahre Feinheit, die rechte Pointe seines Amtes nicht ein, daß er nemlich Erzieher, und Erzeuger sein solte, und daß jeder Hofmeister, indem er Kinder erzieht verpflichtet ist diejenigen zu erzeugen, welche der Folgende zu erziehen bekömt. Kurz der Mann empörte sich gegen seine Bestimmung, und lebte in beständigen Streitigkeiten. Indeß kam der kleine Professor, jung, Rosenroth, voller Kentnisse, Neumodisch, Kleinstädtisch, grif seine Bildung mächtig an, wolte nach Sycilien, nach Griechenland reisen. Übersezt allerhand, hat an Ihren Übersetzungen allerhand auszusetzen. Ist selbst angesezt bei [8] einer Schule. Kurz dieser Mann stad sich selbst zu bilden bildet nun H[umboldts] Kinder, und so paßt das Sprichwort daß mancher nach Wolle geht und komt geschoren nach Hause. Seine Reisen nach Sycilien und Griechenland, hat er aufgegeben um mit Humbolds nach Albano zu gehen, und seine Schule in Giessen scheint er aufgegeben zu haben, um die Schule der Frau v. H[umboldt] zu geniessen.
Sie glauben nicht zu wie vielen Erfahrungen uns der Geldmangel geholfen hat. Erstlich Müller ein Hauptschurke, zweitens Riepenhausens Lumpen, drittens sehr wenige Deutsche hier, die ich mit Freude für meine Landsleute erkenne. Doch leben Sie für diesmal wohl mein theurer geliebter Freund mich drängt der Abgang der Post und ich fürchte auch der wilde Styl welchen Sie nicht an mir gewohnt sind wird Sie befremden. Leben Sie wohl tausend Grüße von den Bruder und den Kindern. Diese drei Herren werden Ihnen nächstens schreiben.
Ewig Ihre Freundin
S.[ophie]
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