• August Wilhelm von Schlegel to Philipp Joseph von Rehfues

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Bonn · Date: 18.04.1838
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Philipp Joseph von Rehfues
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 18.04.1838
  • Notations: Empfangsort erschlossen. – Da der Brief im Druck nur teilweise wiedergegeben ist, wurde er neu transkribiert.
    Printed Text
  • Bibliography: Körner, Josef: Indologie und Humanität. In: Festschrift Moriz Winterniz. Hg. v. Otto Stein u. Wilhelm Gampert. Leipzig 1933. S. 135‒136.
  • Weitere Drucke: Josef Körner. Philologische Schriften und Briefe. Hg. v. Ralf Klausnitzer. Mit einem Vorwort von Hans Eichner. Göttingen 2001, S. 159‒160.
  • Incipit: „[1] Bonn d. 18.ten April 1838.
    Hochzuverehrender Herr Geheime-Rath!
    Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich, anbei meinen Beitrag für die Verunglückten an der Oder [...]“
    Manuscript
  • Provider: Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek
  • OAI Id: 1917543
  • Classification Number: S 1392 : 17
  • Number of Pages: 1 e. Br. (1 Doppelbl.=4 S.)
  • Particularities: Mit Empfangsvermerk Rehfuesʼ
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Strobel, Jochen
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[1] Bonn d. 18.ten April 1838.
Hochzuverehrender Herr Geheime-Rath!
Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich, anbei meinen Beitrag für die Verunglückten an der Oder mit 10 th. zu übermachen.
In Bezug auf Ihre sehr treffenden Bemerkungen sende ich Ihnen eine zu beliebigem Gebrauch zu behaltende Abschrift meines Schreibens an König Wilhelm IV, das von diesem Monarchen durch eine so ausgezeichnete Ehrenbezeugung erwiedert ward.
Zugleich nehme ich mir die Freiheit, Ihnen für Ihre Bibliothek ein Exemplar meiner Réflexions anzubieten, worin ich über denselben Gegenstand mit aller Freimüthigkeit gesprochen habe, namentlich in der Vorrede p. VII–X, und p. 97 sq.
Seitdem sind noch Rückschritte erfolgt. Von der Berathung über das modificirt zu erneuernde Privilegium der Ostindischen Compagnie hatte ich zu günstig augurirt. Sie ist höchst übereilt, und nach den kleinlichsten Rücksichten abgethan worden. Parlament und Minister gleichermaßen in der Parteien-Wuth befangen, scheinen taub und blind für alles andere zu seyn. Zu spät werden Sie vielleicht einsehen, daß das Reich in Indien ein goldner Koloß mit thönernen Beinen war.
Noch kurz vor seinem Abgange hat der General-Gouverneur Lord Bentinck durch einen Act der Barbarei gezeigt, wie wenig er [2] den Charakter der Indischen Nation und ihre geistigen Bedürfnisse während einer langen Verwaltung kennengelernt hatte. Der Methodismus kommt hinzu: man darf nur fanatischen Missionaren freie Hand lassen, um alle, Mahomedaner wie Brahmanische, gegen die Englische Herrschaft zu empören.
Wie sehr den Indiern die ihren alten Weisen und Dichtern zugewandte Aufmerksamkeit schmeichelt, hatte ich Gelegenheit in London bei meiner Bekanntschaft mit dem aufgeklärtesten aller Brahmanen, Râma-mohanaraya, zu beobachten.
Die Asiatischen Studien haben einen großen Gönner an Lord Munster, dem ältesten Sohne des Königs Wilhelm. Durch den Regierungswechsel hat er aber natürlich allen Einfluß verloren. Seine Jugend hat er als Militär in Indien zugebracht, spricht geläufig Persisch, und hat seine Rückreise durch Persien unter seinem damaligen Namen, Colonel Fitzwilliam, anziehend beschrieben. Niemand wäre geeigneter als er zum General-Gouverneur von Indien, und wäre er unter der vorigen Regierung dazu ernannt worden, so hätten die Sanskritischen Studien durch die aus Calcutta geschafften Hülfsmüttel einen neuen Aufschwung gewonnen.
Lord Munster hat mich vor ein paar Jahren auf das freundschaftlichste besucht und den ganzen Tag seines Aufenthalts in Bonn mit mir zugebracht. Er war der Stifter des mit der Londoner Asiat. Societät verbundene Comité der Übersetzungen. Dieses, nachdem [3] der anfängliche Plan nach Silvestre de Sacyʼs und meinen Bemerkungen verbessert war, hat schon manches ersprießliche geliefert, und Deutschen Gelehrten, namentlich meinem Schüler Stenzler, jetzt Professor in Breslau, die Mittel geschafft, sich rühmlich zu zeigen.
In England ist jetzt wenig Sanskrit zu lernen. Die Manuscripte sind da, aber dazu muß man Kenntnisse und Erfahrung mitbringen. Wilson, vermöge eines Privatvermächtnisses Professor des Sanskrit in Oxford, findet dort keine andern Zuhörer als die Studenten, die um das damit verknüpfte Stipendium werben; und so kann ich es ihm nicht verdenken, daß er seinen Unterricht auf ein paar Monate im Jahre beschränkt.
Der Professor des Sanskrit in Paris, mein Freund Burnouf, ist ein geistreicher und gründlicher Gelehrter. Auch sind dort noch zwei junge talentvolle Männer, Jacquet und Loiseleur-Deslongchamps. Aber der Lehrstunden sind zu wenige, auch fehlt es noch an manchem andern.
Von Hrn. Bopp und der vefehlten Richtung seiner Schule will ich nicht sprechen. Ich habe ihn auch öffentlich geschont, wiewohl er um mich gerade das Gegentheil verdient hätte. Ich bemerke nur, daß seine verkehrten Neuerungen im Auslande durchaus verworfen worden sind, und daß seine Schüler nur dann etwas geleistet haben, wenn sie sich von seinem Einflusse losgemacht hatten.
[4] Bonn ist anerkannter Maßen die erste Schule für das Sanskrit in Europa, durch die Vollständigkeit der in meiner Bibliothek vorhandenen Hülfsmittel, durch die Güte und Menge der Lehrstunden, wovon Hr. Prof. Lassen die Hälfte besorgt.
Bei einer sehr geschwächten Gesundheit werde ich in kurzem zwei Bände ans Licht treten lassen, deren bald ein dritter nachfolgen wird.
Das Ziel meiner Thätigkeit kann nicht weit entfernt seyn. Es ist mir sehr angelegen, daß das mit so großen Aufopferungen zur Förderung der Wissenschaft und zum Ruhm der Universität von mir gestiftete Werk nicht nach meinem Ableben wieder zu Grunde gehe; daß mein großes Unternehmen, die Herausgabe des Heldengedichtes Râmâyana nach denselben Grundsätzen zu Ende geführt werde.
Ich muß daher lebhaft wünschen Hrn. Prof. Lassen in eine vortheilhaftere Lage gesetzt zu sehen, damit er nicht Ursache habe einen auswärtigen Ruf anzunehmen. Er ist ein gebohrner Norweger: vielleicht würde es mich nur einen Brief an den König von Schweden kosten, ihm einen Ruf nach Christiania zu verschaffen. Aber dieß wäre meinen Absichten ganz entgegen.
Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichneten Verehrung womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
A.W. von Schlegel
[1] 1838.
pr. d. 18. April 38.
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[1] Bonn d. 18.ten April 1838.
Hochzuverehrender Herr Geheime-Rath!
Ew. Hochwohlgeboren beehre ich mich, anbei meinen Beitrag für die Verunglückten an der Oder mit 10 th. zu übermachen.
In Bezug auf Ihre sehr treffenden Bemerkungen sende ich Ihnen eine zu beliebigem Gebrauch zu behaltende Abschrift meines Schreibens an König Wilhelm IV, das von diesem Monarchen durch eine so ausgezeichnete Ehrenbezeugung erwiedert ward.
Zugleich nehme ich mir die Freiheit, Ihnen für Ihre Bibliothek ein Exemplar meiner Réflexions anzubieten, worin ich über denselben Gegenstand mit aller Freimüthigkeit gesprochen habe, namentlich in der Vorrede p. VII–X, und p. 97 sq.
Seitdem sind noch Rückschritte erfolgt. Von der Berathung über das modificirt zu erneuernde Privilegium der Ostindischen Compagnie hatte ich zu günstig augurirt. Sie ist höchst übereilt, und nach den kleinlichsten Rücksichten abgethan worden. Parlament und Minister gleichermaßen in der Parteien-Wuth befangen, scheinen taub und blind für alles andere zu seyn. Zu spät werden Sie vielleicht einsehen, daß das Reich in Indien ein goldner Koloß mit thönernen Beinen war.
Noch kurz vor seinem Abgange hat der General-Gouverneur Lord Bentinck durch einen Act der Barbarei gezeigt, wie wenig er [2] den Charakter der Indischen Nation und ihre geistigen Bedürfnisse während einer langen Verwaltung kennengelernt hatte. Der Methodismus kommt hinzu: man darf nur fanatischen Missionaren freie Hand lassen, um alle, Mahomedaner wie Brahmanische, gegen die Englische Herrschaft zu empören.
Wie sehr den Indiern die ihren alten Weisen und Dichtern zugewandte Aufmerksamkeit schmeichelt, hatte ich Gelegenheit in London bei meiner Bekanntschaft mit dem aufgeklärtesten aller Brahmanen, Râma-mohanaraya, zu beobachten.
Die Asiatischen Studien haben einen großen Gönner an Lord Munster, dem ältesten Sohne des Königs Wilhelm. Durch den Regierungswechsel hat er aber natürlich allen Einfluß verloren. Seine Jugend hat er als Militär in Indien zugebracht, spricht geläufig Persisch, und hat seine Rückreise durch Persien unter seinem damaligen Namen, Colonel Fitzwilliam, anziehend beschrieben. Niemand wäre geeigneter als er zum General-Gouverneur von Indien, und wäre er unter der vorigen Regierung dazu ernannt worden, so hätten die Sanskritischen Studien durch die aus Calcutta geschafften Hülfsmüttel einen neuen Aufschwung gewonnen.
Lord Munster hat mich vor ein paar Jahren auf das freundschaftlichste besucht und den ganzen Tag seines Aufenthalts in Bonn mit mir zugebracht. Er war der Stifter des mit der Londoner Asiat. Societät verbundene Comité der Übersetzungen. Dieses, nachdem [3] der anfängliche Plan nach Silvestre de Sacyʼs und meinen Bemerkungen verbessert war, hat schon manches ersprießliche geliefert, und Deutschen Gelehrten, namentlich meinem Schüler Stenzler, jetzt Professor in Breslau, die Mittel geschafft, sich rühmlich zu zeigen.
In England ist jetzt wenig Sanskrit zu lernen. Die Manuscripte sind da, aber dazu muß man Kenntnisse und Erfahrung mitbringen. Wilson, vermöge eines Privatvermächtnisses Professor des Sanskrit in Oxford, findet dort keine andern Zuhörer als die Studenten, die um das damit verknüpfte Stipendium werben; und so kann ich es ihm nicht verdenken, daß er seinen Unterricht auf ein paar Monate im Jahre beschränkt.
Der Professor des Sanskrit in Paris, mein Freund Burnouf, ist ein geistreicher und gründlicher Gelehrter. Auch sind dort noch zwei junge talentvolle Männer, Jacquet und Loiseleur-Deslongchamps. Aber der Lehrstunden sind zu wenige, auch fehlt es noch an manchem andern.
Von Hrn. Bopp und der vefehlten Richtung seiner Schule will ich nicht sprechen. Ich habe ihn auch öffentlich geschont, wiewohl er um mich gerade das Gegentheil verdient hätte. Ich bemerke nur, daß seine verkehrten Neuerungen im Auslande durchaus verworfen worden sind, und daß seine Schüler nur dann etwas geleistet haben, wenn sie sich von seinem Einflusse losgemacht hatten.
[4] Bonn ist anerkannter Maßen die erste Schule für das Sanskrit in Europa, durch die Vollständigkeit der in meiner Bibliothek vorhandenen Hülfsmittel, durch die Güte und Menge der Lehrstunden, wovon Hr. Prof. Lassen die Hälfte besorgt.
Bei einer sehr geschwächten Gesundheit werde ich in kurzem zwei Bände ans Licht treten lassen, deren bald ein dritter nachfolgen wird.
Das Ziel meiner Thätigkeit kann nicht weit entfernt seyn. Es ist mir sehr angelegen, daß das mit so großen Aufopferungen zur Förderung der Wissenschaft und zum Ruhm der Universität von mir gestiftete Werk nicht nach meinem Ableben wieder zu Grunde gehe; daß mein großes Unternehmen, die Herausgabe des Heldengedichtes Râmâyana nach denselben Grundsätzen zu Ende geführt werde.
Ich muß daher lebhaft wünschen Hrn. Prof. Lassen in eine vortheilhaftere Lage gesetzt zu sehen, damit er nicht Ursache habe einen auswärtigen Ruf anzunehmen. Er ist ein gebohrner Norweger: vielleicht würde es mich nur einen Brief an den König von Schweden kosten, ihm einen Ruf nach Christiania zu verschaffen. Aber dieß wäre meinen Absichten ganz entgegen.
Genehmigen Sie die Versicherung der ausgezeichneten Verehrung womit ich die Ehre habe zu seyn
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
A.W. von Schlegel
[1] 1838.
pr. d. 18. April 38.
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