• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Unknown · Date: 08.06.1813
Edition Status: Single collated printed full text without registry labelling not including a registry
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 08.06.1813
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 541‒544.
  • Incipit: „Wien den 8ten Juni 1813.
    Geliebter Bruder, Die wenigen Zeilen, welche ich Dir durch August schrieb, wurden abgefaßt, da ich nach einem [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.195
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 19,2 x 11,5 cm
    Language
  • German
Wien den 8ten Juni 1813.
Geliebter Bruder, Die wenigen Zeilen, welche ich Dir durch August schrieb, wurden abgefaßt, da ich nach einem harten Krankheitsanfall mich eben erst wieder aufgerafft hatte und kaum noch sammeln konnte. Seitdem erhielt ich nun die reichen Sendungen von Dir: die Schrift, den Brief und die beyden an Genz. Daß Deine Schrift mir sehr viele Freude gemacht und auch bey den Kennern im Ganzen viel Beyfall gefunden hat. Ich sage im Ganzen; denn das wirst Du nun selbst wohl wissen daß der eine Punkt wegen Norwegens hier für eine arge politische Ketzerey gilt. Ich muß Dir bekennen, daß auch ich jene Sache, besonders die Gewaltsamkeit und die Art nicht ganz billigen kann. Ich will gern zugeben, daß die strafwürdige dänische Politik zu harten Maaßregeln berechtigte; ich fürchte nur daß jene Stipulation andre Uebel nach sich zieht, und einen Saamen der Zwietracht ausstreut, wo doch alles vereinigt seyn sollte. Was mir nach meiner Denkart am härtesten dabey auffällt, ist, daß niemand die Norweger selbst fragt, ob sie auch wollen! ‒ Doch dem ist nun einmal so; also ist nicht weiter davon zu reden. Wenn der Kronprinz die Hoffnungen, die man auf ihn setzt, erfüllt, wenn er schnell und gleich, wie es wahrscheinlich möglich ist, etwas Großes und Glänzendes für Deutschland und für Europa thut, so werden alle Schwierigkeiten sich von selbst geben. Dahin, daß dieß geschehe, aller schwedischen Männer Blicke zu richten, dafür mit aller Kraft zu reden, benutze jede Gelegenheit die sich Dir darbietet. Sey und bleibe nur ja überall und in allem ein Deutscher; so wirst Du auch für Schwedens und seines jetzigen Führers Ruhm und Vortheil am besten und Deiner am würdigsten sorgen. Nichts unwürdiger und verderblicher als so ein halbfranzösischer Diplomatiker wie Genz ein solcher ist. Dein letzter Brief an ihn (der auf mehrern Bogen in 4o, den Du wohl als ein Memoire zum Mittheilen an Metternich mit Fleiß eingerichtet hattest, er aber nicht mitgetheilt hat) so wie der von der Staël an ihn, waren ganz ungehörig und haben nur recht Oel ins Feuer geschüttet. Ihr müßt ihn gar nicht recht kennen. Der Haß gegen die Völker ist bey ihm immer das Erste, dem alles andre nachsteht. Wegen einiger allerdings alberner Proclamationen, die im Grunde aber doch unbedeutend und wenigstens nicht so tadelnswerth waren, als das kalte und alberne Neutral- und Stillsitzen, hat er nun ordentlich eine Art von Widerwillen gegen die Deutsche Sache; von Deutschland spricht er nie anders als mit der wegwerfendsten Verachtung, auch kennt er es weniger als die Türkey oder China. In das neutral bewaffnete Vermittlungssystem ist er bis über die Ohren versunken, so daß er darüber selbst die Beurtheilung ganz verliehrt. Ich betrachte dieß wie eine Art von Wahnsinn, die man vorübergehen lassen muß. Ueberhaupt aber besorge ich, daß es mit der ganzen profunden Weisheit von Genz ein schlechtes und schmähliches Ende nehmen wird, wie mit weiland Joh. Müller. Er hat diesen Winter über gewiß mehr geschadet, als er in seinem ganzen vorigen Leben irgend genutzt haben kann. ‒ Ich schreibe Dir dieß nicht, damit Du es leidenschaftlich aufgreifen, und Dich etwa bitter über ihn äußern sollst. Sondern damit Du wüßtest, woran Du bist. Vielmehr empfehle ich Dir die äußerste Klugheit; denn er hat einmal für jetzt Einfluß und kann wenigstens viel schaden, wenn auch jetzt keine Hoffnung ist, daß er sehr viel wird nutzen wollen. Man muß ihn daher schonen; ihn besser zu stimmen, wird gewiß weder Dir noch der Staël gelingen, besonders jetzt nicht; durch die Engländer liesse er sich vielleicht am ersten (wenn es wichtig genug scheint) etwas besser stimmen. ‒
Ich bin fortdauernd sehr unzufrieden, daß ich bey allem so unthätig zusehen muß. Eine bessere Stelle für mich gäbe es durchaus nicht, als wenn ich in russischem Dienste für die Deutschen Geschäfte angestellt wäre.*) Hier könnte ich gewiß sehr viel Gutes wirken, und recht vereint mit Dir in dieser neuen Thätigkeit, wie wir es sonst in der Litteratur waren. Theile mir nur wenigstens so schnell als möglich eine Abschrift Deines Aufsatzes über Deutschland mit; darauf bin ich unendlich begierig, und ich wünschte, daß wir wenigstens über diesen Gegenstand in Verbindung blieben. Über einige Deiner Aeußerungen (betreffs Deutschlands) in den Briefen an Genz und der Schrift bin ich nicht ganz einverstanden. Tettenborn hat in Hamburg meisterlich gehandelt, nur das Eine habe ich ihm vorzuwerfen, daß er mit Repressalien immer nur gedroht hat, ohne sie je zu vollziehen. Trachte doch ja dahin, daß es geschieht.
Es müssen aber gebohrne Franzosen seyn, sonst wüthen wir nur gegen unser eignes Fleisch. Auch an den gebohrnen Franzosen, welche Aemter hatten in Deutschland, sollte ein Exempel statuirt werden.
*) Ich würde mich mit Stein vielleicht besser vertragen als Du. Vielleicht wäre aber der rechte Platz, besonders jetzt, bey Nesselrode. Reicht Dein Einfluß so weit, daß Du dazu beytragen könntest, so etwas zu bewirken, so versäume ja nichts. Es könnte unendlich heilsam seyn.
Wien den 8ten Juni 1813.
Geliebter Bruder, Die wenigen Zeilen, welche ich Dir durch August schrieb, wurden abgefaßt, da ich nach einem harten Krankheitsanfall mich eben erst wieder aufgerafft hatte und kaum noch sammeln konnte. Seitdem erhielt ich nun die reichen Sendungen von Dir: die Schrift, den Brief und die beyden an Genz. Daß Deine Schrift mir sehr viele Freude gemacht und auch bey den Kennern im Ganzen viel Beyfall gefunden hat. Ich sage im Ganzen; denn das wirst Du nun selbst wohl wissen daß der eine Punkt wegen Norwegens hier für eine arge politische Ketzerey gilt. Ich muß Dir bekennen, daß auch ich jene Sache, besonders die Gewaltsamkeit und die Art nicht ganz billigen kann. Ich will gern zugeben, daß die strafwürdige dänische Politik zu harten Maaßregeln berechtigte; ich fürchte nur daß jene Stipulation andre Uebel nach sich zieht, und einen Saamen der Zwietracht ausstreut, wo doch alles vereinigt seyn sollte. Was mir nach meiner Denkart am härtesten dabey auffällt, ist, daß niemand die Norweger selbst fragt, ob sie auch wollen! ‒ Doch dem ist nun einmal so; also ist nicht weiter davon zu reden. Wenn der Kronprinz die Hoffnungen, die man auf ihn setzt, erfüllt, wenn er schnell und gleich, wie es wahrscheinlich möglich ist, etwas Großes und Glänzendes für Deutschland und für Europa thut, so werden alle Schwierigkeiten sich von selbst geben. Dahin, daß dieß geschehe, aller schwedischen Männer Blicke zu richten, dafür mit aller Kraft zu reden, benutze jede Gelegenheit die sich Dir darbietet. Sey und bleibe nur ja überall und in allem ein Deutscher; so wirst Du auch für Schwedens und seines jetzigen Führers Ruhm und Vortheil am besten und Deiner am würdigsten sorgen. Nichts unwürdiger und verderblicher als so ein halbfranzösischer Diplomatiker wie Genz ein solcher ist. Dein letzter Brief an ihn (der auf mehrern Bogen in 4o, den Du wohl als ein Memoire zum Mittheilen an Metternich mit Fleiß eingerichtet hattest, er aber nicht mitgetheilt hat) so wie der von der Staël an ihn, waren ganz ungehörig und haben nur recht Oel ins Feuer geschüttet. Ihr müßt ihn gar nicht recht kennen. Der Haß gegen die Völker ist bey ihm immer das Erste, dem alles andre nachsteht. Wegen einiger allerdings alberner Proclamationen, die im Grunde aber doch unbedeutend und wenigstens nicht so tadelnswerth waren, als das kalte und alberne Neutral- und Stillsitzen, hat er nun ordentlich eine Art von Widerwillen gegen die Deutsche Sache; von Deutschland spricht er nie anders als mit der wegwerfendsten Verachtung, auch kennt er es weniger als die Türkey oder China. In das neutral bewaffnete Vermittlungssystem ist er bis über die Ohren versunken, so daß er darüber selbst die Beurtheilung ganz verliehrt. Ich betrachte dieß wie eine Art von Wahnsinn, die man vorübergehen lassen muß. Ueberhaupt aber besorge ich, daß es mit der ganzen profunden Weisheit von Genz ein schlechtes und schmähliches Ende nehmen wird, wie mit weiland Joh. Müller. Er hat diesen Winter über gewiß mehr geschadet, als er in seinem ganzen vorigen Leben irgend genutzt haben kann. ‒ Ich schreibe Dir dieß nicht, damit Du es leidenschaftlich aufgreifen, und Dich etwa bitter über ihn äußern sollst. Sondern damit Du wüßtest, woran Du bist. Vielmehr empfehle ich Dir die äußerste Klugheit; denn er hat einmal für jetzt Einfluß und kann wenigstens viel schaden, wenn auch jetzt keine Hoffnung ist, daß er sehr viel wird nutzen wollen. Man muß ihn daher schonen; ihn besser zu stimmen, wird gewiß weder Dir noch der Staël gelingen, besonders jetzt nicht; durch die Engländer liesse er sich vielleicht am ersten (wenn es wichtig genug scheint) etwas besser stimmen. ‒
Ich bin fortdauernd sehr unzufrieden, daß ich bey allem so unthätig zusehen muß. Eine bessere Stelle für mich gäbe es durchaus nicht, als wenn ich in russischem Dienste für die Deutschen Geschäfte angestellt wäre.*) Hier könnte ich gewiß sehr viel Gutes wirken, und recht vereint mit Dir in dieser neuen Thätigkeit, wie wir es sonst in der Litteratur waren. Theile mir nur wenigstens so schnell als möglich eine Abschrift Deines Aufsatzes über Deutschland mit; darauf bin ich unendlich begierig, und ich wünschte, daß wir wenigstens über diesen Gegenstand in Verbindung blieben. Über einige Deiner Aeußerungen (betreffs Deutschlands) in den Briefen an Genz und der Schrift bin ich nicht ganz einverstanden. Tettenborn hat in Hamburg meisterlich gehandelt, nur das Eine habe ich ihm vorzuwerfen, daß er mit Repressalien immer nur gedroht hat, ohne sie je zu vollziehen. Trachte doch ja dahin, daß es geschieht.
Es müssen aber gebohrne Franzosen seyn, sonst wüthen wir nur gegen unser eignes Fleisch. Auch an den gebohrnen Franzosen, welche Aemter hatten in Deutschland, sollte ein Exempel statuirt werden.
*) Ich würde mich mit Stein vielleicht besser vertragen als Du. Vielleicht wäre aber der rechte Platz, besonders jetzt, bey Nesselrode. Reicht Dein Einfluß so weit, daß Du dazu beytragen könntest, so etwas zu bewirken, so versäume ja nichts. Es könnte unendlich heilsam seyn.
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