Theuerster Bruder! ich bekam vor einigen Tagen einen Brief von Friedrich aus Dresden, vom 6ten Juni, worin er mir meldet daß er nach Wien geht, daß ich sehr bald nach Dresden kommen soll, und daß Sie mir aus Hannover schreiben werden! Alle diese Nachrichten aber ohne die geringste Auseinandersetzung, oder nähere Bestimmung, denken Sie sich also meine Ungeduld etwas näheres zu erfahren! Sind Sie wirklich in Hannover so sind Sie mir viel näher als Friedrich, so können Sie mich also früher als er unterrichten von dem was ich wissen muß, ich bitte Sie also darum liebster Bruder. – Wie es denn so geht wenn man eben nichts weiß, man bildet sich allerlei ein; und so habe ich mir auch ausgedacht, daß Sie wohl von Hannover nach der Schweiz zurückreisen könnten, daß Sie alsdenn wenn Sie die beschwerliche Reise durch Westpfahlen nicht allzusehr scheuen, wohl auch über Kölln reisen dürften, daß ich Sie dann sehen würde – O liebster Wilhelm wie sehr lange habe ich Sie nicht gesehen! Durch jene Vorstellungen wurde mein Wunsch Sie wieder zu sehen, bis zur Hoffnung erhöht, daß Sie vielleicht Ihre Reise in der That über die gute heilige colonia nehmen könnten, und daß Sie, (wenn es anders von Ihnen abhängt) mir meinen Wunsch und meine Bitte gewiß nicht versagen werden! Kommen Sie geliebter Freund! Daß ich noch einmal, an Ihrer Seite, unsre heilige Denkmähler begrüße, daß die letzten Stunden an den Ufern unsers deutschen Stroms mir zu einem zweifachen Fest werden. Sie wohnen dann bei mir und wir reisen bis Mainz zusammen! (besuchen in Frauenkirchen das Grab der heil. Genoveva) – Schreiben Sie mir bald, liebster Wilhelm, und die Gewährung meines Wunsches!
Der verehrten Mutter, dem Bruder und der Schwester bitte ich Sie mich zu empfehlen. Leben Sie wohl, vergessen Sie nicht Ihre Schwester
Dorothea.
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