• Amalie Wolper to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Lingen (Ems) · Place of Destination: Bonn · Date: 04.06.1840
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Amalie Wolper
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Lingen (Ems)
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 04.06.1840
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34336
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.29,Nr.63
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21,3 x 13,7 cm
  • Incipit: „[1] Lingen d. 4ten Juni
    1840.
    Geliebtester Oheim!
    Wie sehr ward ich diesen Morgen überrascht, als ich Ihren lieben Brief erhielt und derselbe [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
  • Zeil, Sophia
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 360]/version-04-20/letters/view/4021" data-language="">
[1] Lingen d. 4ten Juni
1840.
Geliebtester Oheim!
Wie sehr ward ich diesen Morgen überrascht, als ich Ihren lieben Brief erhielt und derselbe mit einem so großmüthigen Geschenk begleitet war. Glauben Sie mir, ich erkenne mit dem innigsten Dank die vielfachen Beweise Ihrer Güte und bin beschämt und gerührt darüber, da wir in der letzten Zeit dieselbe leider zu sehr haben in Anspruch nehmen müssen. Wiewohl mit schmerzlichen Gefühlen, so hatte ich doch die Reise nach Harburg für diesen Sommer gänzlich aufgegeben, da sie, man mag es einrichten, wie man will, immer bedeutende Kosten verursacht und es mir unrecht schien, da noch so viel für meinen unglücklichen Bruder zu berichtigen ist. Jetzt freilich ist es eine andre Sache und ich will die Entscheidung ganz dem Ermessen und Ausspruch meiner Mutter anheim stellen. Die Gründe, die ich noch [2] wohl dagegen anzuführen hätte, sind, daß wenn ich Hermann mitnehme, es immer das Doppelte kostet und unsre Zeit dann auf die Sommerferien beschränkt ist, da er die Schule nicht versäumen darf, lasse ich ihn aber zurück, so ist es schwierig und auch kostspielig, ein gutes Unterkommen für ihn zu finden. Jedenfalls sind diese jedoch nicht von solchem Belang, daß sie sich nicht beseitigen ließen und dem Wunsch meiner guten Mutter weichen müßten. Später werde ich Ihnen meinen Entschluß melden.
Wie weit die verwickelte und schwierige Auseinandersetzung mit dem Dr. Matthaei gediehen ist, weiß ich selbst nicht, da ich seitdem erst einen Brief von meiner Mutter erhalten habe. Die arme Mutter ist ganz unglücklich darüber, daß sie in ihrem hohen Alter eine Correspondenz führen müsse, der sie nicht gewachsen sei und die ihr Ruhe und Schlaf raube, da sie Tag und Nacht darüber nachgrübele und immer fürchte, es verkehrt zu machen. Sie dauert mich sehr und ich bedaure klage nur, daß ich ihr nicht beistehen kann, so weit meine Einsicht und Kräfte reichen, doch geht das in dieser Entfernung nicht wohl an. Ihres gütigen Rathes und wohlwollenden Briefes erwähnt sie mit [3] vieler Anerkennung, sie will nur erst die Antwort auf ihr Schreiben an Matthaei abwarten, um danach handeln zu können. Allerdings müssen die Ausgaben für die Verpflegung meines armen Bruders erstattet werden, nur scheinen mir die Forderungen von M: selbst übermäßig hoch gestellt zu sein. Deßhalb will sich Mutter auch die wenigen nachgelassenen Kleidungsstücke und Bücher von August überschicken lassen, weil wahrscheinlich der Ertrag derselben kaum die Kosten der Auction decken würde. Eine Abschrift von der Berechnung des Dr. M: kann Mutter Ihnen nächstens übersenden. Sehr will ich wünschen, daß die Angelegenheit bald beendigt sein möge und nicht noch mehr Verdrießlichkeiten für Mutter herbei führe.
Von ganzem Herzen beklage ich es, theuerster Oheim, daß Sie sich in der letzten Zeit so oft unwohl gefühlt haben. Daß dabei Ihre gelehrten Arbeiten nicht so schnellen Fortgang haben können, ist nur zu natürlich, doch kann ich ermessen, wie Sie dieses verstimmt, da ich Ihre ausgezeichnete Thätigkeit und Ihr unermüdetes Streben kenne. Auch dachte ich mir wohl, daß der Verlust Ihres Freundes D’Alton, obwohl längst voraus gesehen, Sie schmerzlich betrüben würde.
[4] Ich kann mich auch noch immer nicht wieder erholen von den vielen traurigen Eindrücken und Erschütterungen, welche die letzte Zeit für mich herbei geführt hat, denn außer dem unglücklichen Geschick, was meinen Bruder betraf, bekümmerte mich noch manches Andre. Jetzt macht mir der Gedanke viele Sorge, was einmal aus Hermann werden soll. Jedermann räth davon ab, ihn studiren zu lassen, weil das jetzt so sehr erschwert wird. Er hat große Lust den Buchhandel zu erlernen, doch werden dabei wohl die neueren Sprachen, Englisch und Französisch verlangt werden, was hier auf dem Gymnasium nur als Nebensache betrieben wird. Was meinen Sie dazu? Gern hörte ich einmal Ihren Rath. Herr Superintendent Jüngst, der in einigen Wochen nach Hannover reist, will sich in der Hahnschen Hof-Buchhand genau nach allen Forderungen und Bedingungen erkundigen. Ich müßte ihm dann Privat-Unterricht ertheilen lassen und er durch angestrengten Fleiß suchen, sich die noch mangelnden Kenntnisse zu erwerben.
Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, und seien Sie meiner innigsten Dankbarkeit gewiß.
Ihre
Sie aufrichtig liebende Nichte
Amalie Wolper.
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 442]/version-04-20/letters/view/4021" data-language="">
[1] Lingen d. 4ten Juni
1840.
Geliebtester Oheim!
Wie sehr ward ich diesen Morgen überrascht, als ich Ihren lieben Brief erhielt und derselbe mit einem so großmüthigen Geschenk begleitet war. Glauben Sie mir, ich erkenne mit dem innigsten Dank die vielfachen Beweise Ihrer Güte und bin beschämt und gerührt darüber, da wir in der letzten Zeit dieselbe leider zu sehr haben in Anspruch nehmen müssen. Wiewohl mit schmerzlichen Gefühlen, so hatte ich doch die Reise nach Harburg für diesen Sommer gänzlich aufgegeben, da sie, man mag es einrichten, wie man will, immer bedeutende Kosten verursacht und es mir unrecht schien, da noch so viel für meinen unglücklichen Bruder zu berichtigen ist. Jetzt freilich ist es eine andre Sache und ich will die Entscheidung ganz dem Ermessen und Ausspruch meiner Mutter anheim stellen. Die Gründe, die ich noch [2] wohl dagegen anzuführen hätte, sind, daß wenn ich Hermann mitnehme, es immer das Doppelte kostet und unsre Zeit dann auf die Sommerferien beschränkt ist, da er die Schule nicht versäumen darf, lasse ich ihn aber zurück, so ist es schwierig und auch kostspielig, ein gutes Unterkommen für ihn zu finden. Jedenfalls sind diese jedoch nicht von solchem Belang, daß sie sich nicht beseitigen ließen und dem Wunsch meiner guten Mutter weichen müßten. Später werde ich Ihnen meinen Entschluß melden.
Wie weit die verwickelte und schwierige Auseinandersetzung mit dem Dr. Matthaei gediehen ist, weiß ich selbst nicht, da ich seitdem erst einen Brief von meiner Mutter erhalten habe. Die arme Mutter ist ganz unglücklich darüber, daß sie in ihrem hohen Alter eine Correspondenz führen müsse, der sie nicht gewachsen sei und die ihr Ruhe und Schlaf raube, da sie Tag und Nacht darüber nachgrübele und immer fürchte, es verkehrt zu machen. Sie dauert mich sehr und ich bedaure klage nur, daß ich ihr nicht beistehen kann, so weit meine Einsicht und Kräfte reichen, doch geht das in dieser Entfernung nicht wohl an. Ihres gütigen Rathes und wohlwollenden Briefes erwähnt sie mit [3] vieler Anerkennung, sie will nur erst die Antwort auf ihr Schreiben an Matthaei abwarten, um danach handeln zu können. Allerdings müssen die Ausgaben für die Verpflegung meines armen Bruders erstattet werden, nur scheinen mir die Forderungen von M: selbst übermäßig hoch gestellt zu sein. Deßhalb will sich Mutter auch die wenigen nachgelassenen Kleidungsstücke und Bücher von August überschicken lassen, weil wahrscheinlich der Ertrag derselben kaum die Kosten der Auction decken würde. Eine Abschrift von der Berechnung des Dr. M: kann Mutter Ihnen nächstens übersenden. Sehr will ich wünschen, daß die Angelegenheit bald beendigt sein möge und nicht noch mehr Verdrießlichkeiten für Mutter herbei führe.
Von ganzem Herzen beklage ich es, theuerster Oheim, daß Sie sich in der letzten Zeit so oft unwohl gefühlt haben. Daß dabei Ihre gelehrten Arbeiten nicht so schnellen Fortgang haben können, ist nur zu natürlich, doch kann ich ermessen, wie Sie dieses verstimmt, da ich Ihre ausgezeichnete Thätigkeit und Ihr unermüdetes Streben kenne. Auch dachte ich mir wohl, daß der Verlust Ihres Freundes D’Alton, obwohl längst voraus gesehen, Sie schmerzlich betrüben würde.
[4] Ich kann mich auch noch immer nicht wieder erholen von den vielen traurigen Eindrücken und Erschütterungen, welche die letzte Zeit für mich herbei geführt hat, denn außer dem unglücklichen Geschick, was meinen Bruder betraf, bekümmerte mich noch manches Andre. Jetzt macht mir der Gedanke viele Sorge, was einmal aus Hermann werden soll. Jedermann räth davon ab, ihn studiren zu lassen, weil das jetzt so sehr erschwert wird. Er hat große Lust den Buchhandel zu erlernen, doch werden dabei wohl die neueren Sprachen, Englisch und Französisch verlangt werden, was hier auf dem Gymnasium nur als Nebensache betrieben wird. Was meinen Sie dazu? Gern hörte ich einmal Ihren Rath. Herr Superintendent Jüngst, der in einigen Wochen nach Hannover reist, will sich in der Hahnschen Hof-Buchhand genau nach allen Forderungen und Bedingungen erkundigen. Ich müßte ihm dann Privat-Unterricht ertheilen lassen und er durch angestrengten Fleiß suchen, sich die noch mangelnden Kenntnisse zu erwerben.
Leben Sie recht wohl, theurer Oheim, und seien Sie meiner innigsten Dankbarkeit gewiß.
Ihre
Sie aufrichtig liebende Nichte
Amalie Wolper.
×