• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Unknown · Date: [1795]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; single collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [1795]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.14
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 13,1 cm
  • Incipit: „[1] Liebster Wilhelm
    Jetzt werde ich mit meiner Faulheit im Schreiben fast unartig, auf mehrere so intereßante Briefe die ich [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 360]/version-04-20/letters/view/4198" data-language="">
[1] Liebster Wilhelm
Jetzt werde ich mit meiner Faulheit im Schreiben fast unartig, auf mehrere so intereßante Briefe die ich von dir und deiner Caroline habe nicht zu antworten das ist zu arg, zu meiner gewöhnlichen Trägheit im Schreiben ist jetzt nun noch eine neue Leidenschaft hinzu gekommen, die mich völlig zur elendesten Briefstellerinn gemacht hat, und diese ist nicht mehr und nicht weniger als der Kunst der ich jetzt huldige und einen großen theil meiner Zeit widme, du weißt ich habe schon mehrmals das Zeichnen angefangen und wieder durch Mangel an Unterricht und andern Hindernißen aufgehört, jetzt ist endlich diese Neigung zum Durchbruch gekommen, freylich wohl etwas spät, hätte ich früher angefangen ich glaube ich wäre eine Landschaftszeichnerinn geworden, es sind nun 7 Monathe daß ich den ersten Strich gemacht, und jetzt wage ich mich doch schon ohne Beystand meines Maitres eine Gegend nach der Natur zu zeichnen. Mein Sinn für die Natur, der bey mir immer lebhafter geworden, und die geselligen Freuden mehr bey mir verdrängt hat, bekömmt dabey eine neue Nahrung, es wird nun ein Genuß der mit Thätigkeit verbunden ist, ich fühle nicht [2] nur im ganzen den Reiz den zum b. eine schöne Beleuchtung macht, sondern ich folge mit einem suchenden Auge, die Wirkung im Einzelnen die mannigfaltigen Vertiefungen, Wölbungen und Töne, und bin denn in meinem Sinn was ich in in der Wirklichkeit nie seyn werde, eine wirkliche Landschaftszeichnerinn. Mein Lehrer ist ein junges Genie der sich gewiß sehr berühmt machen wird, er giebt sonst fast gar keine Stunden, er hat auch nicht recht die Gabe das heraus zu geben was er weiß, aber es theilt sich doch von seinem Geiste unvermerkt was mit, und ich möchte keinen andern Lehrer haben. Ich glaube daß er auch darinnen recht hat, daß zu viel Theorie die Hände ungeschickt macht, ich muß immer einigermaßen zufrieden seyn, mit dem was meine Hände machen können wenn man ich nicht den Muth verlieren soll. Ich denke diesen Winter nach den Zeichnungen meines Lehrers schon arbeiten zu können aber schlimm ist es, kaum ist er mit etwas fertig so reißt man sich darum, und da ihm baares Geld immer willkommen ist, so giebt er es gern gleich weg, mache ich nur erst etwas gutes dann werde ich an C. eine schicken, [3] doch da schwatze ich nur von mir selbst, und könnte dich dadurch auf den Gedanken bringen, als wenn ich nicht ganz deine Freude theilte, dich jetzt so glücklich zu wißen, doch daß ist gewiß der Fall nicht, ich genieße gewiß dankbar die Freude daß du jetzt so glücklich, und so fähig bist, dir dein Glück durch dich selbst zu schaffen, ich möchte recht viel von deinem jetzigen Leben und Verhältnißen wißen, doch was ich wißen soll müßt ihr mir selber schreiben, denn durch Fritzen erfahre ich wenig, er ist zu verschwiegen. Bitte nur die Bothmern in meinem Nahmen ob sie mir wohl noch einmal schreibe so ich ihr antworte, es ist freylich vil gefodert, indeßen traue ich ihr auch darinnen vil Güte zu.
Daß Fritz hier bleibt darmit scheint ihr ja nun selbst einig zu seyn, wenn eine Sache unmöglich ist so bleibt dabey nichts zu überlegen, daß mein Mann die Garantie für seine Schulden übernehmen konnte war unmöglich, er ist jetzt ohnedieß in dem Falle durch Chicane von seinen Verwandten wahrscheinlich um 300 rth. betrogen zu werden, es ist dieß der schwärzeste Undank, da er für diese Verwandten unendlich viel gethan. Ueberdieß hieße dieß Fritzen in Versuchung führen ihn von den Plagegeistern seiner Schuld[4]nern zu entfernen. Es fehlt ihm nicht an Bedürfnißen und Begierden diese würden erwachen wenn er sich freyer fühlte, und der Kampf ist dann vil schwerer sich alles zu versagen und das Geld hinzugeben, als wenn die Nothwendigkeit keine Wahl über läßt. Ueberdem sind seine Freunde [...] ungefähr mit seiner Lage bekannt fodern nichts vo[n] ihm, an einem fremden Orte wird ihm dieß [...] Schwierigkeiten machen. Bey der Mutter wäre gar nicht daran zu denken, du weißt daß sie selbst vil Bedürfniße hat, und es ist alles mögliche wenn sie damit für sich auskömmt, auch würde d[...] Fritz nicht angenommen haben. Fatal ist es daß ich nicht eine Stube über habe die ich Fritzen geben könnte, denn er läßt sich so gar leicht betrügen, ich muß noch sehen wie ich es einricht[e]
Nun lebe recht wohl bester Wilhelm fahre fort, so froh und glücklich zu seyn. Grüße die B. herz[lich] von mir. Mit der Bibliothek ist es unge[wiß] Roßtorf arbeitet sehr dahin daß sie wieder geöfnet werden soll, auch sind die fehlenden Werk[e] wieder da. tausend Grüße von meinem Mann
Charlotte Ernst
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 442]/version-04-20/letters/view/4198" data-language="">
[1] Liebster Wilhelm
Jetzt werde ich mit meiner Faulheit im Schreiben fast unartig, auf mehrere so intereßante Briefe die ich von dir und deiner Caroline habe nicht zu antworten das ist zu arg, zu meiner gewöhnlichen Trägheit im Schreiben ist jetzt nun noch eine neue Leidenschaft hinzu gekommen, die mich völlig zur elendesten Briefstellerinn gemacht hat, und diese ist nicht mehr und nicht weniger als der Kunst der ich jetzt huldige und einen großen theil meiner Zeit widme, du weißt ich habe schon mehrmals das Zeichnen angefangen und wieder durch Mangel an Unterricht und andern Hindernißen aufgehört, jetzt ist endlich diese Neigung zum Durchbruch gekommen, freylich wohl etwas spät, hätte ich früher angefangen ich glaube ich wäre eine Landschaftszeichnerinn geworden, es sind nun 7 Monathe daß ich den ersten Strich gemacht, und jetzt wage ich mich doch schon ohne Beystand meines Maitres eine Gegend nach der Natur zu zeichnen. Mein Sinn für die Natur, der bey mir immer lebhafter geworden, und die geselligen Freuden mehr bey mir verdrängt hat, bekömmt dabey eine neue Nahrung, es wird nun ein Genuß der mit Thätigkeit verbunden ist, ich fühle nicht [2] nur im ganzen den Reiz den zum b. eine schöne Beleuchtung macht, sondern ich folge mit einem suchenden Auge, die Wirkung im Einzelnen die mannigfaltigen Vertiefungen, Wölbungen und Töne, und bin denn in meinem Sinn was ich in in der Wirklichkeit nie seyn werde, eine wirkliche Landschaftszeichnerinn. Mein Lehrer ist ein junges Genie der sich gewiß sehr berühmt machen wird, er giebt sonst fast gar keine Stunden, er hat auch nicht recht die Gabe das heraus zu geben was er weiß, aber es theilt sich doch von seinem Geiste unvermerkt was mit, und ich möchte keinen andern Lehrer haben. Ich glaube daß er auch darinnen recht hat, daß zu viel Theorie die Hände ungeschickt macht, ich muß immer einigermaßen zufrieden seyn, mit dem was meine Hände machen können wenn man ich nicht den Muth verlieren soll. Ich denke diesen Winter nach den Zeichnungen meines Lehrers schon arbeiten zu können aber schlimm ist es, kaum ist er mit etwas fertig so reißt man sich darum, und da ihm baares Geld immer willkommen ist, so giebt er es gern gleich weg, mache ich nur erst etwas gutes dann werde ich an C. eine schicken, [3] doch da schwatze ich nur von mir selbst, und könnte dich dadurch auf den Gedanken bringen, als wenn ich nicht ganz deine Freude theilte, dich jetzt so glücklich zu wißen, doch daß ist gewiß der Fall nicht, ich genieße gewiß dankbar die Freude daß du jetzt so glücklich, und so fähig bist, dir dein Glück durch dich selbst zu schaffen, ich möchte recht viel von deinem jetzigen Leben und Verhältnißen wißen, doch was ich wißen soll müßt ihr mir selber schreiben, denn durch Fritzen erfahre ich wenig, er ist zu verschwiegen. Bitte nur die Bothmern in meinem Nahmen ob sie mir wohl noch einmal schreibe so ich ihr antworte, es ist freylich vil gefodert, indeßen traue ich ihr auch darinnen vil Güte zu.
Daß Fritz hier bleibt darmit scheint ihr ja nun selbst einig zu seyn, wenn eine Sache unmöglich ist so bleibt dabey nichts zu überlegen, daß mein Mann die Garantie für seine Schulden übernehmen konnte war unmöglich, er ist jetzt ohnedieß in dem Falle durch Chicane von seinen Verwandten wahrscheinlich um 300 rth. betrogen zu werden, es ist dieß der schwärzeste Undank, da er für diese Verwandten unendlich viel gethan. Ueberdieß hieße dieß Fritzen in Versuchung führen ihn von den Plagegeistern seiner Schuld[4]nern zu entfernen. Es fehlt ihm nicht an Bedürfnißen und Begierden diese würden erwachen wenn er sich freyer fühlte, und der Kampf ist dann vil schwerer sich alles zu versagen und das Geld hinzugeben, als wenn die Nothwendigkeit keine Wahl über läßt. Ueberdem sind seine Freunde [...] ungefähr mit seiner Lage bekannt fodern nichts vo[n] ihm, an einem fremden Orte wird ihm dieß [...] Schwierigkeiten machen. Bey der Mutter wäre gar nicht daran zu denken, du weißt daß sie selbst vil Bedürfniße hat, und es ist alles mögliche wenn sie damit für sich auskömmt, auch würde d[...] Fritz nicht angenommen haben. Fatal ist es daß ich nicht eine Stube über habe die ich Fritzen geben könnte, denn er läßt sich so gar leicht betrügen, ich muß noch sehen wie ich es einricht[e]
Nun lebe recht wohl bester Wilhelm fahre fort, so froh und glücklich zu seyn. Grüße die B. herz[lich] von mir. Mit der Bibliothek ist es unge[wiß] Roßtorf arbeitet sehr dahin daß sie wieder geöfnet werden soll, auch sind die fehlenden Werk[e] wieder da. tausend Grüße von meinem Mann
Charlotte Ernst
×