• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Weimar · Date: 03.06.1804 bis 05.06.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Weimar
  • Date: 03.06.1804 bis 05.06.1804
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 103‒105.
  • Incipit: „Coppet d. 3 Jun. [180]4.
    Theuerste Freundin
    Gestern waren es 14 Tage, daß ich hier bin, in dieser Zeit habe ich erst einen [...]“
    Language
  • German
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Coppet d. 3 Jun. [180]4.
Theuerste Freundin
Gestern waren es 14 Tage, daß ich hier bin, in dieser Zeit habe ich erst einen Brief von Ihnen erhalten und zwey Posttage vergeblich darauf gewartet, so daß wenn mit der nächsten Post einer kömmt ich erst nach zwey Wochen den zweyten erhalte, statt nach acht Tagen wie Sie mir versprochen hatten. Doch klage ich nicht über Ihr Stillschweigen, ich suche auch die Unruhe zu entfernen, da ich leider die Schuld auf meine Saumseligkeit schieben muß. Erst eine Tagereise vor Bern fand ich einige ruhige Stunden zu einem Briefe an Sie, er konnte in Bern nicht auf die Post gegeben werden, weil das Comptoir schon geschlossen war, und so mußte es den andern Tag bis Murten verspart bleiben. Wenn er nur nicht gar verlohren gegangen ist! An der Reisebeschreibung wäre nicht viel gelegen, aber die Vergißmeinnicht vom Zuger-See sollten mich dauern. Es kann leicht seyn, daß Sie diesen Brief erst drey Wochen nach meiner Abreise erhalten haben, und ehe Sie zum zweytenmale schrieben, eine Nachricht von mir abwarten wollten. Von hier aus ist dieß mein dritter Brief, und ich werde gewiß nicht mehr als einen Posttag überschlagen. Wenn der Briefwechsel erst im Gange ist, und ich versprochnermaßen alle Wochen von Ihnen einen Brief erhalte, so hoffe ich die Entfernung weniger schmerzlich zu fühlen. Morgen kommt die Deutsche Post an, ich werde den Vormittag in Genf zubringen, also erst nach meiner Zurückkunft erfahren, ob sie mir etwas mitgebracht hat. Dieß macht mich unruhig, und ich wollte, es wäre erst die Ungewißheit vorüber.
Sie haben in Ihrem ersten Briefe mir nur kurze Nachricht und nicht die beste von Ihrer Gesundheit gegeben. Freylich konnte ich voraus wissen, daß Sie sich um diese Zeit angegriffen fühlen würden, wenn es nur nicht ungewöhnlich stark war und Sie sich seitdem erhohlt haben. Ich fürchte mit meinen Ermahnungen sich zu pflegen lästig zu werden, und kann sie doch nicht unterlassen. Ich hoffe Sie nähen und stricken jetzt durchaus nicht, ich würde auch gegen das Schreiben protestiren, wenn ich nicht für mich um eine kleine Ausnahme bitten müßte. Schreiben Sie mir aber niemals mehr als Sie mit Bequemlichkeit können, Tieck füllt dann wohl das übrige aus. Hoffentlich fahren Sie jetzt alle Tage spazieren, und bringen die Hälfte der Zeit in der freyen Luft im Park zu. Für süße Weine wird Tieck schon sorgen, Bouillon-Extract zum Frühstück werden Sie bey dem herzoglichen Koch Coulomb bekommen können. Frau von St.[aël] hatte auf der Reise welche mit, die ich sehr gut fand. Und wie stehts mit den Bade-Einrichtungen?
D. 5ten Jun. Ich war gestern in Genf, wurde verhindert früher als gegen Abend zurückzukommen, fand aber keinen Brief vor. Also nochmals Geduld! Ich will hoffen, daß mich die Freunde nicht vergessen, sonst würde die Entfernung mir gar zu bitter seyn. Mit guten Nachrichten von Ihnen könnte ich heute des Lebens recht froh werden, der wahre Sommer hat sich eingestellt, und der Genuß eines südlicheren Himmels fängt für mich an. Schon seit mehren Tagen ist es himmlisches Wetter, ich habe dabey recht viel an Sie gedacht, daß Sie durchaus nach Süden müssen, ich habe die milde Luft im kühlen Schatten oder Abends gleichsam für Sie eingeathmet, mit dem Gefühl wie wohl sie Ihnen thun würde. Verzeihen Sie meine Lästigkeit mit Ermahnungen auf der vorigen Seite, ich will mich deren ganz enthalten, wenn ich erst weiß, daß es mit Ihrem Befinden auf gutem Wege ist.
Von meinem Bruder auch noch keine Zeile, die Bücherkiste, worin der Calderon, wird ebenfalls vergeblich erwartet. Übrigens richtet sich mein Leben mehr und mehr ein. Gestern haben wir einen jungen Mann aus Genf mitgebracht, der hier zwey Monate zubringen und den jungen Leuten fleißig Unterricht in der Mathematik geben wird. Dieß ist eine große Erleichterung für mich. Dann nimmt Frau von St.[aël] sich selbst der Sache mit an, läßt sie Übersetzungen und andre Arbeiten machen und sieht sie durch. Genug, das Versprechen, daß mir die Sorge für ihre Erziehung nicht zu viel Zeit kosten solle, wird vollkommen gehalten. Von heute an ist es so eingerichtet daß ich den Morgen bis 1 Uhr frey behalte, dann Unterricht bis 3 Uhr, und den Nachmittag etwa noch eine oder anderthalb Stunde. Nun soll es auch mit größtem Eifer an den Shakespeare gehen. Manche Hülfsmittel fehlen mir freylich, die Vergleichung mit andern neuen Ausgaben, auch ist in ganz Genf schwerlich Adelungs Wörterbuch aufzutreiben; bey Bonstetten habe ich meine Übersetzung vom Sh.[akspeare] gefunden und er hat mir die 4 letzten Theile mit den Historischen Stücken mitgegeben, um sie zum Behuf des folgenden durchzugehen. Wenn ich nur Briefe hätte, so würde ich mit Eifer meine Muße benutzen.
Jetzt noch etwas über meine Aussichten. Bis gegen Ende Octobers bleiben wir hier, in dieser Zeit vielleicht 4–6 Wochen in Genf, die ich vermittelst der Bücher auf der öffentlichen Bibliothek zur Vorbereitung auf Italien werde benutzen können. Von dieser Reise ist viel die Rede, und vermutlich kommt sie zu Stande, da die Aussichten zum Frieden sich wieder entfernen.
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Coppet d. 3 Jun. [180]4.
Theuerste Freundin
Gestern waren es 14 Tage, daß ich hier bin, in dieser Zeit habe ich erst einen Brief von Ihnen erhalten und zwey Posttage vergeblich darauf gewartet, so daß wenn mit der nächsten Post einer kömmt ich erst nach zwey Wochen den zweyten erhalte, statt nach acht Tagen wie Sie mir versprochen hatten. Doch klage ich nicht über Ihr Stillschweigen, ich suche auch die Unruhe zu entfernen, da ich leider die Schuld auf meine Saumseligkeit schieben muß. Erst eine Tagereise vor Bern fand ich einige ruhige Stunden zu einem Briefe an Sie, er konnte in Bern nicht auf die Post gegeben werden, weil das Comptoir schon geschlossen war, und so mußte es den andern Tag bis Murten verspart bleiben. Wenn er nur nicht gar verlohren gegangen ist! An der Reisebeschreibung wäre nicht viel gelegen, aber die Vergißmeinnicht vom Zuger-See sollten mich dauern. Es kann leicht seyn, daß Sie diesen Brief erst drey Wochen nach meiner Abreise erhalten haben, und ehe Sie zum zweytenmale schrieben, eine Nachricht von mir abwarten wollten. Von hier aus ist dieß mein dritter Brief, und ich werde gewiß nicht mehr als einen Posttag überschlagen. Wenn der Briefwechsel erst im Gange ist, und ich versprochnermaßen alle Wochen von Ihnen einen Brief erhalte, so hoffe ich die Entfernung weniger schmerzlich zu fühlen. Morgen kommt die Deutsche Post an, ich werde den Vormittag in Genf zubringen, also erst nach meiner Zurückkunft erfahren, ob sie mir etwas mitgebracht hat. Dieß macht mich unruhig, und ich wollte, es wäre erst die Ungewißheit vorüber.
Sie haben in Ihrem ersten Briefe mir nur kurze Nachricht und nicht die beste von Ihrer Gesundheit gegeben. Freylich konnte ich voraus wissen, daß Sie sich um diese Zeit angegriffen fühlen würden, wenn es nur nicht ungewöhnlich stark war und Sie sich seitdem erhohlt haben. Ich fürchte mit meinen Ermahnungen sich zu pflegen lästig zu werden, und kann sie doch nicht unterlassen. Ich hoffe Sie nähen und stricken jetzt durchaus nicht, ich würde auch gegen das Schreiben protestiren, wenn ich nicht für mich um eine kleine Ausnahme bitten müßte. Schreiben Sie mir aber niemals mehr als Sie mit Bequemlichkeit können, Tieck füllt dann wohl das übrige aus. Hoffentlich fahren Sie jetzt alle Tage spazieren, und bringen die Hälfte der Zeit in der freyen Luft im Park zu. Für süße Weine wird Tieck schon sorgen, Bouillon-Extract zum Frühstück werden Sie bey dem herzoglichen Koch Coulomb bekommen können. Frau von St.[aël] hatte auf der Reise welche mit, die ich sehr gut fand. Und wie stehts mit den Bade-Einrichtungen?
D. 5ten Jun. Ich war gestern in Genf, wurde verhindert früher als gegen Abend zurückzukommen, fand aber keinen Brief vor. Also nochmals Geduld! Ich will hoffen, daß mich die Freunde nicht vergessen, sonst würde die Entfernung mir gar zu bitter seyn. Mit guten Nachrichten von Ihnen könnte ich heute des Lebens recht froh werden, der wahre Sommer hat sich eingestellt, und der Genuß eines südlicheren Himmels fängt für mich an. Schon seit mehren Tagen ist es himmlisches Wetter, ich habe dabey recht viel an Sie gedacht, daß Sie durchaus nach Süden müssen, ich habe die milde Luft im kühlen Schatten oder Abends gleichsam für Sie eingeathmet, mit dem Gefühl wie wohl sie Ihnen thun würde. Verzeihen Sie meine Lästigkeit mit Ermahnungen auf der vorigen Seite, ich will mich deren ganz enthalten, wenn ich erst weiß, daß es mit Ihrem Befinden auf gutem Wege ist.
Von meinem Bruder auch noch keine Zeile, die Bücherkiste, worin der Calderon, wird ebenfalls vergeblich erwartet. Übrigens richtet sich mein Leben mehr und mehr ein. Gestern haben wir einen jungen Mann aus Genf mitgebracht, der hier zwey Monate zubringen und den jungen Leuten fleißig Unterricht in der Mathematik geben wird. Dieß ist eine große Erleichterung für mich. Dann nimmt Frau von St.[aël] sich selbst der Sache mit an, läßt sie Übersetzungen und andre Arbeiten machen und sieht sie durch. Genug, das Versprechen, daß mir die Sorge für ihre Erziehung nicht zu viel Zeit kosten solle, wird vollkommen gehalten. Von heute an ist es so eingerichtet daß ich den Morgen bis 1 Uhr frey behalte, dann Unterricht bis 3 Uhr, und den Nachmittag etwa noch eine oder anderthalb Stunde. Nun soll es auch mit größtem Eifer an den Shakespeare gehen. Manche Hülfsmittel fehlen mir freylich, die Vergleichung mit andern neuen Ausgaben, auch ist in ganz Genf schwerlich Adelungs Wörterbuch aufzutreiben; bey Bonstetten habe ich meine Übersetzung vom Sh.[akspeare] gefunden und er hat mir die 4 letzten Theile mit den Historischen Stücken mitgegeben, um sie zum Behuf des folgenden durchzugehen. Wenn ich nur Briefe hätte, so würde ich mit Eifer meine Muße benutzen.
Jetzt noch etwas über meine Aussichten. Bis gegen Ende Octobers bleiben wir hier, in dieser Zeit vielleicht 4–6 Wochen in Genf, die ich vermittelst der Bücher auf der öffentlichen Bibliothek zur Vorbereitung auf Italien werde benutzen können. Von dieser Reise ist viel die Rede, und vermutlich kommt sie zu Stande, da die Aussichten zum Frieden sich wieder entfernen.
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