• Sigmund Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 14.11.1793
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sigmund Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 14.11.1793
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.40
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,8 x 11,8 cm
  • Incipit: „[1] Werthester Freund,
    Sie haben einen Brief von mir erhalten, der noch nicht vollendet war. Ich bitte Sie mich deswegen zu [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
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[1] Werthester Freund,
Sie haben einen Brief von mir erhalten, der noch nicht vollendet war. Ich bitte Sie mich deswegen zu entschuldigen. Eine Krankheit hinderte mich ihn zu vollenden und ich wollte Ihren Wunsch nicht gern so lange unerfüllt laßen, bis ich Kräfte genug hätte, ihn zu schliesen. Ich hatte xxxlich noch etwas hinzuzufügen, das für uns beyde wichtig ist, ich will es jezt nachholen.
Schon lange fühlte ich gegen Ihre liebenswürdige Schwester eine Hochachtung, von der ich bald merkte, daß sie die Grenzen derjenig. überschritt, die jeder der Aug. und Gefühl hat, geg. sie hegen muß. Da ich nicht wußte, ob ich mich der Lebhaftigkeit dieser Hochachtung überlaßen dürfte, wurde ich nicht selten über meine Gefühle unruhig, und zuweil. traurig. Es war nicht so leicht, zumahl bey einem täglichen Umgang, sie zu unterdrücken, aber und doch durfte ich ohne bestimte Außichten, mich nicht darüber erklären. Indeßen, wenn ich gleich meine Zunge in meiner Gewalt behielt, so haben doch Gefühle mehr als eine Sprache, und Jettchen mußte sie errathen, wenn ich sie auch zu verbergen suchte. Sie schien sie nicht ganz zu mißbilligen, aber noch durfte ich mich nicht Hofnungen überlaßen, die vielleicht nur meine Wünsche erzeugt hatten. Indessen werd. Hofnungen die an sehnlichen [2] Wünschen hängen nicht leicht abgewiesen. Aber ich sah mit Verlangen einer Versorgung entgegen, die mir zur völligen Gewisheit verhelfen könte. Denn eher wagte ich nicht um Jettchens Hand zu werb., bis ich bestimt wußte, was ich ihr anbieten könte. Das weis ich zwar noch nicht, aber doch habe ich Versprechungen auf eine baldige Versorgung, und es war trafen auserordentliche Umstände zusammen, um über die wärmste Angelegenheit meines Herzens mir d. Mund zu öfnen. Ihr und mein Vater (denn nun im Grate ist er auch der meinige) war schon tot dem Tode nahe, und unsre Mutter überdachte traurig das Loos ihrer Kinder. Ich war eben so tief in Kummer versunken, und Seel. voll Kummer nähern sich gerne. Ich eröfnete ihr die meinige, und sie schenkte mir dafür das Beste, was sie mir schenken konte. – Unser Vater verschied, und ich war in der traurigen Nothwendigkeit, Jettchen, deren Krankheit noch bedenklich genug war, ihren Verlust zu entdeken, der ihr nicht länger verborgen bleiben konnte. Wir weinten – Hier wagte ich um die Jettchens Hand zu bitten, die mir unsre Mutter versprochen hatte. – Thränen besiegelten unsern Bund, und wir gelobt. einander, von nun an, unsern Kummer gemeinschaftlich zu tragen.
Das Glük, das ich nunmehr hoffen darf, ist mir auch von inso[3]fern sehr schätzbar, weil es mich mit Ihnen in ein näheres Verhältniß sezt. Zwar erhalten Verhältnisse dieser Art erst durch gegenseitige Freundschaft einen Werth, und Freundschaft hängt nicht von solchen Verhältnissen ab. Könte Hochachtung ein Recht auf Freundschaft geben, so hätte ich auf die ihrige das vollkommenste Recht. Indessen habe ich doch von unserm nähern Verhältnisse den Vortheil daß unsre Bekantschaft dadurch fortgesezt wird, und ich hoffe, bey einer längeren Bekantschaft sollen Sie finden, daß ich ein Herz für Freundschaft habe.
Ich bin mit der lebhaftesten Hochachtung
Ihr aufrichtiger Freund
Ernst

Hanover
den 14t Nov 1793
[4] [leer]
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[1] Werthester Freund,
Sie haben einen Brief von mir erhalten, der noch nicht vollendet war. Ich bitte Sie mich deswegen zu entschuldigen. Eine Krankheit hinderte mich ihn zu vollenden und ich wollte Ihren Wunsch nicht gern so lange unerfüllt laßen, bis ich Kräfte genug hätte, ihn zu schliesen. Ich hatte xxxlich noch etwas hinzuzufügen, das für uns beyde wichtig ist, ich will es jezt nachholen.
Schon lange fühlte ich gegen Ihre liebenswürdige Schwester eine Hochachtung, von der ich bald merkte, daß sie die Grenzen derjenig. überschritt, die jeder der Aug. und Gefühl hat, geg. sie hegen muß. Da ich nicht wußte, ob ich mich der Lebhaftigkeit dieser Hochachtung überlaßen dürfte, wurde ich nicht selten über meine Gefühle unruhig, und zuweil. traurig. Es war nicht so leicht, zumahl bey einem täglichen Umgang, sie zu unterdrücken, aber und doch durfte ich ohne bestimte Außichten, mich nicht darüber erklären. Indeßen, wenn ich gleich meine Zunge in meiner Gewalt behielt, so haben doch Gefühle mehr als eine Sprache, und Jettchen mußte sie errathen, wenn ich sie auch zu verbergen suchte. Sie schien sie nicht ganz zu mißbilligen, aber noch durfte ich mich nicht Hofnungen überlaßen, die vielleicht nur meine Wünsche erzeugt hatten. Indessen werd. Hofnungen die an sehnlichen [2] Wünschen hängen nicht leicht abgewiesen. Aber ich sah mit Verlangen einer Versorgung entgegen, die mir zur völligen Gewisheit verhelfen könte. Denn eher wagte ich nicht um Jettchens Hand zu werb., bis ich bestimt wußte, was ich ihr anbieten könte. Das weis ich zwar noch nicht, aber doch habe ich Versprechungen auf eine baldige Versorgung, und es war trafen auserordentliche Umstände zusammen, um über die wärmste Angelegenheit meines Herzens mir d. Mund zu öfnen. Ihr und mein Vater (denn nun im Grate ist er auch der meinige) war schon tot dem Tode nahe, und unsre Mutter überdachte traurig das Loos ihrer Kinder. Ich war eben so tief in Kummer versunken, und Seel. voll Kummer nähern sich gerne. Ich eröfnete ihr die meinige, und sie schenkte mir dafür das Beste, was sie mir schenken konte. – Unser Vater verschied, und ich war in der traurigen Nothwendigkeit, Jettchen, deren Krankheit noch bedenklich genug war, ihren Verlust zu entdeken, der ihr nicht länger verborgen bleiben konnte. Wir weinten – Hier wagte ich um die Jettchens Hand zu bitten, die mir unsre Mutter versprochen hatte. – Thränen besiegelten unsern Bund, und wir gelobt. einander, von nun an, unsern Kummer gemeinschaftlich zu tragen.
Das Glük, das ich nunmehr hoffen darf, ist mir auch von inso[3]fern sehr schätzbar, weil es mich mit Ihnen in ein näheres Verhältniß sezt. Zwar erhalten Verhältnisse dieser Art erst durch gegenseitige Freundschaft einen Werth, und Freundschaft hängt nicht von solchen Verhältnissen ab. Könte Hochachtung ein Recht auf Freundschaft geben, so hätte ich auf die ihrige das vollkommenste Recht. Indessen habe ich doch von unserm nähern Verhältnisse den Vortheil daß unsre Bekantschaft dadurch fortgesezt wird, und ich hoffe, bey einer längeren Bekantschaft sollen Sie finden, daß ich ein Herz für Freundschaft habe.
Ich bin mit der lebhaftesten Hochachtung
Ihr aufrichtiger Freund
Ernst

Hanover
den 14t Nov 1793
[4] [leer]
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