• Henriette Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 28.02.1793
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 28.02.1793
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.67
  • Number of Pages: 8S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 11,7 cm
  • Incipit: „[1] 1793 den 28sten Feb
    Liebster Bruder,
    Dießmahl hat daß lange außenbleiben deiner Briefe, mir auch rechte Angst gemacht! Ich stellte mir [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] 1793 den 28sten Feb
Liebster Bruder,
Dießmahl hat daß lange außenbleiben deiner Briefe, mir auch rechte Angst gemacht! Ich stellte mir allerley schreckliche Dinge vor; ich hatte schon 3 Postage hintereinander immer sehnlich nach Briefträger ausgesehen, und wen dein Brief nicht den letzten noch gekommen wäre, Zwar erst spät gegen Abend, so weiß ich nicht was ich angefangen hätte; Gottlob daß alles gut war! Aber recht sehr bitte ich dich mein Bester, doch ja es nicht wieder so lange aufzuschieben; die représaillen sind [2] eine gar zu harte Strafe; wenn du je so eine Angst wegen ausbleibender Briefe empfunden, so glaube ich nicht daß du es gutwillig einen andern sie geben möchtest.
Du wünschest von unsern Kriegsanstalten zu wissen? Es heist daß sie nun bald marschiren, denn 15ten Aprill 12 Regimenter, und zwar jedes 150 Mann stark; daß hat aber auch verursachet daß es so langsam geht, denn jedes Regiment, hat über die Hälfte verstärkt werden müßen; erst sollte nur freiwillig geworben werden, da gieng es aber so langsam, daß nunmehre, eine förmliche Aushebung durch die Aemter vorgenommen ist. Unsere [3] Officiers, wovon die mehrsten noch keinen Feind gesehen haben, sind sehr in Bewegung gekommen, und freuen sich sehr auf den Feldzug aber, demohngeachtet wird es manche Thräne, und manch trauriges Gesicht geben, von den Weibern und Kindern, und von den Eltern. Von Canzleydirecktor Hartmanns gehen 4 Söhne mit! Uebrigens ärgert man sich hier über der Zauderey, man möchte sie mit Gewalt hinschieben, da man immer fürchtet daß sie zu spät kommen möchten. Übrigens ist man hier beynahe allgemein einerley Meynung, und die noch etwan anders gedacht haben, sind durch den Königs Mord umgestimmt, oder [4] dürfen es sich doch nicht mehr merken laßen. Der Moniteur hat Unrecht gehabt, wir haben hier gar keine Unruhen gehabt. Es war einmahl eine kurze Zeit, wie der Franzose im anrücken war, wo einige unruhige Köpfe unter den Bürgern, etwas besorgen ließen[.] Sie wollten gerne von einigen Abgaben befreyet seyn, vom K[...]gelde und Lizent, aber ihr Ansuchen darum soll nichts weniger als aufrührisch abgefaßt gewesen seyn, und sie haben sich auch sehr vernünftig finden laßen und bezahlen itzt immer vor wie nach, da man ihnen versprochen bey diesem Landtage es wohl möglich abzubringen. Ich [5] glaube daß auch das Benehmen der Franzosen in Maynz, den Leuten hier den Apetit, zu der gerühmten Freiheit und Gleichheit, wird benommen haben. Fahre ja fort mit deinen politischen Nachrichten, sie interesiren uns alle sehr.
Tante Caroline ist hier gewesen, sie ist äußerst elend, und ich fürchte sehr für sie. Sie selbst spricht immer vom Sterben, und glaubte gewiß das letzte mal hier zu seyn sie kann sich auch gar nicht mehr so aufmuntern wie sonst. Sie hat mir rechte herzliche Grüße an dir aufgetragen.
Vorige Woche kriegte Ernst eine für ihm traurige Nachricht, nemlich daß seyn ältester Bru[6]der gestorben, und zwar nur 8 Tage krank gewesen; übrigens kann er sich aber wohl darüber trösten denn er war in einer unangenehmen Lage bey den H. von Ernst in Meißen; und sehr schwach von Verstande, äußerst schüchtern. Aber ihm als Bruder that es doch recht wehe, und zumal daß er glaubte, daß er so wenig frohe Tage gehabt.
Meine Mutter hat ein kleines Geschöpf angenommen, ein armes Mädchen, welches sie sich auf die Folge zu einem beßeren Dienstmädchen als die gewöhnlichen sind zu erziehen denkt. Sie sieht nicht übel aus, und ist auch nicht dumm. [7] Fritz ist nun endlich von der Idee Hofmeister zu werden zurückgekommen, aber er macht meinen Eltern doch viel Sorge, da er so sehr viel verthut, und sie ihn ganz erhalten müßen. Er muß ziemlich tief in Schulden gesteckt haben, denn schon im vorigen Jahre hat er ziemlich viel außerordentlich erhalten, und nun in diesem Jahre sind noch 250 Thaler außerordentlich zu bezahlen, daß wird meinen Eltern recht sauer, zumahl da sie ihn die ersten Jahre noch ganz behalten, wenn er auch in D. angesetzt wird. In Dresden [8] und Harburg sind sie wohl, Lottchen denkt nun schon ans umziehen, wen[n] ichʼs finden kann, schicke ich dir einen Brief von Lottchen, wo sie ihr neues Logis beschreibt. Sie leben diesen Winter herlich und in Frieden. Die Eltern Carl und Ernst empfehlen sich dir bestens; so habe ich auch Complimente von Rehberg zu bestellen. Tatter ist in Rom beym Prinz August, daß habe ich dir doch wohl schon geschrieben. Auch daß wohl, daß der Doktor Stieglitz geheyratet hat, aus Berlin, eine sehr reiche und gelehrte Jüdin, die aber auch eine sehr angenehme Frau ist. Hübs[ch] ist sie nun eben nicht; daß ist aber nun bald ein Jahr, ich erinnere mich nur heute daran es dir zu schreiben, weil ich sie eben heute in Gesellschaft gesehen habe. Nun Adieu bester Wil[7]helm, melde mir doch ja gleich dem Empfang des Bücherkastens, soll ich es nur gestehen, die Halßtücher darin machen ihn [6] mir so intereßant. Denk dir auch mahl, wenn die schönen Tücher, um den Halß eines Franzosen (sans culotte) paradirn [5] anstatt um deinen, o, daß ist eine Idee zum ohnmächtig werden Deine treue Schwester H Schlegel
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[1] 1793 den 28sten Feb
Liebster Bruder,
Dießmahl hat daß lange außenbleiben deiner Briefe, mir auch rechte Angst gemacht! Ich stellte mir allerley schreckliche Dinge vor; ich hatte schon 3 Postage hintereinander immer sehnlich nach Briefträger ausgesehen, und wen dein Brief nicht den letzten noch gekommen wäre, Zwar erst spät gegen Abend, so weiß ich nicht was ich angefangen hätte; Gottlob daß alles gut war! Aber recht sehr bitte ich dich mein Bester, doch ja es nicht wieder so lange aufzuschieben; die représaillen sind [2] eine gar zu harte Strafe; wenn du je so eine Angst wegen ausbleibender Briefe empfunden, so glaube ich nicht daß du es gutwillig einen andern sie geben möchtest.
Du wünschest von unsern Kriegsanstalten zu wissen? Es heist daß sie nun bald marschiren, denn 15ten Aprill 12 Regimenter, und zwar jedes 150 Mann stark; daß hat aber auch verursachet daß es so langsam geht, denn jedes Regiment, hat über die Hälfte verstärkt werden müßen; erst sollte nur freiwillig geworben werden, da gieng es aber so langsam, daß nunmehre, eine förmliche Aushebung durch die Aemter vorgenommen ist. Unsere [3] Officiers, wovon die mehrsten noch keinen Feind gesehen haben, sind sehr in Bewegung gekommen, und freuen sich sehr auf den Feldzug aber, demohngeachtet wird es manche Thräne, und manch trauriges Gesicht geben, von den Weibern und Kindern, und von den Eltern. Von Canzleydirecktor Hartmanns gehen 4 Söhne mit! Uebrigens ärgert man sich hier über der Zauderey, man möchte sie mit Gewalt hinschieben, da man immer fürchtet daß sie zu spät kommen möchten. Übrigens ist man hier beynahe allgemein einerley Meynung, und die noch etwan anders gedacht haben, sind durch den Königs Mord umgestimmt, oder [4] dürfen es sich doch nicht mehr merken laßen. Der Moniteur hat Unrecht gehabt, wir haben hier gar keine Unruhen gehabt. Es war einmahl eine kurze Zeit, wie der Franzose im anrücken war, wo einige unruhige Köpfe unter den Bürgern, etwas besorgen ließen[.] Sie wollten gerne von einigen Abgaben befreyet seyn, vom K[...]gelde und Lizent, aber ihr Ansuchen darum soll nichts weniger als aufrührisch abgefaßt gewesen seyn, und sie haben sich auch sehr vernünftig finden laßen und bezahlen itzt immer vor wie nach, da man ihnen versprochen bey diesem Landtage es wohl möglich abzubringen. Ich [5] glaube daß auch das Benehmen der Franzosen in Maynz, den Leuten hier den Apetit, zu der gerühmten Freiheit und Gleichheit, wird benommen haben. Fahre ja fort mit deinen politischen Nachrichten, sie interesiren uns alle sehr.
Tante Caroline ist hier gewesen, sie ist äußerst elend, und ich fürchte sehr für sie. Sie selbst spricht immer vom Sterben, und glaubte gewiß das letzte mal hier zu seyn sie kann sich auch gar nicht mehr so aufmuntern wie sonst. Sie hat mir rechte herzliche Grüße an dir aufgetragen.
Vorige Woche kriegte Ernst eine für ihm traurige Nachricht, nemlich daß seyn ältester Bru[6]der gestorben, und zwar nur 8 Tage krank gewesen; übrigens kann er sich aber wohl darüber trösten denn er war in einer unangenehmen Lage bey den H. von Ernst in Meißen; und sehr schwach von Verstande, äußerst schüchtern. Aber ihm als Bruder that es doch recht wehe, und zumal daß er glaubte, daß er so wenig frohe Tage gehabt.
Meine Mutter hat ein kleines Geschöpf angenommen, ein armes Mädchen, welches sie sich auf die Folge zu einem beßeren Dienstmädchen als die gewöhnlichen sind zu erziehen denkt. Sie sieht nicht übel aus, und ist auch nicht dumm. [7] Fritz ist nun endlich von der Idee Hofmeister zu werden zurückgekommen, aber er macht meinen Eltern doch viel Sorge, da er so sehr viel verthut, und sie ihn ganz erhalten müßen. Er muß ziemlich tief in Schulden gesteckt haben, denn schon im vorigen Jahre hat er ziemlich viel außerordentlich erhalten, und nun in diesem Jahre sind noch 250 Thaler außerordentlich zu bezahlen, daß wird meinen Eltern recht sauer, zumahl da sie ihn die ersten Jahre noch ganz behalten, wenn er auch in D. angesetzt wird. In Dresden [8] und Harburg sind sie wohl, Lottchen denkt nun schon ans umziehen, wen[n] ichʼs finden kann, schicke ich dir einen Brief von Lottchen, wo sie ihr neues Logis beschreibt. Sie leben diesen Winter herlich und in Frieden. Die Eltern Carl und Ernst empfehlen sich dir bestens; so habe ich auch Complimente von Rehberg zu bestellen. Tatter ist in Rom beym Prinz August, daß habe ich dir doch wohl schon geschrieben. Auch daß wohl, daß der Doktor Stieglitz geheyratet hat, aus Berlin, eine sehr reiche und gelehrte Jüdin, die aber auch eine sehr angenehme Frau ist. Hübs[ch] ist sie nun eben nicht; daß ist aber nun bald ein Jahr, ich erinnere mich nur heute daran es dir zu schreiben, weil ich sie eben heute in Gesellschaft gesehen habe. Nun Adieu bester Wil[7]helm, melde mir doch ja gleich dem Empfang des Bücherkastens, soll ich es nur gestehen, die Halßtücher darin machen ihn [6] mir so intereßant. Denk dir auch mahl, wenn die schönen Tücher, um den Halß eines Franzosen (sans culotte) paradirn [5] anstatt um deinen, o, daß ist eine Idee zum ohnmächtig werden Deine treue Schwester H Schlegel
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