• Henriette Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Amsterdam · Date: 08.05.1793
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 08.05.1793
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.70
  • Number of Pages: 10 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,6 cm
  • Incipit: „[1] 1793 den 8ten May
    Liebster Wilhelm
    Heute schreibe ich dir auf unserem Garten, der Aufenthalt darauf wird mir mit jedem Jahre [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 360]/version-04-20/letters/view/4255" data-language="">
[1] 1793 den 8ten May
Liebster Wilhelm
Heute schreibe ich dir auf unserem Garten, der Aufenthalt darauf wird mir mit jedem Jahre theurer! Mein Vater fühlt sich so glücklich wenn er da zwischen seinen selbst gepflanzten Bäumen herum geht, die Blühten untersucht, und ihren Wachsthum! Heute ist das herlichste Frühjahrswetter das du dir denken kannst Nachtigall und nichts fehlt um es zu verschönern alles grün im schönsten Glanze! Eben gehen Rehbergs weg, die hier ein paar Stunden gewesen, und nun wieder nach der Stadt musten – um der [2] Frau von Berlepsch einen Pflicht Besuch zu geben, die morgen auf die Güter geht, und äußerst mislaunicht und verstimmt seyn soll. Was machst du denn wohl in diesem Augenblicke? daß ist etwas, was man gerne oft wißen möchte! Deine Reise muß äußerst intereßant gewesen seyn; es ist mir aber sehr lieb, daß du die Beschreibung nicht noch länger aufgeschoben, da meine Mutter in der äußersten Erwartung war, und sich von den beyden Briefen an T. und M. allerley vorstellungen machte. Tatter ist noch in Rom beym Prinz August, und Müller ist Gesandschafts Sekretair in Berlin. Schwartzkopf ist in Wien. Rudloff ist noch immer in Celle er bringt sehr lange auf seiner Re[3]lation zu. Brügemann ist schon wieder seit einiger Zeit zurück.
Caroline reist in künftiger Woche schon nach Osnabrück, mir thut es recht leid, ich verliere viel daran, und sie selbst, reist nicht mit der Heiterkeit weg wie sonst. Ihre Gesundheit ist noch nicht wieder so wie sie seyn sollte und daß wirkt auf dem Geist; denn so verläßt sie auch die Mutter und den Bruder nicht gern, und verlangt doch sehr nach der Voigt und nach Möser; die Reise hoffe ich wird aber alles wieder gut machen; sie wird auch mit nach Pirmont gehen, also geht der Sommer mehrst darauf hin. Sie läßt dich vielmahls grüßen und frägt, ob du nicht lust hättest sie in Osnabrück zu besuchen, wie das [4] eine mahl, du solltest einen freundlichen Empfang finden!
Nun mögte ich dir noch etwas über Fritz schreiben; er hat uns allen bisher viele Sorgen gemacht! Seine unbedachtsame viele Ausgaben, machten daß wir nicht wusten was wir davon denken sollte, ob er auch etwa auf Abwege gekommen; aber das, dem Himmel seyʼs gedankt scheint doch gar der Fall nicht und Lottchen scheint sehr gut in allem Betracht mit ihm zufrieden; aber seine Abneigung zur gewöhnlichen Juristischen Laufbahn scheint so groß, daß ich doch glaube daß meine Eltern ihm werden nachgeben müßen, und ihn seine eigene gewünschte Laufbahn gehen laß[en] woran sein ganzez Herz und seine gan[5]ze Glückseeligkeit zu hängen scheint. Gott gebe daß seine Erwartungen die er sich davon macht erfüllt werden! – auf alle Fälle wird aber doch der Vater darauf dringen daß er seine juristischen Studdien vollendet. Er denkt nun fürs erste eine Hofmeisterstelle, nemlich so bald sich eine gute, darbeut anzunehmen, und damit und mit Schriftstellerischen Arbeiten sich so lange fort zu helfen, bis er sich ganz ausgebildet, und alsdann denkt er wohl aufs einer Cartheder. Ich hoffe daß er uns zu Michael besuchen wird, und mündlich läst sich dann manches absprechen, was beym schreiben sehr weitläuftig [6] und doch manches räthselhaft bleibt. Seine Aussichten in Dresden waren sonst noch immer die selben, und seine Gönner eben so für ihn gesinnt als vor einem Jahre.
Auf einem kleinen Garten in der Nachbarschaft, wohnt der Docktor Stieglitz und seine junge Frau; ich weis nicht ob ich es dir geschrieben daß er eine Demoisell Ephraim die Tochter des reichsten Juden in Berlin geheyrathet; ganz aus gegenseitiger Neigung, denn die Eltern hatten wohl höhere Aussichten mit ihr. Sie hat eine sehr gute Erziehung gehabt, und ist eine kluge sehr angenehme Frau, die die Lektüre, sehr liebt, und für die Ausbildung ihres Geistes noch immer [7] alles thut; wie sie sich aber dabey unter den hiesigen Jüdinnen befinden mag? Sie gehen sehr viel mit Velthausens um. Vielleicht fange ich, da wir so nahe bey einander sind etwas Umgang mit ihr an; in Gesellschaft ist sie immer sehr zuvorkommend gegen mich gewesen.
Klockenbring! In deß ist eine reichhaltige Materie, wovon man so viel gesprochen und in allen Gesellschaften gehört daß man selbst nicht mehr weis was man dazu sagen soll; itzt fangen die Leute sehr wieder an zu zweifeln daß es mit seinem Verstande ganz richtig ist, er nimmt allerley wunderliche Sachen vor. Sie erträgt ihr Schicksal so gut (obgleich dieses letz[8]te Wendung sie mehr gebeugt hatte als alles übrige) daß man sich freuen muß daß das Schicksaal sie betroffen und keinen andern.
In Harburg ist alles wohl. Mei[n] Bruder fängt aber nun auch an sich wieder nach Verbeßerungen umzusehen, die so wie er sie wünscht selten sind, da es wenige Stadtstellen giebt die das Consistorium zu vergeben hat, itzt ist Lüchow offen, eine Probst-Stelle. Dergleichen Beförderungs Gesuche haben immer ihr Unangenehmes wie du wohl weißt.
Carls Gesundheit ist eine Zeither nicht ganz gut gewesen, aber itzt erhollt er sich doch schon wieder, die schöne Jahrszeit wird gewis das ihrige thun. Vergiß nicht deine dich zärtlich liebende
Schweste[r]
H Schlegel
[9] Noch eins hatte ich vergeßen mein liebster Wilhelm, welches dich doch gewis auch intereßiren wird; der gute Andräe ist in voriger Woche gestorben, nach einer sehr langwierigen und schmerzhaften Krankheit worin er sich eben so liebenswürdig gezeigt, als bey seinem Leben, so eine Gedult, und Schonung gegen seine Frau und Familie daß er die grösten Schmerzen ohne Ächzen ertragen um sie nicht zu viel leiden zu laßen. Die ganze Stadt, hat wahren Antheil daran genommen. Er hat seine [10] Angelegenheiten so weit arangirt daß ihm daß auch die letzte Zeit sehr beruhigt hat, zu sehen, daß alles so bleiben könnte, versteht sich mit gehöriger einschränkung. Seiler wird die Apotheke nicht annehmen er ist in Zelle, und wahrscheinlich lebt er auch nicht lange mehr denn er soll die Schwindsucht im hohen Grade haben. Die Leisewitzen ist itzt auch wieder sehr kränklich.
Vielleicht, lege ich dir Fritzens und Lottchens Brief mit ein, du müstest aber so gut seyn sie mir alsdann bald wieder, zurück zu schicken
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 442]/version-04-20/letters/view/4255" data-language="">
[1] 1793 den 8ten May
Liebster Wilhelm
Heute schreibe ich dir auf unserem Garten, der Aufenthalt darauf wird mir mit jedem Jahre theurer! Mein Vater fühlt sich so glücklich wenn er da zwischen seinen selbst gepflanzten Bäumen herum geht, die Blühten untersucht, und ihren Wachsthum! Heute ist das herlichste Frühjahrswetter das du dir denken kannst Nachtigall und nichts fehlt um es zu verschönern alles grün im schönsten Glanze! Eben gehen Rehbergs weg, die hier ein paar Stunden gewesen, und nun wieder nach der Stadt musten – um der [2] Frau von Berlepsch einen Pflicht Besuch zu geben, die morgen auf die Güter geht, und äußerst mislaunicht und verstimmt seyn soll. Was machst du denn wohl in diesem Augenblicke? daß ist etwas, was man gerne oft wißen möchte! Deine Reise muß äußerst intereßant gewesen seyn; es ist mir aber sehr lieb, daß du die Beschreibung nicht noch länger aufgeschoben, da meine Mutter in der äußersten Erwartung war, und sich von den beyden Briefen an T. und M. allerley vorstellungen machte. Tatter ist noch in Rom beym Prinz August, und Müller ist Gesandschafts Sekretair in Berlin. Schwartzkopf ist in Wien. Rudloff ist noch immer in Celle er bringt sehr lange auf seiner Re[3]lation zu. Brügemann ist schon wieder seit einiger Zeit zurück.
Caroline reist in künftiger Woche schon nach Osnabrück, mir thut es recht leid, ich verliere viel daran, und sie selbst, reist nicht mit der Heiterkeit weg wie sonst. Ihre Gesundheit ist noch nicht wieder so wie sie seyn sollte und daß wirkt auf dem Geist; denn so verläßt sie auch die Mutter und den Bruder nicht gern, und verlangt doch sehr nach der Voigt und nach Möser; die Reise hoffe ich wird aber alles wieder gut machen; sie wird auch mit nach Pirmont gehen, also geht der Sommer mehrst darauf hin. Sie läßt dich vielmahls grüßen und frägt, ob du nicht lust hättest sie in Osnabrück zu besuchen, wie das [4] eine mahl, du solltest einen freundlichen Empfang finden!
Nun mögte ich dir noch etwas über Fritz schreiben; er hat uns allen bisher viele Sorgen gemacht! Seine unbedachtsame viele Ausgaben, machten daß wir nicht wusten was wir davon denken sollte, ob er auch etwa auf Abwege gekommen; aber das, dem Himmel seyʼs gedankt scheint doch gar der Fall nicht und Lottchen scheint sehr gut in allem Betracht mit ihm zufrieden; aber seine Abneigung zur gewöhnlichen Juristischen Laufbahn scheint so groß, daß ich doch glaube daß meine Eltern ihm werden nachgeben müßen, und ihn seine eigene gewünschte Laufbahn gehen laß[en] woran sein ganzez Herz und seine gan[5]ze Glückseeligkeit zu hängen scheint. Gott gebe daß seine Erwartungen die er sich davon macht erfüllt werden! – auf alle Fälle wird aber doch der Vater darauf dringen daß er seine juristischen Studdien vollendet. Er denkt nun fürs erste eine Hofmeisterstelle, nemlich so bald sich eine gute, darbeut anzunehmen, und damit und mit Schriftstellerischen Arbeiten sich so lange fort zu helfen, bis er sich ganz ausgebildet, und alsdann denkt er wohl aufs einer Cartheder. Ich hoffe daß er uns zu Michael besuchen wird, und mündlich läst sich dann manches absprechen, was beym schreiben sehr weitläuftig [6] und doch manches räthselhaft bleibt. Seine Aussichten in Dresden waren sonst noch immer die selben, und seine Gönner eben so für ihn gesinnt als vor einem Jahre.
Auf einem kleinen Garten in der Nachbarschaft, wohnt der Docktor Stieglitz und seine junge Frau; ich weis nicht ob ich es dir geschrieben daß er eine Demoisell Ephraim die Tochter des reichsten Juden in Berlin geheyrathet; ganz aus gegenseitiger Neigung, denn die Eltern hatten wohl höhere Aussichten mit ihr. Sie hat eine sehr gute Erziehung gehabt, und ist eine kluge sehr angenehme Frau, die die Lektüre, sehr liebt, und für die Ausbildung ihres Geistes noch immer [7] alles thut; wie sie sich aber dabey unter den hiesigen Jüdinnen befinden mag? Sie gehen sehr viel mit Velthausens um. Vielleicht fange ich, da wir so nahe bey einander sind etwas Umgang mit ihr an; in Gesellschaft ist sie immer sehr zuvorkommend gegen mich gewesen.
Klockenbring! In deß ist eine reichhaltige Materie, wovon man so viel gesprochen und in allen Gesellschaften gehört daß man selbst nicht mehr weis was man dazu sagen soll; itzt fangen die Leute sehr wieder an zu zweifeln daß es mit seinem Verstande ganz richtig ist, er nimmt allerley wunderliche Sachen vor. Sie erträgt ihr Schicksal so gut (obgleich dieses letz[8]te Wendung sie mehr gebeugt hatte als alles übrige) daß man sich freuen muß daß das Schicksaal sie betroffen und keinen andern.
In Harburg ist alles wohl. Mei[n] Bruder fängt aber nun auch an sich wieder nach Verbeßerungen umzusehen, die so wie er sie wünscht selten sind, da es wenige Stadtstellen giebt die das Consistorium zu vergeben hat, itzt ist Lüchow offen, eine Probst-Stelle. Dergleichen Beförderungs Gesuche haben immer ihr Unangenehmes wie du wohl weißt.
Carls Gesundheit ist eine Zeither nicht ganz gut gewesen, aber itzt erhollt er sich doch schon wieder, die schöne Jahrszeit wird gewis das ihrige thun. Vergiß nicht deine dich zärtlich liebende
Schweste[r]
H Schlegel
[9] Noch eins hatte ich vergeßen mein liebster Wilhelm, welches dich doch gewis auch intereßiren wird; der gute Andräe ist in voriger Woche gestorben, nach einer sehr langwierigen und schmerzhaften Krankheit worin er sich eben so liebenswürdig gezeigt, als bey seinem Leben, so eine Gedult, und Schonung gegen seine Frau und Familie daß er die grösten Schmerzen ohne Ächzen ertragen um sie nicht zu viel leiden zu laßen. Die ganze Stadt, hat wahren Antheil daran genommen. Er hat seine [10] Angelegenheiten so weit arangirt daß ihm daß auch die letzte Zeit sehr beruhigt hat, zu sehen, daß alles so bleiben könnte, versteht sich mit gehöriger einschränkung. Seiler wird die Apotheke nicht annehmen er ist in Zelle, und wahrscheinlich lebt er auch nicht lange mehr denn er soll die Schwindsucht im hohen Grade haben. Die Leisewitzen ist itzt auch wieder sehr kränklich.
Vielleicht, lege ich dir Fritzens und Lottchens Brief mit ein, du müstest aber so gut seyn sie mir alsdann bald wieder, zurück zu schicken
×