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Wohlgeb. habe ich die Ehre hiebey <span class="index-9539 tp-62543 index-9806 tp-64236 ">die Schriften</span> von <span class="index-9805 tp-64235 ">Dawes</span> und <span class="index-1350 tp-62542 ">Buttmann</span>, die beyde mit mehr Muße durchgegangen zu werden verdienen, als ich jetzt habe, mit vielem Dank zurückzusenden.<br>Ich weiß nicht ob ich meine Meynung gestern bestimmt ausgedrückt habe, ich bin so frey sie Ihnen schriftlich vorzulegen und Sie zur gelegentlichen Prüfung einzuladen, um in dem Urtheil eines Kenners entweder Widerlegung oder Bestätigung zu finden.<br>Ich bezweifle das Digamma in allen Wörtern welche den <span class="family-courier ">spiritus asper</span> haben, wenigstens kann es meines Bedünkens nur auf Σ gefolgt seyn; und ist vermuthlich früher als dieses weggefallen. Bey der allmählichen Umbildung der Sprache wäre also die Reihe der Formen diese gewesen: ΣFΕΚΥΡΟΣ, ΣΕΚΥΡΟΣ, ἑκυρος; ΣFΑΔΥ, ΣΑΔΥ, ἁδυ; niemals aber hätte man gesagt Fεκυρος, Fαδυ, denn der übrig gebliebene <span class="family-courier ">spiritus asper</span> ist dem <span class="family-courier ">Sigma</span> verwandt, aber keinesweges dem <span class="family-courier ">Digamma</span>. Die Zeugnisse der Grammatiker für das <span class="family-courier ">Digamma</span> in einigen solchen Wörtern machen mich nicht irre: denn schwerlich ist wohl anzunehmen, daß sie alte Handschriften vor Augen gehabt, in welchen das Digamma noch geschrieben gewesen wäre, sondern sie stützten sich auf ihre Theorie, dem Hiatus sey durch Einschiebung des Digamma abzuhelfen. Dieß wird aber eben so gut durch das <span class="family-courier ">Sigma</span> geleistet. Die Griechischen Grammatiker kannten die Analogie der Lateinischen Sprache nicht, und würden sie als barbarisch verachtet haben. Ich stütze mich nun, nächst dieser längst anerkannten Analogie, auf die des Indischen und der Germanischen Sprache. <span class="notice-24022 ">[2]</span> ZB. im Indischen heißt der Schwiegervater <span class="family-courier ">svasuras</span>, die Schwiegermutter <span class="family-courier ">svasrūs</span>; <span class="family-courier ">socer</span>, <span class="overstrike-1 ">oder</span> <span class="family-courier ">socrus</span>; im Gothischen <span class="family-courier ">svaihr</span>, u. s. w. Welche aspirirten Wörter aber zur Zeit der Abfassung der <span class="index-274 tp-64237 ">Homerischen</span> Gedichte noch mit einem <span class="family-courier ">Sigma</span> ausgesprochen worden seyn mögen, das käme auf eine Untersuchung an.<br>Ich wünsche Ihr <span class="family-courier ">facsimile</span> noch näher mit Ihnen durchzugehen, besonders in Absicht auf die Formen des Optativs und Conjunctivs Auch möchte ich Ihnen gern manches von meinen Indischen Lucubrationen vorlegen. Daß man vom Ganges Aufklärungen über die Etymologie des Griechischen und Lateinischen herhohlen kann, klingt freylich paradox, doch hoffe ich es wird in der Folge anerkannt werden.<br>Mit ausgezeichneter Hochachtung<br>Ew. Wohlgeb.<br>ergebenster<br>AW von Schlegel<br>Montags d. 29<span class="offset-4 underline-1 ">sten</span> Jun<br>1818<br><br>Wenn Ew. Wohlgeb. etwa sonst noch neuere Schriften zur Hand haben, die sich mit den ältesten Formen des Griechischen beschäftigen, so werden Sie mich durch die Mittheilung sehr verbinden.<br><span class="notice-24023 ">[3]</span> [leer]<br><span class="notice-24024 ">[4]</span> An<br>Herrn Hofrath Creuzer<br>Wohlgeb.' $isaprint = false $isnewtranslation = true $statemsg = 'betamsg23' $cittitle = 'www.august-wilhelm-schlegel.de/briefedigital/briefid/1181' $description = 'August Wilhelm von Schlegel an Friedrich Creuzer am 29.06.1818, Heidelberg, Heidelberg' $adressatort = 'Heidelberg <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4023996-2">GND</a>' $absendeort = 'Heidelberg <a class="gndmetadata" target="_blank" href="http://d-nb.info/gnd/4023996-2">GND</a>' $date = '29.06.1818' $adressat = array( (int) 842 => array( 'ID' => '842', 'project' => '1', 'timecreate' => '2013-01-22 15:56:22', 'timelastchg' => '2017-12-20 16:24:37', 'key' => 'AWS-ap-002c', 'docTyp' => array( 'name' => 'Person', 'id' => '39' ), '39_name' => 'Creuzer, Friedrich', '39_geschlecht' => 'm', '39_gebdatum' => '1771-03-10', '39_toddatum' => '1858-02-16', '39_lebenwirken' => 'Klassischer Philologe, Altertumsforscher, Historiker Friedrich Creuzer studierte zunächst Theologie und Philosophie in Marburg und ging anschließend nach Jena, wo er sich dem Studium der Philologie und der Literaturgeschichte widmete. Ab 1791 weilte er wieder in Marburg, wo er in den Folgejahren in enger wissenschaftlicher Verbindung mit Friedrich Carl von Savigny stand. Auf dessen Rat habilitierte er sich 1799 in Marburg. Ab 1800 lehrte er als außerordentlicher Professor in Marburg, 1802 wurde er auf einen Lehrstuhl für lateinische Beredsamkeit und Poesie berufen. 1804 wechselte Creuzer an die Universität Heidelberg, wo er einen Lehrstuhl für Klassische Philologie und Geschichte erhielt. Dort verkehrte er freundschaftlich im Kreis der Heidelberger Romantiker, zu denen Achim von Arnim und Clemens Brentano sowie Joseph Görres gehörten. Gemeinsam arbeiteten sie an der Herausgabe der „Heidelbergischen Jahrbücher der Literatur“, zudem publizierte Creuzer mit dem Theologen Karl Daub das Journal „Studien“ (1805–1810). Vorübergehend wirkte Creuzer an der Universität Leiden, er kehrte jedoch nach Heidelberg zurück und lehrte bis 1845. 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[1] Hochgeehrtester Herr Hofrath!
Ew. Wohlgeb. habe ich die Ehre hiebey die Schriften von Dawes und Buttmann, die beyde mit mehr Muße durchgegangen zu werden verdienen, als ich jetzt habe, mit vielem Dank zurückzusenden.
Ich weiß nicht ob ich meine Meynung gestern bestimmt ausgedrückt habe, ich bin so frey sie Ihnen schriftlich vorzulegen und Sie zur gelegentlichen Prüfung einzuladen, um in dem Urtheil eines Kenners entweder Widerlegung oder Bestätigung zu finden.
Ich bezweifle das Digamma in allen Wörtern welche den spiritus asper haben, wenigstens kann es meines Bedünkens nur auf Σ gefolgt seyn; und ist vermuthlich früher als dieses weggefallen. Bey der allmählichen Umbildung der Sprache wäre also die Reihe der Formen diese gewesen: ΣFΕΚΥΡΟΣ, ΣΕΚΥΡΟΣ, ἑκυρος; ΣFΑΔΥ, ΣΑΔΥ, ἁδυ; niemals aber hätte man gesagt Fεκυρος, Fαδυ, denn der übrig gebliebene spiritus asper ist dem Sigma verwandt, aber keinesweges dem Digamma. Die Zeugnisse der Grammatiker für das Digamma in einigen solchen Wörtern machen mich nicht irre: denn schwerlich ist wohl anzunehmen, daß sie alte Handschriften vor Augen gehabt, in welchen das Digamma noch geschrieben gewesen wäre, sondern sie stützten sich auf ihre Theorie, dem Hiatus sey durch Einschiebung des Digamma abzuhelfen. Dieß wird aber eben so gut durch das Sigma geleistet. Die Griechischen Grammatiker kannten die Analogie der Lateinischen Sprache nicht, und würden sie als barbarisch verachtet haben. Ich stütze mich nun, nächst dieser längst anerkannten Analogie, auf die des Indischen und der Germanischen Sprache. [2] ZB. im Indischen heißt der Schwiegervater svasuras, die Schwiegermutter svasrūs; socer, oder socrus; im Gothischen svaihr, u. s. w. Welche aspirirten Wörter aber zur Zeit der Abfassung der Homerischen Gedichte noch mit einem Sigma ausgesprochen worden seyn mögen, das käme auf eine Untersuchung an.
Ich wünsche Ihr facsimile noch näher mit Ihnen durchzugehen, besonders in Absicht auf die Formen des Optativs und Conjunctivs Auch möchte ich Ihnen gern manches von meinen Indischen Lucubrationen vorlegen. Daß man vom Ganges Aufklärungen über die Etymologie des Griechischen und Lateinischen herhohlen kann, klingt freylich paradox, doch hoffe ich es wird in der Folge anerkannt werden.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
ergebenster
AW von Schlegel
Montags d. 29sten Jun
1818
Wenn Ew. Wohlgeb. etwa sonst noch neuere Schriften zur Hand haben, die sich mit den ältesten Formen des Griechischen beschäftigen, so werden Sie mich durch die Mittheilung sehr verbinden.
[3] [leer]
[4] An
Herrn Hofrath Creuzer
Wohlgeb.
Ew. Wohlgeb. habe ich die Ehre hiebey die Schriften von Dawes und Buttmann, die beyde mit mehr Muße durchgegangen zu werden verdienen, als ich jetzt habe, mit vielem Dank zurückzusenden.
Ich weiß nicht ob ich meine Meynung gestern bestimmt ausgedrückt habe, ich bin so frey sie Ihnen schriftlich vorzulegen und Sie zur gelegentlichen Prüfung einzuladen, um in dem Urtheil eines Kenners entweder Widerlegung oder Bestätigung zu finden.
Ich bezweifle das Digamma in allen Wörtern welche den spiritus asper haben, wenigstens kann es meines Bedünkens nur auf Σ gefolgt seyn; und ist vermuthlich früher als dieses weggefallen. Bey der allmählichen Umbildung der Sprache wäre also die Reihe der Formen diese gewesen: ΣFΕΚΥΡΟΣ, ΣΕΚΥΡΟΣ, ἑκυρος; ΣFΑΔΥ, ΣΑΔΥ, ἁδυ; niemals aber hätte man gesagt Fεκυρος, Fαδυ, denn der übrig gebliebene spiritus asper ist dem Sigma verwandt, aber keinesweges dem Digamma. Die Zeugnisse der Grammatiker für das Digamma in einigen solchen Wörtern machen mich nicht irre: denn schwerlich ist wohl anzunehmen, daß sie alte Handschriften vor Augen gehabt, in welchen das Digamma noch geschrieben gewesen wäre, sondern sie stützten sich auf ihre Theorie, dem Hiatus sey durch Einschiebung des Digamma abzuhelfen. Dieß wird aber eben so gut durch das Sigma geleistet. Die Griechischen Grammatiker kannten die Analogie der Lateinischen Sprache nicht, und würden sie als barbarisch verachtet haben. Ich stütze mich nun, nächst dieser längst anerkannten Analogie, auf die des Indischen und der Germanischen Sprache. [2] ZB. im Indischen heißt der Schwiegervater svasuras, die Schwiegermutter svasrūs; socer, oder socrus; im Gothischen svaihr, u. s. w. Welche aspirirten Wörter aber zur Zeit der Abfassung der Homerischen Gedichte noch mit einem Sigma ausgesprochen worden seyn mögen, das käme auf eine Untersuchung an.
Ich wünsche Ihr facsimile noch näher mit Ihnen durchzugehen, besonders in Absicht auf die Formen des Optativs und Conjunctivs Auch möchte ich Ihnen gern manches von meinen Indischen Lucubrationen vorlegen. Daß man vom Ganges Aufklärungen über die Etymologie des Griechischen und Lateinischen herhohlen kann, klingt freylich paradox, doch hoffe ich es wird in der Folge anerkannt werden.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
ergebenster
AW von Schlegel
Montags d. 29sten Jun
1818
Wenn Ew. Wohlgeb. etwa sonst noch neuere Schriften zur Hand haben, die sich mit den ältesten Formen des Griechischen beschäftigen, so werden Sie mich durch die Mittheilung sehr verbinden.
[3] [leer]
[4] An
Herrn Hofrath Creuzer
Wohlgeb.