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Jul. 97.<br>Mein werthester Herr Hofrath!<br>Ihr gütiger, freundschaftlicher Brief veranlaßt mich zu einer kleinen Erläuterung, die ich Ihnen schuldig war, und die ich in meinem vorigen Briefe nur durch Vergessenheit übergehen konnte. Es mußte Sie befremden, von meinen Verhandlungen mit <span class="index-6091 tp-63971 ">den </span><span class="index-6091 tp-63971 index-227 tp-63972 ">Zürcherischen</span><span class="index-6091 tp-63971 "> Buchhändlern</span> zu hören, da Sie nicht wußten, wie ich dazu veranlaßt worden, und wie passiv ich mich eigentlich bey der ganzen Sache verhielt. Ein Buchhändler, mit dem ich schon ganz einig geworden war, war nachher nicht im Stande seine Bedingungen zu halten, und ich war genöthigt, mich nach einem anderen Verleger umzusehen. Als ich aber schon die wahrscheinliche Aussicht hatte, daß <span class="index-67 tp-63973 ">Unger</span> sich auf die Unternehmung einlassen würde, erwähnte ein Freund von mir, der in <span class="index-58 tp-63974 ">Weimar</span> mit <span class="index-38 tp-63975 ">Wieland</span> Geschäfte hatte, <span class="index-2812 tp-63976 ">der Buchhändler Göschen</span>, gegen jenen <span class="index-344 tp-63978 ">meine Uebersetzung </span><span class="index-344 tp-63978 index-4 tp-63977 ">Shakspeareʼs</span>. Wieland wurde aufmerksam und äußerte, dieß würde wohl ein Verlagsartikel für die Orellsche Handlung seyn, bey der <span class="index-9750 tp-63979 ">sein Schwiegervater</span> damals noch interessirt war. Ich hatte Gründe zu wünschen, daß meine Uebersetzung im nördlichen Deutschlande, und nicht in einer so weiten Entfernung von mir erscheinen möchte, indessen drang Göschen so lebhaft in mich, den ertheilten Wink nicht unbeachtet zu lassen, daß ich bewogen ward, meine Bedingungen aufzusetzen. Doch machte ich etwas höhere Forderungen, als auf die ich mich mit Ungern einzulassen willens war, und erklärte zugleich, daß ich keine Noten zu der Uebersetzung hinzufügen könne, ob man mir gleich gesagt hatte, daß die Handlung dergleichen wünschen würde. <span class="index-786 tp-63980 ">Hr. Ober-Consistorialrath Böttiger</span> hatte als Freund Wielands und <span class="index-615 tp-63981 ">des jungen Geßners</span> die Güte, meinen Zettel mit der Bedingung nach Zürich zu besorgen. Es erfolgte bald darauf die Antwort, die ich mit Zuverläßigkeit erwartet hatte, und ich machte nun die Sache mit Unger vollends richtig. Es freut mich daß dieser von mir gethane Vorschlag wenigstens kein Hinderniß für <span class="index-6167 tp-63982 ">die Wiedererscheinung </span><span class="index-6167 tp-63982 index-1046 tp-63983 ">Ihrer Uebersetzung</span> geworden ist; doch wäre dieß auch geschehen, so wäre ich immer in so fern unschuldiger Weise dazu gekommen, daß ich nach Ihren Erklärungen glauben mußte, Sie hätten für die Zukunft diesem Werke Ihre Pflege ganz entzogen.<br>Ich danke Ihnen für die Nachricht von dem Fortgange Ihrer neuen Ausgabe. Ich hoffe noch auf manche Belehrung aus derselben, denn auf alles was nur durch ansgebreitete Gelehrsamkeit und literarische Hülfsmittel für Kritik des Textes und Auslegung geleistet werden kann, muß ich im Voraus bey meiner Uebersetzung Verzicht thun. Ob <span class="index-18 tp-63984 ">der zweyte Theil</span> noch auf <span class="index-6043 tp-63985 ">die Michaelismesse</span> erscheinen wird, weiß ich nicht gewiß. Er wird <span class="index-8105 tp-63987 index-4870 tp-63986 weight-bold ">Julius Cäsar</span> und <span class="index-2334 tp-63989 index-4178 tp-63988 weight-bold ">Was ihr wollt</span> enthalten. Da die Anordnung der Stücke doch zum Theil willkührlich bleiben muß, und ich überhaupt noch nicht weiß, wie weit mein Shakspeare gedeihen wird, so mag ich meinen Lesern und mir für jetzt das Vergnügen der größten Mannigfaltigkeit nicht versagen. – <span class="index-2791 tp-63991 ">Ein ästhetischer Aufsatz von mir über die Charakter und die ganze Zusammensetzung von </span><span class="index-2791 tp-63991 index-2070 tp-63990 weight-bold ">Romeo und Julia</span> wird im sechsten Stücke <span class="index-1038 tp-63992 ">der Horen</span> erscheinen.<br><span class="index-8 tp-63993 ">Mein Bruder</span>, dem Ihr gütiges Andenken sehr schmeichelhaft gewesen ist, hat uns jetzt auf einige Zeit verlassen und ist nach <span class="index-15 tp-63994 ">Berlin</span> gegangen. <span class="index-23 tp-63995 ">Meine Frau</span> läßt sich Ihnen und <span class="index-9749 tp-63996 ">Ihrer Frau Gemahlin</span>, bey der ich ebenfalls mein Andenken zu erneuern bitte, auf das angelegentlichste empfehlen. 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Jena, d. 28. Jul. 97.
Mein werthester Herr Hofrath!
Ihr gütiger, freundschaftlicher Brief veranlaßt mich zu einer kleinen Erläuterung, die ich Ihnen schuldig war, und die ich in meinem vorigen Briefe nur durch Vergessenheit übergehen konnte. Es mußte Sie befremden, von meinen Verhandlungen mit den Zürcherischen Buchhändlern zu hören, da Sie nicht wußten, wie ich dazu veranlaßt worden, und wie passiv ich mich eigentlich bey der ganzen Sache verhielt. Ein Buchhändler, mit dem ich schon ganz einig geworden war, war nachher nicht im Stande seine Bedingungen zu halten, und ich war genöthigt, mich nach einem anderen Verleger umzusehen. Als ich aber schon die wahrscheinliche Aussicht hatte, daß Unger sich auf die Unternehmung einlassen würde, erwähnte ein Freund von mir, der in Weimar mit Wieland Geschäfte hatte, der Buchhändler Göschen, gegen jenen meine Uebersetzung Shakspeareʼs. Wieland wurde aufmerksam und äußerte, dieß würde wohl ein Verlagsartikel für die Orellsche Handlung seyn, bey der sein Schwiegervater damals noch interessirt war. Ich hatte Gründe zu wünschen, daß meine Uebersetzung im nördlichen Deutschlande, und nicht in einer so weiten Entfernung von mir erscheinen möchte, indessen drang Göschen so lebhaft in mich, den ertheilten Wink nicht unbeachtet zu lassen, daß ich bewogen ward, meine Bedingungen aufzusetzen. Doch machte ich etwas höhere Forderungen, als auf die ich mich mit Ungern einzulassen willens war, und erklärte zugleich, daß ich keine Noten zu der Uebersetzung hinzufügen könne, ob man mir gleich gesagt hatte, daß die Handlung dergleichen wünschen würde. Hr. Ober-Consistorialrath Böttiger hatte als Freund Wielands und des jungen Geßners die Güte, meinen Zettel mit der Bedingung nach Zürich zu besorgen. Es erfolgte bald darauf die Antwort, die ich mit Zuverläßigkeit erwartet hatte, und ich machte nun die Sache mit Unger vollends richtig. Es freut mich daß dieser von mir gethane Vorschlag wenigstens kein Hinderniß für die Wiedererscheinung Ihrer Uebersetzung geworden ist; doch wäre dieß auch geschehen, so wäre ich immer in so fern unschuldiger Weise dazu gekommen, daß ich nach Ihren Erklärungen glauben mußte, Sie hätten für die Zukunft diesem Werke Ihre Pflege ganz entzogen.
Ich danke Ihnen für die Nachricht von dem Fortgange Ihrer neuen Ausgabe. Ich hoffe noch auf manche Belehrung aus derselben, denn auf alles was nur durch ansgebreitete Gelehrsamkeit und literarische Hülfsmittel für Kritik des Textes und Auslegung geleistet werden kann, muß ich im Voraus bey meiner Uebersetzung Verzicht thun. Ob der zweyte Theil noch auf die Michaelismesse erscheinen wird, weiß ich nicht gewiß. Er wird Julius Cäsar und Was ihr wollt enthalten. Da die Anordnung der Stücke doch zum Theil willkührlich bleiben muß, und ich überhaupt noch nicht weiß, wie weit mein Shakspeare gedeihen wird, so mag ich meinen Lesern und mir für jetzt das Vergnügen der größten Mannigfaltigkeit nicht versagen. – Ein ästhetischer Aufsatz von mir über die Charakter und die ganze Zusammensetzung von Romeo und Julia wird im sechsten Stücke der Horen erscheinen.
Mein Bruder, dem Ihr gütiges Andenken sehr schmeichelhaft gewesen ist, hat uns jetzt auf einige Zeit verlassen und ist nach Berlin gegangen. Meine Frau läßt sich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin, bey der ich ebenfalls mein Andenken zu erneuern bitte, auf das angelegentlichste empfehlen. Leben Sie recht wohl und glücklich, ich bin mit den hochachtungsvollsten Gesinnungen
Ihr
gehorsamster
AWSchlegel.
Mein werthester Herr Hofrath!
Ihr gütiger, freundschaftlicher Brief veranlaßt mich zu einer kleinen Erläuterung, die ich Ihnen schuldig war, und die ich in meinem vorigen Briefe nur durch Vergessenheit übergehen konnte. Es mußte Sie befremden, von meinen Verhandlungen mit den Zürcherischen Buchhändlern zu hören, da Sie nicht wußten, wie ich dazu veranlaßt worden, und wie passiv ich mich eigentlich bey der ganzen Sache verhielt. Ein Buchhändler, mit dem ich schon ganz einig geworden war, war nachher nicht im Stande seine Bedingungen zu halten, und ich war genöthigt, mich nach einem anderen Verleger umzusehen. Als ich aber schon die wahrscheinliche Aussicht hatte, daß Unger sich auf die Unternehmung einlassen würde, erwähnte ein Freund von mir, der in Weimar mit Wieland Geschäfte hatte, der Buchhändler Göschen, gegen jenen meine Uebersetzung Shakspeareʼs. Wieland wurde aufmerksam und äußerte, dieß würde wohl ein Verlagsartikel für die Orellsche Handlung seyn, bey der sein Schwiegervater damals noch interessirt war. Ich hatte Gründe zu wünschen, daß meine Uebersetzung im nördlichen Deutschlande, und nicht in einer so weiten Entfernung von mir erscheinen möchte, indessen drang Göschen so lebhaft in mich, den ertheilten Wink nicht unbeachtet zu lassen, daß ich bewogen ward, meine Bedingungen aufzusetzen. Doch machte ich etwas höhere Forderungen, als auf die ich mich mit Ungern einzulassen willens war, und erklärte zugleich, daß ich keine Noten zu der Uebersetzung hinzufügen könne, ob man mir gleich gesagt hatte, daß die Handlung dergleichen wünschen würde. Hr. Ober-Consistorialrath Böttiger hatte als Freund Wielands und des jungen Geßners die Güte, meinen Zettel mit der Bedingung nach Zürich zu besorgen. Es erfolgte bald darauf die Antwort, die ich mit Zuverläßigkeit erwartet hatte, und ich machte nun die Sache mit Unger vollends richtig. Es freut mich daß dieser von mir gethane Vorschlag wenigstens kein Hinderniß für die Wiedererscheinung Ihrer Uebersetzung geworden ist; doch wäre dieß auch geschehen, so wäre ich immer in so fern unschuldiger Weise dazu gekommen, daß ich nach Ihren Erklärungen glauben mußte, Sie hätten für die Zukunft diesem Werke Ihre Pflege ganz entzogen.
Ich danke Ihnen für die Nachricht von dem Fortgange Ihrer neuen Ausgabe. Ich hoffe noch auf manche Belehrung aus derselben, denn auf alles was nur durch ansgebreitete Gelehrsamkeit und literarische Hülfsmittel für Kritik des Textes und Auslegung geleistet werden kann, muß ich im Voraus bey meiner Uebersetzung Verzicht thun. Ob der zweyte Theil noch auf die Michaelismesse erscheinen wird, weiß ich nicht gewiß. Er wird Julius Cäsar und Was ihr wollt enthalten. Da die Anordnung der Stücke doch zum Theil willkührlich bleiben muß, und ich überhaupt noch nicht weiß, wie weit mein Shakspeare gedeihen wird, so mag ich meinen Lesern und mir für jetzt das Vergnügen der größten Mannigfaltigkeit nicht versagen. – Ein ästhetischer Aufsatz von mir über die Charakter und die ganze Zusammensetzung von Romeo und Julia wird im sechsten Stücke der Horen erscheinen.
Mein Bruder, dem Ihr gütiges Andenken sehr schmeichelhaft gewesen ist, hat uns jetzt auf einige Zeit verlassen und ist nach Berlin gegangen. Meine Frau läßt sich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin, bey der ich ebenfalls mein Andenken zu erneuern bitte, auf das angelegentlichste empfehlen. Leben Sie recht wohl und glücklich, ich bin mit den hochachtungsvollsten Gesinnungen
Ihr
gehorsamster
AWSchlegel.