• Peter von Bohlen to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Bonn · Date: 10. November 18[2]4
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Peter von Bohlen
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 10. November 18[2]4
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Empfangsort erschlossen. – Datierung: Bohlen ging 1824 von Bonn nach Berlin.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.57
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,2 x 21 cm
  • Incipit: „[1] Berlin den 10 Nov.
    1834.
    Theuerster Lehrer!
    Sie verzeihen gewiß daß ich nicht sogleich bey meiner Ankunft in Berlin die Pflicht der [...]“
    Language
  • German
  • Persian
  • Arabisch
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Faridfar, Jasaman
  • Varwig, Olivia
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[1] Berlin den 10 Nov.
1834.
Theuerster Lehrer!
Sie verzeihen gewiß daß ich nicht sogleich bey meiner Ankunft in Berlin die Pflicht der Dankbarkeit erfüllt und einige Zeilen an Sie geschrieben habe: ich wollte erst in meinen Vorlesungen, die ich hier höre, etwas einheimischer werden bevor ich ein Urtheil darüber wagte. Ich habe nicht vieles Öffentliche ausgewählt weil ich diesen Winter ganz auf das Sanskrit beschränken, und nebenher meine Vorbereitungen aufs Examen machen wollte. Am wichtigsten ist mir hier also Herr Prof. Bopp bey welchem ich erstlich Allgemeine Geschichte der Sprachen höre, welche mir aber bis jetzt nicht sehr behagen will; es ist dieß nemlich eine weitere Auseinandersetzung seines Conjugationssystems und Erweitrung der von Ihrem Herrn Bruder in der Weisheit und Sprache der Inder angegebenen Ideen, nur daß Bopp mehr nackte Beispiele aufzählt ohne recht tief zu gehen. Dasselbe Urtheil, daß er bey seiner genauen Sprachkenntniß dennoch nur oberflächlich lehrt, muß ich leider auch fällen über die Analysis seiner kürzlich herausgegebenen Episoden des Mahabharata, allein, neben mir hat er noch fünf Zuhörer die auch seit Ostern schon Sanskrit studiren und die alle so zurück sind daß sie zuweilen den Genitiv nicht erkennen – da muß denn wohl der Lehrer sich zu den allergewöhnlichsten Dingen herablassen. Der ganze Fehler scheint mir darin zu liegen daß Bopp nicht exponiren läßt, sondern jede Kleinigkeit selbst erklärt; vorbereiten kann sich auch keiner weil kein Lexicon zu haben ist, daher denn das erstaunlich langsame Fortschreiten der Zuhörer. Er trägt noch Sanskrit Grammatik vor, aber bis jetzt habe ich davon [2] keinen Theil genommen weil Paradigmata dictirt werden, nachdem er sich sehr lange mit den Wohllautsregeln aufgehalten; diese, den Anfang seiner bald erscheinenden Grammatik ausmachend, habe ich jetzt gedruckt vor mir und muß freymüthig bekennen daß Ihre zwey Capitel kürzer, deutlicher und geistreicher das darstellen was Bopp in zehn Druckbogen sagt – doch Sie werden ja selbst späterhin Alles dieß sehen. Ich wünschte auf jeden Fall diesen Winter unter Ihrer Leitung haben fortstudiren dürfen oder das Glück wäre mir geworden von Berlin nach Bonn gekommen zu seyn, denn ich zweifle gar sehr daß Bopp die Philosophie des Bhagavadgita gefaßt habe und lehren könne. Es sey ferne von mir mich in dieser Sache als competenten Richter aufwerfen zu wollen, ferne von mir auch nur den geringsten Makel auf einen Mann zu werfen der als genauer Kenner des Sanskrit bekannt ist, der mir durch den liebenswürdigsten persönlichen Character und endlich als Lehrer sehr werth ist: aber gegen Sie glaubte ich mein vorläufiges Urtheil um so freymüthiger aussprechen zu dürfen, je größer ich den Abstand in der Lehrmethode verstand. – Ich höre noch bey Tholuck rabbinische Sprache und Literatur und bey Hegelʼn Philosophie der Geschichte; die übrige Zeit soll dem Privatfleiße geweihet seyn.
Das Ministerium hat mir für diesen Winter eine hinlängliche Unterstützung gewährt und mir die Hoffnung nicht genommen, selbige in Königsberg fortgenießen zu können, so daß ich sorgenfrey fortstudiren kann.
Beyliegend einige Inschriften wie sie vielleicht auf Säbelklingen passen mögten; es scheint mir der Mann habe die Absicht seine Klingen sollten für Damascener gelten können, allein so täuschend macht kein Europäer ähnliche Inschriften nach. Türkische kann ich nicht senden, indessen finden sich solche auch selten, denn selbst die Türken wählen immer arabische Sprüche in ähnlichen Fällen. Die Bedeutung habe ich nicht beygeschrieben, ich will sie hier kurz angeben: No 1 lautet:
[3] Im Nahmen Gottes des Barmherzigen, Gnädigen! – eine Formel die der Araber immer im Munde führt und selbst seine Bücher damit überschreibt; der Spruch ist arabisch.
N. II. Bismillahi rahmani rahim, Hest Kelid der Kenj hakim: Im Namen Gottes des Barmherzigen, Gnädigen, Ist Schlüßel zu dem Schatze der Weisen; arab. und pers.
III. Tuvangeri behonor est neh bemal; bezurkhi beakl est neh besal: Macht ist in der Ehre, nicht in Schätzen, Größe in der Weisheit, nicht in Jahren; persisch.
IV. Gul nejined Kesi Keh Kared Khar: Wer Dornen säet wird keine Rosen pflücken (persisch.. Die Schriftart von I–IV nennt man Taalik, die der folgenden No Nisihi, es kommt dabey alles auf den schlanken Druck an und ich bin kein Kalligraph – vielleicht kann der Einäzende etwas nachholen.
V. Aram dad mara Er (es das Schwerdt) gab uns Frieden; persisches Anagramm.
VI. Lau lalwām lahalakalanām Ohne Eintracht giengen die Menschen unter; arab.
VII. Annaso ala dini mulukihim qualis rex talis grex; arab.
VIII. tawakkolto ala-l Allahi ich vertraue auf Gott. arab.
IX. Itakil fatawakkil schau und vertrau! wörtl. ziele mit der Lanze und vertraue auf Gott! (arab.)
X. Addunia duwal die Welt ist hinfällig. (arab.)
XI. Howa l-baki wakolo scheiin halik Gott besteht, alles vergeht. (arab.)
XII. Alibadah tomito l schahwak Religion tödtet die Begierden. (arab.)
XIII. Man arafa nafsaho fakad arafa rabbaho Wer sich selbst erkennt, erkennt auch seinen Gott. (arab.)
XIV. Raso l hikmati machafatol Lahi Anfang der Weisheit ist Furcht Gottes (arab.)
XV Faala l jamila ajwado Gutes thun ist das beste. (arab.)
XVI. Adato lsaifi an yastachadima l Kalma Das Schwerd pflegt die Feder als Dienerin zu brauchen. (arab.)
Ich habe die Aussprache beygeschrieben, die aber unwichtig für die Fabrik ist, dort genügt die bloße Uebersetzung.
Sobald meine Sachen aus Halle werden angekommen seyn kann mit ähnlichen Sachen dienen falls Sie wiederum darum angegangen würden; dann werde ich auch so frey seyn und [4] das Stückchen Manuscript mitschicken von dem ich einst sprach.
Der gesellschaftliche Ton in Berlin ist mir ganz fremd und will mich gar nicht ansprechen, doch thut es mir Noth mich mehr unter Menschen zu begeben, damit ich nicht wie bis jetzt ein Fremdling unter den Menschen bleibe. Meinen innigsten Dank für Ihre gütige Empfehlung an Herr Bopp, ich bin von ihm sehr freundlich aufgenommen, eben so liebevoll vom Geheimrath Schulze – auch diese Aufnahme habe ich Ihnen wohl zum Theil zu danken. Daß Sie mir aber den Weg zu der heiligen Sprache der Inder gewiesen und meine ersten, unsichern Schritte hier gelenkt haben, dafür wird stets der wärmste Dank Ihnen bleiben von
Ihrem
ewig dankbaren
PvBohlen
(Mittelstraße No 3).
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[1] Berlin den 10 Nov.
1834.
Theuerster Lehrer!
Sie verzeihen gewiß daß ich nicht sogleich bey meiner Ankunft in Berlin die Pflicht der Dankbarkeit erfüllt und einige Zeilen an Sie geschrieben habe: ich wollte erst in meinen Vorlesungen, die ich hier höre, etwas einheimischer werden bevor ich ein Urtheil darüber wagte. Ich habe nicht vieles Öffentliche ausgewählt weil ich diesen Winter ganz auf das Sanskrit beschränken, und nebenher meine Vorbereitungen aufs Examen machen wollte. Am wichtigsten ist mir hier also Herr Prof. Bopp bey welchem ich erstlich Allgemeine Geschichte der Sprachen höre, welche mir aber bis jetzt nicht sehr behagen will; es ist dieß nemlich eine weitere Auseinandersetzung seines Conjugationssystems und Erweitrung der von Ihrem Herrn Bruder in der Weisheit und Sprache der Inder angegebenen Ideen, nur daß Bopp mehr nackte Beispiele aufzählt ohne recht tief zu gehen. Dasselbe Urtheil, daß er bey seiner genauen Sprachkenntniß dennoch nur oberflächlich lehrt, muß ich leider auch fällen über die Analysis seiner kürzlich herausgegebenen Episoden des Mahabharata, allein, neben mir hat er noch fünf Zuhörer die auch seit Ostern schon Sanskrit studiren und die alle so zurück sind daß sie zuweilen den Genitiv nicht erkennen – da muß denn wohl der Lehrer sich zu den allergewöhnlichsten Dingen herablassen. Der ganze Fehler scheint mir darin zu liegen daß Bopp nicht exponiren läßt, sondern jede Kleinigkeit selbst erklärt; vorbereiten kann sich auch keiner weil kein Lexicon zu haben ist, daher denn das erstaunlich langsame Fortschreiten der Zuhörer. Er trägt noch Sanskrit Grammatik vor, aber bis jetzt habe ich davon [2] keinen Theil genommen weil Paradigmata dictirt werden, nachdem er sich sehr lange mit den Wohllautsregeln aufgehalten; diese, den Anfang seiner bald erscheinenden Grammatik ausmachend, habe ich jetzt gedruckt vor mir und muß freymüthig bekennen daß Ihre zwey Capitel kürzer, deutlicher und geistreicher das darstellen was Bopp in zehn Druckbogen sagt – doch Sie werden ja selbst späterhin Alles dieß sehen. Ich wünschte auf jeden Fall diesen Winter unter Ihrer Leitung haben fortstudiren dürfen oder das Glück wäre mir geworden von Berlin nach Bonn gekommen zu seyn, denn ich zweifle gar sehr daß Bopp die Philosophie des Bhagavadgita gefaßt habe und lehren könne. Es sey ferne von mir mich in dieser Sache als competenten Richter aufwerfen zu wollen, ferne von mir auch nur den geringsten Makel auf einen Mann zu werfen der als genauer Kenner des Sanskrit bekannt ist, der mir durch den liebenswürdigsten persönlichen Character und endlich als Lehrer sehr werth ist: aber gegen Sie glaubte ich mein vorläufiges Urtheil um so freymüthiger aussprechen zu dürfen, je größer ich den Abstand in der Lehrmethode verstand. – Ich höre noch bey Tholuck rabbinische Sprache und Literatur und bey Hegelʼn Philosophie der Geschichte; die übrige Zeit soll dem Privatfleiße geweihet seyn.
Das Ministerium hat mir für diesen Winter eine hinlängliche Unterstützung gewährt und mir die Hoffnung nicht genommen, selbige in Königsberg fortgenießen zu können, so daß ich sorgenfrey fortstudiren kann.
Beyliegend einige Inschriften wie sie vielleicht auf Säbelklingen passen mögten; es scheint mir der Mann habe die Absicht seine Klingen sollten für Damascener gelten können, allein so täuschend macht kein Europäer ähnliche Inschriften nach. Türkische kann ich nicht senden, indessen finden sich solche auch selten, denn selbst die Türken wählen immer arabische Sprüche in ähnlichen Fällen. Die Bedeutung habe ich nicht beygeschrieben, ich will sie hier kurz angeben: No 1 lautet:
[3] Im Nahmen Gottes des Barmherzigen, Gnädigen! – eine Formel die der Araber immer im Munde führt und selbst seine Bücher damit überschreibt; der Spruch ist arabisch.
N. II. Bismillahi rahmani rahim, Hest Kelid der Kenj hakim: Im Namen Gottes des Barmherzigen, Gnädigen, Ist Schlüßel zu dem Schatze der Weisen; arab. und pers.
III. Tuvangeri behonor est neh bemal; bezurkhi beakl est neh besal: Macht ist in der Ehre, nicht in Schätzen, Größe in der Weisheit, nicht in Jahren; persisch.
IV. Gul nejined Kesi Keh Kared Khar: Wer Dornen säet wird keine Rosen pflücken (persisch.. Die Schriftart von I–IV nennt man Taalik, die der folgenden No Nisihi, es kommt dabey alles auf den schlanken Druck an und ich bin kein Kalligraph – vielleicht kann der Einäzende etwas nachholen.
V. Aram dad mara Er (es das Schwerdt) gab uns Frieden; persisches Anagramm.
VI. Lau lalwām lahalakalanām Ohne Eintracht giengen die Menschen unter; arab.
VII. Annaso ala dini mulukihim qualis rex talis grex; arab.
VIII. tawakkolto ala-l Allahi ich vertraue auf Gott. arab.
IX. Itakil fatawakkil schau und vertrau! wörtl. ziele mit der Lanze und vertraue auf Gott! (arab.)
X. Addunia duwal die Welt ist hinfällig. (arab.)
XI. Howa l-baki wakolo scheiin halik Gott besteht, alles vergeht. (arab.)
XII. Alibadah tomito l schahwak Religion tödtet die Begierden. (arab.)
XIII. Man arafa nafsaho fakad arafa rabbaho Wer sich selbst erkennt, erkennt auch seinen Gott. (arab.)
XIV. Raso l hikmati machafatol Lahi Anfang der Weisheit ist Furcht Gottes (arab.)
XV Faala l jamila ajwado Gutes thun ist das beste. (arab.)
XVI. Adato lsaifi an yastachadima l Kalma Das Schwerd pflegt die Feder als Dienerin zu brauchen. (arab.)
Ich habe die Aussprache beygeschrieben, die aber unwichtig für die Fabrik ist, dort genügt die bloße Uebersetzung.
Sobald meine Sachen aus Halle werden angekommen seyn kann mit ähnlichen Sachen dienen falls Sie wiederum darum angegangen würden; dann werde ich auch so frey seyn und [4] das Stückchen Manuscript mitschicken von dem ich einst sprach.
Der gesellschaftliche Ton in Berlin ist mir ganz fremd und will mich gar nicht ansprechen, doch thut es mir Noth mich mehr unter Menschen zu begeben, damit ich nicht wie bis jetzt ein Fremdling unter den Menschen bleibe. Meinen innigsten Dank für Ihre gütige Empfehlung an Herr Bopp, ich bin von ihm sehr freundlich aufgenommen, eben so liebevoll vom Geheimrath Schulze – auch diese Aufnahme habe ich Ihnen wohl zum Theil zu danken. Daß Sie mir aber den Weg zu der heiligen Sprache der Inder gewiesen und meine ersten, unsichern Schritte hier gelenkt haben, dafür wird stets der wärmste Dank Ihnen bleiben von
Ihrem
ewig dankbaren
PvBohlen
(Mittelstraße No 3).
· Beilage , [10. November 1824]
· Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
· Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.57
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