• Julie Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hannover · Place of Destination: Chaumont-sur-Loire · Date: 03.03.1810
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Julie Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hannover
  • Place of Destination: Chaumont-sur-Loire
  • Date: 03.03.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,18,47
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U. Julie
  • Format: 19,2 x 11,5 cm
  • Incipit: „[1] Hannover den 3t März
    10.
    Theuerster Freund und Bruder!
    Auf zwey so Intreßante Briefe sind wir Ihnen die Antworth schuldig und einer [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 360]/version-04-20/letters/view/6669" data-language="">
[1] Hannover den 3t März
10.
Theuerster Freund und Bruder!
Auf zwey so Intreßante Briefe sind wir Ihnen die Antworth schuldig und einer derselben, u zwahr der freundlichste ist an mich selbst gerichtet, wofür ich Ihnen den herzlichsten Dannk sage. die Ankunft Ihres letzten Briefs machte mir auch große Freud, da mir Karl aber auch das zweyte Blatt desselben mittheilte, hat er mich sehr mit Wehmuth erfüllt. wir sollen von einen so herzlich geliebten Bruder so lange u so weit getrennt seyn! in mehreren Jahren keine Hoffnung haben Sie zu sehn, ach vieleicht nicht einmahl etwas von Ihnen zu hören! Dabey soll ich Sie auf dem Meere wißen. wie wird mir da bey jedem Sturme seyn? und wenn Sie sich gar in der Gegend aufhalten werden, wo die gelben Fieber wüthen –. ich bitte Sie im Nahmen aller Ihrer Geschwister u vorzüglich Ihrer alten Mutter, deren lieblings Sohn Sie sind, doch jede Gelegenheit zu benutzen, um es doch zu versuchen uns zuweilen mahl Nachricht von sich zu geben. auch bitte ich Sie, uns doch die gegend Ihres künftigen Aufenthalts zu nennen. so lebhaft mir meine Phantasie alle Gefahren ausmahlen wird, denen Sie bey dieser weiten Reise unterworfen seyn können: so glauben Sie doch nicht daß es mir an Muth fehlen würde, sie mit Ihnen zu theilen, wenn es seyn könnte. wehre mein Karl ein so treflicher Landwirth, als er Jurist ist, so müßten Sie uns mitnehmen; Ihre Freundin setzte uns in ihr unangebauetes Land, u ich hülfe Karln treulich es zu einem Paradise umzuwandeln. es würde mir nicht den geringsten Kampf koßten mein unruhiges Vaterland, in dem, so wie es jetzt ist, die Zukunft nur Kummer u Entbährungen jeder Art bringen kann, mit Amerika zu vertauschen. seyn Sie liebster Bruder keinen Augenblick besorgt daß ich jehne schwazhaftigkeit besitze, die man wohl nicht mit unrecht dem weiblichen Geschlecht vorwirft. Ihr Geheimniß ist bey mir so gut verwahrt, wie bey Ihnen selbst
[2] Sie verlangen umständlich zu wißen, wie es uns in jeder hinsicht geht. mein Befinden ist diesen Winter nicht so gut gewesen, als es war wie Sie mich sahn. aber ich bin schon zu elend gewesen, als daß ich mich nicht bey einem so erträglichen Zustande sehr glücklich fühlen solte. wehre nur die Furcht für das schlimmer werden nicht! ich bin nicht Bettlägerig gewesen, habe Arbeiten können, u habe selbst Theil an Geselschaftlichen Freuden genommen da ich mich diesen Winter nicht habe Magnetesiren laßen, indem es mir vorkahm, als ob meinem Arzte bey mir diese Chur zu lang daure. unsere Minna hat uns im Anfang des Winters viel Sorge gemacht. sie war zu schnell gewachsen u hätte die Sorgfalt für sie nicht so gute Folgen gehabt, so hätten wir sie wahrscheinlich verlohren. jetzt ist sie gesund, sie wird hübsch u fängt an sich mehr zu bilden. Ihre Vorlesungen über hat sie mit den größten Intreße Vorlesen hören u im Zeichnen macht sie gute Vortschritte. Karl hat diesen Winter etwas gestümpert er hatte viel Schmerzen im Leibe, welche seine gute Laune oft trübten. sie kommen wohl von zuvielen sitzen doch hat auch der Politische Himmel viel Einfluß darauf. ich laße es gewiß an nichts zu seiner Pflege fehlen. da ihm das Reiten dabey gewiß sehr zuträglich ist, so habe ich erst alles angewand ihn zu bereden, ein Pferd zu miethen u da er es wegen der schlechten Zeiten u Aussichten nicht tuhn wollte, so habe ich ihn heimlich eins gemiethet u bezahlt u wenn ich ihn auch kein schönes Fräulein (was sich auch besser für Sie schickt) zur Gesellschaft verschaffen kann: so habe ich doch den muntern HoffRath v. Berg vermogt, ihn immer zu begleiten, wundern Sie sich nicht über den kecken T , daß ich sage: ich habe es bezahlt. ich glaube würklich über ein gewißes Geld allein bestimmen zu dürfen. ich war nehmlich im Anfang [3] des Winters von einigen Freundinnen aufgefodert ihnen Untericht im Blumen machen zu geben u ob ich gleich aus mehreren Ursachen den Preiß für welche ich Schülerinnen annahm, sehr hoch setze, so habe ich deren doch mehrere bekommen, als ich erwartete. von einen Theil dieses von mir verdienten Geldes, habe ich im Weihnachten unsern Müttern, einigen Freunden u Kindern kleine Geschenke ausgetheilt, u kann ich den andern Theil wohl besser anwenden als für Karls Gesundheit?
Die Hortensie, welche ich für Frau von Stahl gemacht habe, auf Ihre Erlaubniß, mit den größten Fleiß für sie gemacht habe, da steht sie nun, u nur Sie freuen sich nicht darüber, auf dessen Freude ich doch allein gehoft hatte, weil Sie mir noch immer keine Adreße geschickt haben, wohin ich sie senden soll. nun ists wohl ganz vorbey damit? ich habe diesen Winter Tulpen Crocus, Tazetten u Hyazinten so ähnlich nach gemacht, daß ich Blumen Kenner damit getäuscht habe. wehre ich aber nur eine Woche in den Pariser Fabrriken, ich wolte sie denn noch besser machen.
ich muß Ihnen noch eine Bitte tuhn. uns doch eh Sie so weit von uns gehn Ihre Büste zu schicken welche Sie uns schon vor längere Zeit versprochen haben. wenn es dieses schönen Andennkens auch nicht bedarf uns Ihrer zu errinneren, so wünschen wir doch so herzlich daß Sie uns damit erfreuen.
Ihre hiesigen Freunde erkundigen sich oft nach Ihnen. Berg sagte uns neülich: er habe in den Göttinschen Anzeigen eine sehr vortheilhafte Recension über Ihre Vorlesungen gelesen worin mit der größten Achtung von Ihnen geredet würde. Diesen Herbst habe [4] ich den Kieler Pfaf kennen lernen, der viel bey uns war u sich auch sehr nach Ihnen erkundigte.
Als vor 14 Tagen die Nachricht kahm, wir würden Westphälsch, waren wohl ein bischen zu eilig Deputationen nach Cassel abgegangen, die Freude war also fast zu laut, als sie sehr geschwind wieder kahmen inden ihnen der Kurier entgengeschickt war, der die Weisung gehabt hatte alle Reisende zu fragen, ob sie aus H. seyn? worauf sie denn zum theil auf der Stelle umgekehrt waren. einen H. v. Wangenheim war dis schlafend paßirt, der sich also sehr gewundert hatte, den ander morgen in das Wirtshaus wieder einzukehren, woraus er den Abend gefahren war. zum Glück lachten die Herrn mit, aber sehr unartig war es doch, daß Patjen nach seiner zuhausekunft die Fenster eingeschlagen wurden, sein Haus beschmutzt ward u. m. d. g. Doch bekahm er auch von besser gesinnten eine Musick, Tausende können es ihm doch nicht genuch verdennken, wenn er es bewirkt hat, daß bis zum Neujahr noch alles beym alten bleibt. u wenn Karl seine Stelle denn verlöhre, wißen Sie ihm nichts zu Rathen? es wehre doch hart für ihn, da er seine Jugend Jahre mit Sorgen hat verleben müßen, wenn er nun im Alter wieder mit Nahrungs Sorgen kämpfen müßte –. schon würde es ihm weh tuhn, von hier zu müßen u doch wehre dis noch das geringste, wenn wir nur nicht Mangel leiden müßen –. ich habe noch immer mehr Muth wie Karl u ich sehe mit Freuden, daß ihn das oft erheitet.
gern plauderte ich noch mehr mit Ihnen aber mein Papier ist zu ende. morgen gehe ich zu M. Reberg u erzähle der viel schönes von Ihnen. leben Sie recht wohl u behalten Sie in guten Andennken
Ihre Schwester Julie
Notice (8): Undefined offset: 0 [APP/View/Letters/view.ctp, line 442]/version-04-20/letters/view/6669" data-language="">
[1] Hannover den 3t März
10.
Theuerster Freund und Bruder!
Auf zwey so Intreßante Briefe sind wir Ihnen die Antworth schuldig und einer derselben, u zwahr der freundlichste ist an mich selbst gerichtet, wofür ich Ihnen den herzlichsten Dannk sage. die Ankunft Ihres letzten Briefs machte mir auch große Freud, da mir Karl aber auch das zweyte Blatt desselben mittheilte, hat er mich sehr mit Wehmuth erfüllt. wir sollen von einen so herzlich geliebten Bruder so lange u so weit getrennt seyn! in mehreren Jahren keine Hoffnung haben Sie zu sehn, ach vieleicht nicht einmahl etwas von Ihnen zu hören! Dabey soll ich Sie auf dem Meere wißen. wie wird mir da bey jedem Sturme seyn? und wenn Sie sich gar in der Gegend aufhalten werden, wo die gelben Fieber wüthen –. ich bitte Sie im Nahmen aller Ihrer Geschwister u vorzüglich Ihrer alten Mutter, deren lieblings Sohn Sie sind, doch jede Gelegenheit zu benutzen, um es doch zu versuchen uns zuweilen mahl Nachricht von sich zu geben. auch bitte ich Sie, uns doch die gegend Ihres künftigen Aufenthalts zu nennen. so lebhaft mir meine Phantasie alle Gefahren ausmahlen wird, denen Sie bey dieser weiten Reise unterworfen seyn können: so glauben Sie doch nicht daß es mir an Muth fehlen würde, sie mit Ihnen zu theilen, wenn es seyn könnte. wehre mein Karl ein so treflicher Landwirth, als er Jurist ist, so müßten Sie uns mitnehmen; Ihre Freundin setzte uns in ihr unangebauetes Land, u ich hülfe Karln treulich es zu einem Paradise umzuwandeln. es würde mir nicht den geringsten Kampf koßten mein unruhiges Vaterland, in dem, so wie es jetzt ist, die Zukunft nur Kummer u Entbährungen jeder Art bringen kann, mit Amerika zu vertauschen. seyn Sie liebster Bruder keinen Augenblick besorgt daß ich jehne schwazhaftigkeit besitze, die man wohl nicht mit unrecht dem weiblichen Geschlecht vorwirft. Ihr Geheimniß ist bey mir so gut verwahrt, wie bey Ihnen selbst
[2] Sie verlangen umständlich zu wißen, wie es uns in jeder hinsicht geht. mein Befinden ist diesen Winter nicht so gut gewesen, als es war wie Sie mich sahn. aber ich bin schon zu elend gewesen, als daß ich mich nicht bey einem so erträglichen Zustande sehr glücklich fühlen solte. wehre nur die Furcht für das schlimmer werden nicht! ich bin nicht Bettlägerig gewesen, habe Arbeiten können, u habe selbst Theil an Geselschaftlichen Freuden genommen da ich mich diesen Winter nicht habe Magnetesiren laßen, indem es mir vorkahm, als ob meinem Arzte bey mir diese Chur zu lang daure. unsere Minna hat uns im Anfang des Winters viel Sorge gemacht. sie war zu schnell gewachsen u hätte die Sorgfalt für sie nicht so gute Folgen gehabt, so hätten wir sie wahrscheinlich verlohren. jetzt ist sie gesund, sie wird hübsch u fängt an sich mehr zu bilden. Ihre Vorlesungen über hat sie mit den größten Intreße Vorlesen hören u im Zeichnen macht sie gute Vortschritte. Karl hat diesen Winter etwas gestümpert er hatte viel Schmerzen im Leibe, welche seine gute Laune oft trübten. sie kommen wohl von zuvielen sitzen doch hat auch der Politische Himmel viel Einfluß darauf. ich laße es gewiß an nichts zu seiner Pflege fehlen. da ihm das Reiten dabey gewiß sehr zuträglich ist, so habe ich erst alles angewand ihn zu bereden, ein Pferd zu miethen u da er es wegen der schlechten Zeiten u Aussichten nicht tuhn wollte, so habe ich ihn heimlich eins gemiethet u bezahlt u wenn ich ihn auch kein schönes Fräulein (was sich auch besser für Sie schickt) zur Gesellschaft verschaffen kann: so habe ich doch den muntern HoffRath v. Berg vermogt, ihn immer zu begleiten, wundern Sie sich nicht über den kecken T , daß ich sage: ich habe es bezahlt. ich glaube würklich über ein gewißes Geld allein bestimmen zu dürfen. ich war nehmlich im Anfang [3] des Winters von einigen Freundinnen aufgefodert ihnen Untericht im Blumen machen zu geben u ob ich gleich aus mehreren Ursachen den Preiß für welche ich Schülerinnen annahm, sehr hoch setze, so habe ich deren doch mehrere bekommen, als ich erwartete. von einen Theil dieses von mir verdienten Geldes, habe ich im Weihnachten unsern Müttern, einigen Freunden u Kindern kleine Geschenke ausgetheilt, u kann ich den andern Theil wohl besser anwenden als für Karls Gesundheit?
Die Hortensie, welche ich für Frau von Stahl gemacht habe, auf Ihre Erlaubniß, mit den größten Fleiß für sie gemacht habe, da steht sie nun, u nur Sie freuen sich nicht darüber, auf dessen Freude ich doch allein gehoft hatte, weil Sie mir noch immer keine Adreße geschickt haben, wohin ich sie senden soll. nun ists wohl ganz vorbey damit? ich habe diesen Winter Tulpen Crocus, Tazetten u Hyazinten so ähnlich nach gemacht, daß ich Blumen Kenner damit getäuscht habe. wehre ich aber nur eine Woche in den Pariser Fabrriken, ich wolte sie denn noch besser machen.
ich muß Ihnen noch eine Bitte tuhn. uns doch eh Sie so weit von uns gehn Ihre Büste zu schicken welche Sie uns schon vor längere Zeit versprochen haben. wenn es dieses schönen Andennkens auch nicht bedarf uns Ihrer zu errinneren, so wünschen wir doch so herzlich daß Sie uns damit erfreuen.
Ihre hiesigen Freunde erkundigen sich oft nach Ihnen. Berg sagte uns neülich: er habe in den Göttinschen Anzeigen eine sehr vortheilhafte Recension über Ihre Vorlesungen gelesen worin mit der größten Achtung von Ihnen geredet würde. Diesen Herbst habe [4] ich den Kieler Pfaf kennen lernen, der viel bey uns war u sich auch sehr nach Ihnen erkundigte.
Als vor 14 Tagen die Nachricht kahm, wir würden Westphälsch, waren wohl ein bischen zu eilig Deputationen nach Cassel abgegangen, die Freude war also fast zu laut, als sie sehr geschwind wieder kahmen inden ihnen der Kurier entgengeschickt war, der die Weisung gehabt hatte alle Reisende zu fragen, ob sie aus H. seyn? worauf sie denn zum theil auf der Stelle umgekehrt waren. einen H. v. Wangenheim war dis schlafend paßirt, der sich also sehr gewundert hatte, den ander morgen in das Wirtshaus wieder einzukehren, woraus er den Abend gefahren war. zum Glück lachten die Herrn mit, aber sehr unartig war es doch, daß Patjen nach seiner zuhausekunft die Fenster eingeschlagen wurden, sein Haus beschmutzt ward u. m. d. g. Doch bekahm er auch von besser gesinnten eine Musick, Tausende können es ihm doch nicht genuch verdennken, wenn er es bewirkt hat, daß bis zum Neujahr noch alles beym alten bleibt. u wenn Karl seine Stelle denn verlöhre, wißen Sie ihm nichts zu Rathen? es wehre doch hart für ihn, da er seine Jugend Jahre mit Sorgen hat verleben müßen, wenn er nun im Alter wieder mit Nahrungs Sorgen kämpfen müßte –. schon würde es ihm weh tuhn, von hier zu müßen u doch wehre dis noch das geringste, wenn wir nur nicht Mangel leiden müßen –. ich habe noch immer mehr Muth wie Karl u ich sehe mit Freuden, daß ihn das oft erheitet.
gern plauderte ich noch mehr mit Ihnen aber mein Papier ist zu ende. morgen gehe ich zu M. Reberg u erzähle der viel schönes von Ihnen. leben Sie recht wohl u behalten Sie in guten Andennken
Ihre Schwester Julie
×