• August Wilhelm von Schlegel to Caroline von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Braunschweig · Date: 18.04.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Caroline von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Braunschweig
  • Date: 18.04.1801
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370516575
  • Bibliography: Schelling, Caroline von: Briefe aus der Frühromantik. Nach Georg Waitz vermehrt hg. v. Erich Schmidt. Bd. 2. Leipzig 1913, S. 100‒103 u. S. 609 (Kommentar).
  • Incipit: „B[erlin] d. 18ten April [180]1.
    Liebste Caroline,
    Diese Woche sind mir sehr verdrießliche Geschäfte in die Queere gekommen, so daß ich meinen Vorsatz, [...]“
    Language
  • German
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B[erlin] d. 18ten April [180]1.
Liebste Caroline,
Diese Woche sind mir sehr verdrießliche Geschäfte in die Queere gekommen, so daß ich meinen Vorsatz, im voraus zu schreiben, wiederum nicht ausgeführt habe. Du mußt also mit einem kurzen Briefe vorlieb nehmen, Du schreibst mir ja auch kurze Briefe, und desto mehr bleibt nachher für das mündliche Erzählen übrig.
Die Sache mit Unger, die jetzt zum Ausbruch gekommen, ist folgende. Er hat den 1ten Theil des Shakespeare von neuem gedruckt, dieß war fertig, eh ich hieher kam. Er sagte mir keine Sylbe davon, ich merkte es aber an allerley Spuren, und zwar daß er nicht bloß auf Velin, sondern auch auf Schreibpapier Exemplare gedruckt. Es ging eine Zeit darüber hin, ehe ich die Sache ins reine bringen konnte, endlich bekam ich ein Velin Exemplar von dem neuen Druck, er hatte es auf gewisse Art nicht verkleidet, denn ein revidirtes Exemplar von mir, worin die Vorrede ausgestrichen u. s. w., war dabey zum Grunde gelegt, auch die Jahrszahl auf den Titel gesetzt. Ich ging zu ihm und sagte ihm auf die freundlichste Art von der Welt, um ihn über alle Beschämung wegzuheben: es sey mir lieb, daß es schon so weit sey, daß er den ersten Band habe können von neuem drucken lassen; er werde es nun aber auch billig finden, daß ich nach Maßgabe der Auflage Honorar nachgezahlt bekäme. Er machte dabey keine Schwierigkeit; 100 Velins habe er gedruckt, wie viel auf Schreibpapier, wisse er nicht aus dem Kopfe, wolle es mir aber in seinen Büchern zeigen; es sey nur geschehen, um den Druck des Velins desto saubrer machen zu können; er habe noch eine Anzahl Exemplare auf Schreibpapier vom alten Druck (dieß ist auch wirklich wahr) u. s. w. Ich wartete darauf, daß er sogleich mit mir in sein Comtoir gehen sollte, um diese Dinge in Ordnung zu bringen, aber vergeblich; indessen wollte ich nicht unhöflich dringend werden, und ging weg. Den nächsten Mittag aß ich bey ihm, wo er mich närrischer Weise mit der ganzen Berlinerey (Gedicke, Zöllner und Teller) zusammen gebeten hatte, mit denen ich auch über Fichtes Censursache einigermaßen lustig an einander gerieth. Er sagte mir bey Tisch, er habe jetzt nachgesehen, es seyen 100 Velins und 300 andre Exemplare gedruckt, also nur so viel um die Auflage vom 1ten Theil mit der jetzigen gleich zu setzen. Ich konnte da natürlich nichts darauf antworten, wartete hierauf noch einige Tage, ob er nicht kommen oder Geld schicken würde, endlich, da nichts erfolgte, schrieb ich ein Billet, des Inhalts: Ich wäre so frey ihn an sein Versprechen zu erinnern, mir in seinen Büchern den Betrag der Auflage und den bisherigen Absatz zu zeigen. Für die 100 Velins hatte ich schon im Voraus 8 Lsd. gefodert, die übrigen glaubte ich billig das Hundert zu 4 Lsd. schätzen zu können. Er schreibt mir hierauf einen unendlich groben Brief, von herzlosen arroganten Menschen, mit denen er schon oft zu thun gehabt, und die doch niemals gefodert hätten seine Bücher zu sehen; er wolle sie mir durchaus nicht zeigen; er habe mir für die neue Auflage 10 Lsd. übermachen wollen, nun wolle er sie aber ganz zum Hamlet ins Makulatur werfen etc. Von nun an sey unsre Verbindung aufgehoben, und er wolle den Shakespeare nicht weiter verlegen etc. ‒ ganz ein Brief wie von einem Besessenen, den die Ungeheure inspirirt. Mich konnte bloß verdrießen, daß er mir mit dem Aufkündigen zuvorgekommen war, denn ich hatte mir so schon vorgenommen nicht weiter mit ihm zu handeln als unter erhöhten Bedingungen und einem förmlichen Contrakt über die Stärke der Auflage u. s. w. Ich antwortete natürlich gar nichts, sondern ging zu dem Justizkommissär Grattenauer, den ich Dir, wie ich glaube, schon genannt habe; er ist ein tüchtiger Jurist, der sich aber für Literatur interessirt, und mich bey seiner Zurückkunft von Warschau sehr aufgesucht hat, ein Freund von Bernhardi. Dieser meynt, es sey allerdings juristisch etwas auszurichten, und hat die Sache mit dem gefälligsten Eifer übernommen. Es wird nämlich im Preußischen Gesetzbuch ein Unterschied gemacht zwischen neuer Auflage und neuer Ausgabe. Jene darf der Buchhändler machen, wenn über die Stärke der ersten Auflage nichts festgesetzt war; für eine neue Ausgabe aber muß er die Hälfte des anfänglichen Honorars zahlen, also grade was ich gefodert, 20 Lsd. ‒ Nun glaubt Grattenauer durchfechten zu können, es sey eine neue Ausgabe, weil sie mit mancherley größeren und kleineren Abweichungen nach einem von mir revidirten Exemplar gedruckt sey. Er hat erst noch den Weg der Güte versucht, und an Unger geschrieben, bis jetzt aber keine Antwort erhalten. Erfolgt nichts, so wird die Klage Montags etwa eingegeben, und Gr. verspricht sie möglichst zu beschleunigen, indem ich ein Fremder sey etc. ‒ Da ich das Exemplar, was ich zuerst gehabt, an eine hiesige Buchhandlung zurückgeschickt hatte, und ein andres brauchte, um die Abweichungen zu verifiziren, ließ ich mir durch Frölich eins schaffen. Kurz darauf erhalte ich von Unger einen Zettel: es sey ohne sein Vorwissen an Frölich ein Exemplar ausgegeben worden; er habe seinen Leuten streng verboten, dieß ferner zu thun, er wolle die Auflage durchaus zu Makulatur machen und zu seinem Schaden gedruckt haben. Dem Frölich hat er das Haus beynahe eingeschickt, um es wieder zu bekommen; es bleibt aber natürlich in Grattenauers Händen.
So steht nun die Sache. Es ist keine Frage, daß ich die Folge des Shakespeare vortheilhafter wieder anbringen kann ‒ indessen könnte es mich doch nöthigen nach Leipzig auf die Messe zu reisen, was ich äußerst ungern thun würde, aus folgenden Ursachen. Friedrich Tieck kann alle Tage aus Paris hier eintreffen, seine Schwester erwartet ihn ohne weitere Ankündigung. Er wird gewiß zuerst hieher und nicht nach Dresden gehen, vielleicht den ganzen Sommer nicht dahin kommen, indem er seine hiesigen Verhältnisse doch wohl cultiviren muß, wiewohl sie ihm durch den Einfluß seines ehemaligen Lehrers (der sich nicht zum liberalsten und besten dabey nimmt) ungünstig geworden seyn mögen. Mündliche Verab- ...
[Blattschluß.]
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B[erlin] d. 18ten April [180]1.
Liebste Caroline,
Diese Woche sind mir sehr verdrießliche Geschäfte in die Queere gekommen, so daß ich meinen Vorsatz, im voraus zu schreiben, wiederum nicht ausgeführt habe. Du mußt also mit einem kurzen Briefe vorlieb nehmen, Du schreibst mir ja auch kurze Briefe, und desto mehr bleibt nachher für das mündliche Erzählen übrig.
Die Sache mit Unger, die jetzt zum Ausbruch gekommen, ist folgende. Er hat den 1ten Theil des Shakespeare von neuem gedruckt, dieß war fertig, eh ich hieher kam. Er sagte mir keine Sylbe davon, ich merkte es aber an allerley Spuren, und zwar daß er nicht bloß auf Velin, sondern auch auf Schreibpapier Exemplare gedruckt. Es ging eine Zeit darüber hin, ehe ich die Sache ins reine bringen konnte, endlich bekam ich ein Velin Exemplar von dem neuen Druck, er hatte es auf gewisse Art nicht verkleidet, denn ein revidirtes Exemplar von mir, worin die Vorrede ausgestrichen u. s. w., war dabey zum Grunde gelegt, auch die Jahrszahl auf den Titel gesetzt. Ich ging zu ihm und sagte ihm auf die freundlichste Art von der Welt, um ihn über alle Beschämung wegzuheben: es sey mir lieb, daß es schon so weit sey, daß er den ersten Band habe können von neuem drucken lassen; er werde es nun aber auch billig finden, daß ich nach Maßgabe der Auflage Honorar nachgezahlt bekäme. Er machte dabey keine Schwierigkeit; 100 Velins habe er gedruckt, wie viel auf Schreibpapier, wisse er nicht aus dem Kopfe, wolle es mir aber in seinen Büchern zeigen; es sey nur geschehen, um den Druck des Velins desto saubrer machen zu können; er habe noch eine Anzahl Exemplare auf Schreibpapier vom alten Druck (dieß ist auch wirklich wahr) u. s. w. Ich wartete darauf, daß er sogleich mit mir in sein Comtoir gehen sollte, um diese Dinge in Ordnung zu bringen, aber vergeblich; indessen wollte ich nicht unhöflich dringend werden, und ging weg. Den nächsten Mittag aß ich bey ihm, wo er mich närrischer Weise mit der ganzen Berlinerey (Gedicke, Zöllner und Teller) zusammen gebeten hatte, mit denen ich auch über Fichtes Censursache einigermaßen lustig an einander gerieth. Er sagte mir bey Tisch, er habe jetzt nachgesehen, es seyen 100 Velins und 300 andre Exemplare gedruckt, also nur so viel um die Auflage vom 1ten Theil mit der jetzigen gleich zu setzen. Ich konnte da natürlich nichts darauf antworten, wartete hierauf noch einige Tage, ob er nicht kommen oder Geld schicken würde, endlich, da nichts erfolgte, schrieb ich ein Billet, des Inhalts: Ich wäre so frey ihn an sein Versprechen zu erinnern, mir in seinen Büchern den Betrag der Auflage und den bisherigen Absatz zu zeigen. Für die 100 Velins hatte ich schon im Voraus 8 Lsd. gefodert, die übrigen glaubte ich billig das Hundert zu 4 Lsd. schätzen zu können. Er schreibt mir hierauf einen unendlich groben Brief, von herzlosen arroganten Menschen, mit denen er schon oft zu thun gehabt, und die doch niemals gefodert hätten seine Bücher zu sehen; er wolle sie mir durchaus nicht zeigen; er habe mir für die neue Auflage 10 Lsd. übermachen wollen, nun wolle er sie aber ganz zum Hamlet ins Makulatur werfen etc. Von nun an sey unsre Verbindung aufgehoben, und er wolle den Shakespeare nicht weiter verlegen etc. ‒ ganz ein Brief wie von einem Besessenen, den die Ungeheure inspirirt. Mich konnte bloß verdrießen, daß er mir mit dem Aufkündigen zuvorgekommen war, denn ich hatte mir so schon vorgenommen nicht weiter mit ihm zu handeln als unter erhöhten Bedingungen und einem förmlichen Contrakt über die Stärke der Auflage u. s. w. Ich antwortete natürlich gar nichts, sondern ging zu dem Justizkommissär Grattenauer, den ich Dir, wie ich glaube, schon genannt habe; er ist ein tüchtiger Jurist, der sich aber für Literatur interessirt, und mich bey seiner Zurückkunft von Warschau sehr aufgesucht hat, ein Freund von Bernhardi. Dieser meynt, es sey allerdings juristisch etwas auszurichten, und hat die Sache mit dem gefälligsten Eifer übernommen. Es wird nämlich im Preußischen Gesetzbuch ein Unterschied gemacht zwischen neuer Auflage und neuer Ausgabe. Jene darf der Buchhändler machen, wenn über die Stärke der ersten Auflage nichts festgesetzt war; für eine neue Ausgabe aber muß er die Hälfte des anfänglichen Honorars zahlen, also grade was ich gefodert, 20 Lsd. ‒ Nun glaubt Grattenauer durchfechten zu können, es sey eine neue Ausgabe, weil sie mit mancherley größeren und kleineren Abweichungen nach einem von mir revidirten Exemplar gedruckt sey. Er hat erst noch den Weg der Güte versucht, und an Unger geschrieben, bis jetzt aber keine Antwort erhalten. Erfolgt nichts, so wird die Klage Montags etwa eingegeben, und Gr. verspricht sie möglichst zu beschleunigen, indem ich ein Fremder sey etc. ‒ Da ich das Exemplar, was ich zuerst gehabt, an eine hiesige Buchhandlung zurückgeschickt hatte, und ein andres brauchte, um die Abweichungen zu verifiziren, ließ ich mir durch Frölich eins schaffen. Kurz darauf erhalte ich von Unger einen Zettel: es sey ohne sein Vorwissen an Frölich ein Exemplar ausgegeben worden; er habe seinen Leuten streng verboten, dieß ferner zu thun, er wolle die Auflage durchaus zu Makulatur machen und zu seinem Schaden gedruckt haben. Dem Frölich hat er das Haus beynahe eingeschickt, um es wieder zu bekommen; es bleibt aber natürlich in Grattenauers Händen.
So steht nun die Sache. Es ist keine Frage, daß ich die Folge des Shakespeare vortheilhafter wieder anbringen kann ‒ indessen könnte es mich doch nöthigen nach Leipzig auf die Messe zu reisen, was ich äußerst ungern thun würde, aus folgenden Ursachen. Friedrich Tieck kann alle Tage aus Paris hier eintreffen, seine Schwester erwartet ihn ohne weitere Ankündigung. Er wird gewiß zuerst hieher und nicht nach Dresden gehen, vielleicht den ganzen Sommer nicht dahin kommen, indem er seine hiesigen Verhältnisse doch wohl cultiviren muß, wiewohl sie ihm durch den Einfluß seines ehemaligen Lehrers (der sich nicht zum liberalsten und besten dabey nimmt) ungünstig geworden seyn mögen. Mündliche Verab- ...
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