• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 24.05.1806
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 24.05.1806
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,12
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,7 x 18,5 cm
  • Incipit: „[1] Eine schwere Last wollte sich schier auf mein Herz wälzen als ich mein werther Freund in öffentlichen Blättern Ihre [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Eine schwere Last wollte sich schier auf mein Herz wälzen als ich mein werther Freund in öffentlichen Blättern Ihre Reise durch Lyon angezeigt fand. Freudig hat mich Ihr Brief mit den vortreflichen Aufsatz überrascht. Dank, tausend tausend Dank dafür: wie vielviel mal mehr leistet der Innhalt, als seine einfache Ueberschrift andeutet. Ich eile Ihnen dieses zu sagen, um Sie zu bitten, mir ja von dem Ihrigen nichts vorzuenthalten. Schicken Sie nur ab, was Sie können und wollen. ich werde den Kalender indessen anfangen lassen; und Ihren mir angedeuteten Termin abwarten. Die Zeichnung des verehrten Kopfes, die Sie mir senden wollen, erwarte ich mit Ungeduld, da es mir hier so gut nicht wurde, das Original zu sehen. Sie soll wie eine Reliquie in altglaubiger Hand bewahrt werden. Henne soll der Kupferstecher sein.
Daß Sie den Shakespear so zurüksetzen ist freilich für uns beide nicht gut: eine blutarmere Messe hatten wir, wie man sagt, bei Menschen Gedenken nicht; und wenn man dan überdem nicht recht was Ausgezeichnetes oder heiß erwartetes bringt, ists ganz aus. Der Buchhandel in Deutschland ist durch die Zeit Umstände so wohl, als der innren Beschaffenheit der Litteratur in Agonie. Die Zeiten sind grausam durch die ich armes verlaßnes Weib, mich durchkämpfen muß. Eben zu einer Zeit, so vieler zusammenstoßenden öffentlichen Calamitäten, trete ich meinen mühevollen Beruf an. o Gott! wie wird das Enden!
Ihre Elegie Rom ist allerdings noch nicht ganz vergriffen, die weniger eleganten Ex. sind nicht alle fort: indes will ich sie gern noch einmal auflegen, besonders wenn Sie selbige der Leckermäuler wegen, und der [2] Soi disant Kunstkenner wegen, mit einiger ausländischer Decoration ausstatten. Man muß auch der Sache wegen etwas unternehmen. An Hh: v: Fouqué ist ein Ex. abgesendet; nur an einige offiziere nicht den die Berliner Garnison war ausgerükt und mein Freund hatte mir den ganz kleinen Umstand anzumerken vergessen, unter welchen Regimentern diese Männer stehen. Unsre Garnison steth eben wieder auf den Sprung, um die Schweden – ich hoffe zur Vernunft zu bringen. Wenn Sie eine Diätetick für Uebersetzer Poetischer Werke schreiben, machen Sie doch einen gut derben Anfang, für Historienschreibers dazu, die Staaten Geschichte zu schreiben übernehmen, beim zweiten Bande sich schon ruhig aufs Ohr legen, und den Rausch ausschlafen. Das will ich dann, in meiner Nachbarschaft gratis verschicken lassen.
Der Katalog Ihrer Bibliothek wird heut fertig; und würde es eher geworden sein, wäre Hh: Bernhardi nicht verreiset gewesen. Fällt er nicht zu stark aus, sende ich ihn mit: allein ich weiß nicht wie ich recht thue, ob ich Ihnen bei der großen Entfernung nicht zu viel Porto verursache, und werde lieber Ihre Antwort erst abwarten. Mit meines seel. Mannes Bibliothek werde ich Auction halten müssen. Kein Großer hat sie genommen: und so wäre dan der 11. August zum Versteigrungs Termin angesetzt. Sollten Sie indes mein Freund, in Paris mir einen Käufer [3] dazu finden können, wäre es mir sehr lieb. Vom Russischen Kaiser forderte ich auf Anrathen 5000. p 3000. nehme ich auch. Bei meiner Auction werde ich dan auch Ihren Bücherschrank versteigern lassen: und das Honorar & s w davon befriedigen so allein verkaufts sichs hier alles erbärmlich. Es wäre wohl gut, wenn Napoleon der so viel Unheil auch über unsern Staat brachte, mir durch den Ankauf der Bibliothek einen Ersatz für alles Ungemach gäbe.
Von Ihrem Bruder habe ich lange nichts gehört. Fichte ist auch hier. In voriger Woche wurde an Schillers Todes Tag, ihm mit der Aufführung der Braut von Messina, eine Todtenfeyer gehalten; der Ertrag war für seine Erben. und betrug über 3000. r. mehrere Bühnen thaten desgleichen, und man rechnet daß über 15000. r. zusammen kommen.
Ehegestern hielt Mad: Bethmann ein Declamatorium mit Musik. Der Innhalt von. 1 Alexis und Dora von Göthe. 2) Die Warnung. Von Schlegel. 3) Eine Scene aus König Johann. von Schakespeear. Hubert und Prinz Arthur. Akt 4. Scene 1. 4. Szene aus Göthes Faust. 5) Hero und Leander Ballade – 6 Lebens Melodie „Der Schwan & der Adler. Die Szene zwischen Huber & Arthur gerieth vorzüglich. Seit meinen einsamen Stand war dies meine erste Erscheinung an einem öffentlichen Orte. Und danach hat die Wittwe sich geschämt; und dann [4] eine Kränkung zugefügt zu haben sich vorgestellt. Ach mein Herz ist sehr sehr wund. Die schöne Hälfte ist von ihm abgerissen.
Reine Schriftstellerei siegt nun wohl für immer. Eine Ahnung sagte mir, Melanie werde mein Schwanensang sein. –
Leben Sie recht recht wohl. Sagen Sie dem edelsten der Weiber, daß in Berlin ein Weib lebt, welches sie ihrer Bemerkung nicht würdigte, daß aber ein Herz hat ihren Werth zu fühlen, und ganz davon erfüllt ist.
Adieu Theurer guter lieber Freund. halten Sie mir Wort. und gießen Trost in mein getrübtes Gemüth durch Beweise Ihrer Freundschaft. Ganz
die
Ihrige
Verw. Unger

Berlin d. 24. Mai
1806.
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[1] Eine schwere Last wollte sich schier auf mein Herz wälzen als ich mein werther Freund in öffentlichen Blättern Ihre Reise durch Lyon angezeigt fand. Freudig hat mich Ihr Brief mit den vortreflichen Aufsatz überrascht. Dank, tausend tausend Dank dafür: wie vielviel mal mehr leistet der Innhalt, als seine einfache Ueberschrift andeutet. Ich eile Ihnen dieses zu sagen, um Sie zu bitten, mir ja von dem Ihrigen nichts vorzuenthalten. Schicken Sie nur ab, was Sie können und wollen. ich werde den Kalender indessen anfangen lassen; und Ihren mir angedeuteten Termin abwarten. Die Zeichnung des verehrten Kopfes, die Sie mir senden wollen, erwarte ich mit Ungeduld, da es mir hier so gut nicht wurde, das Original zu sehen. Sie soll wie eine Reliquie in altglaubiger Hand bewahrt werden. Henne soll der Kupferstecher sein.
Daß Sie den Shakespear so zurüksetzen ist freilich für uns beide nicht gut: eine blutarmere Messe hatten wir, wie man sagt, bei Menschen Gedenken nicht; und wenn man dan überdem nicht recht was Ausgezeichnetes oder heiß erwartetes bringt, ists ganz aus. Der Buchhandel in Deutschland ist durch die Zeit Umstände so wohl, als der innren Beschaffenheit der Litteratur in Agonie. Die Zeiten sind grausam durch die ich armes verlaßnes Weib, mich durchkämpfen muß. Eben zu einer Zeit, so vieler zusammenstoßenden öffentlichen Calamitäten, trete ich meinen mühevollen Beruf an. o Gott! wie wird das Enden!
Ihre Elegie Rom ist allerdings noch nicht ganz vergriffen, die weniger eleganten Ex. sind nicht alle fort: indes will ich sie gern noch einmal auflegen, besonders wenn Sie selbige der Leckermäuler wegen, und der [2] Soi disant Kunstkenner wegen, mit einiger ausländischer Decoration ausstatten. Man muß auch der Sache wegen etwas unternehmen. An Hh: v: Fouqué ist ein Ex. abgesendet; nur an einige offiziere nicht den die Berliner Garnison war ausgerükt und mein Freund hatte mir den ganz kleinen Umstand anzumerken vergessen, unter welchen Regimentern diese Männer stehen. Unsre Garnison steth eben wieder auf den Sprung, um die Schweden – ich hoffe zur Vernunft zu bringen. Wenn Sie eine Diätetick für Uebersetzer Poetischer Werke schreiben, machen Sie doch einen gut derben Anfang, für Historienschreibers dazu, die Staaten Geschichte zu schreiben übernehmen, beim zweiten Bande sich schon ruhig aufs Ohr legen, und den Rausch ausschlafen. Das will ich dann, in meiner Nachbarschaft gratis verschicken lassen.
Der Katalog Ihrer Bibliothek wird heut fertig; und würde es eher geworden sein, wäre Hh: Bernhardi nicht verreiset gewesen. Fällt er nicht zu stark aus, sende ich ihn mit: allein ich weiß nicht wie ich recht thue, ob ich Ihnen bei der großen Entfernung nicht zu viel Porto verursache, und werde lieber Ihre Antwort erst abwarten. Mit meines seel. Mannes Bibliothek werde ich Auction halten müssen. Kein Großer hat sie genommen: und so wäre dan der 11. August zum Versteigrungs Termin angesetzt. Sollten Sie indes mein Freund, in Paris mir einen Käufer [3] dazu finden können, wäre es mir sehr lieb. Vom Russischen Kaiser forderte ich auf Anrathen 5000. p 3000. nehme ich auch. Bei meiner Auction werde ich dan auch Ihren Bücherschrank versteigern lassen: und das Honorar & s w davon befriedigen so allein verkaufts sichs hier alles erbärmlich. Es wäre wohl gut, wenn Napoleon der so viel Unheil auch über unsern Staat brachte, mir durch den Ankauf der Bibliothek einen Ersatz für alles Ungemach gäbe.
Von Ihrem Bruder habe ich lange nichts gehört. Fichte ist auch hier. In voriger Woche wurde an Schillers Todes Tag, ihm mit der Aufführung der Braut von Messina, eine Todtenfeyer gehalten; der Ertrag war für seine Erben. und betrug über 3000. r. mehrere Bühnen thaten desgleichen, und man rechnet daß über 15000. r. zusammen kommen.
Ehegestern hielt Mad: Bethmann ein Declamatorium mit Musik. Der Innhalt von. 1 Alexis und Dora von Göthe. 2) Die Warnung. Von Schlegel. 3) Eine Scene aus König Johann. von Schakespeear. Hubert und Prinz Arthur. Akt 4. Scene 1. 4. Szene aus Göthes Faust. 5) Hero und Leander Ballade – 6 Lebens Melodie „Der Schwan & der Adler. Die Szene zwischen Huber & Arthur gerieth vorzüglich. Seit meinen einsamen Stand war dies meine erste Erscheinung an einem öffentlichen Orte. Und danach hat die Wittwe sich geschämt; und dann [4] eine Kränkung zugefügt zu haben sich vorgestellt. Ach mein Herz ist sehr sehr wund. Die schöne Hälfte ist von ihm abgerissen.
Reine Schriftstellerei siegt nun wohl für immer. Eine Ahnung sagte mir, Melanie werde mein Schwanensang sein. –
Leben Sie recht recht wohl. Sagen Sie dem edelsten der Weiber, daß in Berlin ein Weib lebt, welches sie ihrer Bemerkung nicht würdigte, daß aber ein Herz hat ihren Werth zu fühlen, und ganz davon erfüllt ist.
Adieu Theurer guter lieber Freund. halten Sie mir Wort. und gießen Trost in mein getrübtes Gemüth durch Beweise Ihrer Freundschaft. Ganz
die
Ihrige
Verw. Unger

Berlin d. 24. Mai
1806.
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