• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 02.01.1807
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 02.01.1807
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,13
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,6 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 2. Jan: 1807.
    Ihrer eignen Anweisung nach, mein liebenswürdiger Freund, schickte ich meinen lezten Brief nach Copet; den [...]“
    Language
  • German
  • French
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
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[1] Berlin d. 2. Jan: 1807.
Ihrer eignen Anweisung nach, mein liebenswürdiger Freund, schickte ich meinen lezten Brief nach Copet; den mir liegt immer selbst gar viel daran, daß sie meine Briefe bald erhalten. – Wenn Sie ganz wißen, wie über alle Beschreibung unglüklich mein armes Vaterland geworden ist, wißen Sie auch im Ganzen, wie es mir geth. Aufgeschrekt aus meiner ländlichen Ruhe, flüchtete ich in die Stadt: & bewohne in meinem Hause ein kleines Zimmer, klein wie meine itzigen Umstände: die ganze Belle Etage ist von den 24. Octb: mit Einquartirte besezt; die oft wechseln; meist aber eine ekelhafte Besetzung zurüklaßen, die sich nur mit mercurialen vertreiben laßen. Sehr in der Nähe lerne ich nun dieses Volk aimable et haissable tout a la fois kennen: im allgemeinen haben sie sich gegen mich schutz und wehrlose sehr gut betragen; alle aber haben das schlimme, daß sie essen, und trinken, und zwar sehr gut. Die Lasten sind fast unerschwinglich: dieses unseelige Neujahr habe ich mit 5. Gs. in der Tasche angetreten; die Einnahme steth durchaus, & die Ausgabe läuft immer fort. Wie soll das Enden!
Wie es unter diesen Umständen um den Buchhandel steth, werden Sie mein Freund, leicht einsehen. Für das nördliche Deutschland ist er ganz zu Grunde gerichtet; und wißen wir den, ob Napoleons Großmuth uns eine Deutsche Litteratur, einen Deutschen Buchhandel lassen wird? ich ringe und kämpfe mit dem Ungemach, daß ich oben bleiben möchte; aber das steth bei den Göttern; die unseelige Kalender Pacht, zieth mich herab. In den Zeiten der Versendung, waren die Posten gehemmt; und die [2] Pferde in Requisition gesezt. Ach mein Freund, was ist izt schon aus meinem Hause geworden. Wie wohl ists dem, der nicht erlebte, was ihm das Herz gebrochen hätte! Schon habe ich auf alle Bequemlichkeiten des Lebens Verzicht gethan: bei weitem hatten meine Leute es sonst beßer als ich: und ich verliehre die Früchte einer langen angestrengten Arbeit, der das Leben meines Theuren, und meine besten Kräfte zum Opfer fielen.
Mit Mühe erhielt ich die Erlaubniß das schöne Bild der Fr: v: Stael vor den Damenkalender setzen zu dürfen. Die Akademie hatte Bedenklichkeiten, weil diese Dame einst Mißfallen erregt hatte. Ich nahm mir die Freiheit mit einigen Sarkasmen zu prostetiren, und es erschien. Mad: Bethmann findet es zu sehr geschmeichelt und verjüngt. Mir wurde der Vorzug nicht, das Original zu sehen; aber ich dachte bei diesem Urtheile, an Susanne im Figaro: zu der Figaro sagt. vive la jalousie; elle y fait peu de facon! – Lieber Freund ich bin so verliebt in Ihre Freundin als Sie es unmöglich sein können; pardonnéz! – gern riße ich alles sie betreffende an mich; und dem zu folge, faße ich eifrig, nach der mir angetragnen Corinna. Sie sehen, daß nicht alle femmes auteurs neidisch sind, und daß Florians cʼest que Madame file aussi – was er von der Spinne die das Seidenwurm recensirte, nicht auf mich paßt.
Lügen würde ich, wenn ich sagte, daß in der gegenwärtigen Zeit, sich der Wunsch nach Schakespear laut oder härber ausspräche. aber gewiß wird er willkommen sein, wenn [3] die erste Betäubung vorüber ist: und die Ideen wieder in der alten Ordnung eingehen: lassen Sie um Himmels willen, diese rühmliche Sache nicht liegen. Ihrer und meiner Ehre wegen. Ich will Ihnen ehrlich gestehen, daß ich viel Anträge bekomme für diese Angelegenheit. Der lezte und bedeutendste ist von unsern Tieck, der in seinen alten Wohnort angekommen ist; und mir den Antrag zur Fortsetzung des Schakespear neuerlich machte; ich gab zur Antwort, er solle sich mit Sie darüber vergleichen: ich verhielte mich leidend dabei. Das müßte ich freilich, wenn Sie es wollten. Aber gewiß: Sie werden nicht wollen. Sie überflügeln Ihre rivalen auf dieser Bahn: das würde unser Tieck nicht. Jezt darf ich ihm wohl Ihr leztes Wort, Ihre neuere Verheißung sagen.
Von der Sache mit Bernhardy habe ich seit den Septbr. nichts gehört; sein leztes Schreiben war so grob: so voll gemeiner inhalten, daß ein Freund mir rieth dieses Öl nicht ins Feuer zu gießen, und ich den Brief zurük hielt: den darauf müßten Sie den Kerl grade Weg Todt schlagen. Bis izt ist kein Justiz Kommis bei mir gewesen; den alles stokt hier; die allgemeine Noth hemmt die Geister, und still klagend blikt einer den andern gespenster bleich ins Auge. Wie haben wir treue Beamdenbürger es um unsern König verdient, daß er uns so preiß gab! er hat unsre Rettung zu den Unmöglichkeiten gesagt; die Geschichte sagt uns, was der große Churfürst Fr: Wilh: für harte Wege eingehen mußte. Sein Land nach den verderblichen Krieg wieder herzustellen: wird dieser [4] tausendmal geringere es auf mildrem Wege vermögen? wird er der schauerlichen Größe des Wesens, daß Gott, oder Napoleon und sonst wie heißet, wiederstehen können?
Da unser Fridrich Schlegel es sonst immer in der Art hatte, ein wenig zu spät zu allerwegen zu kommen, wovon Sie mein heiter witziger Freund zu sagen pflegten, es könne es immer noch nicht verwinden, daß er 5. Jahre später als Sie auf die Welt gekommen, diesen lieben Zögrer treiben Sie doch ja an, die Corinna, nach der ich schon schmachte, fleißig sich zu Sinne gehen zu laßen: wenn ich es den nur Heft weise erhalte: damit der Hader gestillt wird, wie hier ein gemeines Sprüchwort sagt.
Woltmann hat sich adeln laßen. tout en fermant sa boutique, hat der Deutsche Kaiser ihm noch den Reichsadel zugeworfen. ob das Diplom auch übers Herz reicht, und schwarz weiß macht, weis ich nicht. Toll! und aber Toll! er putzt sich mit das weggeworfne Galla Kleid eines andern!
Vieleicht daß die liebliche Ida Brunn in einer schönern Sonne, wieder aufblüht.
Die Zeit meines Welkens ist nahe: nahe der Sturm der meine Blätter herab stöset – – in jedem Sinne des Wortes. Viele meiner Kollegen sind dahin. Fröhlich starb, er ließ den Banquerot hinter sich. So Himburg & andre. Bleibt Unger stehen, ists der Seegen seines Namens. Leben Sie wohl, & glüklicher als
Ihre tief gebeugte & bekümmerte
Freundin Unger.

Sander klagt auf Ehebruch & lässt sich scheiden. Er selbst ist über dies gemeine Uebel verrükt geworden. –
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[1] Berlin d. 2. Jan: 1807.
Ihrer eignen Anweisung nach, mein liebenswürdiger Freund, schickte ich meinen lezten Brief nach Copet; den mir liegt immer selbst gar viel daran, daß sie meine Briefe bald erhalten. – Wenn Sie ganz wißen, wie über alle Beschreibung unglüklich mein armes Vaterland geworden ist, wißen Sie auch im Ganzen, wie es mir geth. Aufgeschrekt aus meiner ländlichen Ruhe, flüchtete ich in die Stadt: & bewohne in meinem Hause ein kleines Zimmer, klein wie meine itzigen Umstände: die ganze Belle Etage ist von den 24. Octb: mit Einquartirte besezt; die oft wechseln; meist aber eine ekelhafte Besetzung zurüklaßen, die sich nur mit mercurialen vertreiben laßen. Sehr in der Nähe lerne ich nun dieses Volk aimable et haissable tout a la fois kennen: im allgemeinen haben sie sich gegen mich schutz und wehrlose sehr gut betragen; alle aber haben das schlimme, daß sie essen, und trinken, und zwar sehr gut. Die Lasten sind fast unerschwinglich: dieses unseelige Neujahr habe ich mit 5. Gs. in der Tasche angetreten; die Einnahme steth durchaus, & die Ausgabe läuft immer fort. Wie soll das Enden!
Wie es unter diesen Umständen um den Buchhandel steth, werden Sie mein Freund, leicht einsehen. Für das nördliche Deutschland ist er ganz zu Grunde gerichtet; und wißen wir den, ob Napoleons Großmuth uns eine Deutsche Litteratur, einen Deutschen Buchhandel lassen wird? ich ringe und kämpfe mit dem Ungemach, daß ich oben bleiben möchte; aber das steth bei den Göttern; die unseelige Kalender Pacht, zieth mich herab. In den Zeiten der Versendung, waren die Posten gehemmt; und die [2] Pferde in Requisition gesezt. Ach mein Freund, was ist izt schon aus meinem Hause geworden. Wie wohl ists dem, der nicht erlebte, was ihm das Herz gebrochen hätte! Schon habe ich auf alle Bequemlichkeiten des Lebens Verzicht gethan: bei weitem hatten meine Leute es sonst beßer als ich: und ich verliehre die Früchte einer langen angestrengten Arbeit, der das Leben meines Theuren, und meine besten Kräfte zum Opfer fielen.
Mit Mühe erhielt ich die Erlaubniß das schöne Bild der Fr: v: Stael vor den Damenkalender setzen zu dürfen. Die Akademie hatte Bedenklichkeiten, weil diese Dame einst Mißfallen erregt hatte. Ich nahm mir die Freiheit mit einigen Sarkasmen zu prostetiren, und es erschien. Mad: Bethmann findet es zu sehr geschmeichelt und verjüngt. Mir wurde der Vorzug nicht, das Original zu sehen; aber ich dachte bei diesem Urtheile, an Susanne im Figaro: zu der Figaro sagt. vive la jalousie; elle y fait peu de facon! – Lieber Freund ich bin so verliebt in Ihre Freundin als Sie es unmöglich sein können; pardonnéz! – gern riße ich alles sie betreffende an mich; und dem zu folge, faße ich eifrig, nach der mir angetragnen Corinna. Sie sehen, daß nicht alle femmes auteurs neidisch sind, und daß Florians cʼest que Madame file aussi – was er von der Spinne die das Seidenwurm recensirte, nicht auf mich paßt.
Lügen würde ich, wenn ich sagte, daß in der gegenwärtigen Zeit, sich der Wunsch nach Schakespear laut oder härber ausspräche. aber gewiß wird er willkommen sein, wenn [3] die erste Betäubung vorüber ist: und die Ideen wieder in der alten Ordnung eingehen: lassen Sie um Himmels willen, diese rühmliche Sache nicht liegen. Ihrer und meiner Ehre wegen. Ich will Ihnen ehrlich gestehen, daß ich viel Anträge bekomme für diese Angelegenheit. Der lezte und bedeutendste ist von unsern Tieck, der in seinen alten Wohnort angekommen ist; und mir den Antrag zur Fortsetzung des Schakespear neuerlich machte; ich gab zur Antwort, er solle sich mit Sie darüber vergleichen: ich verhielte mich leidend dabei. Das müßte ich freilich, wenn Sie es wollten. Aber gewiß: Sie werden nicht wollen. Sie überflügeln Ihre rivalen auf dieser Bahn: das würde unser Tieck nicht. Jezt darf ich ihm wohl Ihr leztes Wort, Ihre neuere Verheißung sagen.
Von der Sache mit Bernhardy habe ich seit den Septbr. nichts gehört; sein leztes Schreiben war so grob: so voll gemeiner inhalten, daß ein Freund mir rieth dieses Öl nicht ins Feuer zu gießen, und ich den Brief zurük hielt: den darauf müßten Sie den Kerl grade Weg Todt schlagen. Bis izt ist kein Justiz Kommis bei mir gewesen; den alles stokt hier; die allgemeine Noth hemmt die Geister, und still klagend blikt einer den andern gespenster bleich ins Auge. Wie haben wir treue Beamdenbürger es um unsern König verdient, daß er uns so preiß gab! er hat unsre Rettung zu den Unmöglichkeiten gesagt; die Geschichte sagt uns, was der große Churfürst Fr: Wilh: für harte Wege eingehen mußte. Sein Land nach den verderblichen Krieg wieder herzustellen: wird dieser [4] tausendmal geringere es auf mildrem Wege vermögen? wird er der schauerlichen Größe des Wesens, daß Gott, oder Napoleon und sonst wie heißet, wiederstehen können?
Da unser Fridrich Schlegel es sonst immer in der Art hatte, ein wenig zu spät zu allerwegen zu kommen, wovon Sie mein heiter witziger Freund zu sagen pflegten, es könne es immer noch nicht verwinden, daß er 5. Jahre später als Sie auf die Welt gekommen, diesen lieben Zögrer treiben Sie doch ja an, die Corinna, nach der ich schon schmachte, fleißig sich zu Sinne gehen zu laßen: wenn ich es den nur Heft weise erhalte: damit der Hader gestillt wird, wie hier ein gemeines Sprüchwort sagt.
Woltmann hat sich adeln laßen. tout en fermant sa boutique, hat der Deutsche Kaiser ihm noch den Reichsadel zugeworfen. ob das Diplom auch übers Herz reicht, und schwarz weiß macht, weis ich nicht. Toll! und aber Toll! er putzt sich mit das weggeworfne Galla Kleid eines andern!
Vieleicht daß die liebliche Ida Brunn in einer schönern Sonne, wieder aufblüht.
Die Zeit meines Welkens ist nahe: nahe der Sturm der meine Blätter herab stöset – – in jedem Sinne des Wortes. Viele meiner Kollegen sind dahin. Fröhlich starb, er ließ den Banquerot hinter sich. So Himburg & andre. Bleibt Unger stehen, ists der Seegen seines Namens. Leben Sie wohl, & glüklicher als
Ihre tief gebeugte & bekümmerte
Freundin Unger.

Sander klagt auf Ehebruch & lässt sich scheiden. Er selbst ist über dies gemeine Uebel verrükt geworden. –
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