• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Unknown · Date: 27.08.1802
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 27.08.1802
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S. 457–459.
  • Incipit: „[1] Berlin d. 27 Aug. 2
    Was Sie mir am Schlusse Ihres Briefes vom 19ten melden, hat mich in solche Bewegung gesetzt, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Marbach am Neckar, Deutsches Literaturarchiv
  • Classification Number: A:Schelling 63.367
  • Number of Pages: 4. S., hs.
  • Format: 8°
  • Particularities: E. Br. o. U. Schluss fehlt
    Language
  • German
[1] Berlin d. 27 Aug. 2
Was Sie mir am Schlusse Ihres Briefes vom 19ten melden, hat mich in solche Bewegung gesetzt, und die gränzenlose Wiederwärtigkeit und Infamie des Verfahrens in dem mitgetheilten Blatte der ALZ. hat mich in einem solchen Grade empört, daß ich vorerst nichts andres denken kann, und sogleich die Feder ergreife, um Ihnen zu schreiben und die Sache gemeinschaftlich zu überlegen.
Zuvörderst, was die in seinem Pasquill vorgebrachte Entschuldigung und ihre Quellen betrifft, so drängte sich mir bey meiner Ankunft in Bocklet ein solches Gerede entgegen, das sich unter einer Menge von Leuten verbreitet hatte, die freylich alle nichts von der Medicin verstanden. (Martinengo’s, auf die Sie vielleicht fallen könnten, muß ich bestimmt ausnehmen; sie haben gegen mich nicht das mindeste von dieser Art geäußert, wiewohl sie mit ihrem medicinischen Glauben sehr am alten hingen, und selbst zu Marcus kein sonderliches Zutrauen zu hegen schienen.) Ich bat daher Marcus auf das dringendste, alles mögliche zu thun, um dieses niederzuschlagen. [2] Der dasige Arzt stattete ihm denn auch, sobald er hinkam, seinen Bericht ab; er hatte die Krankheitsgeschichte schriftlich aufgesetzt und wollte sie in einem medicinischen Journale abdrucken lassen. Hievon brachte ihn Marcus zurück, indem er ihm bedeutete, er würde sich selbst dadurch medicinische Blößen geben.
Er hatte gleich den ersten Mittag wie ich da war, mit an der Tafel der Gäste gegessen, redete mich nach Tische an, und berief sich auf den dem Hofrath Marcus übergebenen Aufsatz, den mir dieser einhändigen würde, als auf seine Rechtfertigung. Ich antwortete ihm, ich sey kein Arzt und wisse dergleichen Fälle nicht zu beurtheilen, es sey mir aber nicht eingefallen, ihm einige Schuld beyzumessen, sondern ich habe vielmehr nach den Äußerungen von Marcus und Röschlaub glauben müssen, das Zusammentreffen zwey so heftiger Übel habe die Krankheit unheilbar gemacht. Ich sagte dieß mit Fleiß, um ihn zu beruhigen, da offenbar die Besorgniß um seinen eignen Credit ihn zu der eifrigen Bemühung brachte, die Schuld auf einen [3] andern zu wälzen. Den Aufsatz nahm ich zu mir, und behielt ihn, da ich den Verfasser nach Lesung desselben nicht wieder zu sprechen bekam. Ich verwahre ihn noch versiegelt unter andern die Verstorbene betreffenden Papieren. Es sind Ihre Recepte beygefügt, die freylich nichts als Opium enthalten; da ich das Packet jetzt nicht öffnen mag, so weiß ich nicht mehr, ob im Original oder nur abschriftlich.
Bey meiner Zurückkunft in Bamberg hielt ich nicht für gut, Ihnen etwas hievon zu sagen, weil es zu nichts als den schmerzlichsten Anregungen führen konnte. Sie hatten mit Gründen nach Ihrer Überzeugung gehandelt, und alle vorhandne und mögliche medicinische Wissenschaft reicht nicht hin, die Möglichkeiten eines individuellen Falles mit unwiderleglicher Gewißheit auszumitteln. Überdieß war gegen ein Gerede durchaus nichts zu thun, und was auf den Fall, der mir bey so bewandten Umständen, da dem zu Rathe gezognen Arzte durch eine ihm sehr wichtige Autorität [4] das Schreiben gelegt war, sehr unwahrscheinlich vorkam, daß es einmal im Drucke zur Sprache gebracht werden würde, die wirksamste Maßregel gewesen wäre: nämlich daß Röschlaub sogleich bey seinem Besuche in Bocklet die Krankheitsgeschichte aufgesetzt hätte, wovon Sie mir auch in dem Briefe darüber schrieben, es sey seine Absicht; dieses war in dem ersten Momente versäumt worden, und konnte fast nicht mehr nachgehohlt werden.
Seitdem habe ich alles hierauf sich beziehende meinerseits in das tiefste Stillschweigen begraben, so oft ich auch nach der Abreise von Bamberg in Gotha, Göttingen, Hanover und Braunschweig gegen Verwandte und Bekannte von den Umständen der Krankheit habe reden müssen. Ich hatte zwar sowohl im vorjährigen als jetzigen Sommer Spuren, daß dieß Gerücht in der dasigen Gegend noch nicht ausgestorben sey, allein ich glaubte aus den schon erwähnten Gründen Ihnen nichts davon sagen zu müssen. Bey meinem Besuch in Dresden in diesem Frühlinge erfuhr ich von |
[1] Berlin d. 27 Aug. 2
Was Sie mir am Schlusse Ihres Briefes vom 19ten melden, hat mich in solche Bewegung gesetzt, und die gränzenlose Wiederwärtigkeit und Infamie des Verfahrens in dem mitgetheilten Blatte der ALZ. hat mich in einem solchen Grade empört, daß ich vorerst nichts andres denken kann, und sogleich die Feder ergreife, um Ihnen zu schreiben und die Sache gemeinschaftlich zu überlegen.
Zuvörderst, was die in seinem Pasquill vorgebrachte Entschuldigung und ihre Quellen betrifft, so drängte sich mir bey meiner Ankunft in Bocklet ein solches Gerede entgegen, das sich unter einer Menge von Leuten verbreitet hatte, die freylich alle nichts von der Medicin verstanden. (Martinengo’s, auf die Sie vielleicht fallen könnten, muß ich bestimmt ausnehmen; sie haben gegen mich nicht das mindeste von dieser Art geäußert, wiewohl sie mit ihrem medicinischen Glauben sehr am alten hingen, und selbst zu Marcus kein sonderliches Zutrauen zu hegen schienen.) Ich bat daher Marcus auf das dringendste, alles mögliche zu thun, um dieses niederzuschlagen. [2] Der dasige Arzt stattete ihm denn auch, sobald er hinkam, seinen Bericht ab; er hatte die Krankheitsgeschichte schriftlich aufgesetzt und wollte sie in einem medicinischen Journale abdrucken lassen. Hievon brachte ihn Marcus zurück, indem er ihm bedeutete, er würde sich selbst dadurch medicinische Blößen geben.
Er hatte gleich den ersten Mittag wie ich da war, mit an der Tafel der Gäste gegessen, redete mich nach Tische an, und berief sich auf den dem Hofrath Marcus übergebenen Aufsatz, den mir dieser einhändigen würde, als auf seine Rechtfertigung. Ich antwortete ihm, ich sey kein Arzt und wisse dergleichen Fälle nicht zu beurtheilen, es sey mir aber nicht eingefallen, ihm einige Schuld beyzumessen, sondern ich habe vielmehr nach den Äußerungen von Marcus und Röschlaub glauben müssen, das Zusammentreffen zwey so heftiger Übel habe die Krankheit unheilbar gemacht. Ich sagte dieß mit Fleiß, um ihn zu beruhigen, da offenbar die Besorgniß um seinen eignen Credit ihn zu der eifrigen Bemühung brachte, die Schuld auf einen [3] andern zu wälzen. Den Aufsatz nahm ich zu mir, und behielt ihn, da ich den Verfasser nach Lesung desselben nicht wieder zu sprechen bekam. Ich verwahre ihn noch versiegelt unter andern die Verstorbene betreffenden Papieren. Es sind Ihre Recepte beygefügt, die freylich nichts als Opium enthalten; da ich das Packet jetzt nicht öffnen mag, so weiß ich nicht mehr, ob im Original oder nur abschriftlich.
Bey meiner Zurückkunft in Bamberg hielt ich nicht für gut, Ihnen etwas hievon zu sagen, weil es zu nichts als den schmerzlichsten Anregungen führen konnte. Sie hatten mit Gründen nach Ihrer Überzeugung gehandelt, und alle vorhandne und mögliche medicinische Wissenschaft reicht nicht hin, die Möglichkeiten eines individuellen Falles mit unwiderleglicher Gewißheit auszumitteln. Überdieß war gegen ein Gerede durchaus nichts zu thun, und was auf den Fall, der mir bey so bewandten Umständen, da dem zu Rathe gezognen Arzte durch eine ihm sehr wichtige Autorität [4] das Schreiben gelegt war, sehr unwahrscheinlich vorkam, daß es einmal im Drucke zur Sprache gebracht werden würde, die wirksamste Maßregel gewesen wäre: nämlich daß Röschlaub sogleich bey seinem Besuche in Bocklet die Krankheitsgeschichte aufgesetzt hätte, wovon Sie mir auch in dem Briefe darüber schrieben, es sey seine Absicht; dieses war in dem ersten Momente versäumt worden, und konnte fast nicht mehr nachgehohlt werden.
Seitdem habe ich alles hierauf sich beziehende meinerseits in das tiefste Stillschweigen begraben, so oft ich auch nach der Abreise von Bamberg in Gotha, Göttingen, Hanover und Braunschweig gegen Verwandte und Bekannte von den Umständen der Krankheit habe reden müssen. Ich hatte zwar sowohl im vorjährigen als jetzigen Sommer Spuren, daß dieß Gerücht in der dasigen Gegend noch nicht ausgestorben sey, allein ich glaubte aus den schon erwähnten Gründen Ihnen nichts davon sagen zu müssen. Bey meinem Besuch in Dresden in diesem Frühlinge erfuhr ich von |
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