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Juni, Montag vormittag [1812]. <br>Liebe Freundin! Geduld! Heute ist noch Feiertag, und das kann Verzögerungen zur Folge haben. Solange wir übrigens die Pässe Herrn von Staëls noch nicht in Händen haben, ist keine Zeit für die große Reise verloren. Wenn man Sie einigermaßen in Ruhe läßt, ist es gleichgültig, ob Sie sich in Brünn oder anderswo befinden.<br>Ich hätte Uginet gern zu Herrn von Bunge gebracht, um ihm die letzten Auskünfte zu geben und ihm die Anzahl der Personen Ihres Gefolges mit den Signalements zu zeigen, die den Schweizer Pässen entnommen sind. Aber ich war gestern mehrere Male, nachmittags und abends, bei ihm, ohne ihn zu treffen; erst heute morgen erfuhr ich, daß er sich aufs Land begeben hat; da habe ich ihn holen lassen.<br>Soeben komme ich von Herrn von Bunge, mit dem ich ausführlich Ihre Angelegenheit durchgesprochen habe. Er wollte zur Staatskanzlei gehen, denn als Botschafter hat er keinse offiziellen Beziehungen zum Polizeiminister. Übrigens fällt die Sache nicht in das Ressort des Freiherrn Franz von Hager-Altenberg, da der Paß, den man nicht ausreichend fand, von einer höheren Stelle ausgestellt ist. Die Polizei kann nur bestätigen, daß kein bürgerliches Hindernis, zum Beispiel Schulden, gegen die Ausreise jemandes vorliegt.<br>Ich werde erst am Mittag wieder zu Ihrem Botschafter gehen, wenn er von seinem Gang zurück ist, und dann wird er mir das Ergebnis mitteilen.<br>Es ist schade, daß Sie so wenig Zeit zum Schreiben hatten; denn Ihre beiden letzten Briefe sind außerordentlich unbestimmt und wirr, und wiewohl ich meinen sehr genau durchstudiert habe, sind Dinge darin, die ich mir nicht erklären kann. Besser wäre es schon gewesen, Sie hätten Herrn von Bunge einen ganz offiziellen Brief geschrieben, der einen klaren Bericht bis in alle Einzelheiten über die Schwierigkeiten enthalten hätte, die man Ihnen macht und die er bei seinem Schritt hätte vorbringen können. Glauben Sie mir; die Dinge müssen mit der größten Kaltblütigkeit und aller erdenklichen Planmäßigkeit behandelt werden. Einzig und allein diese Ungenauigkeit in dem Tatsachenmaterial verursacht die augenblickliche Verzögerung.<br>Um 5 Uhr. – Ich bin sehr traurig, liebe Freundin, Ihnen berichten zu müssen, daß die Demarche des Herrn von Bunge erfolglos gewesen ist. Man hat ihm versichert, Sie würden auf Ihrer Reise keinerlei Schwierigkeiten haben, und zwar weder Sie noch Ihr Gefolge, außer einer Person, die man hartnäckig als nicht zu Ihrem Gefolge gehörig betrachtet. Diese Person, die einen PP. [Passeport] oder ein Visum für einen anderen Weg sich hat ausstellen lassen, könne nicht durch Galizien reisen. Der augenblickliche Chef in Abwesenheit von Herrn von Mett[ernich] sagte, er handle auf höheren Befehl, und in diesem Punkt würde niemals etwas zu erreichen sein. Es ist ärgerlich, daß Herr von Mett[ernich] nicht hier ist, sonst könnte man wenigstens erfahren, welchen letzten Ausweg es noch gäbe. Herr von G[entz] zweifelt, ob er diese Schwierigkeit beheben könne... Bliebe Herr von Mett[ernich] in Prag, so hätte ich ihm einen Eilboten geschickt, aber er fährt schon morgen von dort fort und folgt dem Kaiser von Österreich nach Karlsbad und Eger, und dann begibt er sich auf eins seiner Güter, von wo er erst am 10. Juli frühestens zurück sein kann. Die Antwort auf einen Brief, den man ihm jetzt schriebe, würde also wahrscheinlich später eintreffen als er selbst. Übrigens sagt er mit Recht immer wieder, er könne, ohne den Bericht der Staatskanzlei gehört zu haben, keinen endgültigen Bescheid geben.<br>Ich beschwöre Sie, sich inzwischen zu beruhigen; da die PP. [Passeports] von Herrn von Staël noch nicht eingetroffen sind, so ist noch keine Zeit verloren. Man ist wirklich bemüht, alle Schwierigkeiten, die sich der Fortsetzung Ihrer Reise entgegenstellen könnten, zu beheben – aber in diesem einen Punkte wird man Ihnen eben nicht nachgeben. Sie werden das noch viel klarer erkennen, wenn Sie den Brief von Herrn von B[unge] bekommen, der mir sagte, es wäre ihm unmöglich, Ihnen heute zu schreiben, aber morgen werde er es bestimmt tun.<br>Seit dem Empfang Ihres gestern eingetroffenen Briefes habe ich mich nicht einen einzigen Augenblick mit etwas anderem als mit Ihrer Angelegenheit beschäftigt – vielleicht wäre es angebracht, wenn ich selbst nach Br[ünn] käme, um unsere weiteren Pläne zu besprechen; aber in jedem Falle möchte ich heute abend und morgen noch Besuche machen, daher bin ich noch über die Zeit meiner Abreise im unklaren, auch darüber, ob ich es nicht doch vielleicht für notwendig halte, hier zu bleiben. Der größte Vorteil bestände darin, daß ich Ihnen tausend Dinge sagen könnte, die man der Post nicht anvertrauen darf. 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Sie heiratete 1786 den schwedischen Diplomaten Erik Magnus von Staël-Holstein in Paris. Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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Wenn man Sie einigermaßen in Ruhe läßt, ist es gleichgültig, ob Sie sich in Brünn oder anderswo befinden.<br>Ich hätte Uginet gern zu Herrn von Bunge gebracht, um ihm die letzten Auskünfte zu geben und ihm die Anzahl der Personen Ihres Gefolges mit den Signalements zu zeigen, die den Schweizer Pässen entnommen sind. Aber ich war gestern mehrere Male, nachmittags und abends, bei ihm, ohne ihn zu treffen; erst heute morgen erfuhr ich, daß er sich aufs Land begeben hat; da habe ich ihn holen lassen.<br>Soeben komme ich von Herrn von Bunge, mit dem ich ausführlich Ihre Angelegenheit durchgesprochen habe. Er wollte zur Staatskanzlei gehen, denn als Botschafter hat er keinse offiziellen Beziehungen zum Polizeiminister. Übrigens fällt die Sache nicht in das Ressort des Freiherrn Franz von Hager-Altenberg, da der Paß, den man nicht ausreichend fand, von einer höheren Stelle ausgestellt ist. 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Einzig und allein diese Ungenauigkeit in dem Tatsachenmaterial verursacht die augenblickliche Verzögerung.<br>Um 5 Uhr. – Ich bin sehr traurig, liebe Freundin, Ihnen berichten zu müssen, daß die Demarche des Herrn von Bunge erfolglos gewesen ist. Man hat ihm versichert, Sie würden auf Ihrer Reise keinerlei Schwierigkeiten haben, und zwar weder Sie noch Ihr Gefolge, außer einer Person, die man hartnäckig als nicht zu Ihrem Gefolge gehörig betrachtet. Diese Person, die einen PP. [Passeport] oder ein Visum für einen anderen Weg sich hat ausstellen lassen, könne nicht durch Galizien reisen. Der augenblickliche Chef in Abwesenheit von Herrn von Mett[ernich] sagte, er handle auf höheren Befehl, und in diesem Punkt würde niemals etwas zu erreichen sein. Es ist ärgerlich, daß Herr von Mett[ernich] nicht hier ist, sonst könnte man wenigstens erfahren, welchen letzten Ausweg es noch gäbe. Herr von G[entz] zweifelt, ob er diese Schwierigkeit beheben könne... 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Die Eheleute lebten von Anfang an getrennt. Zu ihren ersten Veröffentlichungen zählten die „Lettres sur les ecrits et le charactère de J.-J. Rousseau“, die 1788 erschienen. Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin wurde Germaine de Staël-Holstein als einflussreiche Salonnière berühmt. Unter ihrem politischen Einfluss stand u.a. Benjamin Constant, mit dem sie eine langjährige Beziehung führte und der der Vater ihrer Tochter Albertine war. Ihr politischer Liberalismus und die Befürwortung einer konstitutionellen Monarchie führten 1792 zu ihrer Verbannung ins schweizerische Exil. Gemeinsam mit ihren Kindern bezog sie Schloss Coppet am Genfer See, das nun zum Treffpunkt Intellektueller und Künstler ganz Europas avancierte. Nur selten war der Schriftstellerin der Aufenthalt in Frankreich gestattet. Während ausgedehnter Reisen in den Folgejahren nach Deutschland (1803/04 und 1808) und Italien (1805) war sie zumeist in Begleitung ihres Freundes und Hauslehrers AWS sowie Benjamin Constants. Großen Erfolg hatte sie mit ihrem Werk „De LʼAllemagne“ (1810) sowie mit ihrem Roman „Corinne ou LʼItalie“ (1807) und politischen Schriften. Die Verfolgung durch die französische Regierung veranlasste Germaine de Staël-Holstein am 23. Mai 1812 zur Flucht über die Schweiz nach Österreich, Russland und schließlich Schweden. Anschließend hielten sie sich von 1813 bis 1814 in London auf. Nach der Rückkehr in die Schweiz heiratete de Staël-Holstein 1816 den Vater ihres jüngsten Kindes, John Rocca.', '39_quellen' => 'WBIS@http://db.saur.de/WBIS/basicSearch.jsf@D834-624-6@ extern@Roger Paulin: August Wilhelm Schlegel. Cosmopolitan of Art and Poetry. Cambridge 2016.@ extern@Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Ges. u. erl. d. Josef Körner. 2. Bd. Die Erläuterungen. 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29. Juni, Montag vormittag [1812].
Liebe Freundin! Geduld! Heute ist noch Feiertag, und das kann Verzögerungen zur Folge haben. Solange wir übrigens die Pässe Herrn von Staëls noch nicht in Händen haben, ist keine Zeit für die große Reise verloren. Wenn man Sie einigermaßen in Ruhe läßt, ist es gleichgültig, ob Sie sich in Brünn oder anderswo befinden.
Ich hätte Uginet gern zu Herrn von Bunge gebracht, um ihm die letzten Auskünfte zu geben und ihm die Anzahl der Personen Ihres Gefolges mit den Signalements zu zeigen, die den Schweizer Pässen entnommen sind. Aber ich war gestern mehrere Male, nachmittags und abends, bei ihm, ohne ihn zu treffen; erst heute morgen erfuhr ich, daß er sich aufs Land begeben hat; da habe ich ihn holen lassen.
Soeben komme ich von Herrn von Bunge, mit dem ich ausführlich Ihre Angelegenheit durchgesprochen habe. Er wollte zur Staatskanzlei gehen, denn als Botschafter hat er keinse offiziellen Beziehungen zum Polizeiminister. Übrigens fällt die Sache nicht in das Ressort des Freiherrn Franz von Hager-Altenberg, da der Paß, den man nicht ausreichend fand, von einer höheren Stelle ausgestellt ist. Die Polizei kann nur bestätigen, daß kein bürgerliches Hindernis, zum Beispiel Schulden, gegen die Ausreise jemandes vorliegt.
Ich werde erst am Mittag wieder zu Ihrem Botschafter gehen, wenn er von seinem Gang zurück ist, und dann wird er mir das Ergebnis mitteilen.
Es ist schade, daß Sie so wenig Zeit zum Schreiben hatten; denn Ihre beiden letzten Briefe sind außerordentlich unbestimmt und wirr, und wiewohl ich meinen sehr genau durchstudiert habe, sind Dinge darin, die ich mir nicht erklären kann. Besser wäre es schon gewesen, Sie hätten Herrn von Bunge einen ganz offiziellen Brief geschrieben, der einen klaren Bericht bis in alle Einzelheiten über die Schwierigkeiten enthalten hätte, die man Ihnen macht und die er bei seinem Schritt hätte vorbringen können. Glauben Sie mir; die Dinge müssen mit der größten Kaltblütigkeit und aller erdenklichen Planmäßigkeit behandelt werden. Einzig und allein diese Ungenauigkeit in dem Tatsachenmaterial verursacht die augenblickliche Verzögerung.
Um 5 Uhr. – Ich bin sehr traurig, liebe Freundin, Ihnen berichten zu müssen, daß die Demarche des Herrn von Bunge erfolglos gewesen ist. Man hat ihm versichert, Sie würden auf Ihrer Reise keinerlei Schwierigkeiten haben, und zwar weder Sie noch Ihr Gefolge, außer einer Person, die man hartnäckig als nicht zu Ihrem Gefolge gehörig betrachtet. Diese Person, die einen PP. [Passeport] oder ein Visum für einen anderen Weg sich hat ausstellen lassen, könne nicht durch Galizien reisen. Der augenblickliche Chef in Abwesenheit von Herrn von Mett[ernich] sagte, er handle auf höheren Befehl, und in diesem Punkt würde niemals etwas zu erreichen sein. Es ist ärgerlich, daß Herr von Mett[ernich] nicht hier ist, sonst könnte man wenigstens erfahren, welchen letzten Ausweg es noch gäbe. Herr von G[entz] zweifelt, ob er diese Schwierigkeit beheben könne... Bliebe Herr von Mett[ernich] in Prag, so hätte ich ihm einen Eilboten geschickt, aber er fährt schon morgen von dort fort und folgt dem Kaiser von Österreich nach Karlsbad und Eger, und dann begibt er sich auf eins seiner Güter, von wo er erst am 10. Juli frühestens zurück sein kann. Die Antwort auf einen Brief, den man ihm jetzt schriebe, würde also wahrscheinlich später eintreffen als er selbst. Übrigens sagt er mit Recht immer wieder, er könne, ohne den Bericht der Staatskanzlei gehört zu haben, keinen endgültigen Bescheid geben.
Ich beschwöre Sie, sich inzwischen zu beruhigen; da die PP. [Passeports] von Herrn von Staël noch nicht eingetroffen sind, so ist noch keine Zeit verloren. Man ist wirklich bemüht, alle Schwierigkeiten, die sich der Fortsetzung Ihrer Reise entgegenstellen könnten, zu beheben – aber in diesem einen Punkte wird man Ihnen eben nicht nachgeben. Sie werden das noch viel klarer erkennen, wenn Sie den Brief von Herrn von B[unge] bekommen, der mir sagte, es wäre ihm unmöglich, Ihnen heute zu schreiben, aber morgen werde er es bestimmt tun.
Seit dem Empfang Ihres gestern eingetroffenen Briefes habe ich mich nicht einen einzigen Augenblick mit etwas anderem als mit Ihrer Angelegenheit beschäftigt – vielleicht wäre es angebracht, wenn ich selbst nach Br[ünn] käme, um unsere weiteren Pläne zu besprechen; aber in jedem Falle möchte ich heute abend und morgen noch Besuche machen, daher bin ich noch über die Zeit meiner Abreise im unklaren, auch darüber, ob ich es nicht doch vielleicht für notwendig halte, hier zu bleiben. Der größte Vorteil bestände darin, daß ich Ihnen tausend Dinge sagen könnte, die man der Post nicht anvertrauen darf. Seien Sie im Namen des Himmels davon überzeugt, daß nur Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart die Dinge vorwärtstreiben können und daß man mit allem übrigen nichts erreicht.
Eugène geht gerade von mir fort; er hat Ihren Brief noch nicht und kann ihn auch vielleicht noch nicht haben, weil die Post heute gechlossen ist.
Liebe Freundin! Geduld! Heute ist noch Feiertag, und das kann Verzögerungen zur Folge haben. Solange wir übrigens die Pässe Herrn von Staëls noch nicht in Händen haben, ist keine Zeit für die große Reise verloren. Wenn man Sie einigermaßen in Ruhe läßt, ist es gleichgültig, ob Sie sich in Brünn oder anderswo befinden.
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Es ist schade, daß Sie so wenig Zeit zum Schreiben hatten; denn Ihre beiden letzten Briefe sind außerordentlich unbestimmt und wirr, und wiewohl ich meinen sehr genau durchstudiert habe, sind Dinge darin, die ich mir nicht erklären kann. Besser wäre es schon gewesen, Sie hätten Herrn von Bunge einen ganz offiziellen Brief geschrieben, der einen klaren Bericht bis in alle Einzelheiten über die Schwierigkeiten enthalten hätte, die man Ihnen macht und die er bei seinem Schritt hätte vorbringen können. Glauben Sie mir; die Dinge müssen mit der größten Kaltblütigkeit und aller erdenklichen Planmäßigkeit behandelt werden. Einzig und allein diese Ungenauigkeit in dem Tatsachenmaterial verursacht die augenblickliche Verzögerung.
Um 5 Uhr. – Ich bin sehr traurig, liebe Freundin, Ihnen berichten zu müssen, daß die Demarche des Herrn von Bunge erfolglos gewesen ist. Man hat ihm versichert, Sie würden auf Ihrer Reise keinerlei Schwierigkeiten haben, und zwar weder Sie noch Ihr Gefolge, außer einer Person, die man hartnäckig als nicht zu Ihrem Gefolge gehörig betrachtet. Diese Person, die einen PP. [Passeport] oder ein Visum für einen anderen Weg sich hat ausstellen lassen, könne nicht durch Galizien reisen. Der augenblickliche Chef in Abwesenheit von Herrn von Mett[ernich] sagte, er handle auf höheren Befehl, und in diesem Punkt würde niemals etwas zu erreichen sein. Es ist ärgerlich, daß Herr von Mett[ernich] nicht hier ist, sonst könnte man wenigstens erfahren, welchen letzten Ausweg es noch gäbe. Herr von G[entz] zweifelt, ob er diese Schwierigkeit beheben könne... Bliebe Herr von Mett[ernich] in Prag, so hätte ich ihm einen Eilboten geschickt, aber er fährt schon morgen von dort fort und folgt dem Kaiser von Österreich nach Karlsbad und Eger, und dann begibt er sich auf eins seiner Güter, von wo er erst am 10. Juli frühestens zurück sein kann. Die Antwort auf einen Brief, den man ihm jetzt schriebe, würde also wahrscheinlich später eintreffen als er selbst. Übrigens sagt er mit Recht immer wieder, er könne, ohne den Bericht der Staatskanzlei gehört zu haben, keinen endgültigen Bescheid geben.
Ich beschwöre Sie, sich inzwischen zu beruhigen; da die PP. [Passeports] von Herrn von Staël noch nicht eingetroffen sind, so ist noch keine Zeit verloren. Man ist wirklich bemüht, alle Schwierigkeiten, die sich der Fortsetzung Ihrer Reise entgegenstellen könnten, zu beheben – aber in diesem einen Punkte wird man Ihnen eben nicht nachgeben. Sie werden das noch viel klarer erkennen, wenn Sie den Brief von Herrn von B[unge] bekommen, der mir sagte, es wäre ihm unmöglich, Ihnen heute zu schreiben, aber morgen werde er es bestimmt tun.
Seit dem Empfang Ihres gestern eingetroffenen Briefes habe ich mich nicht einen einzigen Augenblick mit etwas anderem als mit Ihrer Angelegenheit beschäftigt – vielleicht wäre es angebracht, wenn ich selbst nach Br[ünn] käme, um unsere weiteren Pläne zu besprechen; aber in jedem Falle möchte ich heute abend und morgen noch Besuche machen, daher bin ich noch über die Zeit meiner Abreise im unklaren, auch darüber, ob ich es nicht doch vielleicht für notwendig halte, hier zu bleiben. Der größte Vorteil bestände darin, daß ich Ihnen tausend Dinge sagen könnte, die man der Post nicht anvertrauen darf. Seien Sie im Namen des Himmels davon überzeugt, daß nur Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart die Dinge vorwärtstreiben können und daß man mit allem übrigen nichts erreicht.
Eugène geht gerade von mir fort; er hat Ihren Brief noch nicht und kann ihn auch vielleicht noch nicht haben, weil die Post heute gechlossen ist.
· Original , 29.06.1812