• August Wilhelm von Schlegel to Christian Gottlob Heyne

  • Place of Dispatch: Braunschweig · Place of Destination: Göttingen · Date: 24.09.1795
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Christian Gottlob Heyne
  • Place of Dispatch: Braunschweig
  • Place of Destination: Göttingen
  • Date: 24.09.1795
  • Notations: Empfänger (vgl. Heynes Antwort vom 10.10.1795) und Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main
  • Classification Number: Hs-12160
  • Number of Pages: 2 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs. m. U.
  • Format: 4°
  • Incipit: „[1] Braunschweig d. 24 Sept. 1795
    Werthester Herr Hofrath!
    Meine Rückkehr in das Vaterland fodert mich von Neuem lebhafter auf, Ihnen ein [...]“
  • Editors: Bamberg, Claudia · Varwig, Olivia
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[1] Braunschweig d. 24 Sept. 1795
Werthester Herr Hofrath!
Meine Rückkehr in das Vaterland fodert mich von Neuem lebhafter auf, Ihnen ein Gefühl zu äußern, das durch die Weite oder Dauer meiner Entfernung nie im geringsten geschwächt werden konnte: das Gefühl von allem dem, was ich seit so vielen Jahren Ihrer Leitung, Ihrem Rathe und Ihrem Beystande verdanke. Mein Stillschweigen rührte nur daher, daß ich Ihnen nicht mit Briefen lästig fallen mochte, die an unterhaltenden Nachrichten nothwendig arm seyn mußten. Zugleich fühlte ich eine Art von Verlegenheit, in einem so langen Zeitraume keine einzige noch so kleine Probe von litterarischem Fleiße gegeben zu haben, welches mir doch durch meine Lage gänzlich unmöglich gemacht wurde.
Jetzt, da mich zwar nicht der Sturm der Revolution (denn diesen konnte ich als Zuschauer für meine Person sehr unbesorgt abwarten) wieder nach Teutschland zurückgetrieben, aber da doch die Umstände der Zeit meinen dortigen Verhältnissen in mancher Hinsicht eine andere Wendung gegeben, [2] und mich bewogen haben, sie früher aufzuheben, jetzt kehre ich mit doppeltem Eifer und ungetheilter Muße zu den Wissenschaften zurück, die in Holland meine liebste und fast meine einzige Erhohlung ausmachten. Meine Absicht ist, mich fürs erste ganz eignen litterarischen Arbeiten zu widmen. Vielleicht ist Ihnen etwas von meinen Beyträgen zu der Zeitschrift des Herrn Schiller vorgekommen. Ich habe noch mehreres zu einem Werke über Dante schon in Amsterdam ausgearbeitet, wo mir ein Zufall die Bücher dazu verschaffte. Fast war es meinen Wünschen entgegen, diese Stücke so fragmentarisch erscheinen zu lassen: ich wollte alles bis auf die Vollendung des ganzen Werkes verschieben. Indessen hat mir die Bekanntmachung meiner Arbeit eine so freundschaftliche Aufmunterung von Herder verschafft, daß Sie mich unmöglich gereuen kann.
Bey meinem einstweiligen Aufenthalte hier erfahre ich viel zuvorkommende Güte von den hiesigen Gelehrten, besonders von H. Eschenburg, dessen ganze vortreffliche Bibliothek mir offen steht.
Gelehrte Neuigkeiten aus Holland wüßte ich Ihnen eben nicht zu melden: es ist jetzt, da alle Geister auf die politischen Vorfälle geheftet sind, wohl ärmer daran als je. [3] Herrn Wyttenbachs Plutarch wird fortgedruckt, aber langsam: wer darf sich schmeicheln, daß er die Vollendung des Werkes erleben werde? Nach der Probe, die er mir gezeigt, schien mir der Druck doch gar zu sehr mit Abbreviaturen überhäuft. Desto saubrer ist dagegen die Anthologie, welche H. Hieronymo de Bosch mit der Übersetzung des Hugo Grotius herausgiebt. Die Universität Leiden hat seit einiger Zeit sehr empfindlich gelitten: Theils durch den Tod mehrerer Gelehrten, und zuletzt noch des Mathematikers Nieuwland, dessen Andenken van Swinden durch eine Lobschrift geehrt hat, und dessen Stelle bey meiner Abreise aus Holland noch nicht wieder besetzt war; theils durch die Absetzung dreyer Professoren, und unter Ihnen des verdienstvollen Pestel, wegen ihrer politischen Denkart. Sie werden wissen, daß einer der Kuratoren, Lestevenon, zu den Häuptern der demokratischen Parthey gehört.
Ich weiß nicht, ob ich es wagen darf, einen Aufsatz meines jüngern Bruders über die Erziehung, Bildung und Lebensart der Griechischen Frauen (unter dem Titel: über die Diotima), in der Berliner Monathsschrift 7tes und 8tes Stück) Ihrer Aufmerksamkeit zu empfehlen. Ich wünschte recht [4] sehr Ihr Urtheil, und, wo möglich, ein günstiges darüber zu erfahren.
Ich habe die Ehre, mich Ihnen, Ihrer Frau Gemahlin und Mademoiselle Tochter auf das angelegentlichste zu empfehlen und bin mit jedem Gefühl der Hochachtung und Ehrerbietung,
mein Herr Hofrath
Ihr gehorsamster Diener
Aug. Wilhelm Schlegel
Wohnung: beym H. Professor
Neyron
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[1] Braunschweig d. 24 Sept. 1795
Werthester Herr Hofrath!
Meine Rückkehr in das Vaterland fodert mich von Neuem lebhafter auf, Ihnen ein Gefühl zu äußern, das durch die Weite oder Dauer meiner Entfernung nie im geringsten geschwächt werden konnte: das Gefühl von allem dem, was ich seit so vielen Jahren Ihrer Leitung, Ihrem Rathe und Ihrem Beystande verdanke. Mein Stillschweigen rührte nur daher, daß ich Ihnen nicht mit Briefen lästig fallen mochte, die an unterhaltenden Nachrichten nothwendig arm seyn mußten. Zugleich fühlte ich eine Art von Verlegenheit, in einem so langen Zeitraume keine einzige noch so kleine Probe von litterarischem Fleiße gegeben zu haben, welches mir doch durch meine Lage gänzlich unmöglich gemacht wurde.
Jetzt, da mich zwar nicht der Sturm der Revolution (denn diesen konnte ich als Zuschauer für meine Person sehr unbesorgt abwarten) wieder nach Teutschland zurückgetrieben, aber da doch die Umstände der Zeit meinen dortigen Verhältnissen in mancher Hinsicht eine andere Wendung gegeben, [2] und mich bewogen haben, sie früher aufzuheben, jetzt kehre ich mit doppeltem Eifer und ungetheilter Muße zu den Wissenschaften zurück, die in Holland meine liebste und fast meine einzige Erhohlung ausmachten. Meine Absicht ist, mich fürs erste ganz eignen litterarischen Arbeiten zu widmen. Vielleicht ist Ihnen etwas von meinen Beyträgen zu der Zeitschrift des Herrn Schiller vorgekommen. Ich habe noch mehreres zu einem Werke über Dante schon in Amsterdam ausgearbeitet, wo mir ein Zufall die Bücher dazu verschaffte. Fast war es meinen Wünschen entgegen, diese Stücke so fragmentarisch erscheinen zu lassen: ich wollte alles bis auf die Vollendung des ganzen Werkes verschieben. Indessen hat mir die Bekanntmachung meiner Arbeit eine so freundschaftliche Aufmunterung von Herder verschafft, daß Sie mich unmöglich gereuen kann.
Bey meinem einstweiligen Aufenthalte hier erfahre ich viel zuvorkommende Güte von den hiesigen Gelehrten, besonders von H. Eschenburg, dessen ganze vortreffliche Bibliothek mir offen steht.
Gelehrte Neuigkeiten aus Holland wüßte ich Ihnen eben nicht zu melden: es ist jetzt, da alle Geister auf die politischen Vorfälle geheftet sind, wohl ärmer daran als je. [3] Herrn Wyttenbachs Plutarch wird fortgedruckt, aber langsam: wer darf sich schmeicheln, daß er die Vollendung des Werkes erleben werde? Nach der Probe, die er mir gezeigt, schien mir der Druck doch gar zu sehr mit Abbreviaturen überhäuft. Desto saubrer ist dagegen die Anthologie, welche H. Hieronymo de Bosch mit der Übersetzung des Hugo Grotius herausgiebt. Die Universität Leiden hat seit einiger Zeit sehr empfindlich gelitten: Theils durch den Tod mehrerer Gelehrten, und zuletzt noch des Mathematikers Nieuwland, dessen Andenken van Swinden durch eine Lobschrift geehrt hat, und dessen Stelle bey meiner Abreise aus Holland noch nicht wieder besetzt war; theils durch die Absetzung dreyer Professoren, und unter Ihnen des verdienstvollen Pestel, wegen ihrer politischen Denkart. Sie werden wissen, daß einer der Kuratoren, Lestevenon, zu den Häuptern der demokratischen Parthey gehört.
Ich weiß nicht, ob ich es wagen darf, einen Aufsatz meines jüngern Bruders über die Erziehung, Bildung und Lebensart der Griechischen Frauen (unter dem Titel: über die Diotima), in der Berliner Monathsschrift 7tes und 8tes Stück) Ihrer Aufmerksamkeit zu empfehlen. Ich wünschte recht [4] sehr Ihr Urtheil, und, wo möglich, ein günstiges darüber zu erfahren.
Ich habe die Ehre, mich Ihnen, Ihrer Frau Gemahlin und Mademoiselle Tochter auf das angelegentlichste zu empfehlen und bin mit jedem Gefühl der Hochachtung und Ehrerbietung,
mein Herr Hofrath
Ihr gehorsamster Diener
Aug. Wilhelm Schlegel
Wohnung: beym H. Professor
Neyron
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