• Felix Theodor von Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Unknown · Date: 23.11.1822
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Felix Theodor von Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 23.11.1822
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 405‒406.
  • Incipit: „[1] Seltsamer Weise habe ich auf den Brief welchen ich von Cölln aus nach Hause schrieb noch immer keine Antwort, meine [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33958
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.13,Nr.19
  • Number of Pages: 2S., hs. m. U.
  • Format: 25,5 x 21,3 cm
    Language
  • German
[1] Seltsamer Weise habe ich auf den Brief welchen ich von Cölln aus nach Hause schrieb noch immer keine Antwort, meine neuesten Briefe sind vom 18ten September datirt. Die Erlaubniß den Winter in Bonn zuzubringen, würde nun wohl auf jeden Fall zu späth kommen, und ich muß daher darauf verzichten.
Allerdings hätte ich Ihnen schon früher schreiben sollen, um Sie von meinem Thun und Treiben zu benachrichtigen, wofür Sie sich so gütig interessiren, allein zum Theil hatte ich sehr vieles Nothwendige zu besorgen, zum Theil wollte ich aber auch noch abwarten ob ich nicht selbst anstat eines Briefes kommen könnte.
Auf meiner Reise hielt ich mich länger in Brüssel auf als anfänglich meine Absicht war; denn obgleich jener Ort an Gebäuden und Kunstsammlungen verhältnißmäßig nur wenig reel merkwürdiges aufzuweisen hat, war mir doch das Wesen einer großen französischen Stadt etwas ganz Neues, und sehr anziehendes. Auch ein französisches Theater, das ich bisher nur in der höchsten Unvollkommenheit kannte mußte mir interessant sein; das war es auch, aber bis auf das Lustspiel, eben nicht erfreulich; am aller wenigsten befriedigte mich die Oper.
Diese Verzögerung nöthigte mich meine Rückreise um desto schneller zu machen; ich reiste fast ohne auszusteigen bis Frankfurt, und fuhr denn auch bey Nacht und Nebel durch Bonn, wo mich meine Eile sehr gereuete.
Jetzt lebe ich hier in der größten Ruhe und Zurückgezogenheit fast beständig in meinem Zimmer, denn die Gegend, obgleich sie unendlich schön ist, kenne ich nun doch schon zu genau als daß sie mich bey dem schlechten Wetter ins Freie lockte. Von Zeit zu Zeit aber selten, fahre ich einmal nach Mannheim.
[2] Meine Arbeiten, die ich jetzt wieder fleißig fortsetze, beziehen sich zum Theil auf die kriegerischen Plane, die Sie kennen, zum Theil aber auch auf einen allgemeinen Kreiß von Kenntnissen. Unter anderem habe ich mich auf ein gründliches Studium des Tacitus gelegt, und bin bemüht meine Kenntniß der französischen Litteratur zu vervollständigen, ich muß aber gestehen, daß diese letztere Arbeit mir nur theilweise Genuß gewährt.
Unendlichen Dank bin ich Ihnen schuldig für die Briefe welche sie so gütig waren mir nach Cölln mitzugeben, die mir so angenehme Bekanntschaften, und die Möglichkeit verschafften manches zu sehen, was mir sonst verschlossen geblieben wäre. Haxthausen habe ich seitdem auf seiner Durchreise nach der Schweitz gesehen, und er sagte mir damals, daß er bis zum 20sten zurück sein müßte. Nun war er aber Spuhrloß verschwunden, und kam zur festgesetzten Zeit nicht wieder, und eine Nachricht die glaublich schien, meldete er sey nach Verona gereist, bis er gestern Abend ganz urplötzlich wieder da war.
Daß die Correspondenz mit meinen Eltern ärgerlich langsam geht, ist wohl natürlich, meine Mutter scheint nicht immer wohl, mitunter übler Laune zu sein, da ist bey ihrem reitzbaren Zustande wohl nicht an litterärische Arbeiten zu denken; obgleich ich in keinem Briefe unterlasse an Flore und Blanscheflur zu erinnern, enthält doch keine Antwort etwas darüber. Mehr wundert es mich daß der Onckle Friedrich mich auch in der vollkommensten Ungewißheit darüber läßt; ich weiß gar nicht was daraus geworden ist.
Im Falle Ihre Frau Nichte sich noch in Bonn aufhalten sollte, ersuche ich Sie verehrter Freund, mich ihr zu empfehlen, indem ich die Bitte hinzufüge, zuweilen zu gedenken
Ihres ergebenen Freundes
F.[elix] v. Knorring.
Heidelberg,
d. 23sten
Nov. 1822.
[1] Seltsamer Weise habe ich auf den Brief welchen ich von Cölln aus nach Hause schrieb noch immer keine Antwort, meine neuesten Briefe sind vom 18ten September datirt. Die Erlaubniß den Winter in Bonn zuzubringen, würde nun wohl auf jeden Fall zu späth kommen, und ich muß daher darauf verzichten.
Allerdings hätte ich Ihnen schon früher schreiben sollen, um Sie von meinem Thun und Treiben zu benachrichtigen, wofür Sie sich so gütig interessiren, allein zum Theil hatte ich sehr vieles Nothwendige zu besorgen, zum Theil wollte ich aber auch noch abwarten ob ich nicht selbst anstat eines Briefes kommen könnte.
Auf meiner Reise hielt ich mich länger in Brüssel auf als anfänglich meine Absicht war; denn obgleich jener Ort an Gebäuden und Kunstsammlungen verhältnißmäßig nur wenig reel merkwürdiges aufzuweisen hat, war mir doch das Wesen einer großen französischen Stadt etwas ganz Neues, und sehr anziehendes. Auch ein französisches Theater, das ich bisher nur in der höchsten Unvollkommenheit kannte mußte mir interessant sein; das war es auch, aber bis auf das Lustspiel, eben nicht erfreulich; am aller wenigsten befriedigte mich die Oper.
Diese Verzögerung nöthigte mich meine Rückreise um desto schneller zu machen; ich reiste fast ohne auszusteigen bis Frankfurt, und fuhr denn auch bey Nacht und Nebel durch Bonn, wo mich meine Eile sehr gereuete.
Jetzt lebe ich hier in der größten Ruhe und Zurückgezogenheit fast beständig in meinem Zimmer, denn die Gegend, obgleich sie unendlich schön ist, kenne ich nun doch schon zu genau als daß sie mich bey dem schlechten Wetter ins Freie lockte. Von Zeit zu Zeit aber selten, fahre ich einmal nach Mannheim.
[2] Meine Arbeiten, die ich jetzt wieder fleißig fortsetze, beziehen sich zum Theil auf die kriegerischen Plane, die Sie kennen, zum Theil aber auch auf einen allgemeinen Kreiß von Kenntnissen. Unter anderem habe ich mich auf ein gründliches Studium des Tacitus gelegt, und bin bemüht meine Kenntniß der französischen Litteratur zu vervollständigen, ich muß aber gestehen, daß diese letztere Arbeit mir nur theilweise Genuß gewährt.
Unendlichen Dank bin ich Ihnen schuldig für die Briefe welche sie so gütig waren mir nach Cölln mitzugeben, die mir so angenehme Bekanntschaften, und die Möglichkeit verschafften manches zu sehen, was mir sonst verschlossen geblieben wäre. Haxthausen habe ich seitdem auf seiner Durchreise nach der Schweitz gesehen, und er sagte mir damals, daß er bis zum 20sten zurück sein müßte. Nun war er aber Spuhrloß verschwunden, und kam zur festgesetzten Zeit nicht wieder, und eine Nachricht die glaublich schien, meldete er sey nach Verona gereist, bis er gestern Abend ganz urplötzlich wieder da war.
Daß die Correspondenz mit meinen Eltern ärgerlich langsam geht, ist wohl natürlich, meine Mutter scheint nicht immer wohl, mitunter übler Laune zu sein, da ist bey ihrem reitzbaren Zustande wohl nicht an litterärische Arbeiten zu denken; obgleich ich in keinem Briefe unterlasse an Flore und Blanscheflur zu erinnern, enthält doch keine Antwort etwas darüber. Mehr wundert es mich daß der Onckle Friedrich mich auch in der vollkommensten Ungewißheit darüber läßt; ich weiß gar nicht was daraus geworden ist.
Im Falle Ihre Frau Nichte sich noch in Bonn aufhalten sollte, ersuche ich Sie verehrter Freund, mich ihr zu empfehlen, indem ich die Bitte hinzufüge, zuweilen zu gedenken
Ihres ergebenen Freundes
F.[elix] v. Knorring.
Heidelberg,
d. 23sten
Nov. 1822.
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