• August Wilhelm von Schlegel to Helmina von Chézy

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Paris · Date: 10.07.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
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    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Helmina von Chézy
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 10.07.1807
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 205‒207.
  • Incipit: „[1] Coppet d. 10t Jul 1807
    Ich muß Sie um Nachsicht bitten, meine liebe kleine Freundin, ich bin überhaupt ein schlechter Briefsteller, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Biblioteka Jagiellońska, Krakau
    Language
  • German
[1] Coppet d. 10t Jul 1807
Ich muß Sie um Nachsicht bitten, meine liebe kleine Freundin, ich bin überhaupt ein schlechter Briefsteller, und habe jetzt besonders viele Abhaltungen und Zerstreuungen gehabt. Es ist freundlich von Ihnen, daß Sie an meinen Bruder gedacht haben, ich habe ihm sogleich Ihren Brief zugeschickt, aber nicht für gut gefunden meine Freundin zu vorläufigen Schritten zu bewegen, bis ich erst meines Bruders Gesinnung darüber wußte. Geht er darauf ein, so wird es ja wohl noch zeitig genug seyn. Unterdessen kann es nicht schaden, wenn Hr. Chezy Gelegenheit findet, seinen Namen hiebey in Anregung zu bringen. Mit Hagemann haben Sie gewiß sehr Recht, es ist ein widerwärtiger Mensch. – Vielleicht bleibt auch die ganze Gesandtschaft unterwegs, wenn sich die Lage der Sachen in der Türkey geändert hat.
Die Beschreibung der Gallerie Giustiniani habe ich mit Vergnügen gelesen, und sie hierauf nach Weimar geschickt. Über die Gemählde, deren ich mich erinnere, bin ich mit Ihnen ganz einverstanden, doch möchte ich die Gallerie gern noch einmal und ruhiger sehen. Über die Verirrung, welche durch die Vertiefung in ein zutrauliches Gespräch [2] verursacht wurde, war ich nie verdrießlich, sondern sie war mir vielmehr sehr schmeichelhaft. – Ihr Anwary ist leicht und anmuthig, ich wüßte daran nichts auszusetzen als einzelne Nachläßigkeiten in Sprache und Versbau, die ich Ihnen aber nur mündlich aus einander setzen könnte. Solche ausländische Wörter wie Kassoletten und Kollyrus kann ich unmöglich durchgehen lassen, aber die orientalischen Farben dürften hie und da stärker aufgetragen seyn. Bitten Sie Chezy zu diesem Zweck immer so wörtlich als möglich zu übersetzen, wenn es auch unfranzösisch ist. Auch das Wort Genie nehmen Sie ja weg, ich mag es nicht einmal in Prosa. Wenn Sie meine einzelnen grammatischen Anmerkungen wollen, so schicke ich sie mit nächstem Briefe.
Sie haben gewiß ein ausgezeichnetes Talent zum Dichten, aber Sie müssen es sich nur selbst schwer machen, und nicht zu flüchtig überhin gleiten.
Ihren zweyten Band über Paris habe ich noch nicht empfangen. Sie klagen über Druckfehler, – liebes artiges Kind, wie soll es anders zugehn, da Sie so gar undeutlich kritzeln? Habe ich doch selbst, wessen der Wunderteppich in der 9ten Strophe ist, und manches andre nicht herausbringen können.
Was soll ich Ihnen nur von meinen Schriften sagen? Die älteren Sachen in Prosa und Versen einzeln und mit denen meines Bruders zusammen [3] gedruckt, kennen Sie ja wohl längst; seit drey Jahren ist wenig von mir erschienen. Ein paar Aufsätze in der Allg. Jenaischen Lit. Zeitung, einer und ein Gedicht im Damenkalender, eine einzeln gedruckte Elegie über Rom. Sind Ihnen die Blumensträuße, eine Sammlung Gedichte aus dem Italiänischen und Spanischen, bekannt? Koreff hat sie, so wie vieles andre von mir.
Erzählen Sie mir doch von Fräulein von Winkel, ich interessire mich für sie und ihre schönen Kunsttalente. Wann denkt sie nach Italien zu gehen? Sie ist auf einem sehr guten Wege, da sie sich auf das Copiren der alten ächten Meister legt. Der Sinn dafür erwacht jetzt wieder, und dieß wird bald sehr gesucht werden. Die Magdalena in Correggioʼs heil. Hieronymus ist entzückend verführerisch, aber der alte Hieronymus ist wunderlich gestellt und gedreht und fast Rubensisch. Warum hat Frl. von Winkel nicht lieber Raphaels heil. Caecilia zu copiren gewählt, vielleicht dasjenige unter seinen Gemählden, worin seine männliche Kunstvollendung mit der jugendlichen Frömmigkeit am glücklichsten vereinigt ist?
Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihren wackern Chezy, und erfreuen Sie mich bald einmal wieder mit einer freundlichen Zuschrift.
Ihr
A. W. S.
[1] Coppet d. 10t Jul 1807
Ich muß Sie um Nachsicht bitten, meine liebe kleine Freundin, ich bin überhaupt ein schlechter Briefsteller, und habe jetzt besonders viele Abhaltungen und Zerstreuungen gehabt. Es ist freundlich von Ihnen, daß Sie an meinen Bruder gedacht haben, ich habe ihm sogleich Ihren Brief zugeschickt, aber nicht für gut gefunden meine Freundin zu vorläufigen Schritten zu bewegen, bis ich erst meines Bruders Gesinnung darüber wußte. Geht er darauf ein, so wird es ja wohl noch zeitig genug seyn. Unterdessen kann es nicht schaden, wenn Hr. Chezy Gelegenheit findet, seinen Namen hiebey in Anregung zu bringen. Mit Hagemann haben Sie gewiß sehr Recht, es ist ein widerwärtiger Mensch. – Vielleicht bleibt auch die ganze Gesandtschaft unterwegs, wenn sich die Lage der Sachen in der Türkey geändert hat.
Die Beschreibung der Gallerie Giustiniani habe ich mit Vergnügen gelesen, und sie hierauf nach Weimar geschickt. Über die Gemählde, deren ich mich erinnere, bin ich mit Ihnen ganz einverstanden, doch möchte ich die Gallerie gern noch einmal und ruhiger sehen. Über die Verirrung, welche durch die Vertiefung in ein zutrauliches Gespräch [2] verursacht wurde, war ich nie verdrießlich, sondern sie war mir vielmehr sehr schmeichelhaft. – Ihr Anwary ist leicht und anmuthig, ich wüßte daran nichts auszusetzen als einzelne Nachläßigkeiten in Sprache und Versbau, die ich Ihnen aber nur mündlich aus einander setzen könnte. Solche ausländische Wörter wie Kassoletten und Kollyrus kann ich unmöglich durchgehen lassen, aber die orientalischen Farben dürften hie und da stärker aufgetragen seyn. Bitten Sie Chezy zu diesem Zweck immer so wörtlich als möglich zu übersetzen, wenn es auch unfranzösisch ist. Auch das Wort Genie nehmen Sie ja weg, ich mag es nicht einmal in Prosa. Wenn Sie meine einzelnen grammatischen Anmerkungen wollen, so schicke ich sie mit nächstem Briefe.
Sie haben gewiß ein ausgezeichnetes Talent zum Dichten, aber Sie müssen es sich nur selbst schwer machen, und nicht zu flüchtig überhin gleiten.
Ihren zweyten Band über Paris habe ich noch nicht empfangen. Sie klagen über Druckfehler, – liebes artiges Kind, wie soll es anders zugehn, da Sie so gar undeutlich kritzeln? Habe ich doch selbst, wessen der Wunderteppich in der 9ten Strophe ist, und manches andre nicht herausbringen können.
Was soll ich Ihnen nur von meinen Schriften sagen? Die älteren Sachen in Prosa und Versen einzeln und mit denen meines Bruders zusammen [3] gedruckt, kennen Sie ja wohl längst; seit drey Jahren ist wenig von mir erschienen. Ein paar Aufsätze in der Allg. Jenaischen Lit. Zeitung, einer und ein Gedicht im Damenkalender, eine einzeln gedruckte Elegie über Rom. Sind Ihnen die Blumensträuße, eine Sammlung Gedichte aus dem Italiänischen und Spanischen, bekannt? Koreff hat sie, so wie vieles andre von mir.
Erzählen Sie mir doch von Fräulein von Winkel, ich interessire mich für sie und ihre schönen Kunsttalente. Wann denkt sie nach Italien zu gehen? Sie ist auf einem sehr guten Wege, da sie sich auf das Copiren der alten ächten Meister legt. Der Sinn dafür erwacht jetzt wieder, und dieß wird bald sehr gesucht werden. Die Magdalena in Correggioʼs heil. Hieronymus ist entzückend verführerisch, aber der alte Hieronymus ist wunderlich gestellt und gedreht und fast Rubensisch. Warum hat Frl. von Winkel nicht lieber Raphaels heil. Caecilia zu copiren gewählt, vielleicht dasjenige unter seinen Gemählden, worin seine männliche Kunstvollendung mit der jugendlichen Frömmigkeit am glücklichsten vereinigt ist?
Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihren wackern Chezy, und erfreuen Sie mich bald einmal wieder mit einer freundlichen Zuschrift.
Ihr
A. W. S.
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