• August Wilhelm von Schlegel to Johanna Christiane Erdmuthe Schlegel

  • Place of Dispatch: Genf · Place of Destination: Hannover · Date: 13.12.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Johanna Christiane Erdmuthe Schlegel
  • Place of Dispatch: Genf
  • Place of Destination: Hannover
  • Date: 13.12.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 262‒263.
  • Incipit: „[1] Genf d. 13ten Dec. 1810
    Theuerste Mutter!
    Mit wahrer Freude habe ich Ihren Brief empfangen, worin Sie mir Ihre mütterlichen Gesinnungen so [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-36881
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.21,Nr.67
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 11,5 cm
    Language
  • German
[1] Genf d. 13ten Dec. 1810
Theuerste Mutter!
Mit wahrer Freude habe ich Ihren Brief empfangen, worin Sie mir Ihre mütterlichen Gesinnungen so herzlich ausdrücken. Vor allen Dingen freut es mich, daß Ihr Befinden gut ist: möge es der Himmel lange so erhalten! Pflegen Sie ja Ihre Gesundheit sorgfältig, und entziehen Sie sich nichts, was durch die lange Gewohnheit zum Bedürfniß geworden ist, wenn schon die Preise dieser Dinge sehr gestiegen sind. Es ist ja bis jetzt Rath dazu geworden dieß zu bestreiten, und hoffentlich wird ja auch künftig Rath geschafft werden können. Ehe die Carln übermachte Summe zu Ende ist, kann ich zuverläßig auf weiter hinaus sorgen. Wir wollen uns der Vorsehung anvertrauen, die uns bis jetzt unter den Stürmen dieser verwirrten Zeit noch nicht verlassen hat. In einsamen Stunden gewährt die Beschäftigung mit solchen Gedanken dem Gemüth die beste Stärkung und Erhebung; Gesellschaft ist aber jetzt auch zur Aufheiterung doppelt nöthig, und Sie müssen sich ihr nicht entziehen.
[2] Sie haben Recht über Friedrichs Stillschweigen zu klagen. Indessen er ist überhaupt kein fleißiger Briefschreiber: wie wohl wir uns sehr vieles zu sagen hätten, habe ich seit dem Frühlinge erst ganz vor kurzem wieder einen Brief von ihm gehabt. Was aber gewiß zu seiner Versäumniß in Ansehung Ihrer beyträgt, ist daß er sich ängstigt, nicht wie die übrigen Geschwister etwas thun zu können, um Ihre jetzige Lage zu erleichtern; er hat selbst noch zu sehr mit häuslichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er muß sich Hausgeräth anschaffen, und hat es schon zum Theil gethan, weil das Miethen in einer großen Stadt gar zu sehr ins Geld läuft. Dazu kommt der entsetzliche Fall des östreichischen Papiergeldes, welches jetzt auswärts nur noch auf den zehnten Theil seines Werthes steht. Freylich hat dieß nicht einen verhältnißmäßigen Einfluß auf den Preis der täglichen Bedürfnisse, indessen wird doch dadurch der wahre Werth seines Gehalts beträchtlich vermindert. Seine Vorlesungen in vorigem Winter haben ihm eine bedeutende Summe eingetragen, aber in Papier, welches nun unter den Händen zusammenschmilzt. Wenn er auswärts drucken läßt, so wird es ihm in baarem Gelde bezahlt, und das wird auf jeden Fall für ihn eine [3] vortreffliche Hilfsquelle seyn. Übrigens bin ich von dieser Seite ziemlich außer Sorgen, wenn nur sein Befinden vollkommen gut wäre. Allein er klagt schon seit geraumer Zeit; es sind, wie ich glaube Magenübel, die von Mangel an Bewegung herrühren. Im Herbst hat er noch Bäder gebraucht, die ihm sehr wohl gethan haben.
Ich meinestheils bin vollkommen wohl, ich denke den Winter viel zu reiten, und das ist ein herrliches Erhaltungsmittel. Seit etwa drey Wochen sind wir in der Stadt, wo die Gesellschaft sich nun auch vom Lande allmählich zusammenfindet. Dieser Aufenthalt ist mir nicht eben der liebste; ich kenne schon alles, und kann eben keine sehr angenehmen Bekanntschaften erwarten. Es sind einige Deutsche hier, unter andern ein Graf Platen mit seiner Gemahlin, einer gebohrnen Gräfin von Hardenberg. Es sind gute Leute, aber weder unterhaltend noch geistreich. In kurzem werde ich auf eine Woche nach Bern gehen, das ist mir eine angenehme Zerstreuung; nachher vermuthlich nach Lausanne, so vertheilt sich der Winter, und auf weiter hinaus denke ich noch nicht.
Übrigens habe ich immer viel litterarische Beschäftigungen. Vor kurzem habe ich die letzte Hand an den dritten Band meiner Vor[4]lesungen gelegt, der ziemlich stark angewachsen ist. Ein übersetztes Stück von Shakspeare erscheint jetzt eben auch im Druck, und auf den Frühling eine neue sehr vermehrte Ausgabe meiner Gedichte. An Gelehrten Zeitungen nehme ich auch Theil. Die Vorlesungen haben, ungeachtet der schlimmen Zeiten für den Buchhandel, ein entschiednes Glück gemacht. Meine Beschäftigungen mit der Litteratur verursachen mir freylich auch Auslagen. Um mich im Gange mit der Zeit zu erhalten, muß ich die wichtigsten neuen Erscheinungen in meinem Fache lesen, und dazu ist nun kein andres Mittel, als sie auf meine eigne Kosten zu verschreiben. Leben Sie recht wohl, theuerste Mutter, und lassen Sie mich bald wieder gute Nachrichten von Ihnen hören, die mir immer das schönste Fest gewähren. Mit den kindlichsten Gesinnungen Ihr gehorsamer Sohn
A. W. S.
Hr. von Ramdohr ist allerdings ein sehr unterrichteter Mann, wiewohl er als Schriftsteller niemals viel Glück gemacht hat. Er brachte noch wohl einige alte Vorurtheile gegen mich mit, von gewissen litterarischen Neckereyen die nicht einmal von mir herrühren, und da ist ihm denn meine verbindliche Aufnahme doppelt aufgefallen.
[1] Genf d. 13ten Dec. 1810
Theuerste Mutter!
Mit wahrer Freude habe ich Ihren Brief empfangen, worin Sie mir Ihre mütterlichen Gesinnungen so herzlich ausdrücken. Vor allen Dingen freut es mich, daß Ihr Befinden gut ist: möge es der Himmel lange so erhalten! Pflegen Sie ja Ihre Gesundheit sorgfältig, und entziehen Sie sich nichts, was durch die lange Gewohnheit zum Bedürfniß geworden ist, wenn schon die Preise dieser Dinge sehr gestiegen sind. Es ist ja bis jetzt Rath dazu geworden dieß zu bestreiten, und hoffentlich wird ja auch künftig Rath geschafft werden können. Ehe die Carln übermachte Summe zu Ende ist, kann ich zuverläßig auf weiter hinaus sorgen. Wir wollen uns der Vorsehung anvertrauen, die uns bis jetzt unter den Stürmen dieser verwirrten Zeit noch nicht verlassen hat. In einsamen Stunden gewährt die Beschäftigung mit solchen Gedanken dem Gemüth die beste Stärkung und Erhebung; Gesellschaft ist aber jetzt auch zur Aufheiterung doppelt nöthig, und Sie müssen sich ihr nicht entziehen.
[2] Sie haben Recht über Friedrichs Stillschweigen zu klagen. Indessen er ist überhaupt kein fleißiger Briefschreiber: wie wohl wir uns sehr vieles zu sagen hätten, habe ich seit dem Frühlinge erst ganz vor kurzem wieder einen Brief von ihm gehabt. Was aber gewiß zu seiner Versäumniß in Ansehung Ihrer beyträgt, ist daß er sich ängstigt, nicht wie die übrigen Geschwister etwas thun zu können, um Ihre jetzige Lage zu erleichtern; er hat selbst noch zu sehr mit häuslichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er muß sich Hausgeräth anschaffen, und hat es schon zum Theil gethan, weil das Miethen in einer großen Stadt gar zu sehr ins Geld läuft. Dazu kommt der entsetzliche Fall des östreichischen Papiergeldes, welches jetzt auswärts nur noch auf den zehnten Theil seines Werthes steht. Freylich hat dieß nicht einen verhältnißmäßigen Einfluß auf den Preis der täglichen Bedürfnisse, indessen wird doch dadurch der wahre Werth seines Gehalts beträchtlich vermindert. Seine Vorlesungen in vorigem Winter haben ihm eine bedeutende Summe eingetragen, aber in Papier, welches nun unter den Händen zusammenschmilzt. Wenn er auswärts drucken läßt, so wird es ihm in baarem Gelde bezahlt, und das wird auf jeden Fall für ihn eine [3] vortreffliche Hilfsquelle seyn. Übrigens bin ich von dieser Seite ziemlich außer Sorgen, wenn nur sein Befinden vollkommen gut wäre. Allein er klagt schon seit geraumer Zeit; es sind, wie ich glaube Magenübel, die von Mangel an Bewegung herrühren. Im Herbst hat er noch Bäder gebraucht, die ihm sehr wohl gethan haben.
Ich meinestheils bin vollkommen wohl, ich denke den Winter viel zu reiten, und das ist ein herrliches Erhaltungsmittel. Seit etwa drey Wochen sind wir in der Stadt, wo die Gesellschaft sich nun auch vom Lande allmählich zusammenfindet. Dieser Aufenthalt ist mir nicht eben der liebste; ich kenne schon alles, und kann eben keine sehr angenehmen Bekanntschaften erwarten. Es sind einige Deutsche hier, unter andern ein Graf Platen mit seiner Gemahlin, einer gebohrnen Gräfin von Hardenberg. Es sind gute Leute, aber weder unterhaltend noch geistreich. In kurzem werde ich auf eine Woche nach Bern gehen, das ist mir eine angenehme Zerstreuung; nachher vermuthlich nach Lausanne, so vertheilt sich der Winter, und auf weiter hinaus denke ich noch nicht.
Übrigens habe ich immer viel litterarische Beschäftigungen. Vor kurzem habe ich die letzte Hand an den dritten Band meiner Vor[4]lesungen gelegt, der ziemlich stark angewachsen ist. Ein übersetztes Stück von Shakspeare erscheint jetzt eben auch im Druck, und auf den Frühling eine neue sehr vermehrte Ausgabe meiner Gedichte. An Gelehrten Zeitungen nehme ich auch Theil. Die Vorlesungen haben, ungeachtet der schlimmen Zeiten für den Buchhandel, ein entschiednes Glück gemacht. Meine Beschäftigungen mit der Litteratur verursachen mir freylich auch Auslagen. Um mich im Gange mit der Zeit zu erhalten, muß ich die wichtigsten neuen Erscheinungen in meinem Fache lesen, und dazu ist nun kein andres Mittel, als sie auf meine eigne Kosten zu verschreiben. Leben Sie recht wohl, theuerste Mutter, und lassen Sie mich bald wieder gute Nachrichten von Ihnen hören, die mir immer das schönste Fest gewähren. Mit den kindlichsten Gesinnungen Ihr gehorsamer Sohn
A. W. S.
Hr. von Ramdohr ist allerdings ein sehr unterrichteter Mann, wiewohl er als Schriftsteller niemals viel Glück gemacht hat. Er brachte noch wohl einige alte Vorurtheile gegen mich mit, von gewissen litterarischen Neckereyen die nicht einmal von mir herrühren, und da ist ihm denn meine verbindliche Aufnahme doppelt aufgefallen.
×
×