• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Wilken

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Unknown · Date: 13.12.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Wilken
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 13.12.1811
    Printed Text
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 270‒271.
  • Incipit: „[1] Coppet d. 13ten Dec 1811
    Hochgeehrtester Herr Professor!
    Ew. Wohlgeb. erhalten hiebey die Anzeige der neuen Ausgabe von Winkelmanns Werken. Sie ist [...]“
    Manuscript
  • Provider: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
  • OAI Id: DE-611-37212
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.8,Nr.74(2)
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,2 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] Coppet d. 13ten Dec 1811
Hochgeehrtester Herr Professor!
Ew. Wohlgeb. erhalten hiebey die Anzeige der neuen Ausgabe von Winkelmanns Werken. Sie ist wieder weitläuftig ausgefallen, der Umfang der Schriften und die Wichtigkeit des Schriftstellers schien mir dieß zu rechtfertigen. Ich hoffe, man wird es der Arbeit nicht allzu sehr ansehen, daß sie auf dem Lande, entfernt von Kunst- und Kupferstichwerken, und ohne andre Hülfsmittel als meine Bibliothek geschrieben ist.
Über meine, wie ich glaube, neue Ansicht von den Pelasgern möchte ich wohl Ihre Meynung wissen.
Jetzt will ich in den mit Ihren Vorgängern gewechselten Briefen nachsehn, was noch von früher versprochenen Recensionen rückständig ist, wobey ich mich kürzer werde fassen können.
Aufs neue übernehme ich nach dem mir in Ew. W.[ohlgebohren] Namen von HE. Zimmer gethanen Vorschlage:
Grimm altd. Meistergesang
Hagen Heldenbuch 1 B.
Hagen u. Büsching Grundriß der Geschichte der altdeutschen Poesie.
Wenn der 2te Band des Museums für altd. Litter. noch nicht vertheilt ist, so würde ich [2] ihn ebenfalls gern mit jenen verbinden.
Sehr begierig bin ich auf E. W.[ohlgebohren] Beurtheilung der Vorlesungen meines Bruders, die überall viel Eindruck zu machen scheinen.
Erlauben Sie mir als einem Leser der H.[eidelbergischen] J[ahr]b.[ücher] einige Bemerkungen und Wünsche zu äußern.
Das der Histoire des republiques Italiennes von Simonde ertheilte Lob schien mir etwas übertrieben. Das Werk ist allerdings gründlich aus den Quellen geschöpft, aber die Darstellung wenig anziehend, und der Plan fehlerhaft, wegen Mangel an innerer Einheit. Seine politischen Grundsätze sind gut gemeynt, aber wahrlich nicht tief gedacht. Es ist recht löblich, die Freyheit zu empfehlen, aber was für eine hat er im Kopfe? Municipal-Republicanismus, der ohne ein föderatives Band, oder Anschließen an eine von außen gegebene Einheit nicht bestehn konnte. Ich kenne den V[er]f.[asser] persönlich genau, und habe ihm oft gesagt, er sey mir weder guelfisch noch gibellinisch genug gesinnt. Wie kann man so schlechtes Deutsch schreiben wie der Vf. von Nr. 31 u. f. dieses Jahres, und sich mit der Beurtheilung sogenannter aesthetischer Schriften befassen? Die Kritik sollte wohl in der guten Schreibart mit ihrem Muster vorgehen.
[3] Ich vermisse immer noch die Anzeige von einigen der wichtigsten Erscheinungen, z. B. von Goetheʼs Farbenlehre, einem Werke das, wie mich dünkt, Epoche macht. Adam Müllerʼs politische Schriften. Von Baaders kleinen Schriften ist auch nicht die Rede gewesen, und doch ist er gewiß einer unsrer tiefsten Denker. Von Schuberts Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft pp. Dagegen scheint der alte nachbetende Kantianismus, den wir längst selig entschlafen glaubten, hier und da sein Haupt wieder erheben zu wollen.
Unter den ausländischen Erscheinungen würde ich besonders Cuviers offiziellen Bericht über die Fortschritte der physicalischen Wissenschaften zur Anzeige empfehlen. Es könnte dabey die ganze Streitfrage zwischen der deutschen und französischen Naturforschung zur Sprache gebracht werden.
Ich bitte Sie, diese hingeworfenen Erinnerungen nur als einen Beweis meiner Theilnahme an dem guten Fortgange Ihrer Zeitschrift anzusehen, und der ausgezeichneten Hochachtung versichert zu seyn, womit ich
bin Ew. Wohlg.
ergebenster
A. W. Schlegel
[4]
[1] Coppet d. 13ten Dec 1811
Hochgeehrtester Herr Professor!
Ew. Wohlgeb. erhalten hiebey die Anzeige der neuen Ausgabe von Winkelmanns Werken. Sie ist wieder weitläuftig ausgefallen, der Umfang der Schriften und die Wichtigkeit des Schriftstellers schien mir dieß zu rechtfertigen. Ich hoffe, man wird es der Arbeit nicht allzu sehr ansehen, daß sie auf dem Lande, entfernt von Kunst- und Kupferstichwerken, und ohne andre Hülfsmittel als meine Bibliothek geschrieben ist.
Über meine, wie ich glaube, neue Ansicht von den Pelasgern möchte ich wohl Ihre Meynung wissen.
Jetzt will ich in den mit Ihren Vorgängern gewechselten Briefen nachsehn, was noch von früher versprochenen Recensionen rückständig ist, wobey ich mich kürzer werde fassen können.
Aufs neue übernehme ich nach dem mir in Ew. W.[ohlgebohren] Namen von HE. Zimmer gethanen Vorschlage:
Grimm altd. Meistergesang
Hagen Heldenbuch 1 B.
Hagen u. Büsching Grundriß der Geschichte der altdeutschen Poesie.
Wenn der 2te Band des Museums für altd. Litter. noch nicht vertheilt ist, so würde ich [2] ihn ebenfalls gern mit jenen verbinden.
Sehr begierig bin ich auf E. W.[ohlgebohren] Beurtheilung der Vorlesungen meines Bruders, die überall viel Eindruck zu machen scheinen.
Erlauben Sie mir als einem Leser der H.[eidelbergischen] J[ahr]b.[ücher] einige Bemerkungen und Wünsche zu äußern.
Das der Histoire des republiques Italiennes von Simonde ertheilte Lob schien mir etwas übertrieben. Das Werk ist allerdings gründlich aus den Quellen geschöpft, aber die Darstellung wenig anziehend, und der Plan fehlerhaft, wegen Mangel an innerer Einheit. Seine politischen Grundsätze sind gut gemeynt, aber wahrlich nicht tief gedacht. Es ist recht löblich, die Freyheit zu empfehlen, aber was für eine hat er im Kopfe? Municipal-Republicanismus, der ohne ein föderatives Band, oder Anschließen an eine von außen gegebene Einheit nicht bestehn konnte. Ich kenne den V[er]f.[asser] persönlich genau, und habe ihm oft gesagt, er sey mir weder guelfisch noch gibellinisch genug gesinnt. Wie kann man so schlechtes Deutsch schreiben wie der Vf. von Nr. 31 u. f. dieses Jahres, und sich mit der Beurtheilung sogenannter aesthetischer Schriften befassen? Die Kritik sollte wohl in der guten Schreibart mit ihrem Muster vorgehen.
[3] Ich vermisse immer noch die Anzeige von einigen der wichtigsten Erscheinungen, z. B. von Goetheʼs Farbenlehre, einem Werke das, wie mich dünkt, Epoche macht. Adam Müllerʼs politische Schriften. Von Baaders kleinen Schriften ist auch nicht die Rede gewesen, und doch ist er gewiß einer unsrer tiefsten Denker. Von Schuberts Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft pp. Dagegen scheint der alte nachbetende Kantianismus, den wir längst selig entschlafen glaubten, hier und da sein Haupt wieder erheben zu wollen.
Unter den ausländischen Erscheinungen würde ich besonders Cuviers offiziellen Bericht über die Fortschritte der physicalischen Wissenschaften zur Anzeige empfehlen. Es könnte dabey die ganze Streitfrage zwischen der deutschen und französischen Naturforschung zur Sprache gebracht werden.
Ich bitte Sie, diese hingeworfenen Erinnerungen nur als einen Beweis meiner Theilnahme an dem guten Fortgange Ihrer Zeitschrift anzusehen, und der ausgezeichneten Hochachtung versichert zu seyn, womit ich
bin Ew. Wohlg.
ergebenster
A. W. Schlegel
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